Urteil des VG Freiburg vom 06.08.2015

grundstück, wirkung ex nunc, anschluss, beitragspflicht

VG Freiburg Urteil vom 6.8.2015, 1 K 2485/13
Heranziehung zu Wasserversorgungs-, Kanal- und Klärbeiträgen bei einem
Außenbereichsgrundstück
Leitsätze
1. Zur Auslegung eines Widerspruchs.
2. Ein tatsächlicher Anschluss, der die Beitragserhebung gegenüber einem
Außenbereichsgrundstück rechtfertigen könnte, liegt nicht schon dann vor, wenn
Leitungen vorhanden sind, welche die Wasserversorgung eines Grundstücks
bewerkstelligen können, sondern erst dann, wenn diese Leitungen zur Versorgung
einer baulichen Anlage mit Frischwasser auch tatsächlich genutzt werden.
3. Die eine (Nach-) Erhebung rechtfertigende Verbesserung der Vorteilslage liegt in
Bezug auf eine Teilfläche vor, wenn für diese Teilfläche erstmals eine
Bebauungsmöglichkeit geschaffen wird.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1 Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Wasserversorgungs-, Kanal-
und Klärbeiträgen.
2 Der Kläger ist Eigentümer des Grundstückes Flst.-Nr. 80/3. Dieses Grundstück war
ursprünglich Bestandteil des größeren im Außenbereich befindlichen Grundstücks
Flst-Nr. 282, das in mehrere Einzelgrundstücke - darunter auch die Grundstückes
Flst.-Nr. 80/2 und 80/3 - aufgeteilt worden ist. Auf der Fläche des heutigen
Grundstücks Flst.-Nr. 80/2 wurde bereits während des Zweiten Weltkriegs ein
Gebäude errichtet. Zeitweise befand sich auf diesem Grundstück auch ein privates
Schwimmbad. Nach den unbestrittenen Angaben des Klägers ist 1960 bis 1962
eine private Erschließungsstraße zu diesem Grundstück, samt Frischwasserleitung
und Mischwasserkanal, errichtet worden. In den 90er Jahren ist hiernach
festgestellt worden, dass die „WC-Grube-Ableitung“ dieses Anwesens verstopft
war; in der Folge sei ein Anschluss an den bestehenden Schacht KD 667
hergestellt worden. Das heutige Grundstück Flst.-Nr. 80/3 war - und ist - hingegen
nicht mit Gebäuden bebaut.
3 Am 05.03.2013 beschloss die Beklagte den Bebauungsplan Kirchhalde 1“, der u.a.
für das dem Kläger gehörende Grundstück Flst.-Nr. 80/3 ein allgemeines
Wohngebiet festsetzt. Im zeichnerischen Teil des Bebauungsplans sind im Bereich
des klägerischen Grundstücks vorhandene Frisch- und Abwasserleitungen
eingezeichnet. In der Begründung des Bebauungsplans findet sich folgender
Passus:
4
„10.0. Kosten
Für die Erschließung (Kanal, Wasser, Erschließungsstraße) entstehen keine
Kosten, da diese bereits vorhanden ist.
Nicht enthalten sind Verwaltungskosten sowie Kosten für den Grunderwerb.“
5 Mit Bescheiden vom 28.05.2013 zog die Beklagte den Kläger für eine 85 m² große
Teilfläche (Stellplätze) zu einem Wasserversorgungsbeitrag von 100,05 EUR und
einem Kanalbeitrag von 127,50 EUR heran. Am 29.05.2013 folgte ein
Klärbeitragsbescheid über 51 EUR. Für eine weitere Teilfläche desselben
Grundstückes von insgesamt 698 m² (Bauplatz 3) setzte die Beklagte mit zwei
Bescheiden vom 28.05.2013 einen Wasserversorgungs- und einen Kanalbeitrag
von 2.053,78 EUR und von 2.617,50 EUR fest. Am 29.05.2013 erhob sie für die
gleiche Teilfläche einen Klärbeitrag von 1.047,00 EUR fest. Für eine dritte
Teilfläche von 517,62 m² erhob die Beklagte mit Bescheiden vom 28.05.2013
einen Wasserversorgungsbeitrag von 1.521,27 EUR und einen Kanalbeitrag von
1.938,75 EUR sowie mit Bescheid vom 29.05.2013 einen Klärbeitrag von 775,50
EUR.
6 Der Kläger legte am 01.06.2013 Widerspruch gegen „sämtliche Bescheide vom
29.05.2013“ ein. Zur Begründung führte er aus, die Beklagte habe ihm zugesichert,
dass keine weiteren Beiträge durch den Erlass des Bebauungsplanes „Kirchhalde
1“ entstünden. Es seien bereits Beiträge für das Grundstück entrichtet worden.
Zudem sei ihm seitens des Bürgermeisters zugesichert worden, dass keine
weiteren Kosten anfallen würden.
7 Das Landratsamt ... wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid
vom 24.10.2013 zurück. In der Begründung wird ausgeführt: Bei lebensnaher
Betrachtung sei davon auszugehen, dass sich der Widerspruch nicht nur auf die
Bescheide vom 29.05.2013, sondern auch gegen die Bescheide vom 28.05.2013
richte. Der Widerspruch sei unbegründet. Die Ausführungen unter 10.0 der
Begründung des Bebauungsplanes bezögen sich nur eventuelle Kosten der
Gemeinde. Für diese sollten keine weiteren Kosten entstehen. Eine
rechtsverbindliche Zusage seitens des ehemaligen oder des derzeitigen
Bürgermeisters liege schon mangels schriftlicher Form nicht vor. Mit Rechtskraft
des Bebauungsplanes „Kirchhalde 1“ sei wegen der nun gegebenen Bebaubarkeit
erstmals eine Beitragspflicht entstanden.
8 Der Kläger hat am 27.11.2013 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Durch
den vorhandenen Mischwasserkanal sowie die ebenfalls vorhandene
Wasserleitung sei sein Grundstück bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplans
erschlossen gewesen. Eine Beitragspflicht entstehe bereits dann, wenn ein
Grundstück an die öffentliche Wasserversorgungsanlage tatsächlich
angeschlossen sei, auch wenn es mangels entsprechender Festsetzungen nicht
bebaut oder gewerblich genutzt werden könne. Dass die vorhandenen Leitungen
auch zur Versorgung der beiden Grundstücke des Klägers gedacht gewesen
seien, zeige die auf den jeweiligen Bescheiden eingezeichnete Abzweigung. Damit
sei die vierjährige Festsetzungsverjährungsfrist am 31.12.2011 abgelaufen.
Bezüglich der Abwasserbeitragsbescheide gelte ähnliches. Auch von der insoweit
vorhandenen Leitung habe die Beklagte gewusst, sei in der Begründung zum
Bebauungsplan „Kirchhalde 1“ unter Ziffer 4.4 doch geregelt, dass anfallendes
Schmutzwasser über eine bestehende private Schmutzwasserkanalisation in den -
öffentlichen - Schmutzwasserkanal eingeleitet werde. Auch diesbezüglich sei
Verjährung eingetreten, die Abwassersatzung der Beklagten vom 08.11.2011 sei
sicherlich nicht die erste ihrer Art gewesen. Schließlich sei von der Beklagten nicht
berücksichtigt worden, dass die Grundstücke Flst.Nr. 80/2 und 80/3 früher das -
ungeteilte - Grundstück Flst-Nr. 282 gebildet hätten. Das auf dem heutigen
Grundstück Flst.Nr. 80/2 befindliche Wohnhaus samt Schwimmbad sei sowohl an
die Abwasserbeseitigungs- als auch an die Wasserversorgungseinrichtung der
Beklagten angeschlossen gewesen.
9 Der Kläger beantragt,
10 die Wasserversorgungs-, Kanal- und Klärbeitragsbescheide der Beklagten vom
28. und 29.05.2013 sowie den Widerspruchsbescheid des Landratsamtes ... vom
24.10.2013 aufzuheben.
11 Die Beklagte beantragt,
12 die Klage abzuweisen.
13 Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe nur gegen die Bescheide vom 29.05.2013
Widerspruch eingelegt, sodass die Bescheide vom 28.05.2013 bestandskräftig
geworden seien. Eine Zusage des ehemaligen oder des derzeitigen
Bürgermeisters sei nie gegeben worden. In einem Schreiben vom 25.03.2008
werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass durch den Bebauungsplan noch
öffentlich-rechtliche Beiträge anfallen könnten. Entgegen der Auffassung des
Klägers entstünden Beitragspflichten mitnichten bereits mit einem tatsächlichen
Anschluss an die öffentlichen Anlagen. Vielmehr bedürfe es einer Genehmigung
des Anschlusses, an der es fehle. Dass ein Anschluss für das Grundstück Flst.-Nr.
80/2 vorliege, sei für das Grundstück Flst.-Nr. 80/3 ohne Belang.
14 Dem Gericht liegen je ein Heft Akten der Beklagten und des Landratsamts ... sowie
die einschlägigen Satzungen und der Bebauungsplan „Kirchhalde 1“ vor. Auf diese
Akten und die im vorliegenden Verfahren gewechselten Schriftsätze der Beteiligten
wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen; sie waren Gegenstand der
mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
15 Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Vorsitzende als Berichterstatter
(§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
I.
16 Die Klage ist in Bezug auf alle angefochtenen Bescheide insgesamt zulässig.
Insbesondere fehlt es auch in Bezug auf die Bescheide vom 28.05.2013 nicht an
der Durchführung eines ordnungsgemäßen Vorverfahrens (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1
VwGO). Denn der Widerspruch des Klägers ist so auszulegen, dass er neben den
Bescheiden vom 29.05.2013 auch die Bescheide vom 28.05.2013 umfasst.
17 Für das Widerspruchsverfahren ist auf die allgemeinen Grundsätze
zurückzugreifen, die für das Klageverfahren gelten, soweit keine abweichende
spezialgesetzliche Regelung existiert (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl., Vorb. §
68 Rn. 14 ff.). Erklärungen im Widerspruchsverfahren sind demzufolge wie
Prozesserklärungen entsprechend den für die Auslegung von Willenserklärungen
geltenden allgemeinen Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) auszulegen. Wesentlich
ist hiernach der geäußerte Wille des Beteiligten, wie er sich aus der Erklärung und
den sonstigen Umständen ergibt. Neben dem Wortlaut der Erklärung ist auch die
Interessenlage des Rechtsmittelführers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus
dem Parteivortrag und sonstigen für die Behörde als Empfänger der Erklärung
erkennbaren Umständen ergibt. Ist der Rechtsmittelführer anwaltlich vertreten,
kommt der gewählten Formulierung gesteigerte Bedeutung zu. Selbst dann darf
die Auslegung jedoch vom Wortlaut abweichen, wenn sonstige Umstände
eindeutig erkennen lassen, dass das Gewollte von der gewählten Formulierung
abweicht. Eine bloße - erkennbar - unrichtige Bezeichnung des Gemeinten
schadet demzufolge nicht (BVerwG, Beschluss vom 12.03.2012 - 9 B 7.12 - DÖD
2012, 190; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.01.2013 - 2 S 2120/12 - juris; LSG Bad.-
Württ., Urteil vom 13.12.2011 - L 11 R 3679/11 - juris; vgl. auch allg. BVerwG, Urteil
vom 27.06.2012 - 9 C 7.11 - NVwZ 2012, 1413; VGH Bad.-Württ., Urteil vom
28.04.2010 - 2 S 2312/09 - juris).
18 Gemessen an diesen Kriterien ist das Widerspruchsschreiben des Klägers vom
01.06.2013, das der Kläger persönlich verfasst hat, so auszulegen, dass es auch
die Bescheide vom 28.05.2013 umfassen soll. Zwar erhebt der Kläger wörtlich nur
Widerspruch gegen „sämtliche Bescheide vom 29.05.2013“. In der Begründung
beruft er sich indes auf eine - angebliche - Zusage, dass keine Kosten anfielen.
Weiter macht der Kläger in dem Widerspruchsschreiben geltend, dass die Beiträge
bereits bezahlt worden seien und er keine weiteren Kosten tragen wolle. Diese
Einwände betreffen aber alle Beitragsbescheide gleichermaßen. Auch der in dem
Widerspruchsschreiben genannte Betreff „Beitragsbescheide Flurst. 80/3“ deutet
darauf hin, dass damit alle für dieses Grundstück erlassenen Beitragsbescheide
gemeint sind. Nach Würdigung des gesamten Inhalts des Widerspruchsschreibens
einschließlich der Begründung ist auch nach der für die Beklagte erkennbaren
Interessenlage des Klägers davon auszugehen, dass er bei der Formulierung
seines Widerspruchs übersehen hat, dass die Bescheide teilweise vom
28.05.2013 und teilweise vom 29.05.2013 stammen. Aus seinen Ausführungen
wird jedoch hinreichend deutlich, dass er gegen alle Beitragsbescheide vom
28.05.2013 und vom 29.05.2013 vorgehen wollte.
19 Im Übrigen hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers ursprünglich selbst in
dieser Weise ausgelegt. Sie hat dem Kläger unter dem 05.06.2013 ausdrücklich
bestätigt, dass sein Widerspruch gegen die Beitragsbescheide vom 28.05.2013
bzw. vom 29.05.2013 fristgerecht eingegangen sei. Auch die
Widerspruchsbehörde ist in ihrem Widerspruchsbescheid - zutreffend - zu dem
Schluss gekommen, dass der Widerspruch alle Bescheide umfasse.
II.
20 Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtenen Wasserversorgungs-, Kanal-
und Klärbeitragsbescheide sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in
seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
21 1. Ihre Grundlage finden die angegriffenen Wasserversorgungsbeitragsbescheide
in § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG, §§ 26 Abs. 1, 25 und 37 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung über
den Anschluss an die öffentliche Wasserversorgungsanlage und die Versorgung
der Grundstücke mit Wasser (WVS) der Beklagten vom 26.11.2007, zuletzt
geändert durch Änderungssatzung vom 03.12.2012., nach denen eine
Beitragspflicht für Grundstücke, für die eine bauliche Nutzung festgesetzt ist, dann
entsteht, wenn sie bebaut werden können.
22 Für das mit den angefochtenen Wasserversorgungsbeitragsbescheiden
veranlagte Grundstück des Klägers konnte die abstrakte Beitragsschuld erst mit
Inkrafttreten des am 05.03.2013 beschlossenen Bebauungsplans Kirchhalde 1“
entstehen, der für dieses zuvor im Außenbereich gelegene Grundstück ein
allgemeines Wohngebiet festsetzt. Die Festsetzungsverjährungsfrist von vier
Jahren (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 lit c KAG i.V.m. §§ 169, 170 AO) konnte daher erst nach
Erlass der angefochtenen Bescheide am 31.12.2013 zu laufen beginnen.
23 Voraussetzung für die Entstehung der Beitragspflichtig ist neben dem
Vorhandensein einer nutzbaren öffentlichen Einrichtung und einer
rechtswirksamen Beitragssatzung grundsätzlich ein Grundstück, das in
beitragsrelevanter Weise nutzbar ist und an die Einrichtung angeschlossen werden
kann, so dass durch den Anschluss an die öffentliche Einrichtung ein dauerhafter
Vorteil für das Grundstück gegeben ist (Gössl in Gössl/Reif, KAG BW, § 32 Anm.
1.1). Das Erfordernis eines Vorteils ergibt sich daraus, dass ein Beitrag eine
Abgabe darstellt, mit der ein Ausgleich für den durch eine Leistung der Gemeinde
ausgelösten Sondervorteil verlangt wird. Die bloße Anschlussmöglichkeit vermag
einem Grundstück hingegen nur dann einen Vorteil zu vermitteln, wenn es baulich
oder gewerblich nutzbar ist. Gleiches gilt, wenn schon Vorbereitungen zukünftiger
Anschlüsse - z.B. in Form sog. „Blindanschlüsse“ - getroffen worden sind. Denn ein
beitragsrechtlicher Vorteil liegt bei einem Grundstück, das in rechtlicher Hinsicht
nicht baulich genutzt werden darf, erst dann vor, wenn es Leistungen der
Wasserversorgung oder der Abwasserbeseitigung tatsächlich in Anspruch nimmt.
24 Das Gericht geht davon aus, dass die tatsächliche Anschlussmöglichkeit des
klägerischen Grundstücks an die Wasserversorgungsanlage der Gemeinde bereits
seit langem vorhanden ist. Sie ist möglicherweise bereits im Zuge der Errichtung
des Wohnhauses auf dem heutigen Grundstück Flst.-Nr. 80/2 während des
Zweiten Weltkriegs geschaffen worden, jedenfalls aber wohl seit 1962 vorhanden.
Eine Anschlussmöglichkeit setzt nicht voraus, dass bereits Stichleitungen zu dem
Grundstück verlegt sind oder ein Anschluss funktionsfähig ist. Ausreichend ist
vielmehr, wenn die Leitung vor dem Grundstück betriebsfertig hergestellt ist.
(Driehaus/Grünewald, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2010, Rn.566.).
Zumindest seit dem 26.11.2007 besteht darüber hinaus eine rechtswirksame
Beitragsatzung. Für das Entstehen der abstrakten Beitragsschuld wäre es
unschädlich, wenn die tatsächliche Anschlussmöglichkeit lange vor dem
Inkrafttreten einer wirksamen Wasserversorgungssatzung bestanden hat. In
solchen Fällen entsteht (erst) mit Inkrafttreten einer rechtsgültigen Satzung die
abstrakte Beitragsschuld mit Wirkung ex nunc (vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom
31.03.2014 - 2 S 2366/13 - DVBl. 2014, 861).
25 Eine rechtlich gesicherte bauliche Nutzbarkeit des klägerischen Grundstückes ist
indes erst mit dem Bebauungsplan „Kirchhalde 1“ geschaffen worden. Zuvor lag
das Grundstück im Außenbereich, sodass es grundsätzlich nicht bebaut werden
durfte.
26 Soweit der Kläger meint, sein Grundstück sei bereits vor Inkrafttreten des
Bebauungsplans tatsächlich an die Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten
angeschlossen gewesen, trifft dies nicht zu. Die Klärung der Frage, ob ein
Anschluss oder eine bloße Anschlussmöglichkeit bestanden hat, muss von dem
beitragsrechtlichen Vorteilsbegriffs ausgehen. Ein tatsächlicher Anschluss, der die
Beitragserhebung gegenüber einem Außenbereichsgrundstück rechtfertigen
könnte, liegt hiernach nicht schon dann vor, wenn - wie hier - Leitungen vorhanden
sind, welche die Wasserversorgung eines Grundstücks bewerkstelligen können,
sondern erst dann, wenn diese Leitungen zur Versorgung einer baulichen Anlage
mit Frischwasser auch tatsächlich genutzt werden. Dies ist für das
streitgegenständliche Grundstück Flst.-Nr. 80/3 aber nicht der Fall.
27 Vor Inkrafttreten des Bebauungsplans befand sich das klägerische Grundstück im
Außenbereich. Es durfte daher nicht bebaut werden und gehörte nicht zum
Bauland (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.02.1986 - 8 C 115.84 - NVwZ 1986, 568). Die
bloße Möglichkeit des Anschlusses bedeutet deshalb bei einem solchen
Außenbereichsgrundstück grundsätzlich keinen die Erhebung eines
Anschlussbeitrags rechtfertigenden Vorteil. Dennoch können auch Grundstücke im
Außenbereich nach Maßgabe der in der Beitragssatzung getroffenen Regelungen
der Beitragspflicht unterliegen, sofern - und soweit - auf ihnen vorhandene
Baulichkeiten an die öffentliche Einrichtung angeschlossen sind und damit die von
der Einrichtung angebotenen Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen
werden (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 09.11.2009 - 2 S 1396/09 - KStZ 2010,
31). Der die Beitragserhebung rechtfertigende Vorteil ist in diesen Fällen nicht in
der Erhöhung des Gebrauchs- und Nutzungswerts des Grundstücks, sondern in
der Inanspruchnahme der Leistungen der Einrichtung selbst zu sehen. Nur dann
ist das Vorliegen eines Nutzens offenkundig, weil die von der Einrichtung
angebotenen Leistungen tatsächlich in Anspruch genommen wird (ebd.). Eine
tatsächliche Inanspruchnahme in diesem Sinne hat auf dem
streitgegenständlichen Grundstück Flst.-Nr. 80/3 indes unstreitig nicht
stattgefunden, denn auf diesem Grundstück ist schon keine Baulichkeit in einem
die Beitragserhebung rechtfertigenden Sinne vorhanden.
28 Hieran ändert sich auch dadurch nichts, dass das Grundstück Flst.-Nr. 80/3 früher
einmal mit dem Grundstück Flst.-Nr. 80/2 ein einheitliches Grundstück Flst-Nr. 282
bildete. Dabei geht das Gericht zugunsten des Klägers davon aus, dass das im
Bereich des heutigen Grundstücks Flst.-Nr. 80/2 wohl schon während des Zweiten
Weltkriegs errichtete Wohnhaus bereits seit Jahrzehnten an die
Wasserversorgungseinrichtung der Beklagten angeschlossen ist und schon zu
einem früheren Zeitpunkt eine rechtsgültige Beitragssatzung vorhanden war. Denn
dies kann höchstens dazu führen, dass die Teilfläche des Grundstücks Flst-Nr.
282, die dem heutigen Grundstück Flst.-Nr. 80/2 entspricht, nicht (mehr) zu einem
Beitrag herangezogen werden darf war, hindert jedoch nicht jedoch die
Beitragsfestsetzung für die Teilfläche, die heute das streitgegenständliche
Grundstück des Klägers bildet.
29 Geht man zugunsten des Klägers davon aus, dass die Beitragspflicht für das
ursprüngliche Grundstück Flst-Nr. 282 bereits vor der Aufteilung in
Einzelgrundstücke entstanden war, können nach § 29 Abs. 3 Satz 1 KAG dennoch
(weitere) Anschlussbeiträge erhoben werden, weil sich die bauliche Nutzbarkeit
dieses ursprünglichen ungeteilten Grundstücks durch die Festsetzung eines
Wohngebiets auf einer Teilfläche - dem heutigen Grundstück Flst.-Nr. 80/3 - erhöht
hat. Dabei ist der mittlerweile veränderte Grundstückszuschnitt unbeachtlich (vgl. §
29 Abs. 3 Satz 2 KAG). Fallen die Voraussetzungen für eine
Teilflächenabgrenzung nach Entstehen der Beitragspflicht weg, können für die
hiervon betroffenen Teilflächen gemäß § 31 Abs. 1 Satz 2 KAG weitere Beiträge
erhoben werden, wenn bisher nicht veranlagte Teile des Grundstücks nachträglich
tatsächlich an die Einrichtung angeschlossen, bebaut oder gewerblich genutzt
werden. Dies ist hier für die Teilfläche der Fall, die heute das streitgegenständliche
Grundstück des Klägers bildet.
30 Ist nach einer Satzung bei der Beitragsbemessung wie hier (vgl. § 28 WVS) die
Fläche des Grundstücks zu berücksichtigen, bleiben im Wege der
Teilflächenabgrenzung nach § 31 Abs. 1 Satz 2 KAG außerhalb des
Geltungsbereichs eines Bebauungsplans befindliche Teilflächen unberücksichtigt,
deren grundbuchmäßige Abschreibung nach baurechtlichen Vorschriften ohne
Übernahme einer Baulast zulässig wäre, sofern sie nicht tatsächlich
angeschlossen, bebaut oder gewerblich genutzt sind (vgl. auch die Regelung in §
29 WVS). An die Wasserversorgungseinrichtung tatsächlich angeschlossen war
hier aber lediglich das auf der Fläche des heutigen Grundstücks Flst.-Nr. 80/2
gelegene Wohnhaus. Dem bebauten Bereich sind zwar auch die nach den
bauordnungsrechtlichen Vorgaben maßgeblichen Flächen sowie die für die
Grundstücksnutzung erforderlichen Zubehörflächen zuzuordnen (vgl. VGH Bad.-
Württ., Urteil vom 19.10.2006 - 2 S 705/04 - VBlBW 2007, 311). Eine genaue
Abgrenzung dieser Flächen ist für den vorliegenden Fall jedoch entbehrlich. Denn
es ist offenkundig, dass auch derartige in die Beitragsbemessung
einzubeziehende Flächen nur im Bereich des vorhandenen Wohnhauses - also
des heutigen Grundstücks Flst.-Nr. 80/2 - liegen und nicht auf der Teilfläche, die
heute das streitgegenständliche Grundstücks Flst.-Nr. 80/3 bildet, das dem Kläger
gehört. Dies gilt selbst dann, wenn man das früher vorhandene Schwimmbad mit
einbezieht, denn auch dieses liegt vollständig im Bereich des heutigen
Grundstücks Flst.-Nr. 80/2. Deshalb kann höchstens die das heutige Grundstück
Flst.-Nr. 80/2 bildende Teilfläche bereits der Beitragsbemessung unterlegen
haben, nicht aber die unbebaute Teilfläche des heutigen Grundstücks Flst.-Nr.
80/3. Die eine (Nach-) Erhebung rechtfertigende Verbesserung der Vorteilslage
(vgl. hierzu VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 04.11.2013 - 2 S 1702/13 - KStZ
2014, 92) liegt in Bezug auf die betroffene Teilfläche durch die Schaffung einer
erstmaligen Bebauungsmöglichkeit vor.
31 2. Grundlage der Kanal- und Klärbeitragsbescheide ist § 32 Abs. 1 Satz 1 KAG, §§
23 Abs. 1 Satz 1, 22, 34 Abs. 1 Nr.1 der Satzung über die öffentliche
Abwasserbeseitigung (AbwS) der Beklagten vom 08.11.2011, zuletzt geändert
durch Änderungssatzung vom 03.12.2012.
32 Auch insoweit geht das Gericht davon aus, dass die tatsächliche
Anschlussmöglichkeit des klägerischen Grundstücks an die
Abwasserbeseitigungsanlagen der Beklagten bereits seit langem vorhanden ist.
Sie ist möglicherweise bereits im Zuge der Errichtung des Wohnhauses auf dem
heutigen Grundstück Flst.-Nr. 80/2 während des Zweiten Weltkriegs geschaffen
worden. Der im Bebauungsplan als Bestand eingezeichnete Abwasserkanal muss
aber jedenfalls bereits in den 90er Jahren vorhanden gewesen sein, als nach den
glaubhaften Angaben des Klägers dieses Wohnhaus an den damals bereits
bestehenden Schacht KD 667 angeschlossen worden ist. Dies ändert jedoch
nichts an seiner Beitragspflicht. Diesbezüglich wird sinngemäß auf die obigen
Ausführungen unter II. 1. verwiesen.
33 3. Entgegen der Auffassung des Klägers besteht auch keine wirksame
Zusicherung des Bürgermeisters, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnte.
Es fehlt schon an der erforderlichen Form. Eine rechtverbindliche Zusage bedarf
gem. § 38 LVwVfG der Schriftform, welche hier unbestritten nicht eingehalten ist.
Abgesehen davon wäre es im Übrigen auch inhaltlich hier durchaus denkbar, dass
keine bindende Zusage, sondern höchstens Auskünfte erteilt worden sind, und
diese sich allein auf die Erschließungsbeiträge im rechtlichen und nicht im
umgangssprachlichen Sinne bezogen haben, also allein auf die Frage der
wegemäßigen Erschließung.
34 Die Ausführungen in der Begründung des Bebauungsplans, für die Erschließung
(Kanal, Wasser, Erschließungsstraße) entstünden keine Kosten, da diese bereits
vorhanden sei, bezieht sich schon inhaltlich erkennbar allein auf die der Gemeinde
eventuell entstehenden Kosten. Abgesehen davon können Ausführungen in der
Begründung eines Bebauungsplanes nicht zu einem rechtswirksamen
Beitragsverzicht führen.
III.
35 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zulassung der
Berufung kommt nicht in Betracht, da keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3
oder 4 VwGO vorliegt (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).