Urteil des VG Freiburg vom 29.07.2015

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VG Freiburg Urteil vom 29.7.2015, 1 K 704/13
Leitsätze
1. Eines Widerspruchsverfahrens gegen die beamtenrechtliche Ernennung eines
Mitbewerbers bedarf es ausnahmsweise nicht, sofern sich der Dienstherr bereits in
einem vorausgegangenen Widerspruchsverfahren gegen die Mitteilung der
Auswahlentscheidung endgültig darauf festgelegt hat, das Rechtsschutzbegehren
abzulehnen.
2. Der Dienstherr verhindert effektiven Rechtsschutz des unterlegenen Bewerbers,
wenn er diesem zunächst zusagt, vor einer Ernennung des Konkurrenten über seinen
Widerspruch gegen die Mitteilung der Auswahlentscheidung zu entscheiden, und
sodann wenige Tage nach Erlass des Widerspruchsbescheids die Ernennung
vornimmt, ohne dem unterlegenen Bewerber zuvor die von diesem beantragte
Akteneinsicht zu gewähren. Der Grundsatz der Ämterstabilität steht in diesem Fall der
Zulässigkeit einer Klage gegen die Ernennung des Konkurrenten nicht entgegen.
3. Sofern der Dienstherr mehrere Bewerber um eine Professur im Hinblick auf ihre
Erfahrung in der Lehre oder Ausbildung (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 LHG) als im Wesentlichen
gleich geeignet ansieht, bestehen keine Bedenken dagegen, die Auswahl zwischen
diesen Bewerbern maßgeblich nach dem Eindruck einer Probevorlesung bzw. eines
Auswahlgesprächs vorzunehmen.
Tenor
Die mit Bescheid der Hochschule Konstanz vom 25.03.2013 erfolgte Ernennung des
Beigeladenen zum Professor an einer Fachhochschule unter Berufung in das
Beamtenverhältnis auf Probe sowie die mit Bescheid der Hochschule Konstanz vom
25.02.2013 mitgeteilte Nichtberücksichtigung des Klägers im Berufungsvorschlag der
Hochschule samt deren hierzu ergangener Widerspruchsbescheid vom 20.03.2013
werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, über die Bewerbung des Klägers
für die an den Beigeladenen vergebene Stelle erneut zu entscheiden und dabei die
Rechtsauffassung des Gerichts zu beachten.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten des Beigeladenen, die dieser auf sich behält.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger wendet sich gegen die Ernennung des Beigeladenen zum Professor
der Besoldungsgruppe W 2 und begehrt eine erneute Auswahlentscheidung.
2 An der Hochschule Konstanz, Fakultät für Bauingenieurwesen, war eine Professur
für Umwelttechnik der Besoldungsgruppe W 2 zu besetzen. Die Stelle wurde
mehrfach ausgeschrieben, da ein von der Hochschule zunächst ausgewählter
Bewerber den Ruf ablehnte und die Hochschule an einem möglichst breiten
Bewerberfeld interessiert war. Bei der letzten Ausschreibung bewarben sich 7
Kandidaten, darunter der Kläger und der Beigeladene. Der Kläger war auf die
Stellenausschreibung in der Wochenzeitung „Die Zeit“ aufmerksam geworden.
Seine Bewerbungsunterlagen gingen am 04.10.2012 bei der Beklagten ein. Die
Bewerbungsunterlagen des Beigeladenen sind mit dem Eingangsstempel vom
31.08.2012 versehen.
3 Die von der Hochschule eingesetzte Berufungskommission nahm in ihrer 3.
Sitzung am 16.10.2012 eine Vorauswahl der Bewerber vor. Dabei wurde im
Protokoll festgehalten, es bestehe grundsätzlich Einigkeit darüber, dass der
geeignete Kandidat breit aufgestellt und weit ausgebildet sein sollte und möglichst
alle 4 in der Ausschreibung genannten Bereiche (Umweltanalytik und -monitoring,
Technologien der Abfallwirtschaft, Umweltverfahrens- und Prozesstechnik,
Technische Aspekte der Geowissenschaften) abdecken sollte. Grundsätzlich sollte
der Nachweis über eine mehrjährige praktische Tätigkeit auf dem Gebiet
„Umwelttechnik“ erbracht werden. Weiterhin sollten die Grundlagen im
Studiengang URB abgedeckt werden und alle formellen Voraussetzungen
müssten erfüllt sein. Vor diesem Hintergrund wurden 4 Bewerber als nicht geeignet
angesehen. Die Berufungskommission beschloss, die 3 verbleibenden Bewerber,
darunter den Kläger und den Beigeladenen, zu Probevorträgen einzuladen. Zum
Beigeladenen wurde im Protokoll vermerkt, dass er über ein breites Spektrum
sowie über eine lange und passende Berufstätigkeit verfüge. Zum Kläger wurde
festgehalten, dass er über ein breites Spektrum und genügend Praxiserfahrung
verfüge. Die Kommission beschloss, für die Probevorlesung von 40 Minuten
inklusive Fragen das Pflichtthema „Die Bernoulli-Gleichung und ihre praktische
Anwendung“ vorzugeben. Für einen darüber hinaus zu haltenden Fachvortrag von
30 Minuten mit 10 Minuten anschließender Diskussion sollten die Bewerber ein
Thema frei wählen können, um der Berufungskommission Eindrücke über ihre
bisherige Tätigkeit in Forschung und Praxis zu verschaffen.
4 Die Probevorlesungen fanden am 27.11.2012 statt. Dabei hielt der Kläger neben
dem Pflichtvortrag den von ihm gewählten Fachvortrag mit dem Thema
„Umwelttechnische Erkundung und Bewertung von Bodenaushub- und
Abbruchmaterial beim Bauen im Bestand“. Im Anschluss an die Vorträge führte die
Berufungskommission mit jedem der eingeladenen Bewerber ein
Auswahlgespräch durch.
5 Im Protokoll der 4. Sitzung der Berufungskommission vom 27.11.2012 ist als
Bewertung des Klägers vermerkt: „... begann mit Hilfe eines historischen
Rückblicks die Bernoulli-Gleichung herzuleiten. Sein Vortrag, der die Zuhörer nicht
mit einbezog, war akustisch schwer verständlich und die Erklärung der Gleichung
war nur bedingt nachvollziehbar. Während des Vortrages drehte er über große
Zeiträume den Studierenden den Rücken zu. Fragen zur Bernoulli-Gleichung
beantwortete er ungenügend bzw. falsch. Aufgrund einer wesentlichen
Überschreitung des vorgegebenen Zeitrahmens wurde die mangelhafte Didaktik
unter anderem deutlich. Im Fachvortrag mit dem Thema: „Umwelttechnische
Erkundung und Bewertung von Bodenaushub- und Abbruchmaterial beim Bauen
im Bestand“ stellte Herr ... den Zuhörenden das Thema allgemein dar. Es gelang
ihm nicht, die Zuhörenden von seinem Thema zu begeistern und fachlich in die
Tiefe zu gehen. Im Gespräch mit der Berufungskommission konnte ... kein
überzeugendes Konzept für die Forschung und Lehre vorstellen.“ Der Kläger
wurde daraufhin von der Berufungskommission einstimmig und ohne Enthaltung
als fachlich und didaktisch nicht listenfähig bewertet. Angefügt ist eine Tabelle, der
zu entnehmen ist, dass die zuhörenden Studierenden den Kläger zu 27 % für
geeignet und zu 73 % für nicht geeignet gehalten haben.
6 In Bezug auf den Beigeladenen ist im Protokoll festgehalten: „... konnte die
Probevorlesung mit einfachen Demonstrationsobjekten und gutem Tafelbild sehr
anschaulich und äußerst interessant gestalten. Ihm gelang es, die Zuhörenden
miteinzubinden. Den fachlichen Inhalt vermittelte er sehr ansprechend, klar und
didaktisch gut aufbereitet und thematisch überzeugend. Die gestellten Fragen der
Zuhörenden wurden von ihm mit großem und tiefem Fachwissen erschöpfend
beantwortet. In seinem Fachvortrag „Biological treatment of biowaste and municipal
solid waste - spotlights on a developing field of waste recycling technology“
begeisterte er die Zuhörenden mit diesem Umwelttechnik-Thema. Er konnte dieses
Thema in fließendem Englisch verständlich und sehr fundiert vermitteln und
begeisterte die Zuhörer. Herr ... besitzt eine herausragende und sehr breite
Fachkenntnis in den geforderten Gebieten der Umwelttechnik, die zusätzlich durch
seine lange Berufserfahrung gefestigt wurde. Sein didaktisches Konzept lehnt sich
dem seiner Probevorlesung an und überzeugte alle Zuhörende.“ Die
Berufungskommission bewertete den Beigeladenen einstimmig und ohne
Enthaltung als fachlich und didaktisch äußerst geeignet. Der angefügten Tabelle ist
zu entnehmen, dass die zuhörenden Studierenden den Beigeladenen zu 100 %
als sehr gut geeignet und damit listenfähig ansahen.
7 Der dritte Bewerber wurde von der Berufungskommission einstimmig und ohne
Enthaltung für nicht listenfähig gehalten. Nach kurzer Diskussion beschloss die
Berufungskommission einstimmig und ohne Enthaltung, den weiteren Gremien in
diesem Berufungsverfahren eine Einerliste mit dem Beigeladenen vorzulegen.
8 Nachdem der Fakultätsrat der Fakultät für Bauingenieurwesen dieser Liste
zugestimmt und der Senat positiv Stellung genommen hatte, ersuchte die
Hochschule mit Schreiben vom 11.01.2013 das Einvernehmen des Ministeriums
für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg gemäß § 48 Abs. 3
Satz 1 LHG. Zur Begründung wiederholte und ergänzte sie die Angaben zum
Beigeladenen im Protokoll der Sitzung der Berufungskommission vom 27.11.2012.
Zur Begründung der Einerliste wurde Folgendes ausgeführt: „Von den 3
eingeladenen Bewerbern war es den beiden anderen in der Probevorlesung nicht
gelungen, das gestellte Thema inhaltlich korrekt aufzubereiten. So wurden z. B.
Formeln falsch wiedergegeben und der technische Nutzen der Bernoulli-Gleichung
konnte nicht erläutert werden. Die Vorträge waren bei den beiden anderen
Vortragenden didaktisch unzureichend: unstrukturierter Aufbau der Folien, viele
Rechtsschreibfehler, unzureichende Qualität der Powerpoint-Folien, teilweise
abgelesen, den Studierenden wurde beim Vortragen über lange Zeiträume der
Rücken zugedreht. Es fand keine Interaktion mit den Zuhörenden statt. Bei den
anschließenden Fragen war keine ausreichende Fachkenntnis erkennbar. Dies
wurde selbst von den Studierenden des ersten Semesters bemerkt.“
9 Mit Schreiben vom 18.01.2013 erteilte das Ministerium sein Einvernehmen zur
Berufung des Beigeladenen.
10 Der Kläger erkundigte sich ab Ende Januar 2013 mehrfach per E-Mail bei der
Hochschule nach dem Stand des Verfahrens. Mit E-Mail vom 05.02.2013 teilte ihm
der Vorsitzende der Berufungskommission mit, dass das Verfahren noch nicht
abgeschlossen sei.
11 Nachdem der Beigeladene den an ihn ergangenen Ruf angenommen hatte, teilte
die Hochschule dem Kläger unter dem 25.02.2013 mit, dass er im
Berufungsvorschlag der Hochschule nicht habe berücksichtigt werden können und
dass das Präsidium den Ruf einer anderen Person erteilt habe. Mit E-Mail vom
01.03.2013 erkundigte sich der Kläger nach den Gründen für die Absage und erbat
hierzu detaillierte Informationen, erhielt jedoch keine Antwort.
12 Am 08.03.2013 erhob der Kläger Widerspruch gegen die Ablehnung seiner
Bewerbung. Zur Begründung führte er aus, der Vorsitzende der
Berufungskommission habe ihm in einem Telefongespräch anlässlich der
Einladung zur Probevorlesung erklärt, seines Wissens gebe es nur einen
Mitbewerber, der seine Unterlagen aber noch nicht beisammen hätte. Ebenso
habe ihm am Tag der Probevorlesung eine Mitarbeiterin der Hochschule auf seine
Frage nach Mitbewerbern geantwortet, vor ihm habe ein Mitbewerber vorgetragen
und sie wisse nicht, ob es noch weitere Vorstellungen gebe. Insgesamt habe er
trotz kleinerer Mängel - eine oder zwei Fragen habe er nicht sicher beantworten -
ein gutes Gefühl gehabt. Die Berufungskommission habe ihm seinerzeit zugesagt,
mit einer Entscheidung über die Besetzung sei bis Ende Januar 2013 zu rechnen.
13 Am 12.03.2013 wiederholte der nunmehrige Prozessbevollmächtigte des Klägers
den Widerspruch und bat um schriftliche Bestätigung, dass dem Mitbewerber seine
Ernennungsurkunde nicht ausgehändigt werde, bis über den Widerspruch
entschieden sei. Sollte die Hochschule der Meinung sein, dass sofort ein
gerichtliches Verfahren nach § 80 VwGO einzuleiten sei, werde ebenfalls um
kurzfristige Mitteilung gebeten. Zugleich beantragte der Vertreter des Klägers
Akteneinsicht.
14 Mit Schreiben vom gleichen Tag antwortete ihm die Kanzlerin der Hochschule,
dass die Ruferteilung bereits ergangen sei, die Ernennung jedoch noch ausstehe.
In angemessener Frist und - zur Wahrung der Rechte seines Mandanten - vor
Ernennung werde er einen begründeten Widerspruchsbescheid erhalten.
15 Mit Widerspruchsbescheid vom 20.03.2013 wies die Hochschule den Widerspruch
zurück. Die Hochschule habe im vorliegenden Berufungsverfahren die Vorgaben
des § 48 LHG eingehalten und alle Schritte des Berufungsverfahrens schriftlich
dokumentiert. Gemäß dem Grundsatz der Bestenauslese nach Art. 33 Abs. 2 GG
sei der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung beste Bewerber für eine
Professur auszuwählen. Hier sei eine vergleichende Bewertung der
Präsentationen von 3 Kandidaten erforderlich gewesen, welche die
Berufungskommission nach den Kriterien der nachgewiesenen Fachkompetenz im
Pflicht- und Fachvortrag sowie Konzeptgespräch unter Berücksichtigung der
einschlägigen Berufserfahrung, der didaktischen Eignung für die praxisorientierte
Lehre an einer Hochschule für angewandte Wissenschaften (Strukturierung und
Veranschaulichung des Vortrags, Praxisbeispiele, Einbeziehung der Studierenden
und ihrer Fragen, Begeisterungsfähigkeit, Einhaltung des vorgegebenen
Zeitrahmens) unter Berücksichtigung einschlägiger Lehrerfahrung sowie der
Schlüssigkeit des vorgetragenen/vorgelegten Lehr- und Forschungskonzepts
vorgenommen habe. Die Anwendungskriterien hätten zu einem eindeutigen
Ergebnis geführt. Aufgrund seiner exzellenten Qualitäten und Qualifikationen sei
nur ein Kandidat auf der Berufungsliste platziert worden. Der Kläger sei im Rahmen
der vergleichenden Bewertung unter anderem aufgrund seiner deutlichen
fachlichen Schwächen (falsche Antworten) sowie seiner mangelhaften
Präsentationsweise (mit dem Rücken zum Publikum) und der Nichteinbindung der
Studierenden als „nicht listenfähig“ qualifiziert worden. Die Hochschule verwies auf
die Bewertung im Protokoll der Berufungskommission vom 27.11.2012, die im
Widerspruchsbescheid im Wortlaut wiedergegeben wurde. Im Vergleich zu dieser
negativen Bewertung des Klägers werde nochmals auf die qualitativ
herausragende Bewertung des zur Berufung Vorgeschlagenen verwiesen. Die
vom Kläger vorgetragenen Vorwürfe zur angeblich fehlerhaften Auskunft
hinsichtlich der Anzahl der Mitbewerber und der Vollständigkeit von deren
Unterlagen hätten keinen Einfluss auf die Rechtswirksamkeit der Bestenauslese.
Gleiches gelte für die Nichteinhaltung der zeitlichen Prognose der
Berufungskommission. Dass erst nach erfolgter Rufannahme die schriftlichen
Absagen an die unterlegenen Bewerber versandt worden seien, sei rechtlich
einwandfrei, solange die Versendung mindestens zwei Wochen vor Ernennung
erfolge. Im konkreten Berufungsverfahren stehe die Ernennung weiterhin aus. Der
Widerspruchsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am
20.03.2013 vorab per Fax übermittelt und am 22.03.2013 zugestellt.
16 Am darauffolgenden Montag, dem 25.03.2013, wurde der Beigeladene durch
Aushändigung der Urkunde unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe
zum Professor an einer Fachhochschule ernannt.
17 Am 28.03.2013 beantragte der Kläger beim erkennenden Gericht den Erlass einer
Sicherungsanordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO wegen der drohenden
Ernennung eines Konkurrenten. In diesem Verfahren erhielt der
Prozessbevollmächtigte des Klägers erstmals Akteneinsicht. Der Antrag wurde mit
Beschluss der Kammer vom 26.04.2013 (1 K 523/13) abgelehnt, da nach
Ernennung des Beigeladenen der auf Sicherung des
Bewerbungsverfahrensanspruchs gerichtete Anspruch auf vorläufigen
Rechtsschutz nicht mehr in Betracht komme. Selbst wenn die Stellenbesetzung
vorliegend unter Vereitelung des dem Kläger zustehenden Rechts auf effektiven
vorläufigen Rechtsschutz erfolgt sein sollte, weil die Ernennung des Beigeladenen
vor Ablauf einer angemessenen Wartefrist vorgenommen worden sein sollte,
könnte dies allenfalls bedeuten, dass sich der Dienstherr in einem vom Kläger
anzustrengenden Hauptsacheverfahren gegen die Anfechtung der Ernennung des
ausgewählten Bewerbers möglicherweise nicht auf den Grundsatz der
Ämterstabilität berufen könne.
18 Am 22.04.2013 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass
er die Ernennung anfechten könne, weil diese rechtswidrig in seine Rechte
eingreife. Bei der Ernennung handele es sich um einen Verwaltungsakt mit
Drittwirkung. Sein Recht auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG
i.V.m. Art. 33 Abs. 2 GG sei rechtswidrig beschnitten worden. Die Ernennung des
Beigeladenen sei nur 5 Tage nach Erlass des Widerspruchsbescheids erfolgt. Das
erfülle nicht die angemessene Wartefrist zur Geltendmachung einstweiligen
Rechtsschutzes, die nach der Rechtsprechung zwei Wochen betrage. Maßgeblich
für den Beginn der Frist sei nicht der Ausgangsbescheid, sondern erst die
Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids, da bis dahin das Verfahren
schwebend sei. Im Übrigen rüge er, dass es sich bei der Ausschreibung in der
Wochenzeitung „Die Zeit“ nur um eine Viertelausschreibung (verkürzte
Ausschreibung unter Verweis auf die Langversion im Internet) gehandelt habe,
was der Transparenz des Gesamtverfahrens widerstrebe. Die
Stellenausschreibung auf der Internetseite der Hochschule, auf die darin
verwiesen werde, sei bereits etwa 8 Tage vor Ende der Bewerbungsfrist
abgeschaltet worden und für ihn nur mit großer Mühe anderweitig aufzufinden
gewesen. Im Anschluss an den Vortrag vom 27.11.2012 habe ihm ein Mitglied der
Berufungskommission seiner Erinnerung nach eine sehr mitnehmende
Vortragsweise bescheinigt. Dies stehe im Widerspruch zur negativen Bewertung
im Widerspruchsbescheid. Außerdem sei offenbar ein Mitbewerber berücksichtigt
worden, der seine Unterlagen bei Bewerbungsschluss noch nicht
zusammengehabt habe. Die Bewerbungsfrist sei aber als Ausschlussfrist zu
werten. Dies gebiete der Grundsatz eines fairen Verfahrens und der
Bewerbungsverfahrensanspruch. Insoweit könne auch auf die für öffentliche
Ausschreibungen entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden. Das
Ablehnungsschreiben vom 25.02.2013 sei nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung
versehen gewesen, was den Grundsatz auf ein faires Verfahren aus Art. 6 Abs. 2
EMRK verletze. Zu rügen sei außerdem, dass sich die Hochschule nicht an die
dem Kläger gegebene Zusicherung gehalten habe, bis Ende Januar 2013 einen
Bescheid über seine Bewerbung zu erteilen. Das Protokoll der
Berufungskommission vom 27.11.2012 genüge nicht den hohen Anforderungen
an die Protokollierung von Bewerbungsentscheidungen. Es sei nicht ersichtlich,
dass ein ausreichender Vergleich angestellt worden wäre. Der fachliche
Werdegang des Klägers, wie er in seinen Bewerbungsunterlagen ausführlich
dokumentiert worden sei, sei überhaupt nicht im Verhältnis zu dem erfolgreichen
Kandidaten gewichtet worden. Ein Verstoß gegen ein faires Verfahren liege auch
darin, dass dem Kläger Akteneinsicht nicht gewährt worden sei. Mit Schreiben vom
21.03.2013 habe sein Prozessbevollmächtigter nach Bekanntgabe des
Widerspruchsbescheids die noch immer ausstehende Akteneinsicht nochmals
gerügt. Die gerügten Rechtsverstöße hätten sehr wohl Auswirkungen auf den
Grundsatz der Bestenauslese. Soweit im Widerspruchsbescheid ausgeführt
werde, der Kläger habe mehrmals mit dem Rücken zu den Hörern gestanden, sei
dies geschehen, um gewisse Dinge auf der Powerpoint-Präsentation zu illustrieren.
Zudem habe er im ersten Vortrag zur Bernoulli-Gleichung nicht überzogen,
sondern nur minimal im Fachvortrag. Nach seinen Vorträgen habe er jeweils in die
Runde gefragt, ob seine Zuhörer alles verstanden hätten. Er habe explizit von den
Studenten Fragen verlangt. Allerdings hätten diese keine Fragen gehabt und so
habe er davon ausgehen dürfen, dass er alles klar erläutert habe. Dass er den
zweiten Vortrag eher allgemein gehalten habe, sei dem Umstand geschuldet, dass
er von einer praxisorientierten Hörerschaft ausgegangen sei, die den Stand der
Technik erläutert und in einem bestimmten Arbeitsgebiet erklärt haben wolle. Im
Übrigen sei auf die auch bei Probevorlesungen geltende Wissenschaftsfreiheit zu
verweisen. Er habe zudem interessante und den Hörern so noch nicht bekannte
Zahlen zum Abfallaufkommen genannt. Er weise den Vorwurf zurück, im
anschließenden Gespräch kein überzeugendes Konzept für Forschung und Lehre
aufgestellt zu haben. Aus dem von ihm als Stichwortzettel mitgeführten
Ideenpapier ergebe sich ein stringentes und wohldurchdachtes Konzept. Im
Übrigen seien ihm diesbezüglich auch keine kritischen Fragen gestellt worden. Die
Berufungskommission habe weder seine Vortragspräsentation noch sein
Ideenpapier behalten oder angefordert. Sie habe so gar nicht die Möglichkeit
gehabt, Vergleiche anzustellen.
19 Der Kläger beantragt,
20 die mit Bescheid der Hochschule Konstanz vom 25.03.2013 erfolgte Ernennung
des Beigeladenen zum Professor an einer Fachhochschule unter Berufung in das
Beamtenverhältnis auf Probe sowie die mit Bescheid der Hochschule Konstanz
vom 25.02.2013 mitgeteilte Nichtberücksichtigung des Klägers im
Berufungsvorschlag der Hochschule samt deren hierzu ergangenen
Widerspruchsbescheid vom 20.03.2013 aufzuheben und den Beklagten zu
verpflichten, über die Bewerbung des Klägers für die an den Beigeladenen
vergebene Stelle erneut zu entscheiden und dabei die Rechtsauffassung des
Gerichts zu beachten.
21 Der Beklagte beantragt,
22 die Klage abzuweisen.
23 Zur Begründung trägt er vor, die Auswahlentscheidung sei zwischen den 3
Bewerbern getroffen worden, die einen Vortrag vor der Berufungskommission
gehalten hätten. Unzutreffend sei, dass der Beigeladene innerhalb der
Bewerbungsfrist keine vollständige Bewerbung vorgelegt habe. Nach der
Zustellung des Ablehnungsbescheids habe die Hochschule wie üblich mit der
Ernennung gewartet. Der Kläger habe jedoch zunächst nur Widerspruch eingelegt,
aber keinen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz beim Verwaltungsgericht gestellt.
Im Laufe des Widerspruchsverfahrens sei es zu einem telefonischen Kontakt
zwischen der Kanzlerin der Hochschule und dem Prozessvertreter des Klägers
gekommen, wobei die Kanzlerin die Auffassung geäußert habe, dass dem
Widerspruch keine aufschiebende Wirkung zukomme. Dennoch habe man sich an
die Zusage gehalten, dass der Widerspruchsbescheid noch vor der Ernennung
des Beigeladenen zugehen werde. In der Zeit zwischen Zugang des
Widerspruchsbescheids und der Ernennung des Beigeladenen hätte der Kläger
ausreichend Zeit gehabt, vor dem Verwaltungsgericht nach vorläufigem
Rechtsschutz nachzusuchen oder einen vorläufigen Rechtsschutzantrag
wenigstens anzukündigen. Das gegen die Ernennung gerichtete Klagebegehren
sei mangels Klagebefugnis bereits unzulässig. Einziges Recht, dessen Verletzung
der Kläger geltend machen könne, sei der Bewerbungsverfahrensanspruch.
Dieser gehe aber in der Regel durch Ernennung des ausgewählten Bewerbers
unter und könne dann nicht mehr geltend gemacht werden. Dies sei nur dann
ausnahmsweise nicht der Fall, wenn der Mitbewerber unter Vereitelung der
Rechtsschutzmöglichkeiten des unterlegenen Bewerbers ernannt worden sei. Da
unterlegene Bewerber gehalten seien, binnen 14 Tagen, nachdem ihnen die
Mitteilung über die Auswahlentscheidung zugegangen sei, nach vorläufigem
Rechtsschutz nachzusuchen, müsse die Inanspruchnahme vorläufigen
Rechtsschutzes vereitelt worden sein, damit eine beamtenrechtliche Ernennung
anfechtbar sein könne. Eine solche Vereitelung liege vor, wenn der unterlegene
Bewerber vor Ernennung des Ausgewählten gar keine Mitteilung über die
Auswahlentscheidung erhalte, wenn der Dienstherr zwischen Zugang der
Mitteilung über die Auswahlentscheidung und der Ernennung weniger als 14 Tage
zuwarte oder wenn er trotz Rechtshängigkeit eines vorläufigen
Rechtsschutzantrags noch vor rechtskräftiger Beendigung des vorläufigen
Rechtsschutzverfahrens den Ausgewählten ernenne. Keiner dieser Fälle liege hier
vor. Zwischen dem Zugang der Mitteilung der Auswahlentscheidung und der
Ernennung lägen 26 Tage. Die Auffassung des Klägers, maßgeblich sei die
Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids, sei offensichtlich falsch. In
beamtenrechtlichen Konkurrentenrechtsstreitigkeiten werde der
verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz im Wesentlichen über das vorläufige
Rechtsschutzverfahren und nicht durch das Hauptsacheverfahren gewährt.
Rechtsmittel in der Hauptsache lösten auch deshalb keine Wartefristen aus. Auch
im Hinblick auf das auf Neubescheidung der Bewerbung gerichtete
Verpflichtungsbegehren verhalte es sich so, dass der Kläger nicht in hinreichender
Weise die Verletzung eigener Rechte geltend mache, da sein
Bewerbungsverfahrensanspruch, der Voraussetzung für einen Anspruch auf
Neubescheidung der Bewerbung sei, offensichtlich durch die Ernennung
untergegangen sei. Wegen der Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen
Auswahlentscheidung werde Bezug auf die Ausführungen gegenüber dem
Ministerium vom 11.01.2013 sowie auf die Ausführungen im
Widerspruchsbescheid genommen. Der Kläger mache im Übrigen noch nicht
einmal geltend, besser als der Beigeladene für die streitgegenständliche Stelle
geeignet zu sein. Auch die von ihm gerügten Verfahrensfehler griffen nicht durch.
Er könne nicht geltend machen, die Bewerbung des ausgewählten Bewerbers
hätte nicht berücksichtigt werden dürfen, weil sie erst nach Ablauf der
Bewerbungsfrist vollständig eingegangen sei. Zu einen sei dies nicht der Fall. Zum
anderen sei die Bewerbungsfrist keine Ausschlussfrist. Der Vorwurf, die
Stellenausschreibung auf der Internetseite der Hochschule sei verfrüht
abgeschaltet worden, sei nicht nachvollziehbar. Möglicherweise beziehe sich der
Kläger auf eine frühere Ausschreibung der streitgegenständlichen Stelle. Selbst
wenn der Vortrag zutreffend wäre, sei er unbeachtlich. Da die Bewerbung des
Klägers berücksichtigt worden sei, seien ihm aus etwaigen Fehlern in der
Stellenausschreibung jedenfalls keine Nachteile entstanden, die sich in der
Auswahlentscheidung niederschlagen würden. Es werde mit Nichtwissen
bestritten, dass dem Kläger von einem Mitglied der Berufungskommission eine
mitnehmende Vortragsweise bescheinigt worden sei. Der Vorsitzende der
Berufungskommission habe auf Rückfrage angegeben, sich gegenüber dem
Kläger wie allen Bewerbern gegenüber während der Probevorlesung höflich
verhalten und keine offene Kritik geübt zu haben. Möglicherweise habe der Kläger
dies mit echtem Lob verwechselt. Die Frage der Akteneinsichtsgewährung habe
keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung, die ja
bereits vor Beantragung der Akteneinsicht gefällt und bekannt gemacht worden
sei. Schließlich lägen auch keine Dokumentationsmängel vor. Spätestens durch
den Widerspruchsbescheid sei die Auswahlentscheidung ausführlich begründet
und dokumentiert. Bereits zuvor sei dieses durch das Schreiben an das
Ministerium vom 11.01.2013 geschehen. Mit Schriftsatz vom 28.07.2015 hat die
Vertreterin des Beklagten darauf hingewiesen, dass der Kläger gegen die von ihm
angefochtene Ernennung keinen Widerspruch erhoben, sondern sogleich den
Klageweg beschritten habe. Es fehle somit an einer zwingenden
Prozessvoraussetzung.
24 In der mündlichen Verhandlung am 29.07.2015 hat die Kanzlerin der Hochschule
angegeben, das Schreiben des Bevollmächtigten des Klägers vom 21.03.2013, mit
welchem dieser nochmals auf die bisher nicht gewährte Akteneinsicht hingewiesen
habe, sei der Hochschule nach ihrer Kenntnis nicht zugegangen.
25 Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
26 Er betont, seine Bewerbungsunterlagen pünktlich vor Bewerbungsschluss und
bereits vor dem Kläger vollständig eingereicht zu haben. Er habe keine Zweifel an
einem objektiven Auswahlverfahren.
27 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die dem
Gericht vorliegenden Verwaltungsakten der Hochschule Konstanz (2 Hefte) sowie
auf die Gerichtsakten im vorliegenden Verfahren und im Verfahren auf vorläufigen
Rechtsschutz (1 K 523/13) ergänzend Bezug genommen. Der Inhalt dieser Akten
war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
28 Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, obwohl der
Beigeladene in der mündlichen Verhandlung weder anwesend noch vertreten war,
denn auf diese Möglichkeit ist in der ordnungsgemäßen Terminsladung
hingewiesen worden (§ 102 Abs. 2 VwGO).
I.
29 Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 42
Abs. 1 VwGO zulässig.
30 Entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung steht der Zulässigkeit der
Klage gegen die Ernennung des Beigeladenen nicht entgegen, dass der Kläger
vor der Klageerhebung das gesetzlich vorgesehene Widerspruchsverfahren nicht
eingeleitet hat. Allerdings stellt die Ernennung des ausgewählten Bewerbers für ein
Amt einen Verwaltungsakt dar, der darauf gerichtet ist, unmittelbare
Rechtswirkungen für die durch Art. 33 Abs. 2 GG gewährleisteten
Bewerbungsverfahrensansprüche der unterlegenen Bewerber zu entfalten (vgl.
BVerwG, Urt. v. 04.11.2010 - 2 C 16/09 -, BVerwGE 138, 102). Statthafte Klageart
gegen die Ernennung ist daher die Anfechtungsklage, so dass sich das
grundsätzliche Erfordernis eines Vorverfahrens bereits aus § 68 Abs. 1 Satz 1
VwGO ergibt. Unabhängig davon ist gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG vor allen
Klagen aus dem Beamtenverhältnis - ohne Rücksicht auf die Rechtsnatur der
geforderten oder beanstandeten Maßnahme - ein Vorverfahren durchzuführen.
Eine gesetzlich bestimmte Ausnahme hiervon liegt nicht vor. Gleichwohl bedarf es
eines Widerspruchsverfahrens hier ausnahmsweise nicht, da es sich nach den
Umständen des Einzelfalls als sinnlos erweist.
31 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 15.09.2010
- 8 C 21/09 -, juris, m.w.N.) ist über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle
hinaus ein Vorverfahren ausnahmsweise dann entbehrlich, wenn dem Zweck des
Vorverfahrens bereits Rechnung getragen ist oder der Zweck des Vorverfahrens
ohnehin nicht mehr erreicht werden kann. Seine Durchführung würde in diesem
Fall einen sachlich nicht zu rechtfertigenden Formalismus darstellen, der die
Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes unnötig verzögert. Diese
Voraussetzungen waren hier schon im Zeitpunkt der Klageerhebung im Hinblick
darauf gegeben, dass der Kläger bereits gegen die ihm mit Bescheid der
Hochschule Konstanz vom 25.02.2013 mitgeteilte Ablehnung seiner Bewerbung
Widerspruch erhoben hatte, der von der Hochschule mit Widerspruchsbescheid
vom 20.03.2013 zurückgewiesen worden war.
32 Das Widerspruchsverfahren hat anerkanntermaßen (vgl. BVerwG, Urt. v.
15.09.2010, a.a.O., m.w.N.) eine dreifache normative Zwecksetzung. Zum einen
soll es im öffentlichen Interesse eine Selbstkontrolle der Verwaltung durch die
Widerspruchsbehörde ermöglichen. Außerdem soll es zu einem möglichst
effektiven individuellen Rechtsschutz beitragen; für den Rechtssuchenden soll
eine gegenüber der gerichtlichen Kontrolle zeitlich vorgelagerte und
gegebenenfalls - bei Ermessensentscheidungen oder wie hier bei Entscheidungen
mit Beurteilungsspielraum - erweiterte Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet werden.
Schließlich soll das Vorverfahren im öffentlichen Interesse die Gerichte entlasten.
Diese Zwecke kann das Widerspruchsverfahren nicht mehr erreichen, wenn
feststeht, dass der Widerspruch unabhängig von der Begründung keinen Erfolg
haben würde. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich die Behörde endgültig
darauf festgelegt hat, das Rechtsschutzbegehren abzulehnen. Eine derartige
Festlegung setzt voraus, dass die Behörde zu erkennen gegeben hat, sie habe
sich ihre Auffassung gebildet und gedenke daran auf jeden Fall festzuhalten (vgl.
BVerwG, Urt. v. 30.10.2013 - 2 C 23/12 -, juris). Hiervon ist im vorliegenden Fall
nach dem gebotenen objektivierten Beurteilungsmaßstab auszugehen.
33 Dabei ist das Verhältnis zwischen der von der Hochschule Konstanz
vorgenommenen Auswahlentscheidung, gegen deren Mitteilung der Kläger
Widerspruch erhoben hat, und der nachfolgenden Ernennung des Mitbewerbers
von Bedeutung. Der Regelungsgehalt der Ernennung stimmt inhaltlich mit der
Auswahlentscheidung überein. Die Ernennung folgt der Auswahlentscheidung,
setzt diese rechtsverbindlich um, und beendet das Auswahlverfahren. Sie ist an
keine weiteren Voraussetzungen als an die Auswahlentscheidung gebunden,
sondern bestätigt diese nach Maßgabe des Art. 33 Abs. 2 GG getroffene
Entscheidung auch im Hinblick auf die Bewerbungsverfahrensansprüche (vgl.
BVerwG, Urt. v. 04.11.2010, a.a.O.). Nachdem die Hochschule den Widerspruch
gegen die Mitteilung der Auswahlentscheidung zurückgewiesen hatte, hatte sie
sich damit auch hinsichtlich der inhaltlich mit ihr übereinstimmenden und sie
nochmals bestätigenden Ernennung des Beigeladenen festgelegt. Von daher wäre
von einem erneuten Widerspruchsverfahren gegen die Ernennung, in dem
ebenfalls die Hochschule Konstanz zur Entscheidung über den Widerspruch
berufen gewesen wäre, weder eine Selbstkontrolle der Verwaltung noch ein
effektiver Rechtsschutz für den Kläger zu erreichen gewesen. Eine Entlastung des
Verwaltungsgerichts schied ohnehin aus, da der Kläger gehalten war, innerhalb
der Klagefrist von 1 Monat nach Zustellung des Widerspruchsbescheids (§ 74 Abs.
1 und 2 VwGO) Klage zu erheben, um zu verhindern, dass die Mitteilung der
Hochschule vom 25.02.2013, nicht er, sondern ein anderer sei ausgewählt
worden, bei der es sich ebenfalls um einen Verwaltungsakt handelt (vgl. BVerwG,
Urt. v. 25.08.1988 - 2 C 62/85 -, BVerwGE 80, 127), in Bestandskraft erwachsen
würde. So gesehen entspricht es gerade der Prozessökonomie, auch die
Ernennung des Beigeladenen bereits in das anstehende verwaltungsgerichtliche
Verfahren einzubeziehen.
34 Soweit die Prozessbevollmächtigte des Beklagten in der mündlichen Verhandlung
ausgeführt hat, ein Widerspruchsverfahren gegen die Ernennung hätte der
Hochschule - insoweit über das vorangegangene Widerspruchsverfahren hinaus -
Gelegenheit gegeben, zum Grundsatz der Ämterstabilität im vorliegenden Fall
Stellung zu nehmen, trifft dies zu, führt aber nicht zu einer abweichenden
Beurteilung. So spricht schon vieles dafür, dass sich die Hochschule auch
hinsichtlich ihrer Einschätzung, der Grundsatz der Ämterstabilität stehe einem
Rechtsbehelfsverfahren in der Hauptsache entgegen, bereits festgelegt hatte,
denn nur so ist es zu erklären, dass sie die Ernennung bereits wenige Tage nach
Erlass des Widerspruchsbescheids vom 20.03.2013 vornahm. Hätte sie
demgegenüber auch nur für möglich gehalten, dass der Grundsatz der
Ämterstabilität einer Aufhebung der Ernennung des Beigeladenen nicht
entgegenstehe, weil der Kläger daran gehindert worden sei, die
Rechtsschutzmöglichkeiten zur Durchsetzung seines
Bewerbungsverfahrensanspruchs vor der Ernennung auszuschöpfen, hätte sie die
Ernennung nicht vorgenommen. Vor allem aber wird mit der Frage der
Ämterstabilität lediglich ein weiteres Problem aufgeworfen, das an der Festlegung
der Hochschule hinsichtlich der Korrektheit der Auswahlentscheidung nichts
ändert. Selbst wenn die Hochschule wider Erwarten in diesem Punkt zu dem für
den Kläger günstigen Ergebnis gelangt wäre, wonach der Grundsatz der
Ämterstabilität der Zulässigkeit des Widerspruchs nicht entgegenstehe, wäre
dieser aufgrund der erfolgten Festlegung in der Sache letztlich jedenfalls erfolglos
geblieben. Von daher bleibt es dabei, dass die genannten Zwecke des
Vorverfahrens nicht mehr erreicht werden konnten, weshalb dieses hier entbehrlich
war.
35 Der Kläger ist auch im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Der Grundsatz
der Ämterstabilität steht dem im vorliegenden Fall nicht entgegen. In der
Rechtsprechung ist geklärt, dass die Bewerbungsverfahrensansprüche der
unterlegenen Bewerber grundsätzlich durch die Ernennung des ausgewählten
Bewerbers untergehen, wenn diese das Auswahlverfahren endgültig abschließt.
Diese Rechtsbeständigkeit der Ernennung ist jedoch nur dann mit dem Grundrecht
auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG
vereinbar, wenn die unterlegenen Bewerber ihre Bewerbungsverfahrensansprüche
vor der Ernennung gerichtlich geltend machen konnten (vgl. BVerfG, Beschl. v.
09.07.2007 - 2 BvR 206/07 -, juris; BVerwG, Urt. v. 04.11.2010, a.a.O.). Ein
unterlegener Bewerber ist zur Durchsetzung seines
Bewerbungsverfahrensanspruchs danach grundsätzlich darauf verwiesen, eine
einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO zu beantragen, um dem Dienstherrn die
Ernennung des ausgewählten Bewerbers vorläufig zu untersagen. Der Dienstherr
darf den ausgewählten Bewerber erst ernennen, wenn feststeht, dass der Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keinen Erfolg hat. In diesem Fall findet
ein Hauptsacheverfahren wegen der Rechtsbeständigkeit der Ernennung nicht
mehr statt.
36 Dies setzt allerdings voraus, dass der Dienstherr eine solche gerichtliche
Nachprüfung seiner Auswahlentscheidung im Eilverfahren ermöglicht. Er muss
daher die Auswahlentscheidung den unterlegenen Bewerbern vor der Ernennung
zunächst mitteilen. Danach muss er eine angemessene Zeit zuwarten, um ihnen
Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
beim Verwaltungsgericht zu stellen. Dabei hat sich in der Praxis der
Verwaltungsgerichte eine Wartezeit von 2 Wochen ab Zugang der Mitteilung über
die Ablehnung der Bewerbung als angemessen herausgebildet (vgl. BVerwG, Urt.
v. 04.11.2010, a.a.O.).
37 Im vorliegenden Fall wurde der Anspruch des Klägers auf angemessenen
gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG durch
die vorzeitige Ernennung des Beigeladenen vereitelt. Der Beklagte kann sich nicht
mit Erfolg darauf berufen, nach Zugang der Mitteilung über die Ablehnung der
Bewerbung des Klägers länger als 2 Wochen gewartet zu haben, ehe die
Ernennung des Beigeladenen vorgenommen worden ist. Insofern ist zu beachten,
dass es sich bei der Frist von 2 Wochen lediglich um eine allgemeine Richtschnur
handelt, da davon auszugehen ist, dass es innerhalb dieses Zeitraums möglich ist,
beim Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz zu ersuchen. Maßgeblich
sind jedoch immer die Umstände des konkreten Einzelfalls. Dabei ist hier zu
berücksichtigten, dass die Kanzlerin der Hochschule Konstanz dem
Prozessbevollmächtigten des Klägers auf seine Bitte mit Schreiben vom
12.03.2013 bestätigte, dass er vor Ernennung des Mitbewerbers einen
begründeten Widerspruchsbescheid erhalten werde. Von daher hatte der Kläger
jedenfalls bis zum Erlass des Widerspruchsbescheids keinen Anlass,
verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Auch nach
Bekanntgabe des Widerspruchsbescheids am 20.03.2013 musste der Kläger aber
nicht damit rechnen, dass der Beigeladene bereits 5 Tage (darunter Samstag und
Sonntag) später, am 25.03.2013, ernannt werden würde. Dies folgt daraus, dass
die von seinem Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 12.03.2013
beantragte Akteneinsicht bis zu diesem Zeitpunkt weder gewährt, noch auch nur
über das Akteneinsichtsgesuch entschieden worden war. Die Akteneinsicht ist in
Fällen der vorliegenden Art von besonderer Bedeutung, damit der unterlegene
Bewerber anhand der dokumentierten Auswahlentscheidung der Behörde prüfen
kann, ob ein gerichtliches Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
Aussicht auf Erfolg bietet und er hierfür Anordnungsanspruch und
Anordnungsgrund glaubhaft machen kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.07.2007,
a.a.O.). Nachdem dem Kläger im Widerspruchsbescheid lediglich Auszüge aus
dem Protokoll mitgeteilt wurden und er vollständige Akteneinsicht erst nach der
Ernennung des Beigeladenen im Rahmen des vorläufigen
Rechtsschutzverfahrens erhielt, wurde effektiver Rechtsschutz hier durch die
Hochschule verhindert, weshalb der Grundsatz der Ämterstabilität nicht eingreift.
Dies gilt unabhängig davon, ob der Prozessbevollmächtigte des Klägers - wie von
der Kanzlerin der Hochschule Konstanz erstmals in der mündlichen Verhandlung
bestritten worden ist - nach Erlass des Widerspruchsbescheids mit Schreiben vom
21.03.2013 wiederholt hat.
II.
38 Die Klage ist auch begründet. Die mit Bescheid der Hochschule Konstanz vom
25.03.2013 erfolgte Ernennung des Beigeladenen zum Professor an einer
Fachhochschule unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe sowie die mit
Bescheid der Hochschule Konstanz vom 25.02.2013 mitgeteilte
Nichtberücksichtigung des Klägers im Berufungsvorschlag der Hochschule samt
deren hierzu ergangener Widerspruchsbescheid vom 20.03.2013 sind rechtswidrig
und verletzen den Kläger in seinen Rechten; der Kläger hat Anspruch darauf, dass
der Beklagte über die Bewerbung des Klägers für die an den Beigeladenen
vergebene Stelle erneut und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
entscheidet (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
39 Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und
fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Die diesbezüglich
für beamtenrechtliche Konkurrentenstreitverfahren entwickelten Grundsätze gelten
für die Auswahl zwischen Bewerbern für ein Professorenamt in gleicher Weise.
Auch ein Bewerber um eine Professur kann daher verlangen, dass über seine
Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entschieden wird. Dabei kann
die Auswahlentscheidung gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob sie
verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist und ob der dem Dienstherrn
zukommende Beurteilungsspielraum überschritten ist, etwa weil die Entscheidung
ersichtlich auf der Verkennung von Tatsachen oder auf sachfremden Erwägungen
beruht. Hinsichtlich der fachwissenschaftlichen Eignung ist allerdings zu
berücksichtigen, dass der Hochschule eine besondere, durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1
GG verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz über die Qualifikation
eines Bewerbers für eine Hochschullehrerstelle zusteht. Im vorliegenden Fall ist
der Kläger durch die Auswahlentscheidung der Hochschule Konstanz und die
Ernennung des Beigeladenen in seinen Rechten aus Art. 33 Abs. 3 GG verletzt.
40 Allerdings dringt der Kläger mit seinen das Verfahren betreffenden Rügen nicht
durch. Soweit er angebliche Mängel der Stellenausschreibung
(Viertelausschreibung in Printmedien; vorzeitiges Abschalten der Online-Version
der Stellenausschreibung) geltend macht, haben diese sich ersichtlich nicht
zulasten des Klägers ausgewirkt. Denn weder ist der Kläger an einer rechtzeitigen
Bewerbung auf die Stelle gehindert worden, noch hat die Hochschule seine
Bewerbung etwa aus formellen Gründen zurückgewiesen. Das gleiche gilt für die
unzutreffende Annahme des Klägers, außer ihm sei nur ein Mitbewerber in die
engere Wahl gekommen, die durch Äußerungen von Angehörigen der Hochschule
hervorgerufen worden sein soll. Da die Hochschule den Beigeladenen als den aus
ihrer Sicht besten Bewerber ausgewählt hat, ist es unerheblich, ob daneben noch
weitere Mitbewerber in die engere Wahl gekommen sind. Der Beigeladene hat
jedenfalls seine Bewerbungsunterlagen innerhalb der Bewerbungsfrist vollständig
vorgelegt. Im Übrigen handelt es sich bei der Bewerbungsfrist nicht um eine
Ausschlussfrist. Der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers insoweit gezogene
Vergleich mit dem Vergaberecht bei öffentlichen Aufträgen geht fehl. Soweit die
Berufungskommission der Hochschule dem Kläger eine Entscheidung über seine
Bewerbung bis Ende Januar 2013 in Aussicht gestellt haben soll, hat es sich
erkennbar nur um eine zum Ausdruck gebrachte Erwartung ohne jeden
Bindungswillen gehandelt. Selbst die Nichteinhaltung einer verbindlichen zeitlichen
Zusage würde im Übrigen nicht auf die Sachentscheidung durchschlagen, die
allein nach den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien zu erfolgen hat. Der
Umstand schließlich, dass der Bescheid der Hochschule vom 25.02.2013 nicht mit
einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, führt nicht zu dessen
Rechtswidrigkeit, sondern nach § 58 VwGO nur zu einer verlängerten
Rechtsbehelfsfrist, auf die es im vorliegenden Fall jedoch nicht ankommt.
41 Das Gericht hat auch keine Bedenken dagegen, dass die von der Hochschule
Konstanz getroffene Auswahlentscheidung sich wesentlich an dem Eindruck
orientiert hat, den die in die engere Wahl gekommenen Bewerber bei den
Probevorlesungen am 27.11.2012 auf die Berufungskommission gemacht haben.
Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in einem Beschluss
vom 07.06.2005 (4 S 838/05) beanstandet, dass die pädagogische Eignung
ausschließlich anhand einer Probevorlesung nachgewiesen werden sollte, da
diese nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 LHG in der Regel durch Erfahrung in der Lehre oder
Ausbildung nachzuweisen ist. In eine ähnliche Richtung geht die Argumentation
des Klägers, wonach sein fachlicher Werdegang, wie er in seinen
Bewerbungsunterlagen ausführlich dokumentiert worden sei, im Verhältnis zu dem
angeblich erfolgreichen Kandidaten überhaupt nicht gewichtet worden sei. Das
Gericht geht demgegenüber davon aus, dass die Berufungskommission bei der in
ihrer 3. Sitzung am 16.10.2012 getroffenen Vorauswahl zum Ausdruck gebracht
hat, dass sie die 3 in die engere Wahl gezogenen Bewerber im Hinblick auf die
Einstellungsvoraussetzungen des § 47 Abs. 1 LGH - und mithin auch hinsichtlich
der Erfahrung in Lehre oder Ausbildung sowie der sonstigen beruflichen Erfahrung
- als im Wesentlichen gleich geeignet für die ausgeschriebene Stelle angesehen
hat. Von daher konnte die Auswahl zwischen diesen verbleibenden Bewerbern
ausschlaggebend nach dem Eindruck der Probevorlesungen erfolgen.
42 Jedoch kann das Gericht den für die Entscheidung angegebenen Gründen, den
Kläger nicht zu berücksichtigen, nicht hinreichend entnehmen, dass die
Beurteilungsermächtigung fehlerfrei ausgeübt worden ist. Dabei sieht das Gericht
allerdings die formellen Anforderungen an die Dokumentation der maßgeblichen
Gründe für die Auswahlentscheidung als gewahrt an. Die wesentlichen
Auswahlerwägungen müssen von der Behörde schriftlich fixiert werden, um den
Mitbewerber in die Lage zu versetzen, sachgerecht entscheiden zu können, ob
Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Anspruch auf faire und
chancengleiche Behandlung seiner Bewerbung bestehen. Darüber hinaus eröffnet
erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen auch dem Gericht die
Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuprüfen (vgl.
BVerfG, Beschl. v. 09.07.2007, a.a.O.). Hier sind die wesentlichen
Auswahlerwägungen im Protokoll der 4. Sitzung der Berufungskommission vom
27.11.2012 in diesem Sinne hinreichend dokumentiert. Das Gericht vermag aber in
materieller Hinsicht nicht nachzuvollziehen, ob die Berufungskommission bei der
Beurteilung der Probevorlesung des Klägers in jeder Hinsicht von einem
zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist. Der Kläger hat insoweit konkrete
Einwendungen erhoben, denen der Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten
ist.
43 Dies gilt allerdings nicht schon für die Einlassung des Klägers, ihm sei nach seiner
Probevorlesung von einem Mitglied der Berufungskommission eine sehr
mitnehmende Vortragsweise bescheinigt worden. Der Kläger hat diesen Vortrag
mit der Einschränkung versehen, dies sei „nach seiner Erinnerung“ so gewesen.
Von daher war es hier ausreichend, dass der Beklagte in der Klageerwiderung
mitteilte, eine Rückfrage beim Vorsitzenden der Berufungskommission habe
ergeben, dass dieser sich an die zitierte Wortwahl nicht erinnern könne.
44 Dem Kläger werden aber im Protokoll der 4. Sitzung der Berufungskommission
vom 27.11.2012 konkrete Vorhaltungen gemacht, die von ihm bestritten werden.
So heißt es dort, er habe Fragen zur Bernoulli-Gleichung ungenügend bzw. falsch
beantwortet. Nach dem Vortrag des Klägers hat er dagegen lediglich eine oder
zwei Fragen nicht sicher beantworten können. Bei dieser Sachlage hätte es der
Beklagtenseite oblegen darzulegen, welche konkrete Fragen gestellt worden sind,
was der Kläger darauf geantwortet hat und warum seine Antworten ungenügend
bzw. falsch waren. Eine solche Substantiierung ist aber von der Beklagtenseite
auch im gerichtlichen Verfahren nicht vorgenommen worden. Ebenso hat der
Kläger die im Protokoll der Berufungskommission enthaltene Feststellung
bestritten, es sei bei seinem Pflichtvortrag über die Bernoulli-Gleichung zu einer
wesentlichen Überschreitung des vorgegebenen Zeitrahmens gekommen. Nach
seiner Darstellung hat er in seinem ersten Vortrag zur Bernoulli-Gleichung nicht
überzogen, sondern nur minimal in dem von ihm gewählten Fachvortrag. Auch hier
hätte von der Gegenseite eine Präzisierung erfolgen müssen, um wie viele Minuten
der für den Pflichtvortrag vorgegebene Zeitraum von 40 Minuten überschritten
worden sein soll. Sie hat sich hierzu aber ebenso wenig geäußert wie zu der
Erklärung des Klägers, der Umstand, dass er den Studierenden während des
Vortrages zeitweise den Rücken zugekehrt habe, sei darauf zurückzuführen
gewesen, dass er gewisse Dinge auf der Powerpoint-Präsentation illustriert habe.
Schließlich hat sich der Kläger gegen die Feststellung im Protokoll verwahrt, er
habe im Gespräch mit der Berufungskommission kein überzeugendes Konzept für
Forschung und Lehre vorstellen können. Der Kläger hat dem Gericht insoweit
bereits mit der Klageerhebung ein Ideenpapier vorgelegt, welches er bei dem
Gespräch als Stichwortzettel dabeigehabt habe. Es wäre daher Sache des
Dienstherrn gewesen zu erläutern, welche Erwartungshaltung im Hinblick auf das
Konzept für Forschung und Lehre bei der Berufungskommission bestanden hat
und warum die diesbezüglichen Vorstellungen des Klägers dem nicht entsprachen.
Auch hierzu ist aber vom Beklagten keinerlei Vortrag erfolgt.
45 Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Angaben der Hochschule
gegenüber dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst anlässlich der
Einholung des Einvernehmens zur Berufung des Beigeladenen. Denn in den
dortigen Ausführungen wird ersichtlich nicht zwischen den beiden abgelehnten
Mitbewerbern des Beigeladenen differenziert, sodass schon nicht ersichtlich ist,
auf welchen der beiden sich einzelne Kritikpunkte beziehen sollen. Soweit die
Kanzlerin der Hochschule in der mündlichen Verhandlung erklärt hat, sämtliche
Beanstandungen würden sich jeweils auf beide Mitbewerber des Beigeladenen
beziehen, hält das Gericht dies nicht für überzeugend. So sind dort etwa als ein
Kritikpunkt viele Rechtschreibfehler genannt, wovon aber bei den vom Kläger
vorgelegten Unterlagen keine Rede sein kann. Das Gericht muss daher
annehmen, dass sich diese Vorhaltung lediglich gegen den 3. - ebenfalls
unterlegenen - Bewerber in der engeren Wahl gerichtet hat.
46 Da es schon an einem substantiierten Sachvortrag der Beklagtenseite im Hinblick
auf die vom Kläger erhobenen Einwendungen gegen die Feststellungen im
Protokoll der 4. Sitzung der Berufungskommission vom 27.11.2012 fehlt, hat die
Kammer auch keinen Anlass zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts von
Amts wegen etwa durch Vernehmung der einzelnen Mitglieder der
Berufungskommission. Gegenstand der Überprüfung einer Ermessens- oder
Beurteilungsentscheidung sind allein die Erwägungen, welche die Behörde
aufgrund des von ihr angenommenen Sachverhalts tatsächlich angestellt hat, und
nicht theoretische denkbare Erwägungen, die sie auf der Grundlage weiterer
Ermittlungen hätte anstellen können.
47 Der Kläger hat daher einen Anspruch darauf, dass über seine Bewerbung für die
an den Beigeladenen vergebene Stelle erneut entschieden wird. Da die Ablehnung
der Bewerbung des 3. Kandidaten bestandskräftig geworden ist, muss die erneute
Auswahl nur noch zwischen dem Beigeladenen und dem Kläger getroffen werden.
Dabei dürfte eine Entscheidung auf der Grundlage der Probevorlesungen vom
27.11.2012 angesichts der seither verstrichenen Zeit kaum noch in Betracht
kommen. Die Hochschule wird daher wohl den Probevortrag mit dem Kläger und
dem Beigeladenen zu wiederholen und unter Berücksichtigung der dabei
gewonnenen Erkenntnisse eine erneute Auswahlentscheidung zu treffen haben.
48 Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Da der
Beigeladene keinen Antrag gestellt und damit seinerseits kein Kostenrisiko
eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es nicht der Billigkeit, seine
außergerichtlichen Kosten dem unterlegenen Beklagten aufzuerlegen.
49 Die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO.
50
Beschluss
51 Der Streitwert für das Verfahren wird auf
30.229,42 EUR
festgesetzt.
52
Gründe
53 Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 GKG werden die Kosten nach dem im Zeitpunkt des
Anhängigwerdens der Rechtsstreitigkeit (Klageerhebung) geltenden Recht
erhoben. Nach § 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 GKG a.F. beläuft sich der Streitwert
danach auf die Hälfte des 13fachen Betrags des Endgrundgehalts der hier
streitbefangenen Professur. Die Kammer hat daher den im Zeitpunkt der
Klageerhebung gültigen Betrag des Endgrundgehalts einer W2-Professur von
monatlich 4.650,68 EUR mit dem Faktor 6,5 multipliziert.
54 Wegen der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf § 68
Abs. 1 GKG verwiesen.