Urteil des VG Freiburg vom 20.07.2016

vorverfahren, unentgeltliche tätigkeit, widerspruchsverfahren, steuerberater

VG Freiburg Urteil vom 20.7.2016, 1 K 362/15
Kostentragung für Hinzuziehung eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren
Leitsätze
1. Sonstiger Bevollmächtigter i.S.d. § 80 Abs. 2 LVwVfG kann jeder Bevollmächtigte i.S.d. § 14 LVwVfG bzw. bei
Kommunalabgabensachen i.S.d. § 80 AO sein.
2. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten, dessen Tätigkeit rechtlich unzulässig ist, kann nicht gemäß § 80 Abs.
2 und Abs. 3 Satz 2 LVwVfG für notwendig erklärt werden. Das gilt insbesondere, wenn die Tätigkeit des
Bevollmächtigten gegen das Steuerberatungsgesetz bzw. das Rechtsdienstleistungsgesetz verstößt.
Tenor
Ziff. 2 der Verfügung des Landratsamts ... vom 15.12.2014 und der Widerspruchsbescheid des
Regierungspräsidiums Freiburg vom 04.02.2015 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, die
Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Kläger im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1 Die Kläger begehren die Verpflichtung des beklagten Landes im Rahmen einer Entscheidung über die
Kostentragung im Widerspruchsverfahren die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für
notwendig zu erklären.
2 Mit vier getrennten Gebührenbescheiden der Beigeladenen vom 29.10.2007 wurden die Kläger als
Gesamtschuldner zu einem geänderten Abschlag auf die Abwassergebühren zum 15.11.2007 in Höhe von
90,00 EUR herangezogen. Gegen diese Bescheide erhoben die Kläger - vertreten durch ihren
Prozessbevollmächtigten - am 31.10.2007 Widerspruch, den die Beigeladene mit Schreiben vom 09.11.2007
dem Landratsamt ... zur Entscheidung vorlegte.
3 Mit Gebührenbescheiden vom 08.02.2008 setzte die Beigeladene die Abwassergebühren der Kläger für das
Jahr 2007 endgültig fest. Unter dem 13.12.2009 beantragten die Kläger beim Landratsamt, das
Widerspruchsverfahren gegen die Bescheide vom 29.10.2007 förmlich einzustellen.
4 Mit Bescheid vom 06.05.2010 stellte das Landratsamt ... das Widerspruchsverfahren ein (Ziffer 1) und hob
die Kosten des Verfahrens gegenseitig auf (Ziffer 2). Der Bescheid enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass
gegen die Kostenentscheidung Widerspruch erhoben werden könne.
5 Die Kläger erhoben - vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten - mit Schreiben vom 12.05.2010
Widerspruch gegen die im Bescheid vom 06.05.2010 enthaltene Kostengrundentscheidung. Dabei vertraten
sie die Auffassung, dass die Beigeladene die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu tragen habe.
6 Mit Bescheid vom 10.08.2011 nahm das Landratsamt ... den Bescheid vom 06.05.2010 zurück.
Rechtsgrundlage der Rücknahme sei § 48 Abs. 1 LVwVfG, wonach ein rechtswidriger Verwaltungsakt
zurückgenommen werden könne. Im vorliegenden Fall sei die Kostenentscheidung zu einem Zeitpunkt
getroffen worden, in dem bereits bekannt gewesen sei, dass der erledigte Verwaltungsakt über die
Vorauszahlungen 2007 aufgrund einer rechtswidrigen Satzung ergangen sei. Da der bisherige Streitstand
im Zeitpunkt der Entscheidung durch die Widerspruchsbehörde maßgeblich sei, habe keine Kostenaufhebung
erfolgen dürfen. Die Kläger erhoben - vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten - am 27.08.2011
Widerspruch gegen diesen Bescheid.
7 Nachdem über diesen Widerspruch noch nicht entschieden worden war, erhoben die Kläger am 16.01.2012
Klage (1 K 66/12), mit der sie sich gegen den Rücknahmebescheid des Landratsamts ... wandten und die
Verpflichtung des beklagten Landes begehrten, der Beigeladenen die Kosten des Widerspruchsverfahrens
aufzuerlegen.
8 Mit Urteil vom 26.09.2014 (1 K 66/12) verpflichtete das Gericht den Beklagten, die Kosten des
Widerspruchsverfahrens gegen die Bescheide der Beigeladenen vom 29.10.2007 dieser aufzuerlegen und
wies die Klage im Übrigen ab. Dieses Urteil wurde am 07.11.2014 rechtskräftig.
9 Am 08.10.2014 beantragten die Kläger die Zuziehung ihres Prozessbevollmächtigten als Bevollmächtigten
im Vorverfahren für erforderlich zu erklären.
10 Mit Bescheid vom 15.12.2014 verfügte das Landratsamt ..., die Beigeladene trage die Kosten des
Widerspruchsverfahrens; die Zuziehung eines Bevollmächtigten sei nicht notwendig gewesen. Zur
Begründung wurde ausgeführt, § 67 Abs. 2 VwGO regle, wer als Bevollmächtigter im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren vertretungsbefugt sei. Für das Vorverfahren und die dort zu treffende
Kostengrundentscheidung sei diese Vorschrift nicht heranzuziehen. Es liege wohl eine entgeltliche Tätigkeit
des Prozessbevollmächtigten im Sinne des § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 VwGO vor. Unabhängig davon erkläre § 80
Abs. 2 LVwVfG die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten im
Vorverfahren für erstattungsfähig, wenn die Zuziehung notwendig gewesen sei. Das Verwaltungsgericht
Freiburg habe im Urteil vom 14.07.2014 (1 K 2062/12) ausgeführt, dass der Prozessbevollmächtigte der
Kläger weder Rechtsanwalt noch eine Person gemäß § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 VwGO sei, so dass er kein
Bevollmächtigter im Sinne des § 80 Abs. 2 LVwVfG sei. Seine Heranziehung könne somit nicht nach dieser
Bestimmung für notwendig erklärt werden. Entsprechendes habe das Verwaltungsgericht Freiburg mit
Beschluss vom 19.05.2009 (1 K 1840/06) zu § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO entschieden. Nach alledem könne die
Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Kläger als Bevollmächtigten im Vorverfahren nicht für
erforderlich erklärt werden. Der Bescheid enthielt die Rechtsbehelfsbelehrung, dass gegen diese
Entscheidung Widerspruch erhoben werden könne.
11 Die Kläger erhoben - vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten - am 23.12.2014 Widerspruch, zu
dessen Begründung sie vortrugen, die zitierten Urteile des Verwaltungsgerichts Freiburg seien nicht
einschlägig. Über seinen Antrag, seine Hinzuziehung im Vorverfahren gemäß § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 VwGO
als volljähriger Familienangehöriger für erforderlich zu erklären, sei nicht entschieden worden. Es fehle
jedenfalls an einer rechtlichen Begründung für die Entscheidung. Soweit ergänzend geltend gemacht
worden sei, gewichtige Anhaltspunkte sprächen dafür, dass er entgeltliche Rechtsdienstleistungen erbringe,
ohne die Voraussetzungen des Rechtsdienstleistungsgesetzes zu erfüllen, seien diese Erwägungen
unerheblich. Im Übrigen handle es sich um eine bloße Mutmaßungen, die nicht belegt seien.
12 Das Regierungspräsidium Freiburg wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2015 als
unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Verwaltungsgericht Freiburg habe bereits mit
Urteil vom 19.05.2009 (1 K 1840/06) im Verfahren der Ehefrau des Prozessbevollmächtigten der Kläger
festgestellt, dass dieser kein Bevollmächtigter im Sinne von § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO sei und die Frage der
Notwendigkeit einer Hinzuziehung nach § 80 Abs. 2 VwVfG daher nicht auf ihn übertragen werden könne.
Die Bestimmung des § 80 Abs. 2 VwVfG sei mit der Regelung in § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO zu vergleichen und
die Rechtsprechung zu dieser Vorschrift könne herangezogen werden. Dieser Bescheid wurde am
06.02.2015 zugestellt.
13 Die Kläger haben am 16.02.2015 Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, es sei unstreitig, dass der
Prozessbevollmächtigte der Kläger auch deren Bevollmächtigter im Vorverfahren gewesen sei. Die
außergewöhnliche Schwierigkeit der Sache zeige sich dadurch, dass die vorangegangenen Verfahren eine
Laufzeit von über sieben Jahren gehabt hätten. Es sei den Klägern daher nicht zuzumuten gewesen, dieses
Vorverfahren selbst zu führen. Das gelte auch im Hinblick darauf, dass es vorliegend lediglich um einen
Vorausleistungsbescheid gehe, da es möglich sei, dass die Gerichte auch über einen solchen entscheiden,
bevor die endgültige Gebühr festgesetzt werde. Die Überlastung der Gerichte dürfe nicht zu Lasten der
Kläger gehen. Die Zulässigkeit seiner Bevollmächtigung im Vorverfahren ergebe sich aus § 14 LVwVfG. Die
Entscheidung darüber, ob die dem Bevollmächtigten entstandenen Sachkosten der Höhe nach
erstattungsfähig seien, bleibe dem Kostenfestsetzungsverfahren vorbehalten. Die Beklagte habe nicht
begründet, warum auf § 67 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 VwGO nicht zurückgegriffen werden könne. Der Rückgriff sei
zulässig, weil § 14 LVwVfG entsprechende Einschränkungen nicht enthalte. Entscheidungserheblich sei
nicht, ob die Kläger die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für notwendig halten durften, sondern ob diese
notwendig gewesen sei. Rechtliche Gründe dafür, dass es den Klägern aufgrund ihrer Sachkunde nach ihren
persönlichen Verhältnissen und wegen der Schwierigkeit der Sache zuzumuten war, das Vorverfahren selbst
zu führen, habe die Beklagte nicht dargelegt.
14 Die Kläger beantragen,
15 Ziff. 2 des Bescheids des Landratsamts ... vom 15.12.2014 sowie den Widerspruchsbescheid des
Regierungspräsidiums Freiburg vom 04.02.2015 aufzuheben und das beklagte Land zu verpflichten, unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Kläger als
Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.
16 Das beklagte Land beantragt,
17 die Klage abzuweisen.
18 Zur Begründung wird ausgeführt, es gehe im Kern um die Frage, ob die Hinzuziehung eines
Bevollmächtigten im Sinne des § 80 Abs. 2 LVwVfG notwendig gewesen sei oder nicht. Erforderlich sei
zuvorderst, dass ein Bevollmächtigter im Sinne des § 80 Abs. 2 LVwVfG im Verwaltungsverfahren
aufgetreten sei. Aus den bereits im Ausgangsbescheid zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichts
Freiburg folge eindeutig, dass der Prozessbevollmächtigte der Kläger weder ein Bevollmächtigter im Sinne
des § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO noch ein Bevollmächtigter im Sinne des § 80 Abs. 2 LVwVfG sei. Auf die vom
Klägervertreter angesprochene Zulässigkeit seiner Bevollmächtigung aus § 14 LVwVfG komme es nicht an,
da maßgeblich nur sei, ob er Bevollmächtigter im Sinne des § 80 Abs. 2 LVwVfG gewesen sei.
19 Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
20 Die einschlägigen Akten des Landratsamts ... und des Regierungspräsidiums Freiburg (je ein Heft) liegen vor
und waren Gegenstand der Entscheidung. Hierauf sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten wird ergänzend
verwiesen.
Entscheidungsgründe
21 Die Klage ist zulässig und begründet.
22 Die statthafte Verpflichtungsklage (BVerwG, Urt. v. 17.12.2001 - 6 C 19.01 - NVwZ-RR 2002, 446) wurde
fristgemäß erhoben. Die Klagefrist wurde gewahrt, obgleich zunächst ein nicht statthaftes
Widerspruchsverfahren durchgeführt wurde. Das Widerspruchsverfahren gegen die Entscheidung des
Landratsamts war hier gemäß § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO nicht nur entbehrlich, sondern nicht statthaft
(vgl. BVerwG Urt. v. 12.08.2014 - 1 C 2.14 - BVerwGE 150, 190). Hier enthielt der Bescheid des
Landratsamts ..., der in einem Widerspruchsverfahren der Kläger erging, eine Kostengrundentscheidung, mit
der die begehrte Erklärung, die Zuziehung eines Bevollmächtigten in diesem Vorverfahren sei notwendig
gewesen, abgelehnt wurde. In diesem Fall kann der Widerspruchsführer (hier: die Kläger) unmittelbar
Verpflichtungsklage erheben (Ziekow, VwVfG, 3. Aufl. 2013, § 80 Rn. 30). Eine für den Widerspruchsführer
nachteilige Kostenentscheidung fällt unter § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO (BVerwG Urt. v. 25.09.1992 - 8 C
16.90 - Buchh. 316 § 80 VwVfG Nr. 33 und v. 12.08.2014, a.a.O.; Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, §
68 Rnr. 20; Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 68 Rnr. 146); das gilt auch, wenn die Hauptsache sich
erledigt hat (Sodan/Ziekow, a.a.O. Rnr. 146). Da das Landratsamt in der Rechtsbehelfsbelehrung des
angefochtenen Bescheids jedoch irrtümlich auf den Widerspruch verwiesen hat, galt hier eine Klagefrist von
einem Jahr (§ 58 Abs. 2 VwGO). Diese haben die Kläger mit der am 16.02.2015 gegen den Bescheid vom
15.12.2014 erhobenen Klage gewahrt.
23 Die Klage ist auch begründet. Ziff. 2 der Verfügung des Landratsamts ... vom 15.12.2014 ist rechtswidrig
und verletzt die Kläger in ihren Rechten, denn sie haben einen Anspruch darauf, dass die Zuziehung eines
Bevollmächtigten im Vorverfahren gegen die Vorauszahlungsbescheide der Beigeladenen vom 29.10.2007
für notwendig erklärt wird (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO).
24 Dieser Anspruch folgt aus § 80 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 LVwVfG, der hier gemäß § 80 Abs. 4 Nr. 2 LVwVfG
anwendbar ist. Die Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 und Abs. 3 S. 2 LVwVfG, unter denen die Zuziehung
eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären ist, liegen vor. Diese Entscheidung ist -
auch soweit sie die Notwendigkeit der Zuziehung betrifft - eine Rechts- und keine Ermessensentscheidung
(Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, Rn. 63). Das Gericht legt den Antrag der Kläger dahin aus, dass er
auf die entsprechende Verpflichtung gerichtet ist und sich der Zusatz „nach der Rechtsauffassung des
Gerichts“ lediglich auf den Umfang der Erstattung bezieht, die unmittelbar noch nicht Gegenstand des
Verfahrens ist.
25 Die Kläger wurden im Widerspruchsverfahren gegen die Vorauszahlungsbescheide der Beigeladenen vom
29.10.2007 von ihrem Prozessbevollmächtigten vertreten. Dieser ist ein sonstiger Bevollmächtigter im
Sinne des § 80 Abs. 2 LVwVfG. Diese Frage ist nicht erst auf der Ebene der Kostenfestsetzung zu prüfen, bei
der dann lediglich die Notwendigkeit und die Höhe der einzelnen Auslagen zu prüfen sein werden
(Knack/Henneke, a.a.O § 80 Rn. 74; vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 80 Rn. 76 f). Das Gericht hält an
seiner im Urteil vom 14.07.2014 (1 K 2062/12) vertretenen gegenteiligen Auffassung nicht mehr fest. Für
die nunmehr vertretene Auslegung spricht zunächst der Wortlaut der Bestimmung, dem zu entnehmen ist,
dass nicht nur die Zuziehung eines Rechtsanwalts, sondern auch die Zuziehung eines sonstigen
Bevollmächtigten in der Kostengrundentscheidung für notwendig erklärt werden kann. Für die Frage, wer
Bevollmächtigter sein kann, ist § 67 VwGO nicht einschlägig. Vielmehr ist auf § 14 LVwVfG (so für den
Regelfall: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 80 Rn. 35; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, §
80 Rn. 78; Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 4. Aufl. 2016, § 80 Rn. 17; Ziekow, a.a.O. § 80 Rn.
22) oder im Bereich des Kommunalabgabenrechts auf §§ 3 Abs. 1 Nr. 3a KAG, 80 AO abzustellen.
Grundsätzlich ist nach diesen Bestimmungen nur erforderlich, dass es sich bei der Person des
Bevollmächtigten um eine natürliche handlungsfähige Person handelt. Im Übrigen werden an die Person des
Bevollmächtigten keine besonderen Voraussetzungen geknüpft. Insbesondere wird eine irgendwie geartete
besondere Eignung oder ein Status etwa als Rechtsanwalt im Hinblick auf den Gegenstand des Verfahrens
nicht verlangt (Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O. § 14 Rn. 10; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 14 Rn. 11). Auch nach §
80 Abs. 1 AO hat der Steuerpflichtige (hier Abgabenpflichtige) das Recht, sich von einem beliebigen Dritten
vertreten lassen (Beermann/Gosch, AO, 1995, § 80 Rn. 6; Koenig, AO, 3. Aufl. 2014, § 80 Rn. 18).
26 Der Beklagte vermag nicht mit der Begründung durchzudringen, dass im Rahmen des § 162 Abs. 2 Satz 2
VwGO lediglich die Kosten für die Bevollmächtigung eines Rechtsanwalts oder von Personen i.S.d. § 67 Abs.
2 Satz 2 Nr. 3 VwGO (d.h. insbesondere Steuerberater) im Vorverfahren erstattungsfähig seien, und daher
für den gleichlautenden § 80 Abs. 2 LVwVfG dasselbe gelten müsse. Auch wenn man der Auffassung des
Beklagten zur Auslegung des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO folgt, so würde diese Auffassung lediglich mit dem
systematischen Zusammenhang dieser Bestimmung mit § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO begründet, in dem
lediglich Rechtsanwälte sowie Personen i.S.d. § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwGO (d.h. insbesondere
Steuerberater) angesprochen werden. Ein solcher systematischer Zusammenhang fehlt jedoch bei § 80 Abs.
2 LVwVfG. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber durch Erlass des § 80 LVwVfG einen klaren Trennungsstrich
gezogen hat und verwaltungsverfahrensrechtliche und verwaltungsprozessuale Kostenregelungen
unterschiedlichen Prinzipien folgen (Knack/Henneke, VwVfG, 10. Aufl. 2014, Rn. 21).
27 Allerdings wird aus Gründen der Einheit der Rechtsordnung davon auszugehen sein, dass eine
Kostenerstattung für die Auslagen oder Gebühren eines Bevollmächtigten nicht in Betracht kommt, wenn
dessen Tätigkeit nicht rechtlich zulässig ist, insbesondere, wenn sie gegen das Steuerberatungsgesetz oder
das Rechtsdienstleistungsgesetz verstößt (vgl: Knack/Henneke, VwVfG, § 80 Rn. 60; Stelkens/Bonk/Sachs,
a.a.O. Rn. 89). So kann ein Bevollmächtigter zurückgewiesen werden, wenn er geschäftsmäßig Hilfe in
Steuersachen leistet (§ 80 Abs. 5 AO). Unter diesen Umständen kommt eine Erstattung von Kosten für einen
solchen Bevollmächtigten nicht in Betracht, selbst wenn er tatsächlich nicht zurückgewiesen wurde (vgl.
OVG NRW, Beschl. v. 27.06.1991 - 3 B 1858/90 - NVwZ-RR 1992, 446 zu § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
Dabei ist es für die geschäftsmäßige Hilfeleistung ohne Belang, ob sie entgeltlich oder unentgeltlich geleistet
wird (§ 2 StBerG). Maßgeblich ist nur, ob ein selbständiges Handeln in Wiederholungsabsicht vorliegt (Klein,
Abgabenordnung, 11. Aufl. 2012, § 80 Rn. 35; Koenig, a.a.O. Rn. 79; Tipke/Kruse, AO, Lieferung 1.2016, §
80 Rn. 64). Hier war der Kläger gerichtsbekannt bereits in zahlreichen anderen Verfahren auch für die
Kläger aufgetreten. Als einzige Ausnahme kommt hier nur die nach § 6 Nr. 2 StBerG erlaubte unentgeltliche
Hilfeleistung für Angehörige in Betracht. Dementsprechend sind auch nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz
unentgeltliche außergerichtliche Rechtsdienstleistungen innerhalb familiärer Beziehungen selbst dann
zulässig, wenn die Tätigkeit nicht unter der Anleitung einer Person mit Befähigung zum Richteramt
stattfindet (§ 6 Abs. 1 und 2 RDG).
28 Der Prozessbevollmächtigte der Kläger hat schriftsätzlich vorgetragen und in der mündlichen Verhandlung
erneut bestätigt, der Vater der Klägerinnen zu 1 und zu 2, sowie der Bruder des Klägers zu 3 und der
Schwager der Klägerin zu 4, der Ehefrau des Klägers zu 3, zu sein. Somit sind alle Kläger Angehörige des
Prozessbevollmächtigten (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 3, 4 und 6 AO). Dieser hat auch vorgetragen, für die Kläger
unentgeltlich tätig zu sein. Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht zutrifft, sind weder vorgetragen noch
ersichtlich. Das im angefochtenen Bescheid zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 23.09.2009
- 4 K 1219/07 - betraf ersichtlich keinen Fall, in dem der Prozessbevollmächtigte der Kläger für nahe
Angehörige tätig war. Der Prozessbevollmächtigte hat zudem in der mündlichen Verhandlung erklärt, die
Kläger begehrten lediglich die Erstattung seiner Sachkosten. Es sei ihm bewusst, dass bei einer
unentgeltlichen Tätigkeit keine Bezahlung für seine zeitliche Inanspruchnahme erfolgen könne. Diese
Auffassung trifft zu; dementsprechend kann auch der Widerspruchsführer selbst den Zeitaufwand für die
Abfassung des Widerspruchs nicht in Rechnung stellen (Knack/Henneke, a.a.O., Rn. 80; Stelkens/Bonk/Sachs,
a.a.O., § 80 Rnr. 61).
29 Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten war hier auch notwendig i.S.d. § 80 Abs. 2 LVwVfG. Ob die
Zuziehung namentlich eines Rechtsanwalts im Vorverfahren notwendig war, ist vom Standpunkt einer
verständigen Partei aus zu beurteilen. Maßstab ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs-
und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sach- und Rechtslage eines Rechtsanwalts bedient hätte.
Notwendig ist die Zuziehung eines Bevollmächtigten, wenn es der Partei nach ihren persönlichen
Verhältnissen nicht zuzumuten war, das Vorverfahren selbst zu führen (BVerwG, Urt. v. 28.04.2009 - 2 A
8.08 - NJW 2009, 2968 und v. 15.02.1991 - 8 C 83.88 - BVerwGE 88, 41; Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 80
Rn. 82). Dabei dürfen die Anforderungen an den Widerspruchsführer nicht zu hoch gestellt werden;
maßgebend ist, was ihm vom Standpunkt einer verständigen Partei, nicht von dem einer rechtskundigen
Person aus zugemutet werden kann, wobei Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit des einzelnen Bürgers nicht
überschätzt werden dürfen (Knack/Henneke, a.a.O. Rnr. 64; Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., § 80 Rn. 81). Diese
Voraussetzung ist bei Streitigkeiten über gemeindliche Abgaben regelmäßig erfüllt, weil in ihnen
typischerweise schwierige Sach- und Rechtsfragen auftreten, die nur eine mit dieser Materie vertraute
rechtskundige Person übersehen und (zuverlässig) beantworten kann (BVerwG, Urt. v. 15.02.1991, a.a.O.).
Das gilt auch für Abwassergebühren nach Kommunalabgabenrecht. Zwar geht es hier lediglich um eine
Vorauszahlung, die sich regelmäßig erledigt, wenn der endgültige Gebührenbescheid ergeht (VGH Bad.-
Württ., Urt. v. 12.10.2010 - 2 S 2555/09 -KStZ 2011, 117). Trotz der dadurch geringeren Bedeutung für die
Kläger bleibt es dabei, dass es sich um eine Streitigkeit handelt, bei der komplexe Rechtsprobleme
angesprochen sind.
30 Unter diesen Umständen haben die Kläger einen Anspruch darauf, dass die Zuziehung eines
Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig erklärt wird. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der
Zuziehung des Bevollmächtigten der Kläger hat dabei auch insoweit Bindungswirkung für die
Kostenfestsetzung, als nur Aufwendungen für eine unentgeltliche Tätigkeit in diesem Sinne erstattungsfähig
sind (vgl. zur Bindungswirkung für das Festsetzungsverfahren: Knack/Henneke, a.a.O., § 80 Rn. 70, 74;
Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O. § 80 Rn. 76 f).
31 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Beigeladene war nicht an den Kosten zu
beteiligen, da sie keinen Antrag gestellt hat, sondern ausdrücklich nur die Stellung eines Antrags
angekündigt hatte, dann aber in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war (§ 154 Abs. 3 VwGO). Aus
diesem Grunde sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nicht erstattungsfähig (§ 162 Abs. 3
VwGO); unabhängig davon entspräche es nicht der Billigkeit, dass der Beklagte an ihren außergerichtlichen
Kosten beteiligt wird.