Urteil des VG Freiburg vom 23.03.2016

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VG Freiburg Urteil vom 23.3.2016, 1 K 263/15
Fortsetzungsfeststellungsklage bei Erledigung des Vorauszahlungsbescheides
durch endgültige Festsetzung; Fortsetzungsfeststellungsinteresse
Leitsätze
Erledigt sich ein Vorauszahlungsbescheid durch eine endgültige Festsetzung, kann
ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten
Vorauszahlungsbescheids nur insoweit vorliegen, als der Streit im Prozess um die
endgültige Festsetzung nicht geklärt werden kann.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Tatbestand
1 Die Kläger wurden mit Bescheid der Beklagten vom 23.01.2015 für das Jahr 2015
zu „Abschlägen“ auf die Abwassergebühren in Höhe von 470,00 EUR
herangezogen. Hiergegen erhoben sie am 26.01.2015 Widerspruch.
2 Am 06.02.2015 haben die Kläger Klage gegen die „Abwassergebühren
Vorauszahlung 2015“ erhoben, soweit Vorauszahlungen in einer Höhe von mehr
als 423,00 EUR festgesetzt worden sind.
3 Mit Bescheid vom 25.01.2016 setzte die Beklagte Abwassergebühren für das Jahr
2015 in einer Höhe von 550,26 EUR fest.
4 Die Kläger haben ihre Klage daraufhin auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage
umgestellt. Sie meinen, es bestehe eine Wiederholungsgefahr. Es sei zu
befürchten, dass es auch in Bezug auf den
Abwassergebührenvorauszahlungsbescheid für das Jahr 2016 zu keiner
gerichtlichen Entscheidung in angemessener Frist komme. Daher gehe in Fällen
der Anfechtung von Vorauszahlungsbescheiden der grundrechtlich zu
gewährleistende gerichtliche Rechtsschutz ins Leere. Ein Feststellungsinteresse
besteht bereits dann, wenn sich ein Verwaltungsakt typischerweise so kurzfristig
erledige, dass er regelmäßig keiner Überprüfung in einem gerichtlichen
Hauptsacheverfahren zugeführt werden könne. Dies sei hier der Fall.
5 Die Kläger beantragen,
6
festzustellen, dass der Bescheid der Beklagten vom 23.01.2015 rechtswidrig
geworden ist, soweit darin Vorauszahlungen für die Abwassergebühren für das
Jahr 2015 von mehr als 423,00 EUR festgesetzt werden.
7 Die Beklagte beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9 Sie meint, dass die Klage unzulässig sei.
10 Dem Gericht liegen zwei Hefte Akten der Beklagten vor. Auf diese Akten und die im
vorliegenden Verfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten wird wegen der
weiteren Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe
11 Über die Klage entscheidet der Vorsitzende, dem die Kammer den Rechtsstreit zur
Entscheidung übertragen hat, als Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 VwGO).
12 Die Klage ist unzulässig. Wohl unstreitig hat sich der angefochtene Bescheid durch
die endgültige Gebührenfestsetzung erledigt. Nach § 15 KAG kann durch Satzung
bestimmt werden, dass auf die Gebührenschuld im Rahmen eines
Dauerbenutzungsverhältnisses angemessene Vorauszahlungen zu leisten sind.
Bei diesen Zahlungen handelt es sich um vorläufige Leistungen auf die künftige
Gebührenschuld, die mit der später nach dem Entstehen der Gebührenschuld
festzusetzenden Gebühr zu verrechnen sind. Vorauszahlungen können nur
aufgrund einer regelmäßig auf dem Ergebnis der letzten Veranlagung beruhenden
Prognose festgesetzt werden. Der nur vorläufige Charakter der in einem
Vorausleistungsbescheid prognostisch bestimmten Höhe der Gebührenschuld
rechtfertigt den Schluss, dass ein solcher Bescheid in seinem festsetzenden Teil
durch den endgültigen Heranziehungsbescheid bereits mit dem wirksamen Erlass
dieses Bescheids abgelöst wird. Darauf, ob der endgültige
Heranziehungsbescheid bereits Bestandskraft erlangt hat, kommt es nicht an
(VGH Bad.-Württ., Urteil vom 12.10.2010 - 2 S 2555/09 - KStZ 2011, 117).
13 Diese Erledigung haben die Kläger zum Anlass genommen, ihre Anfechtungsklage
auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umzustellen. Auch diese
Fortsetzungsfeststellungsklage ist indes unzulässig. Es fehlt an einem
berechtigten Feststellungsinteresse der Kläger im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4
VwGO. Der Feststellungsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist eine
Ausnahme und nur bei Vorliegen eines besonderen Interesses zulässig. Das
allgemeine Interesse eines Beteiligten an der vom konkreten Fall losgelösten
Klärung einer Rechtsfrage oder der Wiederherstellung der Einheitlichkeit der
Rechtsprechung begründet grundsätzlich kein berechtigtes Feststellungsinteresse
in diesem Sinne. Das besondere Rechtsschutzinteresse ist gerade dann zu
verneinen, wenn die Behörde einen Änderungsbescheid erlässt und dieser
Gegenstand des (weiteren) Verfahrens wird, oder aber dann, wenn wie hier im
Rechtsstreit um einen Vorauszahlungsbescheid eine endgültige Festsetzung
erfolgt. Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des
erledigten Vorauszahlungsbescheids kann in diesen Fällen nur insoweit vorliegen,
als der Streit im Prozess um die endgültige Festsetzung nicht geklärt werden kann
(vgl. Brandis in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 100 FGO Rn. 49; Schmidt-Troje in:
Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, § 100 FGO Rn. 43).
14 Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Die von den Klägern aufgeworfenen Probleme,
die im Wesentlichen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten vorgenommenen
Gebührenkalkulation betreffen, könnten ohne weiteres auch in einem Streit um die
endgültige Gebührenfestsetzung geklärt werden. Spezifische Fragen, die gerade
die Heranziehung zu einer Vorauszahlung betreffen, haben die Kläger nicht
genannt. Abgesehen davon dürfte es angesichts des nur vorläufigen Charakters
der in einem Vorausleistungsbescheid prognostisch bestimmten Höhe der
Gebührenschuld auch regelmäßig sachdienlich sein, schwierige Fragen im
Zusammenhang mit der Rechtmäßigkeit einer Gebührenkalkulation in dem
Verfahren über die endgültige Gebührenfestsetzung gerichtlich klären zu lassen.
Weshalb dies den Klägern nicht möglich oder zumutbar sein sollte, ist nicht
ersichtlich.
15 Soweit die Kläger die Ansicht vertreten, hierdurch werde ihr grundrechtlich
gewährleisteter Rechtsschutz unzumutbar eingeschränkt, ist dem für den
vorliegenden Fall schon im Ansatz nicht zu folgen. Sie lassen außer Acht, dass die
Untätigkeitsklage im vorliegenden Fall erhoben worden ist, ohne dass zuvor eine
sachliche Begründung des Widerspruchs erfolgt war. Damit hat schon ein
zureichender Grund dafür bestanden, dass zunächst keine Entscheidung der
Behörde über den Widerspruch der Kläger iSv § 75 Satz 1 VwGO erfolgt ist. Für
diesen Fall sieht § 75 Satz 3 VwGO ein Aussetzen des Verfahrens vor, sodass die
Kläger von Anfang an nicht auf eine schnelle gerichtliche Entscheidung vertrauen
durften. Das Gericht hat hier lediglich deshalb von einer Aussetzung des
Verfahrens abgesehen, weil es davon ausgegangen ist, dass sich das Verfahren
vorher durch die endgültige Abgabenfestsetzung erledigen würde und ein
Aussetzen des Verfahrens daher nicht sachdienlich ist (vgl. Verfügung vom
24.11.2015). Bei dieser Sachlage kann nicht die Rede davon sein, dass die Kläger
durch den Erlass der endgültigen Gebührenfestsetzung um die Früchte des
bisherigen Prozesses gebracht worden sind (vgl. allg. hierzu: Stuhlfauth in:
Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Aufl. 2014, §
113 Rn. 66).
16 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO. Die
Zulassung der Berufung kommt nicht in Betracht, da keiner der Gründe des § 124
Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO vorliegt (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).