Urteil des VG Freiburg vom 12.11.2014

akustisches trauma, besitz, schutz der gesundheit, erwerb

VG Freiburg Urteil vom 12.11.2014, 1 K 2227/13
Erlaubnis zum Erwerb, Besitz und Führen eines Schalldämpfers für die
Langwaffe eines Jägers
Leitsätze
Erwerb, Besitz und Führen eines Schalldämpfers bedürfen auch dann einer
waffenrechtlichen Erlaubnis, wenn der Schalldämpfer von einem Jäger für eine
ausschließlich jagdlich genutzte Waffe eingesetzt werden soll.
Bei der im Rahmen der Prüfung des waffenrechtlichen Bedürfnisses vorzunehmenden
Abwägung ist das im allgemeinen überragende öffentliche Interesse daran, die Zahl
der Waffen insgesamt gering zu halten, im Hinblick auf ein gegenüber Schusswaffen
reduziertes Gefährdungspotential bei Schalldämpfern für Langwaffen von weniger
hohem Gewicht.
Einzelfall, in dem das waffenrechtliche Bedürfnis bei einer unter Tinnitus leidenden
und beruflich zur Jagd verpflichteten Person, die auch Nachsuchen tätigen muss,
gegeben ist.
Tenor
Der Bescheid der Beklagten vom 19.08.2013 und der Widerspruchsbescheid des
Regierungspräsidiums Freiburg vom 19.09.2013 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die waffenrechtliche Erlaubnis zum Erwerb,
zum Besitz und zum Führen eines Schalldämpfers für eine Büchse im Kaliber . 308
Winchester, die ausschließlich jagdlich eingesetzt wird, zu erteilen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1 Der Kläger begehrt die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis zum Erwerb,
Besitz und Führen eines Schalldämpfers für eine Langwaffe.
2 Der Kläger ist Leiter des Forstbetriebes .... Im Rahmen dieser Tätigkeit ist er auch
für das Jagdwesen zuständig und beruflich zur Ausübung der Jagd verpflichtet. So
richtet er als Teil seiner Tätigkeit jährlich bis zu 30 Gesellschaftsjagden aus;
zusätzlich übt er die Jagd auch alleine aus.
3 Am 12.03.2013 beantragte er bei der Beklagten eine waffenrechtliche
Genehmigung für die Nutzung eines Schalldämpfers zu seiner Langwaffe Kaliber
.308 Win. Zur Begründung führte er aus, der Schusswaffengebrauch gehöre zu
seinen Dienstobliegenheiten, und legte eine Stellungnahme eines Facharztes für
Hals-Nasen-Ohrenheilkunde vom Y vor, wonach er wegen eines erlittenen
Knalltraumas (hier Jagdunfall) unter einem langjährigen Tinnitus sowie einer
Hochtonschallempfindungsstörung beidseits leide; eine weitere Schädigung durch
Lärmeinflüsse sei unbedingt zu vermeiden, weshalb die Ausrüstung seines
Jagdgewehrs mit einem geeigneten Schalldämpfer befürwortet werde.
4 Mit Schreiben vom 24.06.2013 wies die Beklagte ihn darauf hin, dass im Hinblick
auf die Möglichkeiten eines speziellen elektronischen Gehörsschutzes ein weiterer
Schallschutz an der Waffe regelmäßig nicht erforderlich sei und dass es hoher
Antragsvoraussetzungen für einen Ausnahmefall bedürfe. Die vorgelegte ärztliche
Stellungnahme sei nicht ausreichend; Mindestvoraussetzung sei die Einholung
eines neutralen Zweitgutachtens, das gegebenenfalls auch durch den Amtsarzt
erfolgen könne. Ein solches Gutachten müsse auch darlegen, warum dem
Gehörsschutz nicht auf andere Weise Rechnung getragen werden könne.
5 Daraufhin legte der Kläger am 24.07.2013 eine Stellungnahme des für den
Forstbetrieb ... zuständigen Betriebsarztes vor, in der ausgeführt wurde, der Kläger
trage Verantwortung für zwölf aktiv jagende Mitarbeiter, eine Vielzahl von
Jagdgästen und leite bis zu 30 Gesellschaftsjagden im Jahr. Aufgrund
waldbaulicher Erfordernisse sowie aus Gründen der Personalführung müsse er bis
zu 50 Stück Schalenwild im Jahr erlegen. In Anbetracht seines jagdlichen
Pflichtenkanons sei ihm das permanente Tragen eines Gehörsschutzes weder
zumutbar noch praktikabel. Er jage zwar seit vielen Jahren mit elektronischem
Gehörsschutz. Es sei jedoch nicht ganz ausgeschlossen, dass Schüsse
abgegeben werden müssten, ohne dass ein Gehörsschutz getragen werden
könne. Solche Situationen träten insbesondere regelmäßig bei Nachsuchen auf. In
diesen Fällen sei das Anlegen des Gehörsschutzes in den wenigen Sekunden, die
zur Abgabe eines Fangschusses auf das verletzte Wild blieben, unmöglich. Der
Kläger leide nachgewiesenermaßen unter einer Vorschädigung (Tinnitus), die bei
der Jagdausübung entstanden sei. Eine weitere Schädigung des Innenohres
müsse unter allen Umständen vermieden werden. Die Verwendung eines
Schalldämpfers sei aus ärztlicher Sicht die hierzu am ehesten geeignete und
insofern alternativlose Methode.
6 Mit Bescheid vom 19.08.2013 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Zur
Begründung wurde ausgeführt, gemäß § 2 Abs. 2 i.V.m. Anl. 2 Abschnitt 2
Unterabschnitt 1, erster Halbsatz WaffG bedürfe der Umgang mit Waffen im Sinne
des § 1 Abs. 2 Nr. 1 (Anl. 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1-4) der Erlaubnis.
Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 WaffG seien Waffen Schusswaffen oder ihnen
gleichgestellte Gegenstände. Nach Anl. 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Ziff. 1.3
zum Waffengesetz stehe ein Schalldämpfer den Schusswaffen gleich, für die er
bestimmt sei. Die Genehmigung eines Schalldämpfers setze gemäß § 4 Abs. 1 Nr.
4 und § 8 WaffG ein Bedürfnis voraus. Dabei sei zu beachten, dass die
Genehmigung eines Schalldämpfers grundsätzlich restriktiv zu handhaben sei. Nur
in besonders gelagerten Ausnahmefällen könne eine Erlaubnis zum Erwerb und
Besitz des Schalldämpfers geboten sein. In vielen anderen Bundesländern sei die
Verwendung von Schalldämpfern im Zusammenhang mit der Jagdausübung
ausdrücklich verboten. Auch wenn dies in Baden-Württemberg nicht so geregelt
sei, bestehe ein Interesse an einer möglichst einheitlichen Durchführung des
bundesweiten Waffenrechts. Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung lasse
nicht darauf schließen, dass eine Ausübung der Jagd unter Verwendung von
Schusswaffen mit Schalldämpfer vorgesehen sei, sondern zwinge zu einer
besonders intensiven Prüfung, ob nach den allgemeinen waffenrechtlichen
Grundsätzen ein Bedürfnis gegeben sei. Ein solches waffenrechtliches Bedürfnis
sei nicht gegeben, weil sich gegen den Geschossknall jeder Schütze mit der
Verwendung eines elektronischen Gehörsschutzes schützen könne. Im Handel
werde eine Vielzahl von elektronischem Gehörsschutz angeboten, teilweise
speziell für Jäger. Ein aktiver elektronischer Gehörsschutz verstärke schwache
Geräusche, schütze das Ohr aber vor dem Geschossknall. Dass auch bei
Verwendung eines Gehörsschutzes die Waffe rasch angelegt werden könne,
zeige sich daran, dass bei dem jagdlichen Schießdisziplinen
"Wurftaubenschießen" und "Schießen auf den sogenannten Kipphasen" ein
Gehörsschutz getragen werden müsse.
7 Hiergegen erhob der Kläger – durch Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten
vom 13.09.2013, eingegangen am 16.09.2013 – Widerspruch. Der Gesetzgeber
habe Schalldämpfer nicht als verbotene Gegenstände, sondern lediglich als
genehmigungspflichtig eingeordnet. Der Schuss einer Jagdwaffe sei auch bei
Verwendung eines Schalldämpfers nicht lautlos, sondern entspreche in seiner
Lautstärke dem Schuss aus einem Kleinkalibergewehr. Das beruhe darauf, dass
der gehörte Schussknall aus zwei Komponenten bestehe, dem Mündungsknall der
entweichenden Pulvergase und dem Geschossknall, der durch das stark
beschleunigte Geschoss an der Mündung entstehe, wenn es die Schallmauer
durchbreche. Ein Schalldämpfer dämpfe nur den Mündungsknall und hülle das
Geschoss auf den ersten Zentimetern seines Weges auf spezielle Art in die
entstehenden Gase ein, so dass der Überschallknall erst weiter weg vom
Schützen hörbar werde. Ein Schuss mit einem Jagdgewehr ohne Schalldämpfer
liege bei etwa 150-170 dB A und damit deutlich über der menschlichen
Schmerzschwelle, die etwa bei 120-140 dB A liege. Moderne Schalldämpfer
reduzierten den Schalldruck um bis zu 30 dB A, so dass sich der Knall bereits an
der Quelle, insbesondere in Verbindung mit Gehörsschutz, auf ein gesundheitlich
erträgliches Maß reduziere. Nach arbeitsrechtlichen Vorschriften sei der Lärm
immer an seiner Quelle zu mindern. Dies ergebe sich aus der Richtlinie
2003/10/EG, die in der Lärm- und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung umgesetzt
worden sei. Danach müsse die Lärmemission am Entstehungsort verringert
werden; die hemmende Wirkung eines persönlichen Gehörsschutzes sei nach § 6
der genannten Verordnung bei der Beurteilung des Auslösewertes nicht zu
berücksichtigen. Das zeige, dass der Gesetzgeber den Gehörsschutz als nicht
gleichwertig einschätze. Ein Gehörsschutz könne verrutschen, werde vergessen
und lasse – unmerklich – in seiner Leistung nach.
8 Mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2013 wies das Regierungspräsidium
Freiburg den Widerspruch des Klägers zurück. Der beantragte Schalldämpfer
unterfalle – wie in der angefochtenen Verfügung zu Recht ausgeführt – der
Erlaubnispflicht. Erforderlich sei somit gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG ein Bedürfnis.
Das setze voraus, dass der Kläger gegenüber den Belangen der öffentlichen
Sicherheit oder Ordnung besondere persönliche oder wirtschaftliche Interessen
und die Geeignetheit und Erforderlichkeit des Schalldämpfers für den beantragten
Zweck glaubhaft machen könne. Die Erlaubnispflicht entfalle nicht im Hinblick auf
die Privilegierung von Jägern gemäß § 13 WaffG. Es sei nicht ersichtlich, dass es
hier zwingend erforderlich sei, einen Schalldämpfer bei der Jagd einzusetzen. Es
werde nicht bestritten, dass der Kläger an einem Tinnitus leide. Es sei jedoch nicht
nachvollziehbar, dass die Verwendung eines Schalldämpfers alternativlos sei. Es
sei sachgerecht, dem Kläger auf den technisch möglichen effektiven
elektronischen Gehörsschutz zu verweisen. Die damit einhergehende
Beeinträchtigung an Komfort des Jagdverhaltens sei hinzunehmen. Der Wunsch
nach einer optimalen Jagdausübung begründe kein waffenrechtliches Bedürfnis im
Sinne des § 8 WaffG. Auch wenn das Tragen eines Gehörsschutzes bei der Jagd
in gewissem Maße hinderlich sei, sei es dem Kläger zuzumuten, nicht erst vor der
Schussabgabe den Gehörsschutz anzulegen, sondern den sensiblen
Gehörsschutz bei der Jagd permanent zu tragen. Die vom Kläger zitierten Normen
des Arbeitsschutzes führten nicht zu einer anderen Beurteilung. Den in § 7 Abs. 2
der Lärm– und Vibrations-Arbeitsschutzverordnung genannten Maßnahmen sei
gemeinsam, dass sie vom Arbeitgeber eigenständig durchgeführt werden könnten,
ohne dass es auf die konkrete Person des Arbeitnehmers ankomme. Sie seien
nicht höchstpersönlich, sondern frei verfügbar, generell erlaubt und kämen auch
bei einem Wechsel der Belegschaft dem jeweiligen Arbeitnehmer zugute. Das
treffe auf die Verwendung von Schalldämpfern nicht zu. Diese bedürften des
Eintrags in eine Waffenbesitzkarte, die höchstpersönlicher Natur sei und die der
Arbeitgeber nicht für seinen Arbeitnehmer beantragen könne. Ein Arbeitgeber
könne seinen Beschäftigten keine Schalldämpfer für deren Waffen zur Verfügung
stellen oder sie vorrätig halten. Deshalb stelle das Anbringen eines Schalldämpfers
auf der Jagdwaffe keine technische Maßnahme zur Verringerung der
Lärmimmissionen am Entstehungsort im Sinne von § 7 der Verordnung dar. Die an
den Arbeitgeber gerichtete Verordnung könne vor dem Hintergrund des
Waffenrechts keine Ausschließlichkeit beanspruchen. Die Schutzaspekte zu
Gunsten der öffentlichen Sicherheit blieben als Wertungsgesichtspunkte bestehen
und seien mit dem Gesundheitsschutz in Einklang zu bringen. Auch das
Europarecht kenne den Gedanken des ordre public. Daher sei es selbst bei
Heranziehung von § 7 der Verordnung nicht zwingend, das waffenrechtliche
Bedürfnis zu bejahen.
9 Ein Zustellungsnachweis befindet sich nicht in den Akten.
10 Der Kläger hat am 29.10.2013 Klage erhoben, zu deren Begründung er die in der
Widerspruchsbegründung vorgetragenen Gesichtspunkte wiederholt und vertieft
und ergänzend vorträgt, die Deliktrelevanz von Schalldämpfern sei eine schlichte
Behauptung. Schusswaffendelikte würden regelmäßig mit Kurzwaffen, meist
illegalen, begangen. Es gebe weder in Deutschland noch sonst in Europa
veröffentlichte Erhebungen zur Deliktrelevanz von Schalldämpfern; lediglich in den
USA seien entsprechende Erhebungen erfolgt und eine Deliktrelevanz verneint
worden. Um einen Schalldämpfer zu bekommen, genüge es, nach Frankreich zu
fahren und dort einen zu kaufen. Dort seien Schalldämpfer für jedermann frei zu
erwerben. In England, Schottland und ganz Skandinavien werde allen Jägern der
Gebrauch eines Schalldämpfers bewilligt. Ein elektronischer Gehörsschutz sei
weniger fehlerresistent als ein Schalldämpfer. Ein Gehörsschutz verminderte das
bei Drückjagden aus Sicherheitsgründen für Treiber und Hunde wichtige
Richtungshören und schließe für Brillenträger "Lärmbrücken" nicht verlässlich aus.
Kurzwaffen seien wesentlich gefährlicher in der Handhabung als Langwaffen,
weshalb es unzulässig sei, Schalldämpfer für Kurzwaffen mit solchen für
Langwaffen gleichzusetzen. Ein Schalldämpfer für eine jagdliche Büchse passe
nicht auf eine Pistole. Der Verweis darauf, dass die in § 7 Lärmschutz-Vibrations-
Arbeitsschutzverordnung vorgesehenen Maßnahmen nicht mit der Verwendung
eines Schalldämpfers vergleichbar seien, da es sich bei letzterem um ein
höchstpersönliches Recht des Waffennutzers handle, trage nicht. Es werde
verkannt, dass in sehr vielen Arbeitsbereichen, in denen die Verordnung zur
Anwendung komme, Arbeitnehmer nur eingesetzt werden dürften, wenn sie
spezielle Schulungen gehabt hätten. Es könne auch nicht geltend gemacht
werden, dass ein Schalldämpfer bei der Durchführung von Jagdgesellschaften
keinen hinreichenden Schutz biete. Bei Gesellschaftsjagden sei der nächste
Schütze immer so weit vom anderen entfernt, dass dieser keinem Mündungsknall
ausgesetzt sein könne. Auch der Tierschutz spreche für die Verwendung eines
Schalldämpfers, weil so zum einen ein präziserer Schuss möglich sei und zum
anderen die mitgeführten Jagdhunde gegenüber Schädigungen geschützt werden
könnten. Zur weiteren Begründung wird auf eine Presseinformation des
hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz vom 30.10.2013 verwiesen. In diesem wird die Funktionsweise
eines Schalldämpfers erklärt und ausgeführt, dass Schalldämpfer auch den
Rückstoß der Waffe minderten und dadurch zu einer höheren Treffsicherheit
führten. Auch sonst erhöhe sich die Präzision des Schusses, da das
Laufschwingungsverhalten positiv beeinflusst werde und die Treiberladungsgase
einen geringeren Störeffekt hätten. Zudem werde das Mündungsfeuer reduziert, so
dass der Schütze in der Dämmerung die Reaktion des Wildes auf den Schuss
besser beobachten könne. Ferner werde die Umgebung weniger beunruhigt, was
für Mensch und Tier auch in weiterer Entfernung gelte.
11 Der Kläger beantragt,
12 den Bescheid der Beklagten vom 19.0.2013 und den Widerspruchsbescheid des
Regierungspräsidiums Freiburg vom 19.09.2013 aufzuheben und die Beklagte zu
verpflichten, dem Kläger die waffenrechtliche Erlaubnis zum Erwerb, zum Besitz
und zum Führen eines Schalldämpfers für eine Büchse im Kaliber . 308
Winchester, die ausschließlich jagdlich eingesetzt wird, zu erteilen.
13 Die Beklagte beantragt,
14 die Klage abzuweisen.
15 Zur Begründung verweist sie auf den Widerspruchsbescheid und führt ergänzend
aus, dass weder die Polizei noch Sportschützen beim Training Schalldämpfer
benutzten. Die Vorgenannten benutzten einen elektronischen Gehörsschutz, der
lediglich den Mündungsknall dämpfe und Umgebungsgeräusche ungefiltert zum
Ohr lasse. Wenn der Kläger mit Jagdgesellschaften jage, habe er keinen
Gehörsschutz und sei dann dem Mündungsknall der anderen Jagdteilnehmer
ausgesetzt. Es sei daher zumutbar, einen elektronischen Gehörsschutz zu tragen,
der einen wesentlich besseren Schutz darstelle, als die Verwendung eines
Schalldämpfers auf seinem Jagdgewehr.
16 Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 12.11.2014 den Kläger
informatorisch sowie zwei amtliche Auskunftspersonen (von der Abteilung
Forstdirektion des Regierungspräsidiums Freiburg und vom Landeskriminalamt)
gehört. Hinsichtlich deren Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Die Kammer hat ferner eine Auskunft des Landeskriminalamts Baden-Württemberg
zur Deliktrelevanz von Schalldämpfern eingeholt; hinsichtlich des Ergebnisses
dieser Beweisaufnahme wird auf die den Beteiligten bekannte Auskunft vom
09.10.2014 verwiesen.
17 Die Akten der Beklagten und des Regierungspräsidiums Freiburg liegen vor und
waren Gegenstand der Verhandlung. Auf sie sowie auf die Schriftsätze der
Beteiligten wird ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
18 Die als Verpflichtungsklage statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist
begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 19.08.2013 und der
Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Freiburg sind rechtswidrig und
verletzen den Kläger in seinen Rechten, denn er hat Anspruch auf die Erteilung der
beantragten waffenrechtlichen Erlaubnisse (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
19 Der Kläger begehrt eine Erlaubnis zum Erwerb, Besitz und zum Führen eines
Schalldämpfers; er begehrt daher die Erteilung einer Waffenbesitzkarte (§ 10 Abs.
1 WaffG) und eines Waffenscheins (§ 10 Abs. 4 WaffG). Erwerb, Besitz und
Benutzung (= Führen) eines Schalldämpfers sind gemäß § 2 Abs. 2 WaffG
grundsätzlich nach diesen Bestimmungen waffenrechtlich erlaubnispflichtig. Denn
§ 2 Abs. 2 WaffG verweist auf Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1, in welchem
wiederum auf Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nrn. 1 bis 4 verwiesen wird.
Dort (Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.3) werden Schalldämpfer den
Schusswaffen gleichgestellt, für die sie bestimmt sind (vgl. zum Erfordernis eines
Waffenscheins für einen Schalldämpfer: Gade / Stoppa, Waffengesetz, 2011, § 10
Rnr. 60).
20 Der Schalldämpfer ist hier auch nicht gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 WaffG vom
Erfordernis einer Waffenbesitzkarte freigestellt; nach dieser Bestimmung bedürfen
Inhaber eines Jahresjagdscheins keiner Erlaubnis zum Erwerb einer Langwaffe.
Der Kläger ist zwar im Besitz eines Jahresjagdscheins gemäß § 15 Abs. 2 1. Alt.
BJagdG. Zum einen privilegiert § 13 Abs. 3 Satz 1 WaffG nur den Erwerb, nicht
aber den weiteren Besitz einer Jagdwaffe (Gade/Stoppa, a.a.O. § 13 Rnr. 25;
König/Papsthart, Waffengesetz, 12. Aufl. 2012, § 13 Rnr. 9; HessVGH, Urt. v.
09.12.2003 - 11 UE 2912/00 - Juris; VG Minden, Urt. v. 26.04.2013 - 8 K 2491/12 -
Juris). Zum zweiten werden Schalldämpfer von dieser Privilegierung nicht erfasst.
Auch die Erlaubnisfreiheit für das Führen von Jagdwaffen zur Jagdausübung,
Einschießen etc. im Revier und zum Führen nicht schussbereiter Waffen im
Zusammenhang mit diesen Tätigkeiten gemäß § 13 Abs. 6 WaffG greift nicht (so
auch VG Minden, Urt. v. 26.04.2013 - 8 K 2491/12 - Juris).Schalldämpfer sind
weder „Langwaffen“ i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 WaffG noch „Jagdwaffen“ i.S.d. § 13
Abs. 6 WaffG. Beides kann nur eine Schusswaffe sein, die nach dem
Bundesjagdgesetz nicht verboten ist. Schalldämpfer sind zwar nach dem
Bundesjagdgesetz nicht verboten, sind aber keine Schusswaffen. Nach dem
Wortsinn erfasst man unter Schusswaffen nur die zur Abgabe des Schusses
bestimmten Geräte selbst und nicht anschraubbare Teile. Mit dem Begriff
Schusswaffe wird nicht ohne Weiteres ein Schalldämpfer in Verbindung gebracht.
Die Gesetzessystematik des Waffengesetzes unterscheidet zwischen
Schusswaffen einerseits und Schalldämpfern andererseits. In Nr. 1.3 der Anlage 1
Abschnitt 1, Unterabschnitt 1 zu § 1 Abs. 4 WaffG heißt es „wesentliche Teile von
Schusswaffen und Schalldämpfer". Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber
Schalldämpfer nicht für wesentliche Teile von Schusswaffen gehalten hat. Dabei ist
nicht zu verkennen, dass Schalldämpfer nach Nr. 1.3 den Schusswaffen
gleichstehen, soweit nichts anderes bestimmt ist. Schalldämpfer gehören hierdurch
jedoch nicht zu den Schusswaffen. Sonst hätte der Gesetzgeber in § 34 Abs. 5
WaffG nicht neben Waffen nach Anlage 1 Unterabschnitt 1 Nr. 2, Schalldämpfer
besonders aufführen müssen. Denn durch den Verweis auf Nr. 2 sind wegen Nr.
2.1 alle Schusswaffen nach Nr. 1.1 erfasst. Wäre ein Schalldämpfer ein solcher
integraler Bestandteil der Schusswaffe, dass er Nr. 1.1 unterfiele, hätte der
Gesetzgeber in § 34 Abs. 5 WaffG nicht von Schusswaffen und Schalldämpfern
reden müssen (VG Schleswig, Urt. v. 17.06.2008 - 7 A 137/06 - Juris).
21 Voraussetzung für die Erteilung ist sowohl für die Waffenbesitzkarte nach § 10
Abs. 1 WaffG als auch für den Waffenschein nach § 10 Abs. 4 WaffG, dass der
Antragsteller das 18. Lebensjahr vollendet hat, die erforderliche Zuverlässigkeit (§
5 WaffG) und persönliche Eignung (§ 6 WaffG) besitzt, ferner die erforderliche
Sachkunde hat (§ 7 WaffG) sowie ein Bedürfnis und eine Haftpflichtversicherung
nachgewiesen hat. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen und der - hier nicht
einschlägige - fakultative Versagungsgrund des § 4 Abs. 2 WaffG (gewöhnlicher
Aufenthalt seit mindestens fünf Jahren im Ausland) nicht greift, besteht ein
Anspruch auf die Erteilung der Erlaubnis (BVerwG, Urt. v. 30.09.2009 - 6 C 29.08 -
NVwZ-RR 2010, 225; Gade/Stoppa, a.a.O. § 10 Rnr. 13).
22 Hier ist nur das in § 8 WaffG näher bestimmte waffenrechtliche Bedürfnis streitig.
Bedenken hinsichtlich der übrigen Voraussetzungen sind - insbesondere im
Hinblick darauf, dass der Kläger als Inhaber eines Jahresjagdscheins im Besitz
weiterer waffenrechtlicher Erlaubnisse ist - nicht ersichtlich.
23 Die Prüfung des waffenrechtlichen Bedürfnisses ist hier nicht gemäß § 13 Abs. 2
Satz 2 WaffG entbehrlich. Nach dieser Bestimmung erfolgt bei Jägern mit einem
Jahresjagdschein gem. § 15 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 BJagdG keine Prüfung der
Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 4 WaffG für den Erwerb von Langwaffen und
zwei Kurzwaffen, sofern die Voraussetzungen des § 13 Abs. 1 Nr. 2 WaffG
vorliegen, d.h. die zu erwerbende Schusswaffe oder Munition nicht nach dem
Bundesjagdgesetz verboten ist. In diesen Fällen findet keine Bedürfnisprüfung statt
(Gade/Stoppa, a.a.O. § 13 Rnr. 22; Steinhard/Heinrich/Papsthart, a.a.O., § 13 Rnr.
6). Diese Bestimmung ist hier jedoch nicht einschlägig. Der Kläger ist zwar, da er
von Berufs wegen jagen muss, im Besitz eines Jahresjagdscheins und es besteht
kein sachliches Verbot gemäß § 19 Abs. 1 BJagdG, bei der Jagd Schalldämpfer zu
benutzen. Allerdings greift die Privilegierung durch § 13 BJagdG nicht für
Schalldämpfer, obgleich nach Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.3
Schalldämpfer, soweit im Waffengesetz nichts anderes bestimmt ist, den
Schusswaffen gleichgestellt sind, für die sie bestimmt sind. Da hier ausdrücklich
von „Langwaffen und zwei Kurzwaffen“ die Rede ist, ist davon auszugehen, dass
im Sinne der Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 Nr. 1.3 etwas anderes
bestimmt ist (VG Minden, Urt v. 26.04.2013 - 8 K 2491/12 - Juris). Zudem spricht
auch der Zweck der Bestimmung dafür, Schalldämpfer auszunehmen. Es geht
darum, für die „Grundausstattung“ für Jäger von einem Bedürfnis auszugehen
(Gade/Stopa, a.a.O. § 13 Rnr. 22; Steinhard/Heinrich/ Papsthart, a.a.O., § 13 Rnr.
6). Zu einer solchen Grundausstattung gehören Schalldämpfer jedoch nicht.
24 Zu prüfen ist somit, ob ein Bedürfnis i.S.d. §§ 4 Abs. 1 Nr. 4, 8 WaffG besteht.
Gemäß § 8 Abs. 1 WaffG ist der Nachweis des Bedürfnisses erbracht, wenn
gegenüber den Belangen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung besonders
anzuerkennende Interessen (1) und die Geeignetheit und Erforderlichkeit der
Waffe für den beantragten Zweck (2) glaubhaft gemacht sind.
(1)
25 Bei der Prüfung, ob ein besonders anzuerkennendes Interesse vorliegt, hat eine
Abwägung zu erfolgen. Dabei ist der Grundsatz zu beachten, "so wenig Waffen
wie möglich ins Volk" gelangen zu lassen (BVerwG, Beschl. v. 26.03.2008 - 6 B
11.08 - Buchholz 402.5 WaffenG Nr. 95; vgl. auch BT-Drucksache 14/7758, 57).
Der Zweck des Gesetzes wird in § 1 Abs. 1 WaffG mit dem Merkmal zum Ausdruck
gebracht, dass es den Umgang mit Waffen oder Munition "unter Berücksichtigung
der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" regelt. Demgemäß muss zur
Erbringung des Nachweises eines Bedürfnisses für eine waffenrechtliche
Erlaubnis gemäß § 8 Abs. 1 WaffG ein gegenüber den Belangen der öffentlichen
Sicherheit oder Ordnung besonders anzuerkennendes Interesse bestehen
(BVerwG, Beschl. v. 26.03.2008 - 6 B 11.08 - Juris).
26 Als besonders anzuerkennendes Interesse wird in § 8 Nr.1 WaffG unter anderem
das Interesse als Jäger genannt. § 8 Nr. 1 WaffG ist jedoch nicht abschließend.
Hier kommt insbesondere das Interesse am Schutz der Gesundheit (Gehör) des
Klägers in Betracht. Nach den Ausführungen des Waffensachverständigen des
Landeskriminalamts in der mündlichen Verhandlung hat eine Jagdwaffe wie die, für
die der Kläger einen Schalldämpfer nutzen möchte, (ungedämpft) einen
Schallleistungspegel von ca. 160 dB(A). Im Vergleich dazu beträgt der von einem
Verkehrsflugzeug in 7 m Abstand erzeugte Schalldruck 120 dB(A) und der Lärm
eines Düsenjägers in 7 m Abstand 130 dB(A). Bei einem Schalldruck von 130
dB(A) liegt auch die Schmerzgrenze (Sparwasser/Engel/Voßkuhle, Umweltrecht, 5.
Aufl., § 10 Rnr. 37). Lärmeinwirkungen von ca. 150 bis 160 dB (A) am Ohr des
Jägers liegen daher jenseits der Schmerzgrenze (vgl. Presseinformation des
hessischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz vom 30.10.2013, GAS 73). Zudem kann auch ein nur
kurzfristiges Einwirken eines sehr lauten Geräusches (akustisches Trauma) zu
einer Schädigung des Gehörorgans besonders an den Haarzellen
(Innenohrschwerhörigkeit) und/oder zu einem Tinnitus führen (Pschyrembel,
Klinisches Wörterbuch, 261. Aufl. 2007: Stichworte: Lärmschwerhörigkeit /
akustisches Trauma); dabei können irreparable Gehörschäden entstehen
(Sondergutachten des Sachverständigenrates für Umweltfragen, BT-Drucksache
14/2300, Tz 389, S. 160). Hier ist noch zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits
unter einem Tinnitus leidet, was auch von der Beklagten nicht bestritten wird.
Daher sollte nach dem nachvollziehbaren und überzeugenden Attest seines
behandelnden Arztes vom 08.03.2013, das von einem Betriebsarzt mit einer
weiteren Stellungnahme bestätigt wurde, die am 24.07.2013 bei der Beklagten
einging, eine weitere Schädigung durch Lärmeinflüsse vermieden werden. Dieses
durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützte Interesse des Klägers an der Vermeidung einer
weiteren Beeinträchtigung seiner körperlichen Unversehrtheit ist sehr gewichtig.
27 Demgegenüber sind die öffentlichen Interessen, die gegen die Erteilung von
Erlaubnissen für den Erwerb/Besitz und das Führen eines Schalldämpfers
sprechen, von geringerem Gewicht. Entgegenstehendes öffentliches Interesse ist
zunächst das grundsätzlich immer bestehende Interesse, die Zahl der Waffen
insgesamt gering zu halten. Hierbei sind aber Gewichtungen im Einzelfall möglich;
dabei ist auf die konkrete Art der Waffe und deren Gefährlichkeit abzustellen (so:
Gade / Stoppa, a.a.O. Rnr. 11). Während bei Schusswaffen - gleichgültig, ob Kurz-
oder Langwaffe - ein hohes Gefährdungspotential naheliegt, ist das bei einem
Schalldämpfer nicht in gleicher Weise gegeben. Nach der Auskunft des
Landeskriminalamts Baden-Württemberg vom 09.10.2014 betrug bundesweit die
Zahl der Fälle, bei denen Schalldämpfer in Zusammenhang mit Straftaten
auftauchten, in einem Zeitraum von zehn Jahren lediglich ca. 800. Davon
beschränkten sich 703 Fälle auf einen Verstoß gegen das Waffengesetz (d.h.
illegaler Besitz etc.). In nur 53 Fällen in den vergangenen zehn Jahren wurden
bundesweit Verstöße gegen das Strafgesetzbuch (Bedrohung, Raub,
Tötungsdelikte etc.) unter Einsatz von Schalldämpfern begangen, davon wurden
nur in 17 Fällen Langwaffen mit Schalldämpfern benutzt. Lediglich in acht Fällen
traten in diesem Zeitraum Jäger in Zusammenhang mit Schalldämpfern in
Erscheinung, jeweils nur mit einem Verstoß gegen das Waffengesetz.
Zusammenfassend führt das Landeskriminalamt aus, zwar gehe von
Schalldämpfern bei der Begehung von Straftaten grundsätzlich ein erhöhtes
Sicherheitsrisiko aus. Statistisch gehe dabei bei der Begehung von Straftaten
außerhalb des Waffengesetzes vom Einsatz von Schalldämpfern in Verbindung
mit Kurzwaffen ein erhöhtes Gefahrenpotential aus. Im Verhältnis zu der jeweiligen
Gesamtzahl der Fälle sei die Anzahl der mit Schalldämpfern begangenen
Straftaten im 10-Jahreszeitraum jedoch sehr gering. Ergänzend verweist die
Kammer darauf, dass ein für Langwaffen vorgesehener Schalldämpfer nach den
Ausführungen des Waffenexperten des Landeskriminalamts nicht ohne weiteres
für eine Kurzwaffe benutzt werden kann, sondern dass diese dafür speziell
umgerüstet werden müsste.
28 Auch eine - ungewollte - Gefährdung von nicht an der Jagd beteiligten Personen
wie Wanderern durch ein „lautloses Jagen“ droht bei der Benutzung eines
Schalldämpfers für eine Jagdwaffe vom Kaliber .308 nicht, da ein Schuss einer
großkalibrigen Langwaffe auch mit einem Schalldämpfer laut und deutlich
vernommen werden kann. Diesen Vortrag des Klägers hat der in der mündlichen
Verhandlung als Auskunftsperson gehörte Waffensachverständige des
Landeskriminalamts Baden-Württemberg bestätigt. Nach dessen Ausführungen
führt ein Schalldämpfer - je nach seiner Qualität - zu einer Reduzierung des
Schalldrucks von bis zu ca. 30 dB(A). Das bedeutet, dass der Knall der Büchse
(ungedämpft ca. 160 dB(A)) auch mit einem Schalldämpfer noch mehr als 100 dB
(A) hat. 100 dB(A) ist der Lärmpegel, den eine Kreissäge erreicht bzw. den
Lärmspitzen in einem Fußballstadion haben (Sparwasser/Engel/Voßkuhle,
Umweltrecht, 5. Aufl., a.a.O.).
29 Dass jagdliche Interessen der Verwendung von Schalldämpfern entgegenstehen,
ist nicht ersichtlich. Zwar haben sich die Jagdverbände traditionell gegen die
Verwendung von Schalldämpfern ausgesprochen (vgl. Zitate in HessVGH Urt. v.
09.12.2003, a.a.O.). Geltend gemacht wurden die Gefahr des unerkannten
Wilderns sowie die Gefährdung von anderen Besuchern des Waldes, die durch
den Schussknall nicht gewarnt würden. Beides ist - wie oben dargelegt - nicht
relevant. Abgesehen davon spricht es eher für eine Förderung jagdlicher
Interessen, dass der Rückstoß der Waffe bei Verwendung eines Schalldämpfers
vermindert wird, was die Treffgenauigkeit der Langwaffe wohl fördert.
(2)
30 Die begehrte Verwendung eines Schalldämpfers ist des Weiteren geeignet und
erforderlich, um den angestrebten Zweck zu erfüllen.
31 Geeignet ist der Schalldämpfer zur Erreichung des anzuerkennenden Interesses -
hier der Wahrung der körperlichen Unversehrtheit des Klägers - bereits dann, wenn
er ein „Schritt in die richtige Richtung“, d.h. in Richtung des Ziels des
Gesundheitsschutzes durch Lärmschutz, ist (Lisken/Denninger, Handbuch des
Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E Rnr. 167). Das ist hier der Fall, da der Schalldämpfer
- wie oben ausgeführt - die Lärmbelastung des Schützen um bis zu 30 dB(A)
mindert. Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass der Kläger
auch an Gesellschaftsjagden teilnehmen muss, bei denen die übrigen Jäger keine
Schalldämpfer benutzen, so dass er dem ungedämpften Schussknall seiner
Jagdpartner ausgesetzt sei. Dieser Einwand wird dadurch entkräftet, dass bei
solchen Gesellschaftsjagden die einzelnen Jäger in einer größeren Entfernung
(über 100m) voneinander positioniert sind, so dass der Mündungsknall der Waffe
eines anderen Jägers für den Kläger kein Problem darstellt.
32 Im Falle des Klägers, der ein auf beiden Ohren vorgeschädigtes Gehör hat und
zudem beruflich zur Jagdausübung verpflichtet ist, was bei ihm insbesondere auch
die Nachsuche beinhaltet, ist die Verwendung eines Schalldämpfers auch
erforderlich; d.h. es gibt kein gleich geeignetes milderes Mittel, das nicht
waffenrechtlich erlaubnispflichtig ist. Die Kammer folgt den im
Widerspruchsbescheid zitierten Entscheidungen (VG Stuttgart, Urt. v. 14.01.2009 -
5 K 151/08 - Juris und VG Minden, Urt. v. 26.04.2013 - 8 K 2491/12 - Juris) für den
vorliegenden Fall nicht.
33 Ein Ausweichen auf kleinere und damit nach den Ausführungen des
Waffenexperten des Landeskriminalamts auch leisere Kaliber ist aus
jagdrechtlichen Gründen (vgl. § 19 BJagdG) untersagt. Größere Kaliber sind
leistungsfähiger, wie der Waffenexperte in der mündlichen Verhandlung ausführte,
weshalb sie das Wild schneller töten und so ein unnötig langes Leiden vermeiden.
34 Der Kläger kann auch nicht auf die Verwendung elektronischen Gehörsschutzes
verwiesen werden. Dieser verstärkt die Umgebungsgeräusche und verschließt
sich im Augenblick des Schussknalls. Er ist somit zwar in vielen Situationen
geeignet, den Jäger vor dem Schussknall zu schützen. Der Kläger hat jedoch
nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass ein solcher Gehörsschutz nicht
lediglich die Jagd weniger „komfortabel“ macht, sondern in bestimmten Situationen
nicht eingesetzt werden kann. Das hat der in Jagdangelegenheiten
sachverständige Mitarbeiter des Regierungspräsidiums Freiburg - Forstdirektion -
in der mündlichen Verhandlung bestätigt. Es handelt sich insbesondere um sog.
Nachsuchen, bei denen Wild, das nicht sogleich an der Stelle zusammenbricht, wo
es getroffen wurde, aufgespürt und erlegt werden muss. Diese Tätigkeit, die auch
deshalb unverzüglich erfolgen muss, damit das Wild nicht unnötig lange leidet,
kann nicht mit einem Gehörsschutz durchgeführt werden. Der jagdkundige
Mitarbeiter des Regierungspräsidium Freiburg hat in der mündlichen Verhandlung
bestätigt, dass ein elektronischer Schalldämpfer das Richtungshören
beeinträchtigt. Das sei insbesondere in Situationen gefährlich, in denen
verwundetes Schwarzwild zum Gegenangriff übergehe. Des weiteren hat er den
nachvollziehbaren Vortrag des Klägers bestätigt, dass sich angeschossenes Wild
typischerweise im Dickicht versteckt. Es ist überzeugend, dass der - in
Augenschein genommene - recht massive Gehörsschutz beim Eindringen in ein
solches Dickicht vom Kopf gestreift wird. Der Kläger hat auch glaubhaft dargelegt,
dass er auch den Fangschuss bei der Nachsuche mit der Langwaffe abgibt, so
dass er auch hierfür die Jagdwaffe nutzen wird, die mit dem Schalldämpfer
versehen ist. Da es bereits zu einem irreparablen Schaden führen kann, wenn man
einmalig dem starken Lärm durch einen Schuss ausgesetzt wird, ist es ohne
Belang, dass es andere Jagdsituationen gibt, bei denen das Tragen
elektronischen Gehörsschutzes zumutbar sein mag. Zudem schließen sich die
Benutzung eines elektronischen Gehörsschutzes und die Verwendung eines
Schalldämpfers nicht gegenseitig aus, sondern können gegebenenfalls zum
Schutz des bereits vorgeschädigten Gehörs des Klägers kombiniert werden.
35 Ergänzend kann auf die Wertung in der Lärm-und Vibrationsschutzverordnung
vom 06.03.2007, die der Umsetzung der Richtlinie 2003/10/EG vom 06.02.2003
dient, verwiesen werden. Diese Bestimmung betrifft zwar nach der Auffassung der
Kammer unmittelbar nur Verpflichtungen des Arbeitgebers. Hier begehrt der Kläger
eine waffenrechtliche Erlaubnis von der Beklagten, die nicht seine Arbeitgeberin
ist. Unmaßgeblich ist, dass er selbst Vorgesetzteneigenschaft hat, da er die
Erlaubnis gerade für sich selbst und nicht seine Mitarbeiter beantragt. Letzteres ist
zudem nach dem Waffenrecht ausgeschlossen, worauf das Regierungspräsidium
Freiburg im Widerspruchsbescheid zu Recht hingewiesen hat. Art. 5 und 6 der
Richtlinie und § 7 Abs. 1 Lärm-und Vibrationsschutzverordnung ist jedoch die
Wertung entnehmen, dass persönlicher Lärmschutz gegenüber der Bekämpfung
des Lärms am Entstehungsort nachrangig ist und ein Gehörsschutz daher nicht als
gleich geeignet angesehen werden kann wie eine Lärmminderung durch einen
Schalldämpfer.
36 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
37 Die Berufung wird zugelassen, weil die Frage der Gewichtung des besonders
anzuerkennenden Interesses bei Erteilung von waffenrechtlichen Erlaubnissen für
Schalldämpfer für Jagdwaffen grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 124a Abs. 1, 124
Abs. 2 Nr. 3 VwGO).