Urteil des VG Freiburg vom 25.09.2015

vorläufiger rechtsschutz, bad, informationsanspruch, auskunftserteilung

VG Freiburg Beschluß vom 25.9.2015, 1 K 1098/15
Presserechtlicher Informationsanspruch - Anspruch auf Akteneinsicht
Leitsätze
1. Der presserechtliche Informationsanspruch des § 4 Abs. 1 LPresseG ist auf die
Beantwortung konkreter Fragen gerichtet.
2. Auf eine bestimmte Form der Auskunftserteilung besteht nach § 4 LPresseG
grundsätzlich kein Anspruch. Ein Anspruch auf Akteneinsicht kann folglich höchstens
dann bestehen, wenn ausschließlich auf diese Art sachgemäß Auskunft erteilt werden
kann (im Anschluss an VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 01.07.2015 - 1 S 802/15 -).
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
1 Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, aber
unbegründet. Vorläufiger Rechtsschutz gemäß § 123 VwGO ist auf Antrag zu
gewähren, wenn der Antragsteller einen Anordnungsanspruch und einen
Anordnungsgrund glaubhaft macht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
2 Vorliegend ist jedenfalls kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der
Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, dass ihm die Antragsgegnerin Einsicht in
die von dem eingesetzten Untersuchungsgremium erstellten Gutachten gestattet,
die sich mit der Frage des Plagiatsvorwurfs in Bezug auf die Habilitationsschriften
von Herrn Prof. Dr. ... und Herrn Prof. Dr. ... auseinandersetzen.
3 1. Aus § 4 Abs. 1 LPresseG ergibt sich kein Anordnungsanspruch. Die Behörden
sind nach dieser Vorschrift verpflichtet, den Vertretern der Presse die der Erfüllung
ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Auskünfte zu erteilen. Aus dieser
Verpflichtung folgt ein entsprechender Auskunftsanspruch der Vertreter der Presse
(vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.09.2013 - 1 S 509/13 - VBlBW 2014, 260). Der
Anspruch nach § 4 LPresseG ist nach dem Gesetzeswortlaut nur auf die Erteilung
von Auskünften gerichtet und umfasst grundsätzlich keinen Anspruch auf
Akteneinsicht (VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 01.07.2015 - 1 S 802/15 - juris-
Rnrn. 37 ff. m.w. Nachw.).
4 a) Der Sache nach macht der Antragsteller hier ein Akteneinsichtsgesuch und
nicht lediglich ein Auskunftsbegehren geltend. Er möchte ausdrücklich nicht nur
eine detaillierte Auskunft erhalten, die inhaltlich über die ihm bereits erteilten
Auskünfte hinausgeht, sondern erreichen, dass ihm Einsicht in im
Verwaltungsverfahren entstandene Unterlagen gewährt wird. Bei einem solchen
Verlangen handelt es sich der Sache nach nicht mehr um ein bloßes
Auskunftsbegehren. Der Antragsteller möchte vielmehr zwei Gutachten einsehen,
die jedenfalls im materiellen Sinne Bestandteil der Akten des von der
Antragsgegnerin eingesetzten Untersuchungsgremiums sind. Denn hierzu
gehören alle ein konkretes Verwaltungserfahren betreffenden Unterlagen, also
nicht nur Schriftsätze und Aktenvermerke, sondern auch die im Rahmen des
Verwaltungsverfahren erstatteten Gutachten (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15.
Aufl., § 29 Rn. 13).
5 b) Auf eine bestimmte Form der Auskunftserteilung besteht nach § 4 LPresseG
grundsätzlich kein Anspruch. Art und Weise der Auskunftserteilung stehen im
Ermessen der Behörde. Die Auskunft ist lediglich sachgerecht und in
pressegeeigneter Form zu erteilen. Ein Anspruch auf Akteneinsicht (oder
Aktenkopien) kann folglich höchstens dann bestehen, wenn ausschließlich auf
diese Art sachgemäß Auskunft erteilt werden kann. Voraussetzung hierfür ist
jedoch, dass es sich in der Sache noch um ein Auskunftsverlangen i.S.v. § 4
LPresseG handelt und nicht um ein reines Akteneinsichtsbegehren. Bereits nach
dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung, aber auch nach ihrem Sinn und Zweck
setzt der presserechtliche Informationsanspruch die Benennung eines konkreten
Sachverhaltes, hinsichtlich dessen bestimmte Informationen gewünscht werden,
durch den Vertreter der Presse voraus. Der Informationsanspruch ist damit auf die
Beantwortung konkreter Fragen gerichtet (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschluss vom
01.07.2015, a.a.O m.w. Nachw.; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 07.03.2014 -
OVG 6 S 48.13 - NVwZ 2014, 1177).
6 c) Hier hatte der Antragsteller von der Antragsgegnerin zunächst die Einsicht in
zwei Gutachten erbeten, stattdessen aber lediglich - mit Mails vom 13.02.2015 und
vom 26.02.2015 - eine zusammenfassende Auskunft über den Anlass der
Begutachtung, die Methode der Gutachter und die wesentlichen Ergebnisse der
Gutachten erhalten. Im vorliegenden Verfahren legt er zwar dar, weshalb diese
Auskünfte seiner Ansicht nach unzureichend sind. Dies genügt aber nicht zur
Begründung eines Anordnungsanspruchs. Denn selbst wenn die bisher durch die
Antragsgegnerin erteilten Informationen in beiden Fällen unzureichend sein sollten,
ergäbe sich allein daraus noch kein Anspruch auf Akteneinsicht. Dazu müsste der
Antragsteller zunächst konkrete (weitere) Fragen formulieren und an die
Antragsgegnerin richten. Die Antragsgegnerin hat in ihrem Schreiben vom
08.04.2015 auch ausdrücklich ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt, weitere
konkrete Fragen im Rahmen des rechtlich Zulässigen zu beantworten. Wenn das
Begehren des Antragstellers auf Erteilung weiterer Informationen trotz dieser
Zusage erfolglos bleiben oder er die ihm erteilten Antworten als unzureichend
empfinden sollte, müsste er ferner darlegen, weshalb sein Informations- oder
Auskunftsanspruch seiner Ansicht nach ausschließlich durch Einsichtnahme in die
von dem Untersuchungsgremium erstellten Gutachten oder Stellungnahmen
befriedigt werden kann. An diesen Voraussetzungen fehlt es hier jedoch. Der
Wunsch, alle in einem Gutachten enthaltenen Nuancierungen ungefiltert und
vollständig nachvollziehen zu können, ist zwar aus journalistischer Sicht
verständlich, er begründet jedoch für sich allein genommen kein
Akteneinsichtsrecht.
7 2. Auch andere Rechtsgrundlagen für den geltend gemachten Anspruch sind nicht
ersichtlich.
8 a) Ein Anordnungsanspruch ergibt sich zunächst nicht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
Die Pressefreiheit garantiert in ihrem objektiv-rechtlichen Gehalt die institutionelle
Eigenständigkeit der Presse. Der Gesetzgeber ist daher verpflichtet, die
Rechtsordnung in einer Weise zu gestalten, die der besonderen
verfassungsrechtlichen Bedeutung der Presse gerecht wird und ihr eine
funktionsgemäße Betätigung ermöglicht. Hierzu zählt auch die Schaffung von
behördlichen Auskunftspflichten. Insoweit steht dem Gesetzgeber indes ein weiter
Ausgestaltungsspielraum zu.
9 Bleibt der zuständige Gesetzgeber untätig, kann und muss unmittelbar auf das
Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als Rechtsgrundlage für pressespezifische
Auskunftspflichten zurückgegriffen werden. In Baden-Württemberg ist die
Auskunftspflicht jedoch in § 4 LPresseG geregelt, sodass ein
verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch schon von vornherein nicht in
Betracht kommt. Zudem wäre dieser Anspruch nicht auf Akteneinsicht gerichtet.
Denn ein verfassungsunmittelbarer Auskunftsanspruch wäre auf das Niveau eines
„Minimalstandards" zu begrenzen, den auch der Gesetzgeber nicht unterschreiten
dürfte. Daher umfasst er grundsätzlich keine Einsichtnahme in Behördenakten (vgl.
BVerwG, Urteil vom 27.11.2013 - 6 A 5.13 - NJW 2014, 1126; VGH Bad.-Württ.,
Urteil vom 11.09.2013 und Beschluss vom 01.07.2015; OVG Berlin-Bbg.,
Beschluss vom 07.03.2014, jeweils a.a.O).
10 b) Auch aus der Informationsfreiheit folgt kein verfassungsunmittelbarer Anspruch
auf Akteneinsicht. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG begründet kein Recht auf Eröffnung
einer Informationsquelle. Legt der Gesetzgeber die Art der Zugänglichkeit von
staatlichen Vorgängen und damit zugleich das Ausmaß der Öffnung dieser
Informationsquelle fest, so wird in diesem Umfang zwar der Schutzbereich der
Informationsfreiheit eröffnet. Hat die Presse Zugang zwecks Berichterstattung, aber
wie hier in § 4 LPresseG in rechtlich einwandfreier Weise unter sachgemäßen
Beschränkungen, liegt in dieser Begrenzung kein unzulässiger Grundrechtseingriff
(vgl. VGH Bad.-Württ., Urteil vom 11.09.2013, a.a.O).
11 c) Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG) findet auf den vorliegenden
Fall schließlich schon deshalb keine Anwendung, weil es sich bei der
Antragsgegnerin weder um eine Bundesbehörde noch um ein sonstiges
Bundesorgan handelt, das Verwaltungsaufgaben wahrnimmt (vgl. § 1 Abs. 1 IFG).
12 Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Da im Falle eines Erfolgs des
Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz die Hauptsache faktisch vorweggenommen
werden würde, ist die Festsetzung des ungekürzten Auffangstreitwerts
angemessen.
13 Hinsichtlich der Beschwerdemöglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird auf §
63 GKG verwiesen.