Urteil des VG Freiburg vom 13.05.2009

VG Freiburg (rente, kläger, auflösende bedingung, kürzung, zeitpunkt, ehefrau, begründung, ehegatte, versorgung, ruhegehalt)

VG Freiburg Urteil vom 13.5.2009, 6 K 1209/07
Leitsätze
Die Rentenzahlung, die die Kürzung des Ruhegehalts nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG auslöst, ist von der
Besoldungsstelle nicht auf ihre Rechtmäßigkeit zu prüfen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Kürzung seiner Versorgungsbezüge.
2
Der Kläger befindet sich seit 1. März 1991 im Ruhestand. Durch Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - ...
vom 05. Juli 2003 wurde er von seiner damaligen Ehefrau geschieden. Zugleich wurde er zum
Versorgungsausgleich gegenüber seiner früheren Ehefrau verpflichtet. Da sich der Kläger zu diesem Zeitpunkt
bereits im Ruhestand befand, war die aus dieser Verpflichtung zum Versorgungsausgleich folgende Kürzung
der Versorgungsbezüge erst vorzunehmen, wenn die aus dem Versorgungsausgleich Berechtigte Leistungen
aus diesem Anspruch erhält (§ 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG, sog. Pensionistenprivileg). Mit Schreiben vom 12.
Februar 2007 teilte die Deutsche Rentenversicherung Bund dem Landesamt für Besoldung und Versorgung
Baden-Württemberg (im Folgenden: Landesamt) mit, dass für die frühere Ehefrau ab dem 01. Mai 2007 eine
Rente bewilligt worden sei.
3
Mit Bescheid vom 01. März 2007 ordnete das Landesamt eine Kürzung der Versorgungsbezüge des Klägers ab
01. Mai 2007 gemäß § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG an; der Kürzungsbetrag ab diesem Zeitpunkt wurde auf
283,91 EUR monatlich festgesetzt.
4
Am 3. April 2007 erhob der Kläger Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, seine frühere Ehefrau sei am
17. April 1947 geboren. Dies bedeute, dass sie das gesetzliche Rentenalter erst im Jahre 2012 erreichen werde
und somit erst ab diesem Zeitpunkt Anspruch auf Rente habe. Sie sei deshalb aufgrund ihres Alters noch gar
nicht berechtigt, Rente zu beziehen.
5
Mit Widerspruchsbescheid vom 14. Mai 2007 wies das Landesamt den Widerspruch des Klägers zurück. Zur
Begründung führte es aus, die Entscheidung, ab wann die Voraussetzungen für einen Rentenbezug unter
Berücksichtigung des Anrechts aus dem Versorgungsausgleich erfüllt seien, liege ausschließlich bei der
Deutschen Rentenversicherung. Die Entscheidung, dass ab 1. Mai 2007 ein Anspruch auf Versichertenrente
bestehe, habe das Landesamt nicht in Zweifel zu ziehen oder zu hinterfragen.
6
Am 1. Juni 2007 hat der Kläger Klage erhoben mit der Begründung, es obliege sehr wohl dem Beklagten, die
Rechtmäßigkeit der Rentenzahlungen an seine geschiedene Ehefrau zu prüfen; er berufe sich auf die
beamtenrechtliche Fürsorgepflicht.
7
Der Kläger beantragt (sachdienlich ausgelegt),
8
den Bescheid des Landesamts für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg vom 1. März 2007
sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 2007 aufzuheben.
9
Der Beklagte beantragt,
10
die Klage abzuweisen.
11 Zur Begründung verweist er auf die angefochtenen Bescheide.
12 Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung des Berichterstatters ohne mündliche Verhandlung (§§ 87 a, 101
Abs. 2 VwGO) einverstanden.
13 Dem Gericht liegt die einschlägige Akte des Beklagten vor. Auf sie und die Gerichtsakte wird wegen der
weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands ergänzend verwiesen.
Entscheidungsgründe
14 Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid wie auch der Widerspruchsbescheid sind
rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (113 Abs. 1 VwGO).
15 Zutreffend geht der Beklagte davon aus, dass nach § 57 Abs. 1 Satz 2 BeamtVG das Ruhegehalt, das der
verpflichtete Ehegatte - hier: der Kläger - im Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung des Familiengerichts
über den Versorgungsausgleich erhält, zu kürzen ist, sobald aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten
tatsächlich eine Rente gezahlt wird; eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rentenzahlung ist nicht
vorzunehmen.
16 Zwar könnte die Bestimmung "wenn aus der Versicherung des berechtigten Ehegatten eine Rente zu gewähren
ist" den Schluss nahe legen, dass die Kürzung der Versorgung nur bei Bestehen eines Rentenanspruchs des
früheren Ehegatten, d.h. bei rechtmäßiger Gewährung einer Rente, eintreten soll. Die Vorschrift kann jedoch
auch in dem Sinn verstanden werden, dass die Kürzung beim Ausgleichspflichtigen immer dann vorzunehmen
ist, wenn dem ausgleichsberechtigten früheren Ehegatten eine Rente aufgrund eines diesem gegenüber
ergangenen Bescheids zu gewähren ist. Für diesen Fall lässt sich eine Bindungswirkung (Tatbestandswirkung)
des Rentenbescheids mit der Folge annehmen, dass der ausgleichsverpflichtete Ehegatte ebenso wie sein
Versorgungsträger diesen Verwaltungsakt - von dessen Nichtigkeit abgesehen - ohne Anfechtungsmöglichkeit
hinzunehmen hat (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 9. Januar 1991 - 1 BvR 287 -, BVerfGE 83, 182). Nach Sinn
und Zweck der Regelungen kann die Kürzung jedoch nur davon abhängen, ob dem ausgleichsberechtigten
Ehegatten tatsächlich Rente gewährt wird. Zutreffend führt das Bundessozialgericht zu der Parallelvorschrift
des § 55 c Abs. 1 Satz 2 SVG aus: "Für das Privileg, vorerst bis zur Rentengewährung an den
ausgleichsberechtigten Ehegatten das Ruhegehalt bzw. die Rente ungekürzt weiter zu beziehen, ist somit der
Zusammenhang mit dem Versorgungsausgleich kennzeichnend. Diesem liegt jedoch der Gedanke zu Grunde,
durch Teilung der Versorgungsanwartschaften die vermögensrechtliche Auseinandersetzung der geschiedenen
Ehegatten umfassend und abschließend zu regeln, um so spätere Auseinandersetzungen unter ihnen über die
wirtschaftlichen Folgen von Ehe und Scheidung zu vermeiden (...). Dieser Zielsetzung widerspräche es, wenn
der Ausgleichsverpflichtete in den Fällen des Pensionisten- bzw. Rentnerprivilegs noch nach dem
durchgeführten Versorgungsausgleich auf die dem Ausgleichsberechtigten übertragenen Rentenanwartschaften
durch Anfechtung des Rentenbescheides Einfluss nehmen dürfte. Wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte
schon zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Entscheidung über den Versorgungsausgleich Rente bezieht, kommt
es zu keinem Pensionisten- bzw. Rentenprivileg des ausgleichsverpflichteten Ehegatten; er kann es nicht
dadurch herbeiführen, dass er den Rentenbescheid anficht. Nichts anderes kann dann auch für den später
erteilten Rentenbescheid gelten; das Pensionisten- bzw. Rentenprivileg soll dem Begünstigten nicht das Recht
verschaffen, nunmehr am Rentenverfahren des ausgleichsberechtigten Ehegatten beteiligt zu werden und
insoweit Rechtsbehelfe zu betreiben" (Urt. v. 25. November 1986 - 11 a RA 18/85 -, BSGE 61, 27). Es liegt auf
der Hand, dass der Ausgleichsverpflichtete auch nicht über seinen Versorgungsträger auf den Rentenbescheid
Einfluss nehmen kann. Auch das Bundesverwaltungsgericht geht wohl davon aus, dass die auflösende
Bedingung, der Eintritt des Ereignisses Rentengewährung, der die Vollziehung des Versorgungsausgleichs
bewirkt und damit den bisher gewährleisteten Besitzstand beendet, allein an den Zeitpunkt der erstmaligen
Gewährung einer Rente anknüpft (vgl. BVerwG, Urt. v. 28. April 1994 - 2 C 20/92 -, BVerwGE 95, 375).
17 Entgegen der Auffassung des Klägers gebietet die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht nicht, dass der Dienstherr
die Rechtmäßigkeit der Rentenzahlung überprüft. Im Übrigen hat der Kläger mit der unzutreffenden
Behauptung, dass eine Rentenzahlung (generell) erst ab dem 65. Lebensjahr zulässig sei, auch nicht
ansatzweise dargelegt, dass die Rentenzahlung rechtswidrig sein könnte.
18 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO.