Urteil des VG Freiburg vom 21.06.2007

VG Freiburg (bescheinigung, höhe, rücknahme, kaufpreis, beginn der frist, rechtswidrigkeit, vereinbarung, zuschuss, kaufvertrag, bindungswirkung)

VG Freiburg Urteil vom 21.6.2007, 4 K 374/06
Teilweise Rücknahme einer Bescheinigung für Steuervergünstigungen von modernisierten Gebäuden in
städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsgebieten
Leitsätze
Die teilweise Rücknahme einer Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 EStG ist ein Verwaltungsakt, gegen den die
Anfechtungsklage beim Verwaltungsgericht zulässig ist.
Ob die Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 EStG die Finanzbehörden auch hinsichtlich der Feststellung über die
Gewährung von Zuschüssen bindet, ist nicht abschließend geklärt. Unabhängig davon entfaltet eine
Bescheinigung mit diesem Inhalt eine Indizwirkung (einen Rechtsschein), die im Wege einer Anfechtungsklage
beseitigt werden kann.
Der Ausspruch in einer Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 EStG, dass keine Zuschüsse im Sinne von § 7h Abs. 2
Satz 2 EStG gewährt wurden, kann nach § 48 LVwVfG zurückgenommen werden.
Öffentliche Fördermittel, die als Zuschuss zu Kosten für Maßnahmen im Sinne der §§ 177 BauGB, 7h Abs. 1
EStG verwendet werden, sind Zuschüsse aus Sanierungs und Entwicklungsförderungsmitteln im Sinne von § 7h
Abs. 2 Satz 2 EStG, egal ob sie letztlich zu Lasten des Staats- oder des Gemeindehaushalts gehen.
Die Anwendung der Vertrauensschutzregelungen in § 48 Abs. 2 LVwVfG setzt voraus, dass ein Vertrauen in den
begünstigenden Verwaltungsakt tatsächlich betätigt worden ist.
Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG beginnt erst zu laufen, wenn die Behörde alle Tatsachen, die für die
Beurteilung der Rechtswidrigkeit erforderlich sind, kennt und die positive Kenntnis der Rechtswidrigkeit besitzt; ein
Rechtsirrtum hindert den Beginn der Frist.
Das Fehlen von Ermessenserwägungen führt nicht zur Rechtswidrigkeit einer Rücknahmeentscheidung nach § 48
LVwVfG bei einer Ermessensreduzierung auf Null und/oder im Fall eines intendierten Ermessens.
Ein intendiertes Ermessen kann vorliegen, wenn der Gesetzgeber ein ganz bestimmtes Ergebnis "gewollt" hat,
oder bei Vorliegen besonderer Umstände, z. B. einem Verstoß gegen die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und
Sparsamkeit öffentlicher Haushalte. Die Regelung in § 7h Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz EStG, wonach eine
Bescheinigung geändert werden muss, wenn später Zuschüsse gewährt werden, ist im Rahmen der
Ermessensbetätigung nach § 48 LVwVfG entsprechend zu berücksichtigten; sie führt im Rahmen der
Entscheidung über die Rücknahme einer Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 EStG zur Annahme eines solchen
intendierten Ermessens.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die teilweise Rücknahme einer Bescheinigung für Steuervergünstigungen bei
Gebäuden in städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsgebieten nach § 7h Abs. 2 EStG.
2
Die Klägerin schloss mit der Beklagten am 28.03.2001 einen Kaufvertrag über zukünftiges Teileigentum an
einem Grundstück, welches sich innerhalb des förmlich festgelegten Sanierungsgebietes "K./Z.-hof" befindet.
In diesem Vertrag heißt es in § 2 Nr. 1: "Der Kaufpreis beträgt für das Sondereigentum und den
Miteigentumsanteil 1.400.000,-- DM." In § 2 Nr. 2 Abs. 1 ist geregelt, dass der Kaufpreis "in Höhe von
849.493,-- DM" am Tag der tatsächlichen Übergabe zu zahlen ist. Nach § 2 Nr. 2 Abs. 3 wird "Der
Restkaufpreis in Höhe von 550.507,-- DM ... dem Käufer bis zum Eintritt der jeweiligen Fälligkeitstermine ...
gem. § 6 der dieser Urkunde als Anlage beigefügten Fördermittelvereinbarung gewährten Fördermittel, in
entsprechender Höhe zinslos gestundet. Der dem jeweilig fälligen Teilbetrag der Fördermittel der Höhe nach
entsprechende Teilbetrag des Kaufpreises wird jeweils im Zeitpunkt der Fälligkeit des jeweiligen Teilbetrags der
Fördermittel mit diesem verrechnet."
3
Die als Anlage zu diesem Kaufvertrag zuvor geschlossene Vereinbarung zwischen der Klägerin und der
Beklagten vom 22.03.2001 über die Durchführung von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen
durch die Klägerin regelt in § 4 u. a., dass die Klägerin die Kosten der Modernisierungsmaßnahmen übernimmt
(Abs. 1), dass die Beklagte sich an den Kosten durch Gewährung eines Kostenerstattungsbetrags in Höhe von
insgesamt 550.507,-- DM beteiligt und dass dieser Kostenerstattungsbetrag bei Kostenunterschreitung anteilig
gekürzt, dieser Zuschuss bei Kostenüberschreitung jedoch nicht erhöht wird (Abs. 2). In § 6 dieser
Vereinbarung ist die Fälligkeit der Fördermittel (Kostenerstattungsbetrag) in drei Stufen von 40 %, 40 % und 20
% je nach Fortschritt der baulichen Maßnahmen geregelt.
4
Am 18.12.2002 schlossen die Parteien einen weiteren als Anlage zur Auflassung genommenen und als
"Vertrag zur Abwicklung des notariellen Kaufvertrags" bezeichneten Vergleich. In dessen Präambel heißt es:
"Zwischen den Parteien besteht Uneinigkeit ... hinsichtlich im Vertrag vereinbarter Werkleistungen ...,
Schäden, welche den Käufern im Zuge der Vertragsabwicklung entstanden sind und über die Kaufpreisfälligkeit
und Begleichung. ... Mit der Erfüllung dieses Vergleichs sind alle Forderungen zwischen den Parteien
abgegolten, sofern sie bis heute in der Korrespondenz der Parteien geltend gemacht wurden und nicht in dieser
Urkunde ausdrücklich vorbehalten sind". § 6 des Vergleichs lautet: "Der Kaufpreis beträgt DM 849.493,00 ... ."
5
Die Klägerin führte die von ihr vereinbarungsgemäß durchzuführenden Maßnahmen durch. Diese wurden
anschließend abgerechnet.
6
Mit Datum vom 26.03.2003 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Bescheinigung im Sinne des § 7h EStG.
Darin wurde unter anderem bescheinigt, dass die Klägerin Aufwendungen von 746.553,30 EUR ohne
Mehrwertsteuer tätigte, und die Feststellung getroffen, dass das zu sanierende Gebäude in einem durch
Sanierungssatzung förmlich festgelegten Sanierungsgebiet belegen ist, die Maßnahmen, die der Erhaltung und
Erneuerung und funktionsgerechten Verwendung eines Gebäudes dienen, das wegen seiner städtebaulichen
Bedeutung erhaltenswert ist, durchgeführt wurden, und dass der Durchführung der Maßnahme eine
Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Gemeinde zugrunde lag. Ferner wurde darin festgestellt, dass für
diese Maßnahmen keine Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln gewährt werden.
7
Mit Schreiben vom 07.10.2003 wies das Finanzamt K. die Beklagte darauf hin, dass zwischen der Beklagten
und der Klägerin ein Kostenerstattungsbetrag (Zuschuss) in Höhe von 550.507,-- DM zugunsten der Klägerin
vereinbart worden sei, was im Gegensatz zum Inhalt der Bescheinigung vom 26.03.2003 stehe, wonach kein
Zuschuss gewährt worden sei. Die Beklagte wurde um Stellungnahme gebeten.
8
Mit Schreiben vom 23.10.2003 bekräftigte die Beklagte gegenüber dem Finanzamt K. ihre Auffassung, dass
ein Zuschuss nicht gewährt worden und die Bescheinigung mithin korrekt sei. Am 10.12.2003 gab es eine
Besprechung, an der jeweils Vertreter der Klägerin, der Beklagten und des Finanzamts K. teilnahmen. Am
17.12.2003 teilte die Beklagte mit, es hätten sich verschiedene Fragen hinsichtlich der Bescheinigung vom
26.03.2003 ergeben, die interner Prüfung bedürften.
9
Mit Bescheid vom 15.11.2004 hob die Beklagte die Bescheinigung vom 26.03.2003 insoweit auf, als darin
bescheinigt wird, dass für die Maßnahmen aus öffentlichen Mitteln keine Zuschüsse gewährt werden. Zur
Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Entscheidung beruhe auf § 48 LVwVfG. Für die
Baumaßnahme würden Mittel aus dem Landessanierungsprogramm "K./Z.-hof" in Anspruch genommen. Nach
dem Kaufvertrag vom 28.03.2001 und der Instandsetzungs- und Modernisierungsvereinbarung vom 22.03.2001
würden diese Mittel auf den Kaufpreis angerechnet und kämen so der Klägerin zugute. Der spätere Vertrag zur
Abwicklung des notariellen Kaufvertrags vom 18.12.2002 habe daran nichts geändert. Die Höhe des
Kaufpreises sei nicht Gegenstand dieses Vertrags gewesen. Daran ändere auch der § 6 dieses Vertrags
nichts. Soweit der Kaufpreis dort mit 849.493,-- DM angegeben sei, sei damit nur der Betrag gemeint, der von
der Klägerin noch zu zahlen gewesen sei. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG sei noch nicht abgelaufen,
weil die Frist erst nach Ablauf der rechtlichen Prüfung zu laufen begonnen habe.
10 Am 02.12.2004 erhob die Klägerin hiergegen Widerspruch. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Der
Kaufvertrag vom 28.03.2001 sei nichtig. Die Beklagte selbst habe sich auf die Nichtigkeit einer Regelung über
die Kaufpreisfinanzierung, mit der jeder Grundstückskaufvertrag stehe oder falle, berufen. Des weiteren seien
die Baumaßnahmen vor Eigentumsübergang am 18.12.2002 bereits abgeschlossen gewesen und der Vertrag
mit Blick auf seinen § 1 Abs. 4 gegenstandslos. Auch die Voraussetzungen der Städtebauförderungsrichtlinien,
die eine Drittförderung voraussetzten, seien nicht erfüllt. Die Beklagte selbst habe früher immer behauptet, es
seien nie Fördermittel für die betreffende Baumaßnahme beantragt worden. Später habe man sich in einem
Vergleichsvertrag am 18.12.2002 auf einen geringeren Kaufpreis von nur 849.493,-- DM anstelle des
ursprünglich vereinbarten Kaufpreises von 1.400.000,-- DM, der dem Wert des Kaufobjekts in keiner Weise
entsprochen habe, geeinigt. Die Rücknahme der Bescheinigung vom 26.03.2003 scheitere auch an der
Jahresfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG und verletze den Vertrauensschutz gemäß § 48 Abs. 2 LVwVfG sowie die
eingegangenen vertraglichen Bindungen. Fürsorglich werde darauf hingewiesen, dass die Rücknahme die
Beklagte gemäß § 48 Abs. 3 LVwVfG zu Schadensersatz in Höhe von 150.000,-- DM verpflichte.
11 Am 08.02.2006 hat die Klägerin unter dem Aktenzeichen 4 K 374/06 (Untätigkeits-)Klage erhoben.
12 Mit Datum vom 13.03.2006 stellte die Beklagte eine weitere Bescheinigung im Sinne von § 7h Abs. 2 EStG
aus, wonach der Klägerin Zuschüsse in Höhe von 281.469,75 EUR (= 550.507,-- DM) im Wege der
Verrechnung geleistet worden seien. Am 28.03.2006 erhob die Klägerin dagegen Widerspruch, der mit
Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 03.05.2006 zurückgewiesen wurde.
13 Am 15.05.2006 hat die Klägerin hiergegen unter dem Aktenzeichen 4 K 946/06 Klage erhoben.
14 In der mündlichen Verhandlung hat die Kammer die beiden Verfahren 4 K 374/06 und 4 K 946/06 durch
Beschluss zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem (gemeinsamen) Aktenzeichen 4 K
374/06 verbunden.
15 Zur Begründung ihrer Klage führt die Klägerin im Wesentlichen aus: Die Teilaufhebung der Bescheinigung vom
26.03.2003 mit Bescheid vom 15.11.2004 sowie die Ausstellung der Bescheinigung vom 13.03.2006 seien
rechtswidrig und verletzten sie in ihren Rechten. Tatsächlich habe sie für die ausgeführten Instandsetzungs-
und Modernisierungsmaßnahmen keine Zuschüsse erhalten. Angesichts des Wortlautes des § 1 Abs. 4 der
Vereinbarung über die Durchführung von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen vom 22.03.2001
("diese Vereinbarung wird gültig, wenn die Voraussetzungen für den Eigentumsübergang vorliegen") sei die
vertragliche Regelung über die Förderung gegenstandslos, da die Baumaßnahmen zum Zeitpunkt der
Auflassung am 18.12.2002 und der Eintragung am 14.03.2003 bereits abgeschlossen gewesen seien.
Außerdem sei der Kaufvertrag vom 28.03.2001 nichtig. Darauf habe sich die Beklagte mit Schreiben vom
21.08.2002 selbst berufen. Erst mit dem Vergleichsvertrag vom 18.12.2002 sei eine Rechtsgrundlage
geschaffen worden. Jedenfalls sei durch den Vergleichsvertrag der Kaufpreis gegenüber dem Kaufvertrag vom
28.03.2001 von 1.400.000,-- DM auf 849.493,-- DM, also um 550.507,-- DM, vermindert worden. § 6 des
Vergleichs, der die Formulierung enthalte "Der Kaufpreis beträgt DM 849.493", sei hinsichtlich der Regelung
des Kaufpreises abschließend. Außerdem sei der Präambel des Vergleichs zu entnehmen, dass mit der
Vereinbarung "alle Forderungen zwischen den Parteien abgegolten, sofern sie ... in der Korrespondenz der
Parteien geltend gemacht ... und nicht ... ausdrücklich vorbehalten" worden seien, worunter auch der Kaufpreis
als solcher zu fassen sei. Diese Auffassung werde auch bestätigt durch ein Schreiben der Beklagten vom
03.12.2003, in welchem ihr (der Klägerin) die Entscheidung des Gemeinderats über einen Kaufpreisnachlass
mitgeteilt worden sei. Schließlich sei eine Reduzierung des Kaufpreises um 550.507,-- DM auch deshalb
plausibel, weil ein Millionenschaden im Raum gestanden habe, den die Beklagte verschuldet habe. Auch die
Voraussetzungen für eine Förderung nach den Städtebauförderungsrichtlinien seien nicht erfüllt, weil nicht
sichergestellt sei, dass die für den Zuwendungsempfänger maßgebenden Bestimmungen dem Dritten auferlegt
würden und die Regelungen über die Rückförderung und Verzinsung anwendbar seien, was nach den
Städtebauförderungsrichtlinien (RdNr. 4) vorausgesetzt werde. Die angefochtene Teilaufhebung der
Bescheinigung verstoße auch gegen § 48 LVwVfG. Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 LVwVfG sei am 15.11.2004
abgelaufen gewesen. Kenntnis von Tatsachen, welche die Rücknahme rechtfertigten, habe die Beklagte bereits
mit dem Schreiben der Finanzbehörde vom 07.10.2003, in welchem diese die relevanten Rechtsinformationen
erteilt habe, erhalten. Außerdem sei ein Vertrauenstatbestand im Sinne des § 48 Abs. 2 LVwVfG geschaffen
worden hinsichtlich der Tatsache, dass die Beklagte (für sich) keine Fördermittel in Anspruch nehme. Auch §
7h Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz EStG finde keine Anwendung, da nach dessen Wortlaut ein Zuschuss nach
Ausstellung der Bescheinigung habe gewährt werden müssen. Zum einen seien schon keine Fördermittel
geflossen, zum anderen seien die Fälligkeitstermine für die Fördermittel nach § 6 der Vereinbarung über die
Durchführung von Modernisierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen vom 22.03.2001 allesamt vor
Ausstellung der Bescheinigung gewesen.
16 Die Klägerin beantragt,
17
die Bescheide der Beklagten vom 15.11.2004 und vom 13.03.2006 sowie deren
Widerspruchsbescheid vom 03.05.2006 aufzuheben.
18 Die Beklagte beantragt
19
die Klage abzuweisen.
20 Zur Begründung führt die Beklagte im Wesentlichen aus: Bei der Bescheinigung vom 28.03.2003 handele es
sich um eine reine Wissensmitteilung ohne Verwaltungsaktsqualität im Sinne des § 35 LVwVfG. Der Inhalt der
Bescheinigung sei dahingehend zu interpretieren, dass es sich lediglich um eine Beschreibung der zum
Ausstellungszeitpunkt gegebenen Sachlage gehandelt habe, über künftige Zuschüsse aber keine Aussage
getroffen worden sei. Nach der Gewährung von Fördermitteln durch die Beklagte sei die Bescheinigung falsch
gewesen und habe ohne Weiteres berichtigt werden dürfen. Die Bescheinigung der Gemeinde stelle keinen das
Finanzamt bindenden Grundlagenbescheid dar. Selbst wenn es sich bei der Bescheinigung um einen
Verwaltungsakt handele, sei dieser aber aufzuheben gewesen, da er rechtswidrig gewesen sei und die
Rücknahmevoraussetzungen vorgelegen hätten. Die Klägerin habe tatsächlich von ihr (der Beklagten)
Zuschüsse erhalten. Dies sei durch die Bereitstellung von Fördermitteln geschehen, welche sie der Klägerin
durch Verrechnung mit dem Kaufpreis gewährt habe. Gemäß § 2 des Kaufvertrags vom 28.03.2001 in
Verbindung mit den §§ 4 und 6 der Vereinbarung über die Durchführung von Modernisierungs- und
Instandsetzungsmaßnahmen vom 22.03.2001 seien Fördermittel von ihr an die Klägerin zu leisten und mit dem
Restkaufpreis zu verrechnen gewesen. Nachdem sie früher gemeint habe, die Förderung der Klägerin sei von
der Zuteilung von Fördergeldern des Landes an sie (die Beklagte) abhängig, sei sie nunmehr der Auffassung,
die Fördermittel seien allein aufgrund der Vereinbarung über die Durchführung von Modernisierungs- und
Instandsetzungsmaßnahmen vom 22.03.2001 von ihr an die Klägerin geleistet worden, unabhängig von einer
Mittelgewährung des Landes. Der sich aus den Gesamtkosten der Baumaßnahmen in Höhe von 728.665,87
EUR ergebende Kostenerstattungsbetrag betrage danach 281.469,75 EUR (550.507,-- DM). Diese Förderung
sei inzwischen fällig geworden, die Verrechnungswirkung sei damit eingetreten und ein öffentlicher Zuschuss in
dieser Höhe erbracht worden. Der Kaufvertrag vom 28.03.2001 sei keinesfalls nichtig. Lediglich hinsichtlich der
Vereinbarung in § 3 des Vertrages sei aufgrund § 88 GemO die Unwirksamkeit nur dieser Klausel gegeben. Die
Wirksamkeit des Kaufvertrages im Übrigen ergebe sich u. a. aufgrund der salvatorischen Klausel in § 8 des
Vertrags. Der im Kaufvertrag vereinbarte Kaufpreis sei auch nicht durch den Vergleich vom 18.12.2002
modifiziert worden. Der Vergleich vom 18.12.2002 regele, wie aus der Überschrift und der Präambel ersichtlich
sei, lediglich die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten über die "Abwicklung des … Kaufvertrages
hinsichtlich in dem Vertrag vereinbarter Werkleistungen und deren mängelfreier Ausführung, der Kaufsache
selbst, Schäden, welche im Zuge der Vertragsabwicklung entstanden sind, und über die Kaufpreisfälligkeit und
dessen Begleichung". Nicht Gegenstand der Vereinbarung sei die Frage der Höhe des Kaufpreises. Der
Wortlaut des § 6 des Vergleichsvertrags, wonach der Kaufpreis 849.493,-- DM betrage, beruhe auf einer
Formulierungsungenauigkeit. Gemeint sei insofern lediglich der Teil des Kaufpreises, der nach dem Kaufvertrag
von der Klägerin als Käuferin selbst unmittelbar an sie (die Beklagte) als Verkäuferin zu erbringen gewesen sei.
Bei Anwendung allgemeiner Auslegungsregeln sei dies unzweifelhaft. Nachdem sie ursprünglich der
Auffassung gewesen sei, dass die Bescheinigung vom 26.03.2003 gemäß § 48 LVwVfG aufzuheben sei, stelle
sie sich nun auf den Standpunkt, dass die Regelung in § 7 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz EStG für die Aufhebung
einer Bescheinigung nach § 7 Abs. 2 EStG gegenüber § 48 LVwVfG spezieller und deshalb im vorliegenden
Fall anzuwenden sei.
21 Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten des Bauamts der Beklagten (1 Heft) vor. Der Inhalt dieser Akten
sowie der Gerichtsakten 4 K 374/06 und 4 K 946/06 war Gegenstand der mündlichen Verhandlung; hierauf wird
ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
22 Die Klage ist zulässig.
23
1.
der Klage gegen die Rücknahme einer Bescheinigung nach § 7 Abs. 2 EStG um eine öffentlich-rechtliche
Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art, die nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich
zugewiesen ist ( BFH, Urteil vom 21.08.2001 - IX R 20/99 -, BFH/NV 2002, 105 = DB 2001, 2587, und
Beschluss vom 20.06.2005 - IX B 146/04 -; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 08.06.2005 - 10 B 31/05 -
BFH/NV 2006, Beil. 1, 100; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.04.2007 - 8 S 2090/06 - ).
24
2.
ohne Zweifel einen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 LVwVfG dar, wie sich (u. a.) aus den Ausführungen im
nachfolgenden Absatz ( I.3. ) über die Bindungswirkung einer solchen Bescheinigung gegenüber den
Finanzbehörden ergibt. Damit sind sowohl der Bescheid vom 26.03.2003 als auch der (Änderungs-)Bescheid
vom 13.03.2006 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.05.2006) Verwaltungsakte. Als actus
contrarius gilt das auch für den Bescheid vom 15.11.2004, mit dem die Bescheinigung vom 26.03.2003
hinsichtlich des Ausspruchs über die Zuschussgewährung zurückgenommen wurde.
25
3.
sein, wenn Bescheinigungen nach § 7h Abs. 2 EStG keine Bindungswirkung gegenüber den Finanzbehörden
hätten. Denn ohne eine solche Bindungswirkung könnte sich die Frage stellen, was die Klägerin im Fall eines
Obsiegens gewonnen hätte. Allerdings ist es in der Rechtsprechung inzwischen geklärt, dass Bescheinigungen
nach § 7h Abs. 2 ESTG grundsätzlich Bindungswirkung entfalten und einen Grundlagenbescheid im Sinne der
§§ 171 Abs. 10 und 175 Abs. 1 AO darstellen ( vgl. u. a. BFH, Urteil vom 22.09.2005 - IX R 13/04 -, BFH/NV
2006, 284 = DB 2006, 2497, und BVerwG, Beschluss vom 08.06.2005, a.a.O.; Schmidt,
Einkommensteuergesetz, 26. Aufl. 2007, § 7h RdNr. 5 ). Nicht abschließend geklärt ist jedoch der Umfang der
Bindungswirkung ( vgl. BFH, Urteil vom 21.08.2001 - IX R 20/99 -, BFH/NV 2002, 105 = DB 2001, 2587; FG
Sachsen, Urteil vom 07.02.2007 - 6 K 2076/06-; Schmidt, a.a.O. ), insbesondere ist eine Formulierung des
Bundesverwaltungsgerichts ( im Beschluss vom 08.06.2005, a.a.O .) geeignet, den Eindruck zu erwecken, als
bezöge sich die Bindungswirkung nur auf die Feststellungen nach § 7h Abs. 2 Satz 1 EStG und nicht auch auf
die von Satz 2 dieser Vorschrift und damit nicht auf die Angaben über die Zuschüsse und deren Höhe in der
Bescheinigung ( i. Ü. auch Schmidt, a.a.O. ). Andererseits gehen die Richtlinien des Bundesministers der
Finanzen zum Einkommensteuergesetz - EStR - wohl auch von einer Bindungswirkung hinsichtlich der
Angaben über die Zuschussgewährung in einer Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 EStG aus ( vgl. EStR 7h IV;
siehe hierzu auch BFH, Urteil vom 22.09.2005, a.a.O. ). Dafür spricht auch das Vorgehen des Finanzamts K.
im vorliegenden Fall, das den Weg der ( nach EStR 7h IV ) vorgeschriebenen Remonstration gegenüber der
Beklagten gegangen ist.
26 Letztlich kann die Kammer diese Fragen nach dem Umfang der Bindungswirkung der Bescheinigung nach § 7h
Abs. 2 EStG hier jedoch offen lassen. Denn selbst bei insoweit fehlender Bindungswirkung wäre ein
Rechtsschutzinteresse wohl zu bejahen, weil die Bescheinigung immerhin eine erhebliche Indizwirkung (einen
Rechtsschein) entfaltet und das Finanzamt K. sich offenbar an die Angaben in der Bescheinigung gebunden
fühlt. Das dürfte erst recht gelten, wenn diese Bescheinigung einer Rechtmäßigkeitskontrolle in einem
gerichtlichen Verfahren unterzogen worden ist.
27
4.
den Bescheid vom 13.03.2006, dem ein Vorverfahren vorausgegangen ist, das mit einem förmlichen
Widerspruchsbescheid endete. Zulässig ist aber auch die Klage gegen den Bescheid vom 15.11.2004. Gegen
diesen Bescheid hat die Klägerin form- und fristgemäß Widerspruch erhoben, über den die Beklagte bis heute
nicht entschieden hat. Unter diesen Umstände durfte die Klägerin auch ohne ordnungsgemäßen Abschluss des
Vorverfahrens nach § 75 Abs. 1 VwGO Klage erheben.
II.
28 Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Bescheide der Beklagten vom 15.11.2004 und vom 13.03.2006 sowie
deren Widerspruchsbescheid vom 03.05.2006 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren
Rechten ( § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO ).
29
1.
30
1.1
15.11.2004 beruht auf § 48 LVwVfG. Diese (allgemeine) Vorschrift wird hier nicht verdrängt durch die
Spezialvorschrift in § 7 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz EStG. Denn § 7 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz EStG regelt
nach seinem klaren Wortlaut nur den Fall, dass Zuschüsse nach Ausstellung der Bescheinigung gewährt
wurden. Die Zuschüsse sind hier aber bereits vor der Ausstellung der Bescheinigung vom 26.03.2003 gewährt
worden. Das gilt jedenfalls gemäß § 6 Abs. 1 der Vereinbarung über die Durchführung von Instandsetzungs-
und Modernisierungsmaßnahmen vom 22.03.2001 (im Folg.: Modernisierungsvereinbarung vom 22.03.2001) für
die ersten 80 % der Kostenbeteiligung der Beklagten an den Baukosten der Klägerin, da die Baumaßnahmen
auf der Grundlage des eigenen Vortrags der Klägerin bereits im März 2003 vollendet waren. Das gilt aber im
Ergebnis auch für die restlichen 20 %. Denn der Teil des Kaufpreises, der der Höhe der Kostenerstattung von
Seiten der Beklagten von 550.507,-- DM entspricht, ist der Klägerin im Rechtssinn bereits mit Abschluss des
notariellen Grundstückskaufvertrags vom 28.03.2001 "gewährt" worden, indem dieser Betrag nach § 2 Nr. 2
Abs. 3 des Kaufvertrags zunächst solange gestundet wurde, bis die einzelnen Raten fällig geworden sind, und
indem diese Raten im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit gleichzeitig mit dem Kaufpreis verrechnet worden sind. Die
Lücke, die dadurch entsteht, dass § 7 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz EStG den Fall der Rücknahme einer von
Anfang an (rechtswidrigen) Bescheinigung über die Zuschussgewährung nach § 7h Abs. 2 Satz 2, 1. Halbsatz
EStG nicht erfasst, wird (wie in zahlreichen anderen Rechtsgebieten) durch die Anwendung von § 48 LVwVfG
geschlossen ( vgl. zu einem solchen Anwendungsfall VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.04.2007, a.a.O.; siehe
auch VG Stuttgart, Urteil vom 10.03.2005 - 2 K 1920/03 - ).
31
1.2
öffentlichen Mitteln für die durchgeführten Baumaßnahmen gewährt wurden, ist sie rechtswidrig, so dass der
Anwendungsbereich des § 48 LVwVfG eröffnet ist. Denn die Klägerin hat solche Zuschüsse (aus Sanierungs-
und Entwicklungsförderungsmitteln) im Sinne von § 7 Abs. 2 Satz 2 EStG erhalten. Das ergibt sich aus den §§
4 und 6 der Modernisierungsvereinbarung vom 22.03.2001. Die dort geregelte Kostenbeteiligung der Beklagten
wird von den Beteiligten selbst in den verschiedenen Vertragswerken als Zuschuss, Fördermittel oder
Zuwendung bezeichnet wird ( vgl. §§ 1 Abs. 3, 4 Abs. 2, Unter-Abs. 3, 6 Abs. 1, 8, 10 Abs. 2 der
Modernisierungsvereinbarung vom 22.03.2001 bzw. § 2 Nr. 2 Abs. 3 des notariellen Grundstückskaufvertrags
vom 28.03.2001 ). Sie diente auch allein der Instandsetzung und Modernisierung des von der Klägerin
erworbenen Eigentums und damit einer Maßnahme im Sinne der §§ 177 BauGB und 7h Abs. 1 EStG. Diese
Kostenbeteiligung ist danach ohne Zweifel als Zuschuss im Sinne von § 7h Abs. 2 Satz 2 EStG zu
qualifizieren. Dass in dieser Vorschrift die Rede ist von Zuschüssen aus Sanierungs- und
Entwicklungsförderungsmitteln, hat - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht die Bedeutung, dass diese
Zuschüsse in allen Punkten den Anforderungen der (verwaltungsinternen) Richtlinien über die
Städtebauförderung entsprechen müssten und dass die für die Ausstellung der Bescheinigung nach § 7h Abs.
2 EStG zuständige Gemeinde ihrerseits nachweisen müsste, dass von ihr erbrachte Zuschüsse zu den Kosten
von Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen im Sinne von § 7h Abs. 1 EStG nach Maßgabe der
Städtebauförderungsrichtlinien aus staatlichen Quellen refinanziert werden (können). Die Einschränkung des
Zuschussbegriffs in § 7h Abs. 2 Satz 2 EStG durch die Worte "aus Sanierungs- und
Entwicklungsförderungsmitteln" soll lediglich sicherstellen, dass die Zuschüsse - wie im vorliegenden Fall -
nicht zu anderen Zwecken geleistet werden als den in § 7h Abs. 1 EStG bezeichneten. Eine andere Auslegung
wäre mit dem von § 7h EStG insgesamt verfolgten Sinn und Zweck nicht zu vereinbaren. Dieser Sinn besteht
darin, private Investitionen für Maßnahmen nach § 177 BauGB steuerlich zu begünstigen. Es ist nicht Sinn und
Zweck von § 7h EStG, auch solche Investitionen zu begünstigen, für die der Private per saldo keine
Aufwendungen erbracht hat, weil sie letzten Endes aus dem öffentlichen Haushalt finanziert wurden. Ob die
aufgewendeten öffentlichen Mittel letztlich zu Lasten des Staats- oder des Gemeindehaushalts gehen, ist nach
diesem Sinn und Zweck von § 7h EStG unbeachtlich. Aus diesem Grund kommt es auf die von der Klägerin
erörterte Frage, ob das Regierungspräsidium Freiburg die von der Beklagten erbrachten Zuschüssen zu den
Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen der Klägerin als Sanierungsmittel im Sinne der
Städtebauförderungsrichtlinien anerkannt und der Beklagten deshalb wieder erstattet hat, hier nicht an.
32 Die Zuschussgewährung hat (in Bezug auf den Grund, die Höhe und die Fälligkeit) ihre rechtliche Grundlage
allein in der Modernisierungsvereinbarung der Beteiligen vom 22.03.2001 und nicht etwa in dem notariellen
Grundstückskaufvertrag vom 28.03.2001. Dort (in dem Grundstückskaufvertrag) ist vielmehr nur geregelt, wie
die Zuschüsse geleistet werden, nämlich durch Verrechnung auf den Kaufpreis. Deshalb sind alle
Überlegungen der Klägerin zur Rechtswirksamkeit bzw. -unwirksamkeit des Grundstückskaufvertrags, seiner
angeblichen Modifizierung durch einen zwischen den Beteiligten geschlossenen Vergleich usw., hier ohne
Bedeutung. Die Frage, ob die durch die Modernisierungsvereinbarung vom 22.03.2001 bewilligten Zuschüsse
der Klägerin auch tatsächlich zugute gekommen sind oder ob die Beklagte sie der Klägerin vorenthalten hat, ist
nicht Gegenstand dieses Rechtsstreits (kann angesichts der tatsächlich erfolgten Verrechnung auf den
Kaufpreis entsprechend § 2 des notariellen Grundstückskaufvertrags vom 28.03.2001 und der dadurch
bewirkten Reduzierung des vereinbarten Kaufpreises von 1.400.000,-- DM um 550.507,-- DM auf den von der
Klägerin am Ende noch zu zahlenden Restkaufpreis in Höhe von 849.493,-- DM aber auch nicht wirklich streitig
sein). Sollte die Klägerin insoweit noch (bislang nicht erfüllte) Ansprüche gegen die Beklagte aus der
Modernisierungsvereinbarung vom 22.03.2001 haben, müsste sie diese selbständig (in einem anderen
Verfahren) geltend machen.
33
1.3
26.03.2003 steht auch die Regelung in § 48 Abs. 2 LVwVfG über den Vertrauensschutz des (durch den
zurückgenommenen Verwaltungsakt) Begünstigten nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift darf ein
rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung
gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den
Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse
an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Die Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 EStG vom 26.03.203 ist als
Grundlage für eine bezifferbare Steuervergünstigung Voraussetzung für Geldleistungen im Sinne des § 48 Abs.
2 Satz LVwVfG gewesen ( VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.04.2007, a.a.O. ). Das Vertrauen der Klägerin in
den Fortbestand dieser Bescheinigung war aber bereits deshalb nicht schutzwürdig, weil sie - nach ihrem
eigenen Vortrag - nach ihrem Erlass keine relevanten Investitionen im Vertrauen auf die hierdurch erlangte
Rechtsposition (mehr) vorgenommen hat. Soweit die Klägerin Investitionen (in die Instandsetzung und
Modernisierung des erworbenen Objekts) getätigt hat, für die ein Vertrauensschutz in Anspruch genommen
werden könnte, erfolgten diese vor Erteilung der Bescheinigung vom 26.03.2003. Darüber hinaus verhinderte
auch das Verhalten der Finanzverwaltung, die Bescheinigung der Beklagten vom 26.03.2003 nicht
uneingeschränkt anzuerkennen, gegen die ihr innewohnende (Teil-)Rechtswidrigkeit vielmehr zu remonstrieren
und der Klägerin die damit verbundene Steuervergünstigung, die erst den relevanten Geldvorteil bewirkt hätte,
bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit dieser Bescheinigung vorzuenthalten, dass die Klägerin ein schutzwürdiges
Vertrauen in den Bestand und die (positiven) Folgen der Bescheinigung vom 26.03.2003 entwickeln konnte.
Ohne dass ein Vertrauen in einen begünstigenden Verwaltungsakt jedoch betätigt wurde bzw. ohne dass im
Vertrauen auf den rechtswidrigen Verwaltungsakt Dispositionen getätigt wurden, kommt ein Vertrauensschutz
nach § 48 Abs. 2 LVwVfG nicht Betracht ( vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl. 2005, § 48 RdNrn. 94 und 96
f. m.w.N. ).
34 Ob daneben ein Vertrauensschutz, wenn er denn anzunehmen wäre, auch deshalb nach § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr.
3 LVwVfG entfallen ist, weil die (im gesamten Verfahren rechtskundig vertretene) Klägerin die (Teil-
)Rechtswidrigkeit der Bescheinigung vom 26.03.2003 kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte,
kann damit hier dahingestellt bleiben.
35
1.4
Frist nach § 48 Abs. 4 LVwVfG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist die Rücknahme (abgesehen von
dem hier offensichtlich nicht vorliegenden Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG) nur innerhalb eines
Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, in dem die zuständige Behörde von den Tatsachen, welche die
Rücknahme rechtfertigen, Kenntnis erlangt hat. Nach Sinn und Zweck der Regelung handelt es sich um eine
Entscheidungsfrist, die (erst) mit dem Zeitpunkt der Entscheidungsreife, das heißt mit dem Zeitpunkt, in dem
die Behörde die volle (positive) (Er-)Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts erlangt hat, und nicht
bereits mit Bekanntwerden aller Tatsachen, die für Beurteilung der Rechtswidrigkeit erforderlich sind, zu laufen
beginnt; ein Rechtsirrtum der Behörde in Bezug auf die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts hindert den
Fristbeginn ( BVerwG, Beschluss vom 19.12.1984, NVwZ 1985, 335; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 05.04.2007,
a.a.O., der insoweit zwischen der [hier maßgeblichen] Kenntnis der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts und
der Kenntnis der übrigen Rücknahmevoraussetzungen des § 48 LVwVfG trennt; Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 48
RdNrn. 152 ff. m.w.N.; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 48 RdNrn. 225 ff. m.w.N. ).
36 Danach war die Jahresfrist am 15.11.2004, dem Tag der Rücknahmeentscheidung, noch nicht abgelaufen.
Nach Eingang des Schreibens des Finanzamts K. vom 07.10.2003 hat die Beklagte die Rechtsauffassung des
Finanzamts zunächst (im Schreiben vom 23.10.2003) bestritten, weil sie bis dahin offensichtlich davon
ausgegangen ist, dass die Gewährung eines Zuschusses an die Klägerin nur bejaht werden könne, wenn sie
(die Beklagte) selbst eine Förderung von staatlicher Seite erhalte. Später, nach einer persönlichen
Besprechung mit Mitarbeitern des Finanzamts K. am 10.12.2003, teilt die Beklagte mit, sie werde die
Angelegenheit intern prüfen. Diese interne Prüfung führte dann schließlich zu einer Änderung der Auffassung
bei der Beklagten in dem Sinne, dass man die Rechtsauffassung des Finanzamts teilte. Wann genau die
Beklagte die Rechtsauffassung gebildet hatte, dass die ursprüngliche Bescheinigung vom 26.03.2003 in Bezug
auf die Verneinung einer Zuschussgewährung falsch war, lässt sich gegenwärtig nicht mehr feststellen.
Jedenfalls lag dieser Zeitpunkt nicht vor dem 10.12.2003, dem Tag der Besprechung zwischen Mitarbeitern des
Finanzamts und der Beklagten, und damit kein volles Jahr vor der Rücknahmeentscheidung vom 15.11.2004.
37
1.5
des Verwaltungsverfahrens erkennbar, ob die Beklagte das ihr nach § 48 Abs. 1 LVwVfG zustehende
Ermessen ausgeübt und eine Abwägung zwischen dem öffentlichem Interesse an der Beseitigung nicht
gerechtfertigter Steuerbegünstigungen und dem privaten Interesse der Klägerin am Fortbestand der
rechtswidrigen Bescheinigung vom 26.03.2003 vorgenommen hat. Immerhin spricht Einiges dafür, dass sie
zumindest erkannt hat, dass sie verpflichtet war, Ermessen auszuüben, da sie die (Teil-)Rücknahme im
Bescheid vom 15.11.2004 immerhin ausdrücklich auf § 48 LVwVfG, einer vom Wortlaut her eindeutigen
Ermessensnorm, gestützt hat. Allerdings hat die Beklagte auch später nirgends Ermessenserwägungen
ausdrücklich (schriftlich) festgehalten. Das gilt vor allem für das Klageverfahren, in dem die Beklagte sich im
Unterschied zu ihrer ursprünglichen Auffassung auf den Standpunkt gestellt hat, nicht die Ermessensnorm des
§ 48 LVwVfG, sondern die zwingende (Spezial-)Vorschrift des § 7h Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz EStG sei
Rechtsgrundlage für ihren Rücknahmebescheid vom 15.11.2004 gewesen.
38 Die hiernach fehlende Darlegung von Ermessenserwägungen führt jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit des
Bescheids vom 15.11.2004. Denn es liegt eine Reduzierung des Ermessens auf Null vor. Aufgrund der
besonderen Umstände des vorliegenden Falls wäre jede andere Entscheidung, das heißt eine Entscheidung, in
der die Beklagte von einer Rücknahme des Ausspruchs über die Zuschussgewährung im Bescheid vom
26.03.2003 abgesehen hätte, mit einer pflichtgemäßen Ermessensausübung nicht zu vereinbaren gewesen (
vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 40 RdNrn. 30 und 35 sowie § 48 RdNr. 83 m.w.N. ). Das ergibt sich zum
einen daraus, dass die Klägerin, wie zuvor dargestellt ( II.1.3 ), bis zum Zeitpunkt des Erlasses des
Rücknahmebescheids am 15.11.2004 (noch) kein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand der Bescheinigung
vom 26.03.2003 investiert hatte, und zum anderen daraus, dass ein Festhalten an der Bescheinigung vom
26.03.2003 zur Folge gehabt hätte, dass die Klägerin in den Genuss einer steuerlichen
Abschreibungsmöglichkeit für Aufwendungen gekommen wäre, die letztlich nicht aus ihrem (privaten)
Vermögen, sondern aus öffentlichen Mitteln stammen, und dies für die Klägerin eine ungerechtfertigte
Steuervergünstigung in Höhe von insgesamt etwa 150.000,-- EUR und damit für den Fiskus einen Schaden in
dieser Höhe bedeutet hätte. Bei einer solchen Ermessensreduzierung auf Null ist das Fehlen von
Ermessenserwägungen unschädlich.
39 Die fehlende Darlegung von Ermessenserwägungen auf Seiten der Beklagten ist aber auch deshalb
unschädlich, weil - unabhängig von einer Ermessensreduzierung auf Null - hier auch ein Fall vorliegt, in dem die
Rechtsprechung ein sogenanntes intendiertes Ermessen anerkannt hat, bei dem im Regelfall durch den
Gesetzgeber oder durch besondere Umstände des jeweiligen Falls ein ganz bestimmtes Ergebnis vorgegeben
ist ( vgl. zu dieser Rechtsfigur Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 40 RdNrn. 38, 45 f. und 59 sowie § 48 RdNrn. 77, 79
und 127 ). Dass der Gesetzgeber in Fällen der vorliegenden Art ein solches Ergebnis gewollt hat, lässt sich u.
a. aus § 7h Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz EStG entnehmen. Dort kommt zum Ausdruck, dass die Bescheinigung
geändert werden muss , wenn später, das heißt nach Ausstellung der Bescheinigung, Zuschüsse gewährt
werden. Die Interessenlage der Betroffenen ist aber im Fall des § 7h Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz EStG nicht
wesentlich anders als im Fall des § 48 LVwVfG, wenn sie sich - wie die Klägerin im vorliegenden Fall - (noch)
nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen in den Bestand einer rechtswidrigen Bescheinigung nach § 7h Abs. 2
EStG berufen können. Aber nicht nur der Wille des Gesetzgebers, sondern auch sonstige besondere Umstände
des Einzelfalls sprechen hier für ein intendiertes Ermessen. Als solch ein Grund für die Annahme eines
intendierten Ermessens sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, die in den
Haushaltsordnungen des Bundes, der Länder und in der Gemeindeordnung ( vgl. § 77 Abs. 2 GemO )
niedergelegt sind und die das allgemeine (fiskalische) Interesse an der Vermeidung ungerechtfertigter
öffentlicher Ausgaben dokumentieren, anerkannt. Diese Grundsätze überwiegen in der Regel die (privaten)
Interessen der von einer rechtswidrigen (geldwerten) Leistung Begünstigten ( vgl. BVerwG, Urteil vom
16.06.1997, NJW 1998, 2233; Nds. OVG, Urteil vom 20.08.2002 - 11 LB 19/02 - m.w.N.; Kopp/Ramsauer,
a.a.O., § 48 RdNr. 99 sowie § 49 RdNrn. 29 und 73 m.w.N. ) und bewirken auch im vorliegenden Fall, dass sich
die Beklagte von dem hiernach intendierten Ermessen leiten und, da für das Vorliegen einer Ausnahme vom
Regelfall nichts ersichtlich ist, ohne ausdrückliche Ermessenserwägungen für die (Teil-)Rücknahme der
Bescheinigung vom 26.03.2003 entscheiden durfte.
40 An diesem Ergebnis, dass nämlich die fehlenden Ermessenserwägungen der Beklagten nicht zu
Rechtswidrigkeit des Rücknahmebescheids vom 15.11.2004 führen, ändert auch das Urteil des
Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 05.04.2007 - 8 S 2090/06 - nichts. Zwar hat der
Verwaltungsgerichtshof dort ausgeführt, dass der Nichtgebrauch des Ermessens mit § 48 LVwVfG nicht
vereinbar sei. Doch beruht diese Aussage darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem dieser Entscheidung
zugrunde liegenden Fall einen besonderer Anlass sah, "den konkreten Sachverhalt im Rahmen der
Ermessensausübung zu würdigen". Dieser besondere Anlass bestand darin, dass in jenem Fall die
Rechtswidrigkeit der Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 EStG allein auf dem formalen Mangel des fehlenden
Abschlusses einer Modernisierungsvereinbarung beruhte, die tatsächlich getätigten Aufwendungen des Klägers
aber der Sache nach steuerlich förderungswürdig waren, und dass Mitarbeiter der beklagten Gemeinde in jenem
Verfahren dem Kläger die Erteilung einer Bescheinigung nach § 7h Abs. 2 EStG zugesichert hatten. Solche
Umstände liegen in dem vorliegenden Fall der Klägerin nicht vor. Insbesondere waren die Aufwendungen der
Klägerin, soweit sie dafür einen öffentlichen Zuschuss erhielt, gerade nicht steuerlich förderungswürdig ( siehe
oben II.1.2 ).
41
2.
42 Aus den vorstehenden Ausführungen über die Rechtmäßigkeit des Rücknahmebescheids vom 15.11.2004 (
II.1.2 ) folgt unmittelbar auch die Rechtmäßigkeit des Bescheids der Beklagten vom 13.03.2006 und ihres
Widerspruchsbescheids vom 03.05.2006. Das gilt ohne Weiteres für die dort getroffene Feststellung, dass der
Klägerin Zuschüsse gewährt wurden. Das gilt aber auch für die Feststellung über die Höhe dieser Zuschüsse,
die sich aus den Regelungen in § 4 Abs. 2 der Modernisierungsvereinbarung vom 22.03.2001 und § 2 Nr. 2
Abs. 3 des notariellen Grundstückskaufvertrags vom 28.03.2001 ergibt. Die Klägerin selbst hat den Bescheid
vom 13.03.2006 dementsprechend der Höhe nach auch nicht angegriffen.
43 Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kammer hat keinen Anlass, diese nach §
167 Abs. 2 VwGO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
44 Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4 VwGO, aus denen die Berufung vom Verwaltungsgericht zuzulassen
wäre, sind nicht gegeben.