Urteil des VG Freiburg vom 24.05.2007

VG Freiburg (kläger, öffentliches interesse, wasserrecht, bach, widerruf, interesse, umfang, wasser, begründung, betrieb)

VG Freiburg Urteil vom 24.5.2007, 4 K 638/06
Voraussetzungen für den Widerruf eines länger nicht ausgeübten Wasserrechts
Leitsätze
Widerruf eines alten Wasserrechts nach § 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 WHG
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf eines ihm zustehenden Wasserrechts.
2
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks FlSt.-Nr. ... der Gemeinde H.. Für dieses Grundstück besteht ein Wasserrecht, nach dem Wasser in
einem Umfang von 240 Liter pro Sekunde (l/s) aus dem H. Bach entnommen und zum Betrieb einer Kundenmühle auf dem Grundstück des
Klägers genutzt werden kann. Nach Auffassung des Klägers existiert dieses Wasserrecht seit mindestens 700 Jahren. Im Wasserrechtsbuch,
Abteilung I, 1908/1909, finden sich Eintragungen des Badischen Finanz- und Wirtschaftsministeriums vom 11.01.1943 über Maßnahmen der
Wiederherstellung und der Umnutzung dieses Wasserrechts, zuletzt über den Einbau einer Turbine mit einer Schluckfähigkeit von 240 skl. Laut
diesen Eintragungen geben die Akten keinen Aufschluss über die erstmalige Errichtung der Stauanlage. Das für das Wasserrecht benötigte
Wasser wird dem H. Bach etwa 600 m oberhalb des Grundstücks des Klägers durch eine Stauanlage entnommen und fließt von dort in einem
künstlichen Bachbett, dem M. Bach, entlang der G. Straße zum Grundstück des Klägers und von dort über ein weiteres Grundstück, dessen
Eigentümer ebenfalls ein Wasserrecht zur Nutzung dieses Wassers besaß, zurück in den H. Bach.
3
Mit Schreiben des Landratsamts L. vom 09.10.1986 wurde der Kläger unter Fristsetzung bis zum 30.09.1987 aufgefordert, die schadhafte
Stellfalle am Einlauf des M. Bachs instand zu setzen. Nach erneuter Aufforderung im Schreiben des Landratsamts L. vom 04.07.1990 kam der
Kläger dieser Aufforderung im Sommer 1990 nach.
4
Am 14.07.2003 fasste der Gemeinderat der Gemeinde H. den Beschluss, dass gegen eine Reaktivierung der Wasserkraftanlage der
Beigeladenen, die früher eine andere Wasserkraftanlage oberhalb des Anwesen des Klägers betrieb, einschließlich des Baus eines
Turbinenhäuschens am Haselbach keine Einwendungen bestehen. Der Plan der Beigeladenen für die Errichtung einer Wasserkraftanlage sieht
vor, dass dem H. Bach noch oberhalb der Stauanlage für den M. Bach Wasser entnommen und westlich (und am Hang oberhalb) des M. Bachs
in einem Zulaufgraben über das Gewann E. geführt und von dort in starkem Gefälle zurück in den H. Bach geführt wird. Dabei kreuzt der Zulauf
vor der Einmündung in den H. Bach den vorhandenen M. Bach. Das Turbinenhaus ist unmittelbar vor dem Einlauf des Zulaufgrabens in den H.
Bach geplant. Die geplante Wasserkraftanlage der Beigeladenen liegt oberhalb des Grundstücks des Klägers. Die Entnahme des zum Betrieb
der Wasserkraftanlage der Beigeladenen benötigten Wassers bedingt eine Reduzierung der Wassermenge im M. Bach und damit eine
wesentliche Einschränkung des Wasserrechts des Klägers. Zur Veranschaulichung der örtlichen Situation wird auf den nachfolgenden Plan (
VAS 41 ) verwiesen:
5
Mit Schreiben vom 19.11.2003 fragte das Landratsamt L. beim Kläger an, ob er auf sein Wasserrecht bis auf einen garantierten Zulauf von 8 l/s
verzichte, da er sein Wasserrecht seit vielen Jahren allenfalls zum Schaubetrieb eines Mühlrads benutze, für den er maximal 8 l/s benötige.
Gleichzeitig kündigte das Landratsamt L. an, dass andernfalls ein Widerruf/Teilwiderruf des Wasserrechts in Betracht komme.
6
Mit Schreiben vom 01.12.2003 lehnte der Kläger einen (Teil-)Verzicht auf sein Wasserrecht ab, weil er nicht wisse, inwieweit seine Erben das
volle Wasserrecht künftig wieder durch gewerbliche Nutzung oder Stromgewinnung in Anspruch nehmen wollten. Im Übrigen sei schon
gegenwärtig keine sichere Wasserzufuhr im Umfang von 8 l/s gewährleistet. Außerdem habe die Feuerwehr von H. in der Höhe seines Hauses
im M. Bach eine Staustelle eingebaut, die im Bedarfsfall in kürzester Zeit gefüllt werden könne. Er gehe davon aus, dass diese Einrichtung
unverzichtbar sei. In diesem Schreiben räumte der Kläger ein, dass seine Mühle seit 1975 nicht mehr betrieben wird.
7
In einer Besprechung, an der der Kläger, die Beigeladene sowie Vertreter des Landratsamts Lörrach und der Gemeinde H. teilnahmen, wurde
dem Kläger angeboten, für seine Zwecke einen Wasserzufluss von 15 l/s zu gewährleisten. Das entspreche etwa der Wassermenge, die
gegenwärtig durch den M. Bach fließe. In dieser Besprechung wurden Zweifel daran geäußert, dass der M. Bach eine Wassermenge von 240 l/s
fassen könne. Die Leistungsfähigkeit wurde auf maximal 160 l/s geschätzt.
8
Mit Schreiben vom 17.02.2004 teilte der Kläger dem Landratsamt Lörrach mit, seine Tochter habe Verbindung zu einer mit der Errichtung von
Wasserkraftanlagen vertrauten Firma aufgenommen. Binnen vier Wochen werde er Klarheit über die Rentabilität einer energetischen Nutzung
seines Wasserrechts haben.
9
Mit Schreiben vom 19.02.2004 setzte das Landratsamt L. dem Kläger eine Frist für die Mitteilung über eine Reaktivierung seiner Anlage bis zum
22.03.2004, mit Schreiben vom 09.03.2004 wurde die Frist bis zum 05.04.2004 verlängert.
10 Mit Schreiben vom 05.04.2004 kündigte der Kläger an, er werde gegen einen Widerruf seines Wasserrechts, das bereits im Jahre 1318 erstmals
urkundlich erwähnt sei, Rechtsmittel einlegen. Er beabsichtige, die Wasserkraft in naher oder ferner Zukunft möglicherweise energetisch nutzen
zu wollen. Wann dies der Fall sein werde, könne er gegenwärtig nicht sagen.
11 Daraufhin bat das Landratsamt L. den Kläger, konkrete Pläne über die beabsichtigte Reaktivierung des Wasserrechts vorzulegen und setzte ihm
hierfür erneut eine Frist bis zum 01.06.2004, andernfalls werde von der Möglichkeit des Teilwiderrufs Gebrauch gemacht.
12 Mit Schreiben vom 27.05.2004 antwortete der Kläger, dass er eine Entscheidung über die Neuerrichtung einer Wasserkraftanlage erst treffen
könne, wenn die Finanzierung geklärt sei und das Energieeinspeisungsgesetz (EEG) in der novellierten Form in Kraft getreten sei. Es sei unklar,
wann dieses Gesetz in Kraft trete. Ein Widerruf seines Wasserrechts setze eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit voraus,
die nicht angenommen werden könne. Das Landratsamt werde allein im Interesse der Beigeladenen und nicht im Interesse der Allgemeinheit
tätig. Gleichzeitig übersandte der Kläger dem Landratsamt ein schriftliches Angebot einer Firma für Wasserkraft- und
Energiegewinnungsanlagen.
13 Aufgrund der Übersendung dieser Unterlagen wies das Landratsamt L. den Kläger mit Schreiben vom 01.07.2004 darauf hin, dass das in dem
Angebot geplante Wasserrad ein Schluckvermögen von ca. 250 l/s habe. Dies überschreite den Umfang des bestehenden Wasserrechts und
erfordere eine Neubeantragung. Für die weitere Realisierung des geplanten Vorhabens und die Stellung eines Antrags auf Änderung der
Gewässerbenutzung setzte das Landratsamt L. dem Kläger eine Frist bis zum 01.07.2005. Falls er innerhalb dieser Frist keinen Antrag stelle, sei
davon auszugehen, dass das Vorhaben nicht realisiert werde. Für diesen Fall werde erneut ein Widerruf bzw. Teilwiderruf des Wasserrechts
angekündigt.
14 Mit Bescheid vom 09.09.2004 erlaubte das Landratsamt L. der Beigeladenen die Zulassung des vorzeitigen Beginns zur Errichtung des
Entnahmebauwerks und der Instandsetzung des Kraftwerkkanals zur Reaktivierung einer Wasserkraftanlage am H. Bach.
15 Mit Bescheid vom 13.07.2005 widerrief das Landratsamt L. das Wasserrecht des Klägers teilweise und begrenzte die maximale Entnahme von
Wasser aus dem H. Bach auf 15 l/s. Dem Kläger wurde ferner aufgegeben, die Entnahmestelle am H. Bach/M. Kanal so umzugestalten, dass die
Begrenzung auf die zulässige Entnahmemenge sichergestellt ist. Der Widerruf wurde für entschädigungslos erklärt. Die Anordnung von
Rückbaumaßnahmen wurde vorbehalten. Zur Begründung führte das Landratsamt aus: Der Betrieb der Kundenmühle des Klägers finde seit
1975 nicht mehr statt. Seit vielen Jahren erfolge eine Wasserentnahme aus dem H. Bach nur noch zum Zweck des Betriebs eines Mühlschaurads
im Umfang von maximal 15 l/s. Ein anderer Betreiber einer mit dem Wasser aus dem M. Kanal betriebenen Wassermühle habe inzwischen auf
sein Wasserrecht verzichtet. Der M. Kanal werde darüber hinaus für die Einleitung von Oberflächenwasser durch die Gemeinde H. genutzt. Die
Entscheidung beruhe auf § 15 Abs. 4 Satz 2 Nrn. 2 und 3 WHG. Danach könne ein Wasserrecht entschädigungslos widerrufen werden, wenn die
Nutzung im bisher zugelassenen Umfang nicht mehr erforderlich sei. Dies gelte insbesondere, wenn der zulässige Umfang drei Jahre lang
erheblich unterschritten worden sei. Diese Voraussetzungen lägen hier vor. Die Wasserentnahme unterschreite seit vielen Jahren den nach dem
alten Recht zulässigen Umfang. Der Grundsatz über die Ordnung des Wasserhaushalts gebe vor, dass nicht mehr genutzte Altrechte zu löschen
oder entsprechend dem tatsächlichen Bedarf einzuschränken seien. Die allgemeine öffentlich-rechtliche Benutzungsordnung für das Gewässer,
die durch ein Wasserrecht durchbrochen sei, solle wieder hergestellt werden. Anders wäre zu entscheiden gewesen, wenn eine Reaktivierung
des Wasserrechts beabsichtigt gewesen wäre. Davon könne hier aber nicht ausgegangen werden. Bislang habe der Kläger dem Landratsamt
keine konkrete, beurteilungsfähige Planung und auch keine beurteilungsfähige Wirtschaftlichkeitsberechnung für eine neue Wasserkraftnutzung
vorgelegt. Ein Antrag auf entsprechende Errichtung einer Wasserkraftanlage sei nicht gestellt worden, obwohl seit der entsprechenden
Fristsetzung inzwischen mehr als ein Jahr vergangen sei. Damit könne eine Absicht zur Reaktivierung nicht mehr anerkannt werden.
16 Am 10.08.2005 erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung trug er vor: Der Bescheid des Landratsamts sei schon formell rechtswidrig, weil
er in der Begründung die für eine Ermessensentscheidung erforderlichen Gesichtspunkte nicht erkennen lasse. Der Bescheid sei aber auch
materiell rechtswidrig. Ein Widerruf erfordere eine erhebliche Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit durch das bisherige Wasserrecht.
Damit trage der Gesetzgeber den Vorgaben aus Art. 14 GG Rechnung. Eine solche Beeinträchtigung des Wohls der Allgemeinheit lasse sich
dem Bescheid nicht entnehmen. Im Gegenteil, eine Beschränkung der Wassermenge im M. Kanal beeinträchtige das Wohl der Allgemeinheit,
weil die Feuerwehr H. im Notfall die Wasserentnahmestelle dann nicht mehr benutzen könne. Aus dem bisherigen Verfahren gehe hervor, dass
das Landratsamt L. allein im Interesse der Beigeladenen tätig geworden sei. § 15 Abs. 4 WHG stelle jedoch keine drittschützende Norm dar.
Auch hätte eine Abwägung der widerstreitenden Interessen ergeben müssen, dass hier kein öffentliches Interesse an einem Widerruf bestehe. Er
selbst erwäge, das Wasser in Zukunft energetisch zu nutzen. Dies sei jedoch mit erheblichen Investitionen verbunden, die von Entscheidungen
des Gesetzgebers in der Zukunft abhingen. Deshalb habe er noch keine Entscheidung treffen können. Außerdem werde verkannt, dass eine
bauliche Umgestaltung der Entnahmestelle am H. Bach/M. Kanal auf 15 l/s technisch nicht möglich sei. Davon abgesehen seien 15 l/s für das
Betreiben eines Mühlenschaurads zu wenig.
17 Mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2006, zur Post gegeben am 22.02.2006, wies das Regierungspräsidium F. den Widerspruch des Klägers
zurück. Zur Begründung führte das Regierungspräsidium aus: Die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Widerruf nach § 15 Abs. 4 Nr. 2 und 3
WHG seien erfüllt. Auch das Ermessen sei vom Landratsamt fehlerfrei ausgeübt worden. Dabei sei bedeutsam, dass das alte Recht seit über 30
Jahren nicht mehr genutzt worden sei. Außerdem habe das Landratsamt dem Kläger unter Setzung einer Frist von einem Jahr ermöglicht, sein
Wasserrecht wieder konkret zu nutzen. Bislang habe der Kläger jedoch keine konkrete Erklärung über seine Nutzungsabsicht abgegeben und
erst recht habe er keine entsprechenden Antragsunterlagen vorgelegt. Deshalb sei davon auszugehen, dass eine konkrete Nutzungsabsicht
nicht bestehe. Eine Vorratshaltung von Wasserrechten sei mit den Grundsätzen des Wasserrechts nicht zu vereinbaren. Die beabsichtigte
Nutzung des alten Wasserrechts durch die Beigeladene sei für das Landratsamt zulässigerweise Anlass, aber nicht Grund für den Teilwiderruf
des Wasserrechts des Klägers gewesen. Das stelle keine sachfremde Erwägung dar. Auch wenn beide Rechte früher hintereinander geschaltet
hätten betrieben werden können, sei nicht zu beanstanden, dass das Landratsamt der Beigeladenen jetzt die Rückleitung des Wassers in den H.
Bach ermöglichen wolle. Dass die Feuerwehr aus dem aufgestauten M. Bach Löschwasser entnehmen könne, habe im Rahmen der
Ermessensentscheidung keine Bedeutung. Die Gemeinde H. habe der neuen Lösung zugestimmt und keinen Bedarf zur Entnahme von
Löschwasser aus diesem Teil des M. Bachs gesehen. Die Löschwasserversorgung sei durch andere geeignete Möglichkeiten gewährleistet. Die
weitere Entscheidung des Landratsamts über die bauliche Umgestaltung der Entnahmestelle am H. Bach/M. Kanal auf 15 l/s beruhe auf den §§
22 und 76 Abs. 6 WG. Auch die Erhebung der Gebühr in Höhe von 200,-- EUR für den Erlass des Bescheids sei im Hinblick auf den
entstandenen Verwaltungsaufwand nicht zu beanstanden.
18 Am 20.03.2006 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Der Bescheid des Landratsamts L. vom 13.07.2005 sei schon formell
rechtswidrig, da ihm eine sachgerechte Abwägung nicht zu entnehmen sei. Das gelte auch für den Widerspruchsbescheid des
Regierungspräsidiums F.. Auch in diesem Bescheid sei kein öffentliches Interesse an dem Widerruf dargelegt worden. Vielmehr sei das Interesse
der Beigeladenen an der Realisierung ihrer Wasserkraftnutzung in den Vordergrund gestellt worden. Es sei auch verkannt worden, dass es
möglich gewesen wäre, beide Wasserrechte hintereinander zu schalten, ohne dass sein Wasserrecht beschnitten werde. Nur für das Vorhaben
der Beigeladenen sei es lukrativer, das Wasser direkt in den H. Bach und nicht in den M. Bach zu leiten. In materieller Hinsicht fehlten triftige
Gründe für den ausgesprochenen Widerruf. Das Landratsamt L. sei vielmehr nur im Interesse der Beigeladenen tätig geworden. Eine
verfassungskonforme Abwägung der öffentlichen Interessen mit seinem Interesse müsse hier zum Ergebnis kommen, das alte Wasserrecht in
vollem Umfang zu erhalten. Ein Widerruf komme nicht in Betracht, wenn in absehbarer Zeit mit der Wiederaufnahme des Wasserrechts zu
rechnen sei. Aus dem Begriff der Absehbarkeit ergebe sich die Pflicht der Behörde zu einem langjährigen Zuwarten. Der Widerruf missachte den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Auch er plane, sein Wasserrecht wieder zur Energiegewinnung nutzbar zu machen. Zur Zeit fehle ihm jedoch
die notwendige Planungssicherheit dafür. Angesichts der weltweit knapper werdenden Energieressourcen sei es absehbar, dass in den
nächsten Jahren Energiegewinnungsanlagen aus Fernost weitaus günstiger angeboten würden. Es sei ihm unzumutbar, eine derart
kostenintensive Entscheidung innerhalb eines Jahres zu treffen, zumal sein Wasserrecht schon seit nahezu 700 Jahren bestehe. Die
Ausführungen im Widerspruchsbescheid über die durch das EEG bestehende Planungssicherheit seien falsch. Denn das Inkrafttreten der EEG-
Novelle habe sich über den 01.06.2005 hinaus verzögert. Außerdem stehe fest, dass 15 l/s bei weitem auch für den Betrieb eines
Mühlenschaurads nicht ausreichend seien. Durch § 15 Abs. 4 WHG sei der Bestandsschutz an alten Rechten nicht aufgehoben worden, was
darin zu Ausdruck komme, dass ein Widerruf nur nach ordnungsgemäßer Ermessensausübung zulässig sei. Auch die Erhebung der
Verwaltungsgebühr in Höhe von 200,-- EUR sei rechtswidrig. Denn das Landratsamt sei nicht in seinem Interesse tätig geworden und auch nicht
auf seine Veranlassung hin. Vielmehr sei der Rechtsstreit allein von der Behörde veranlasst worden. Er selbst müsse sich nun notgedrungen
gegen einen rechtswidrigen Verwaltungsakt wehren.
19 Der Kläger beantragt,
20
den Bescheid des Landratsamts L. vom 13.07.2005 und den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums F. vom 17.02.2006
aufzuheben.
21 Der Beklagte beantragt,
22
die Klage abzuweisen.
23 Zur Begründung führt der Beklagte aus: Der Kläger nutze sein Wasserrecht seit 1975 unstreitig nicht mehr bzw. nur noch in dem Umfang, der für
den Betrieb eines Mühlschaurads erforderlich sei. Nach fachtechnischer Abschätzung seien für diesen Betrieb lediglich 15 l/s erforderlich. Die
Widerrufsentscheidung entspreche den Vorgaben des § 15 WHG. Es liege im öffentlichen Interesse, ein nicht mehr genutztes Wasserrecht zu
beseitigen, um eine zweckmäßige Ausnutzung des Wasservorkommens durch andere Vorhaben zu ermöglichen. Es widerspreche dem
öffentlichen Interesse, solche Nutzungsmöglichkeiten durch Brachliegen eines Rechts zu verhindern. Im vorliegenden Fall plane die
Beigeladene eine solche Nutzung. Darüber hinaus sei für den Widerruf eines Wasserrechts nach § 15 WHG ein konkretisiertes öffentliches
Interesse nicht erforderlich. Es genüge die Absicht, die durch das alte Wasserrecht durchbrochene allgemeine öffentlich-rechtliche
Benutzungsordnung für das Gewässer wiederherzustellen. Der Auffassung des Klägers, dass ein Widerruf ein langjähriges Zuwarten erfordere,
könne nicht gefolgt werden. Immerhin habe er sein Wasserrecht seit über 30 Jahren nicht mehr in dem zugelassenen Umfang genutzt. Nur im
Fall einer nachweislichen Wiederherstellungsabsicht hätte ein schützenswertes Interesse des Klägers am Fortbestand seines Wasserrechts
anerkannt werden können. Die Rückleitung des Wassers direkt in den H. Bach anstatt in den M. Bach durch das geplante Vorhaben der
Beigeladenen sei nicht nur lukrativer, sondern im Hinblick auf die höhere Stromproduktion auch sinnvoller. In einem für die Wasserbehörden
geltenden Erlass sei geregelt, dass eine Wasserkraftnutzung dort ermöglicht werden solle, wo die Nutzung als emissionsfreie regenerative
Energie in der Gesamtschau zu einem Positiveffekt führe. Dieses liege im öffentlichen Interesse und werde durch die von der Beigeladenen
vorgelegte Planung erfüllt. Daneben sei es auch aus ökologischer Sicht positiv zu sehen, wenn dem H. Bach das ihm zuvor entnommene Wasser
nach den Plänen der Beigeladenen wieder etwas früher zugeführt werde, als das bei einer Nutzung des Wassers durch den Kläger der Fall sei.
Auch die Gebührenentscheidung sei nicht zu beanstanden. Sie sei eine öffentliche Leistung im Sinne von § 2 Abs. 2 LGebG. Der Kläger habe
diese Entscheidung als Inhaber des Wasserrechts veranlasst. Die Entscheidung sei erforderlich gewesen zur Herstellung der Ordnung des
Wasserhaushalts. Angesichts des erforderlichen Verwaltungsaufwandes sei auch die Gebührenhöhe von 200,-- EUR nicht zu beanstanden.
24 Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Zur Sache hat sie ausgeführt: Die Mühle des Klägers sei inzwischen verfallen. Er betreibe lediglich
noch ein Schaurad, für dessen Betrieb eine Wassermenge von 15 l/s ausreiche. Sie bezweifle, dass dem Kläger das Wasserrecht seit 700 Jahre
zustehe. Der Kläger komme seinen Pflichten zur Unterhaltung des M. Bachs seit Jahrzehnten nicht nach. Das gesamte Verhalten des Klägers
lasse darauf schließen, dass er das Wasserrecht in absehbarer Zeit nicht reaktivieren wolle. Mit der von ihr geplanten Wasserkraftanlage könne
eine weitaus größere Stromleistung erzeugt werden, als es dem Kläger je möglich sei. Diese Stromgewinnung sei ökologisch sinnvoll und im
Interesse der Allgemeinheit. Im Übrigen habe die Gemeinde erklärt, dass sie bei einem Verzicht des Klägers auf das Wasserrecht bereit sei, die
Unterhaltung des Betts des M. Bachs zu übernehmen. Auch das liege im öffentlichen Interesse.
25 Dem Gericht liegen die Akten des Landratsamts L. über die wasserrechtlichen Angelegenheiten des Klägers (2 Hefte) sowie die
Widerspruchsakten des Regierungspräsidiums F. (1 Heft) vor. Der Inhalt dieser Akten und der Gerichtsakten war Gegenstand der mündlichen
Verhandlung. Hierauf wird ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
26 Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz des Klägers vom 24.05.2007 gibt der Kammer keine Veranlassung,
die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.
27 Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Der Bescheid des Landratsamts L. vom 13.07.2005 und der Widerspruchsbescheid des
Regierungspräsidiums F. vom 17.02.2006 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger daher nicht in seinen Rechten ( § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO
).
28
1.
hinreichend begründet wären.
29 Nach § 39 Abs. 1 LVwVfG sind schriftliche Verwaltungsakte mit einer Begründung zu versehen, in der die wesentlichen tatsächlichen und
rechtlichen Gesichtspunkte mitzuteilen sind, die die Behörde zu ihrer Entscheidung bewogen haben. Bei Ermessensentscheidungen muss die
Begründung auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen ist. Nach § 39
Abs. 2 Nr. 2 LVwVfG bedarf es einer Begründung nicht, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen
wird, die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar
ist. Nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 LVwVfG ist die Verletzung von Verfahrens- und Formfehlern, die den Verwaltungsakt nicht nach § 44
LVwVfG nichtig macht, unbeachtlich, wenn die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird. Die Begründung kann bis zum Abschluss
der letzen Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.
30 Nach diesen Vorschriften kann die Kammer keinen zur Aufhebung der Bescheide führenden (formellen) Begründungsfehler erkennen. Sowohl
das Landratsamt L. als auch das Regierungspräsidium F. haben in ihren Bescheiden deutlich gemacht, auf welchen rechtlichen Grundlagen ihr
Vorgehen beruht, nämlich auf der jahrzehntelangen weitestgehenden Nichtnutzung des Wasserrechts durch den Kläger und der dadurch aus
dem Gesetz ( § 15 WHG ) folgenden Widerrufsmöglichkeit. Spätestens im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums F. wurde auch
dargelegt, dass der Wasserrechtsantrag der Beigeladenen Hintergrund für das Tätigwerden der Wasserbehörde war und ist, was dem Kläger,
wie sich aus seiner Klagebegründung ergibt, von Anfang an klar war, und dass dieser Wasserrechtsantrag sich in der konkret gestellten Form mit
einem Fortbestand des (alten) Wasserrechts des Klägers nicht vereinbaren lässt sowie dass dem konkret geplanten Vorhaben der Beigeladenen
angesichts des ungenutzten Wasserrechts des Klägers Vorrang eingeräumt wird. Damit genügt die (formelle) Begründung den oben genannten
rechtlichen Vorgaben. Dass der Kläger mit dem Ergebnis dieser Ermessensentscheidung nicht einverstanden ist, sie vielmehr für (rechts-
)fehlerhaft hält, ist kein Gesichtspunkt, der im Rahmen der formellen Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung von Bedeutung ist.
31
2.
Wasserrechts des Klägers auf § 15 Abs. 4 Satz 2 Nrn. 2 und 3 Wasserhaushaltsgesetz ( i.d.F. der Bekanntmachung vom 19.08.2002, BGBl. I,
3245 ) - WHG -. Diese Vorschrift verdrängt als Spezialvorschrift die allgemeinen Vorschriften der §§ 48 f. LVwVfG. Nach der Nummer 2 von § 15
Abs. 4 Satz 2 WHG können alte Rechte und Befugnisse nach § 15 Abs. 1 WHG ohne Entschädigung widerrufen werden (soweit dies nicht schon
nach dem vor dem 01.10.1976 geltenden Recht zulässig war), soweit die Benutzung im bisherigen Umfang für den Unternehmer nicht mehr
erforderlich ist; dies gilt insbesondere, wenn der zulässige Umfang drei Jahre lang erheblich unterschritten wurde. Nach der Nummer 3 ist der
Widerruf zulässig, wenn der Unternehmer den Zweck der Benutzung so geändert hat, dass er mit der festgelegten Zweckbestimmung nicht mehr
übereinstimmt. Im vorliegenden Fall sind beide Nummern (2 und 3) des § 15 Abs. 4 Satz 2 WHG erfüllt.
32
2.1
Wassermühle befindet, ein altes, noch vor Inkrafttreten des (ersten) badischen Wassergesetzes vom 26.06.1899 erteiltes und später aufrecht
erhaltenes Wasserrecht im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 1 WHG zusteht ( vgl. hierzu Simon, VBlBW 2002, 505, 508 f. ). Ob das Wasserrecht
tatsächlich bereits seit 700 Jahren, was zwischen dem Kläger und der Beigeladenen streitig ist, oder erst seit dem 19. Jahrhundert existiert, ist
ohne Bedeutung. Jedenfalls ergibt sich die Existenz des Wasserrechts seit der Zeit vor 1883 aus den Eintragungen im Wasserrechtsbuch,
Abteilung I, Nrn. 1908/1909.
33
2.1.1
unstreitig seit 1975, also seit mehr als 30 Jahren, weitestgehend, das heißt bis auf eine Menge von mehr oder weniger 15 (oder geringfügig
mehr) l/s, nicht mehr nutzt, erfüllt er hinsichtlich der darüber hinausgehenden Wassermenge den Tatbestand des Widerrufs nach § 15 Abs. 4 Satz
2 Nr. 2 WHG. Durch den 2. Halbsatz von § 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 WHG wird (gesetzlich) fingiert, dass das Wasserrecht in dem nicht genutzten
Umfang für den Unternehmer nicht mehr erforderlich, das heißt nutzlos, ist, wenn der zulässige Nutzungsumfang drei Jahre lang erheblich
unterschritten wurde. Ein konkretes öffentliches Interesse am Widerruf ist für die Anwendung von § 15 Abs. 4 Satz 2 WHG (im Unterschied zu §
15 Abs. 4 Satz 1 WHG) nicht erforderlich. Mit dieser Vorschrift soll die Wasserbehörde in die Lage versetzt werden, den (primär gemeinnützigen)
Wasserschatz, an dem ein nutzlos gewordenes Recht eines Privaten besteht, der Allgemeinheit wieder uneingeschränkt zur Verfügung zu stellen
und so für eine möglichst zweckmäßige Ausnutzung dieses Schatzes zu sorgen ( so zur vergleichbaren Rechtslage nach § 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1
WHG: BVerwG, Beschluss vom 29.11.1993, NVwZ 1994, 783, und Hess VGH, Beschluss vom 13.10.1994 - 7 UE 1982/91 -; OVG Rheinl.-Pf.,
Beschluss vom 02.02.1988, NVwZ 1988, 545; VG München, Urteil vom 05.04.2004 - M 2 K 04.4576 -) . Dieser Vorschrift liegt (auch) zugrunde,
dass eine anderweitige Nutzungsmöglichkeit nicht durch ein nicht ausgeübtes Recht versperrt werden darf ( Hess VGH, Beschluss vom
13.10.1994, a.a.O., m.w.N. ) Auf welchen Gründen die Nichtausübung des Wasserrechts beruht, insbesondere ob sie auf einem Verschulden des
Wasserrechtsinhabers beruht oder nicht, ist für einen entschädigungslosen Widerruf nach dieser Vorschrift ohne Bedeutung ( BVerwG,
Beschluss vom 06.09.1995, NVwZ-RR 1996, 193; Czychowski/Reinhardt, WHG, 8. Aufl. 2003, § 15 RdNr. 14a unter Hinweis auf § 12 RdNr. 6b,
m.w.N. ).
34
2.1.2
2 Nr. 3 WHG erfüllt. Aus dem Wasserrechtsbuch, Abteilung I, Nr. 1908, ergibt sich, dass das Wasserrecht früher dem "Betreiben a) der
Kundenmühle des K. J. in H. - siehe Wasserrechtsbuch N Nr. 3036, b) der Kundenmühle des A. M. in H. sowie zur Wiesenbewässerung" diente.
Aus einer späteren Eintragung im Wasserrechtsbuch, Abteilung I, Nr. 1909, ergibt sich nach einer Entschließung des Landratsamts L. vom
10.04.1941: "Dem Mühlenbesitzer K. J. in H. wird gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 des Wassergesetzes die Genehmigung zum Einbau einer Turbine
anstelle des Wasserrades im Triebwerk am M. Bach in H. nach Maßgabe der vorgelegten Pläne und Beschreibungen und unter folgenden
Bedingungen erteilt: …". Daraus wird deutlich, dass das Wasserrecht einer gewerblichen Nutzung dienen soll. Seit mindestens 1975 benutzt der
Kläger das Wasserrecht jedoch weder in der einen Weise (zum Betrieb einer Kundenmühle) noch in der anderen Weise (zum Antrieb einer
Turbine), vielmehr nutzt er das im M. Bach fließende Wasser, das in keinem Fall annähernd den Umfang von 240 l/s erreicht, seitdem
ausschließlich zum Betrieb eines so genannten Schaumühlenrads, das ohne jede Verbindung zu einem (Mühlen-)Gebäude frei auf dem
Grundstück des Klägers steht. Diese (neue) Nutzung, die keine gewerbliche Nutzung mehr darstellt und für die darüber hinaus nur ein geringer
Teil des alten Wasserrechts benötigt wird ( siehe oben, 2.1.1 ), ist von keiner wasserrechtlichen Erlaubnis oder dergleichen gedeckt. Darin liegt
eine zum Widerruf des Wasserrechts berechtigende Zweckänderung im Sinne von § 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WHG ( vgl. hierzu Breuer, Öffentliches
und privates Wasserrecht, 3. Aufl. 2004, RdNrn. 326 ff. )
35
2.1.3
Wasserrecht außer Acht, und er sich insoweit auf das Bundesverwaltungsgericht beruft, verkennt er, dass das Bundesverwaltungsgericht in
diesem Zusammenhang nur in Bezug auf die zur Nutzung des Wasserrechts errichteten baulichen Anlage von einem Bestandsschutz spricht,
nicht jedoch von einem Bestandsschutz am Wasserrecht ( siehe BVerwG, Beschluss vom 29.11.1993, a.a.O. ). Nur dies ergibt auch einen Sinn,
weil es geradezu dem Wesen eines auf § 15 Abs. 4 Satz 2 WHG gestützten Wasserrechts entspricht, dass das (alte) Wasserrecht bei Vorliegen
der Voraussetzungen dieser Vorschrift und einer ermessensfehlerfreien Ermessensausübung in seinem Bestand beseitigt wird ( insoweit ist die
Situation nicht anders als bei einer Rücknahme bzw. einem Widerruf nach den §§ 48 f. LVwVfG ). Außerdem hat das Bundesverwaltungsgericht
in seinem Beschluss vom 29.11.1993 ( a.a.O. ) auch ausgeführt, dass bauliche Anlagen nur in ihrer jeweiligen Funktion, die durch die
tatsächliche Nutzung bestimmt werde, Bestandsschutz genössen und dass der Bestandsschutz infolgedessen erlösche, wenn die bisherige
Nutzung der Anlage über einen längeren Zeitraum hinweg nicht ausgeübt werde, was für Fälle nach § 15 Abs. 4 Satz 4 WHG - wie hier ( siehe
oben, 2.1.1 ) - jedenfalls nach Ablauf von drei Jahren anzunehmen sei. Das dem Grunde nach weiterhin bestehende (wenngleich bei Erfüllung
eines der Tatbestände des § 15 Abs. 4 Satz 2 WHG geminderte) Interesse des Klägers an der Aufrechterhaltung des Wasserrechts ist dabei im
Rahmen der Ermessensausübung der Behörde angemessen zu berücksichtigen ( siehe unten, 2.2.1 ).
36
2.2
seine Widerrufsentscheidung im angefochtenen Bescheid vom 13.07.2005 in den Gründen (formal) sowohl auf die Nummer 2 auch auf die
Nummer 3 von § 15 Abs. 4 Satz 2 WHG gestützt hat, hat es seine Ermessenserwägungen letztlich allein an der Nummer 2 dieser Vorschrift
ausgerichtet. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden, zumal es für den Kläger die für ihn günstige Wirkung hat, dass die Behörde das Wasserrecht
deshalb nur zum Teil widerrufen hat und ihm nach den auf § 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 WHG gestützten Ermessenserwägungen die (geringe)
Wassermenge, die er nach Aufgabe der ursprünglichen Nutzung weiterhin "genutzt" hat, belassen wurde. Hätte die Behörde ihr Ermessen (auch)
an § 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 WHG ausgerichtet, hätte es nahegelegen, dem Kläger das Wasserrecht in vollem Umfang zu widerrufen, weil die
Zweckänderung das Wasserrecht in seinem vollen Umfang betrifft.
37
2.2.1
Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 114 RdNrn. 4 ff. ), ist zu berücksichtigen, dass dem privaten Interesse des Klägers an dem Fortbestand
seines Wasserrechts schon bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 WHG, das heißt dann, wenn nach
dieser Vorschrift die Nutzung des Rechts als nicht mehr erforderlich gilt, im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung nur noch ein deutlich
gemindertes Gewicht zukommen kann ( vgl. Breuer, a.a.O., RdNr. 335 ); das gilt insbesondere, wenn - wie hier - das Wasserrecht seit mehr als 30
Jahren ungenutzt ist. Ein solches Interesse erlangte nur dann eine noch relevante Bedeutung, wenn in absehbarer Zeit mit einer
Wiederaufnahme der Wasserrechtsnutzung durch den Kläger zu rechnen gewesen wäre ( vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 29.11.1993, und
Hess VGH, Beschluss vom 13.10.1994, jew. a.a.O .), obwohl ein Widerruf auch dann nicht bereits generell ausscheidet, wenn der
Wasserrechtsinhaber nach dem Eintritt der Voraussetzungen des § 15 Abs. 4 Satz 2 WHG zu erkennen gegeben hat, dass er von seinem
Wasserrecht wieder Gebrauch machen will ( OVG Rhld.-Pf., Beschluss vom 02.02.1988, a.a.O.; Czychowski/Reinhardt, a.a.O., § 15 RdNr. 14
m.w.N. ). Davon, dass der Kläger in absehbarer Zeit von seinem Wasserrecht wieder Gebrauch machen will, konnte jedoch in dem für die
Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums F. vom
17.02.2006 ( vgl. hierzu Hess VGH, Beschluss vom 13.10.1994, a.a.O, m.w.N.) nicht ausgegangen werden. Zu diesem Zeitpunkt dauerte die
(weitestgehend) nicht ausgeübte Nutzung des Wasserrechts seit mehr als 30 Jahren an. Bereits mit Schreiben vom 19.11.2003 hatte das
Landratsamt dem Kläger mitgeteilt, dass es deshalb beabsichtige, das Wasserrecht zu widerrufen. In der Folgezeit hat das Landratsamt dem
Kläger mehrfach, beginnend mit Schreiben vom 19.02.2004, Fristen gesetzt, um eine von ihm und (später) seiner Tochter erwähnte Absicht der
(künftigen) Realisierung einer energetischen Wasserkraftnutzung zu konkretisieren. Zuletzt setzte das Landratsamt dem Kläger mit Schreiben
vom 28.04.2004 insoweit eine Frist bis zum 01.06.2005 und damit von mehr als einem Jahr. Bei jeder Fristsetzung wurde der Kläger auf die
Möglichkeit hingewiesen, dass bei einem ergebnislosem Verstreichen der Frist ein Widerruf ausgesprochen werde. Damit wurde dem Kläger die
Notwendigkeit und Bedeutung einer baldigen Entscheidung (über die Reaktivierung der Nutzung seines Wasserrechts) deutlich vor Augen
geführt. Gleichwohl ließ er neben den vorhergehenden Fristen auch die ihm zuletzt gesetzte Frist (bis zum 01.06.2005) - ohne jede Reaktion -
verstreichen. Bei dieser Sachlage durfte das Landratsamt davon ausgehen, dass eine Wasserrechtsnutzung durch den Kläger in absehbarer Zeit
nicht zu erwarten war. Die Richtigkeit dieser Einschätzung des Landratsamts wurde auch im Widerspruchsverfahren bestätigt, da auch in dieser
Zeit keine Fortschritte bei der Realisierung einer Wasserkraftnutzung durch den Kläger zu verzeichnen waren. Im Gegenteil sprach das Verhalten
des Klägers bzw. seiner von ihm bevollmächtigten Tochter dafür, dass zumindest zu Lebzeiten des Klägers insoweit mit keiner Veränderung zu
rechnen war. Aus dem Schreiben der Tochter des Klägers vom 27.05.2004 geht hervor, dass eine Klärung der rechtlichen und finanziellen
Grundlagen für die Errichtung einer Wasserkraftanlage völlig ungewiss sei. Das wird bestätigt im Widerspruchsschreiben des Klägers vom
10.08.2005, in der Klagebegründung vom 25.04.2006 und zuletzt im Schriftsatz vom 24.05.2007, aus denen hervorgeht, dass von Seiten des
Klägers mit der Verwirklichung einer Wasserkraftanlage gewartet werden soll, bis effektivere Anlagen zur Nutzung der Wasserkraft entwickelt
sein würden und darüber hinaus die entsprechenden Anlagen aus Fernost günstiger (als im europäischen Raum) angeboten würden.
38 Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach "in absehbarer Zeit" nicht mit einer
Wiederaufnahme der Nutzung zu rechnen sein müsse ( BVerwG, Beschluss vom 29.11.1993, a.a.O. ), nicht, dass die Wasserbehörden nach der
ersten Erklärung der Absicht zur Reaktivierung der Wasserrechtsnutzung durch den Inhaber dieses Wasserrechts in jedem Fall mehrere Jahre
zuwarten müssten, bis sie einen Widerruf des Wasserrechts nach § 15 Abs. 4 Satz 2 Nrn. 1 oder 2 WHG aussprechen dürften.
39
2.2.2
aussprechen dürften, wenn für diesen Widerruf ein erhebliches öffentliches Interesse vorliege, kann hier dahingestellt bleiben. Denn ein solches
erhebliches Interesse ist hier zu bejahen. Wie der Beklagte in der Klageerwiderung zu Recht ausführt, besteht ein (angesichts der
Klimaproblematik zunehmendes) öffentliches Interesse an einer emissionsfreien regenerativen Energiegewinnung durch Wasserkraftnutzung.
Das kommt auch in der Regelung in § 35b des Wassergesetzes für Baden-Württemberg - WG - sowie in dem von dem Beklagten genannten
(behördeninternen) Wasserkrafterlass zum Ausdruck. Auch der Gemeinderat der Gemeinde H. hat in seinem Beschluss vom 14.07.2003 deutlich
gemacht, dass der Gemeinde an einer entsprechenden Wasserkraftnutzung liegt. Eine solche Wasserkraftnutzung wird von der Beigeladenen
konkret geplant, ihre Realisierung steht unmittelbar bevor, sobald über den Fortbestand des Wasserrechts des Klägers Klarheit herrscht. Mit
Bescheid vom 09.09.2004 sind der Beigeladenen bereits vorzeitige Baumaßnahmen zur Reaktivierung ihrer Wasserkraftanlage am H. Bach
erlaubt worden. Damit sowie aufgrund der in den Akten befindlichen Pläne ist davon auszugehen, dass das Vorhaben der Beigeladenen weitaus
früher und konkreter absehbar ist als die von hinhaltenden Aussagen geprägten Absichten des Klägers. Es spricht Vieles dafür, dass allein das
noch nicht vollziehbar widerrufene Wasserrecht des Klägers der Realisierung einer Wasserkraftanlage durch die Beigeladene entgegensteht. Es
ist auch nicht zu beanstanden, dass der Beklagte der Realisierung einer Wasserkraftanlage der Beigeladenen, bei der das genutzte Wasser
direkt in den H. Bach anstatt in den darüber liegenden M. Bach zurückgeleitet wird, den Vorzug geben will gegenüber einer anderen möglichen
Wasserkraftnutzung, bei der das Wasser oberhalb des Grundstücks des Klägers in den M. Bach zurückflösse und dadurch neben einer
Wasserkraftanlage für die Beigeladene einen Fortbestand des Wasserrechts des Klägers ermöglichte. Denn durch das im Fall der Einleitung des
Wassers in den H. Bach gegebene größere Gefälle kann die Wasserkraftanlage der Beigeladenen eine (deutlich) höhere Stromerzeugung
erzielen, was aus ökologischen Gründen ebenfalls im öffentlichen Interesse liegt.
40 Soweit das Landratsamt seine Ermessenserwägungen in der Klageerwiderung in zulässiger Weise ( vgl. § 114 Satz 2 VwGO ) um den
Gesichtspunkt ergänzt hat, aus ökologischer Sicht sei es darüber hinaus auch positiv zu bewerten, wenn dem H. Bach, dem natürlichen
Wasserlauf, das ihm zuvor entnommene Wasser nach den Plänen der Beigeladenen wieder früher in vollem Umfang zugeführt werde als bei
einer Nutzung des Wassers durch den Kläger, stellt das ebenfalls eine vom Gericht nicht zu beanstandende Erwägung dar. Es ist anerkannt,
dass die größtmögliche Belassung des Wassers in seinem ursprünglichen (natürlichen) Bachbett unter anderem ein umweltrechtlich
erstrebenswerter Zustand ist und dass es der Wasserbehörde als der für die Verwaltung des öffentlichen Wasserschatzes zuständigen Stelle
obliegt zu beurteilen, wo, auf welche Weise und in welchem Maß dieser Zustand verwirklicht werden soll ( siehe oben 2.1.1.; vgl. auch Breuer,
a.a.O., RdNrn. 333 f. ). Dem kann der Kläger nicht seine private (subjektive) Meinung entgegenhalten, nach der der (künstlich geschaffene) M.
Bach wegen seiner Jahrhunderte währenden Existenz ökologisch (mindestens) genauso wertvoll sei wie der H. Bach.
41 Der hier getroffenen Entscheidung der Behörden, aus Gründen des öffentlichen Interesses das weitestgehend nicht genutzte Wasserrecht des
Klägers zu widerrufen, um dem seinerseits auch im öffentlichen Interesse liegenden Vorhaben der Beigeladenen zur Realisierung zu verhelfen,
steht der Charakter des § 15 Abs. 4 WHG als einer nicht drittschützenden Norm nicht entgegen ( vgl. hierzu OVG NW, Urteil vom 13.05.1993,
DÖV 1994, 78 ), da hier nicht die Situation gegeben ist, in der ein Dritter (z. B. die Beigeladene) eine Verpflichtung der Wasserbehörden zu
einem Tätigwerden nach § 15 Abs. 4 WHG begehrt. Dass die Beigeladene gewissermaßen im Wege eines Reflexes von der am öffentlichen
Interesse ausgerichteten Widerrufsentscheidung des Landratsamts ( siehe oben ) profitiert, ist rechtlich nicht zu beanstanden.
42
2.2.3
begrenzen, stellt keinen Ermessensfehler dar. Die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen beruhen darauf, dass dem Kläger
(gerade) noch so viel Wasser belassen werden soll, wie zum Betrieb seines Schaurads erforderlich ist. Zu diesem Zweck reicht die weiterhin
bewilligte Wassermenge offensichtlich aus. Diese Einschätzung beruht nach dem Vorlagebericht des Landratsamts L. an das
Regierungspräsidium F. vom 12.10.2005 auf einer sachverständigen Stellungnahme eines Mitarbeiters der (früheren) Gewässerdirektion S.
O./H.. Obwohl der M. Bach im Zeitpunkt des Augenscheins deutlich mehr (nämlich 35 bis 45 l/s) Wasser führte, geht auch die Kammer nach dem
Augenschein davon aus, dass 15 l/s für ein schlichtes Ingangsetzen des Schaurads (ohne Kraftentwicklung) ausreichen. Abgesehen davon hat
der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung (verbindlich) erklärt, dass die dem Kläger zur Verfügung stehende Wassermenge
notfalls erhöht werde, wenn die bewilligte Menge von 15 l/s für den Betrieb des Schaurads nicht ausreiche. Dies ist im Ergebnis nicht zu
beanstanden, zumal der Kläger, wenn das Landratsamt sich bei seiner Ermessensbetätigung mehr auf die Nummer 3 von § 15 Abs. 4 Satz 2
WHG als auf die Nummer 2 gestützt hätte, auch ein umfassender Widerruf des Wasserrechts (ohne Belassen einer Restwassermenge) möglich
gewesen wäre ( siehe oben, 2.2 ).
43
3.
Ausnutzung des Wasserrechts erforderlichen und errichteten baulichen Anlagen an der Entnahmestelle am H. Bach/M. Bach ist rechtlich nicht zu
beanstanden. Sie beruht, wie im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums F. ausgeführt, auf den §§ 22 Abs. 1 und 76 Abs. 6 WG. Auf
einen Bestandsschutz für diese Anlagen kann sich der Kläger bei einem Widerruf seiner Rechte nach § 15 Abs. 4 Satz 2 WHG nicht (mehr)
berufen ( siehe oben, 2.1.3 ).
44
4.
als auch der Höhe nach rechtmäßig. Sie hat ihre Rechtsgrundlage im Landesgebührengesetz vom 14.12.2004 ( GBl. 2004, 895 ) - LGebG -.
Insbesondere ist der Bescheid vom 13.07.2005 eine öffentliche Leistung, die individuell dem Kläger zurechenbar ist ( vgl. §§ 2 Abs. 2 und 3, 3 Nr.
2, 4 Abs. 1 LGeBG ), weil er sie verantwortlich veranlasst hat ( § 2 Abs. 3 Satz 2 LGebG ), indem er durch die jahrelange Nichtnutzung seines
Wasserrechts und die Zweckänderung die Voraussetzungen für einen (rechtmäßigen) Widerruf durch die zuständige Wasserbehörde nach § 15
Abs. 4 Satz 2 Nrn. 2 und 3 WHG geschaffen hat. Wegen der Höhe der Gebühr verweist die Kammer anstelle einer eigenen Begründung gemäß §
117 Abs. 5 VwGO auf die diesbezüglichen zutreffenden Gründe im Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums F. vom 17.02.2006 ( dort
Seite 5 ).
45 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 VwGO. Dass die Beigeladene keine Kosten zu tragen hat, beruht auf § 154 Abs. 3 VwGO,
dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, auf § 162 Abs. 3 VwGO. Die Kammer sieht keinen Anlass, die Kostenentscheidung
für vorläufig vollstreckbar zu erklären ( vgl. § 167 Abs. 2 VwGO ).
46 Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO, aus denen die Berufung vom Verwaltungsgericht zuzulassen wäre, sind nicht gegeben.