Urteil des VG Freiburg vom 19.02.2007

VG Freiburg (antragsteller, aufschiebende wirkung, treu und glauben, grundstück, antrag, bad, grenze, aug, fenster, gebiet)

VG Freiburg Beschluß vom 19.2.2007, 1 K 2169/06
Zulässige Grenzbebauung zur Verhinderung eines Schmutzwinkels
Leitsätze
Der Bauherr einer auf der Grenze zulässigen Garage (§ 6 Abs. 1 LBO) erfüllt die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2
LBO (Verhinderung eines Schmutzwinkels), wenn er - wie in der Baugenehmigung vorgeschrieben - einen
konstruktiv verbleibenden Zwischenraum allseits dicht bis zur Grenzlinie schließt. Tritt die Grenzwand des
nachbarlichen Anwesens etwas zurück und entsteht hierdurch dort ein Schmutzwinkel, so kann dies dem
Bauvorhaben nicht i.S.v. § 6 Abs. 2 LBO zugerechnet werden. Es ist dann vielmehr Sache des Nachbarn (§ 242
BGB), Abhilfe gegen den Schmutzwinkel zu schaffen.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens einschließlich etwaiger außergerichtlicher
Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 2.500,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1
Die Antragsteller wenden sich gegen eine dem Beigeladenen vom Antragsgegner erteilte Baugenehmigung.
2
3
Mit Baugenehmigung vom 5.12.2006, den Antragstellern am 10.12.2006 zugestellt, erhielt der Beigeladene im
Anschluss an das unter dem 3.11.2006 erteilte Einvernehmen der Gemeinde W. erneut die Baugenehmigung
für die Errichtung des im Übrigen gegenüber 2005 unveränderten Vorhabens. Das Landratsamt Rottweil wies
zugleich die im Verfahren der Angrenzerbenachrichtigung am 7.11.2006 von den Antragstellern vorgetragenen
Einwendungen zurück. Diese waren dahin ausgerichtet, das Vorhaben passe nicht in die Baugrenze und die
Sicht auf der Westseite ihres Gebäudes werde verbaut, in welchem sie, die Antragsteller, die Einrichtung eines
Appartements mit brandschutzgesicherten Fenstern planten. Ferner werde der Mindestabstand von einem
Meter nicht eingehalten und Schattenwurf vereitele die Gartennutzung. Die Garagen erhöhten schließlich den
Wert des Grundstücks des Beigeladenen, während derjenige ihres eigenen Grundstücks gemindert werde,
sodass von einem „Raubbau“ bzw. einer "Nießnutzung" auszugehen sei.
4
Die Antragsteller erhoben am 18.12.2006 Widerspruch, mit dem sie neben den Einwendungen des
Angrenzerbenachrichtigungsverfahrens zusätzlich die Gefahr von Feuchtigkeitsbildung an ihrer Hauswand und
sonstigem nachbarschaftswidrigen Verhalten des Beigeladenen geltend machten. Am 19.12.2006 haben sie
schließlich Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt und diesen ergänzend zu den sonstigen
Gründen damit begründet, der Bebauungsplan sei nur wegen des Garagenbauvorhabens geändert worden und
sie sähen sich den Immissionen von mindestens 14 Parkplätzen auf dem Grundstück des Beigeladenen
ausgesetzt.
5
Die Antragsteller beantragen sachdienlich,
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die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 18.12.2006 gegen die dem Beigeladenen erteilte
Baugenehmigung vom 5.12.2006 anzuordnen.
7
Das beklagte Land beantragt,
8
den Antrag abzulehnen.
9
Es bezieht sich auf die Zurückweisung der Einwendungen. Auf diese nimmt ebenfalls der Beigeladene Bezug,
der selbst keinen förmlichen Antrag gestellt hat.
10 Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den
Akteninhalt (3 Hefte Bauakten des Landratsamts, 2 Hefte Bebauungsplanakten sowie Gerichtsakte des
abgeschlossenen Eilverfahrens 1 K 1761/05) Bezug genommen.
II.
11 Der Antrag nach §§ 80a, 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig. Insbesondere besteht für die Antragsteller ein
Rechtsschutzbedürfnis, denn die mit Beschluss der Kammer vom 19.12.2005 (1 K 1761/06) angeordnete
aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche vom 15.9.2005 und 21.11.2005 gegen die dem Beigeladenen
erteilten Baugenehmigungen vom 8.9.2005 und 31.10.2005 besteht nicht etwa mit der Rechtsfolge fort, dass
Antragsgegner oder Beigeladener einen Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 VwGO hätten stellen müssen, um
der neuen Baugenehmigung eine Sofortvollzugswirkung zu verleihen. Wird ein VA - hier die neue
Baugenehmigung vom 5.12.2006 - aufgrund einer veränderten Sach- und Rechtslage - hier: Änderung der
bauplanungsrechtlichen Genehmigungsanforderungen mit dem Inkrafttreten des Bebauungsplans „B.garten 1.
Änderung“ am 19.10.2006 - erlassen, steht eine zuvor nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangene Entscheidung einem
erneuten Antrag weder prozessual noch materiell im Wege (Kopp/Schenke, VwGO 14. Aufl. [2005], § 80 Rnr.
173 m.w.N.).
12 Der Antrag ist jedoch unbegründet. Das öffentliche Interesse sowie das private Interesse des Beigeladenen an
der sofortigen Ausnutzung der neuen Baugenehmigung überwiegen nunmehr dasjenige der Antragsteller,
vorläufig vom Vollzug verschont zu bleiben. Es ist zum aktuellen Zeitpunkt nämlich mit hoher
Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die angefochtene Baugenehmigung nicht gegen von der
Baurechtsbehörde (Landratsamt Rottweil) zu prüfende, generell-abstrakt oder zumindest im Einzelfall dem
Schutz der Antragsteller dienende öffentlich-rechtliche Vorschriften i. S. v. § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO verstößt.
Aller Voraussicht nach wird somit der in der Hauptsache erhobene Widerspruch als unbegründet
zurückzuweisen sein.
13 In
bauordnungsrechtlicher Hinsicht
als nachbarrechtswidrig dar.
14 Der Abstand, den das Vorhaben im Norden von der Grundstücksgrenze einhält, entspricht mit 2,65 m dem
Gebot aus § 5 Abs. 7 Satz 2 LBO. Dies bedeutet für die Antragsteller, dass sie eine gewisse Verschattung
ihres dort angrenzenden Gartens hinnehmen müssen; auch angesichts eines unveränderten Licht- und
Sonnenzutritts von Westen und Osten erscheint dies zumutbar. Abstandsflächen an der östlichen Grenze zum
Grundstück der Antragsteller sind hingegen nicht einzuhalten, weil hier evident die gesetzlichen
Privilegierungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 2 LBO vorliegen. Zwar wird, bedingt durch die vorhandene
Stützmauer, die Wand der östlichsten der drei Garagen - sie ist die eigentliche Grenzgarage - nicht direkt an
die Nachbargrenze anschließen. Gebäude und Gebäudeteile, die nach § 6 Abs. 1 LBO an der
Grundstücksgrenze zulässig sind, dürfen in einem geringeren Abstand als 2,5 m von der Grundstücksgrenze
errichtet werden, solange kein Schmutzwinkel entsteht, der aufgrund seiner Unzugänglichkeit die Unterhaltung
der Gebäude erschwert und auch zu hygienischen Bedenken - Eindringen von Feuchtigkeit, Unrat und
Ungeziefer - Anlass geben kann (vgl. § 6 Abs. 2 LBO sowie ausführlicher: VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.11.1990
- 5 S 2071/89 - BauR 1991, 317; Sauter, LBO 3. Aufl. [Dezember 2004] § 6 Rnr. 32; Schlotterbeck/von
Arnim/Hager LBO 5. Aufl. [2003], § 6 Rnr. 31). Der Entstehung eines Schmutzwinkels wird hier durch die
Baugenehmigung vorgebeugt, die - im Sinne einer Inhaltsbestimmung oder jedenfalls einer Bedingung - in Nr. 7
der Besonderen Bestimmungen i.V.m. der Genehmigungsbestandteil bildenden Planzeichnung „ Detail -
Ansicht Umlaufende Anschlussverschalung Garage - Giebel “ ein allseits dichtes Schließen verlangt. Das
bezieht sich, wie die Klarstellung durch den Antragsgegner bestätigt hat (vgl. Vermerk über das gestrige
Telefonat), nur auf den Abschluss bis zur Grenzlinie , nicht hingegen auf räumliche Bereiche, die bereits auf
dem Grundstück der Antragsteller liegen. Selbst wenn die Grenzwand des Gebäudes der Antragsteller
stellenweise um einige Zentimeter hinter die Grenzlinie zurücktreten sollte - so die Darstellung des
Beigeladenen, der dies aus der Lage der Grenzsteine ermittelt haben will -, würde sich nichts anderes ergeben.
Zwar entstünde dann auf dem Grundstück der Antragsteller ein Schmutzwinkel. Hieraus für den Beigeladenen
die Folge abzuleiten, obwohl er alles auf seinem Grundstück Erforderliche getan habe, gleichwohl nicht bis an
die Grenze bauen zu dürfen, wäre jedoch unzumutbar und würde mit Blick auf das nachbarliche
Gemeinschaftsverhältnis wohl auch gegen Treu und Glauben verstoßen. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie
hier - angesichts einer nur gering betroffenen Fläche keine Anhaltspunkte bestehen, dass ein Schließen dieses
Schmutzwinkels durch die Antragsteller oder - wie er selbst geäußert hat - durch den Beigeladenen (allerdings
mit erforderlicher Gestattung durch die Antragsteller) im Zuge der Baumaßnahme ohne weiteres möglich wäre.
15 Auch in brandschutzrechtlicher Hinsicht sind die Antragsteller aller Voraussicht nach nicht in ihren Rechten
verletzt. Ungeachtet dessen, dass sie entsprechende Einwendungen innerhalb der maßgeblichen
Präklusionsfrist (§ 55 Abs. 2 Satz 2 LBO) nicht geltend gemacht haben, wären Brandschutzanforderungen
jedenfalls auch erfüllt gewesen. § 6 Abs. 2 Nr. 2 LBOAVO sieht eine (bereits kraft Gesetzes bestimmte)
Abweichung vom Erfordernis einer Brandwand bei Gebäuden oder Gebäudeteilen bis 100 m², die nur Garagen
oder Nebenräume enthalten und nach § 6 Abs. 1 LBO ohne Abstandsflächen zulässig sind, vor.
16 Auch die erstmals im gerichtlichen Verfahren ausdrücklich erhobene Rüge, durch zu viele Stellplätze
beeinträchtigt zu werden, kann nicht durchgreifen, weil die Antragsteller dies im ordnungsgemäß und unter
Einhaltung der Formalien, insbesondere einer entsprechenden Belehrung, durchgeführten Verfahren der
Angrenzerbenachrichtigung nicht geltend gemacht haben. Erhebt ein Nachbar gegen ein Stellplatzvorhaben nur
Einwendungen wegen Nichteinhaltung der erforderlichen Abstandsfläche, so ist er in einem nachfolgenden
Rechtsmittelverfahren mit Einwendungen wegen unzumutbarer Lärmimmissionen gemäß § 55 Abs. 2 Satz 2
LBO ausgeschlossen (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 26.4.2002 - 5 S 629/02 - NVwZ-RR 2003, 335).
17 Die Kammer stellt gleichwohl fest, dass auch für den Fall einer Berücksichtigung dieses Einwands der
Antragsteller sehr wahrscheinlich keine Verletzung drittschützender Normen erkennbar gewesen wäre. Gemäß
dem insoweit einschlägigen § 37 Abs. 7 Satz 2 LBO darf die Nutzung der Garagen - vom Verbot einer hier nicht
in Betracht kommenden Gesundheitsschädigung abgesehen - das Wohnen und die Arbeit sowie Ruhe und
Erholung in der Umgebung durch Lärm, Abgase oder Gerüche nicht erheblich (i.S.v. §§ 3, 22 BImSchG) stören.
Bei der am Maßstab des Rücksichtnahmegebots ausgerichteten umfassenden Abwägung des Einzelfalls ist für
einen Verstoß nichts erkennbar. Zwar dient das Vorhaben des Beigeladenen offensichtlich nicht der Deckung
eines Bedarfs an notwendigen Stellplätzen. Angesichts der Gesamtzahl der darin zur Verfügung stehenden
Stellplätze (3) und des großräumigen Zufahrtsbereichs ist jedoch nicht ersichtlich, dass sich unzumutbare An-
und Abfahrfrequenzen sowie aufwändige Rangiermanöver ergeben könnten; die Einfahrt in die Garagen erfolgt
ferner nicht von Norden (Gartenbereich der Antragsteller) sondern von Süden her. Die Auffassung der
Antragsteller, die Garagen klebten sich gewissermaßen „nutznießend“ und „raubbauartig“ an ihre östliche
Hauswand, kollidiert erkennbar mit dem Interesse des Beigeladenen, einen dem Wohnhaus ferneren
Randbereich seines Grundstücks zu nutzen. Diese Standortwahl, die sich wohl durchaus (auch) an der
Tatsache orientiert haben mag, dass hier eine Giebelwand ohne jegliche (Fenster- oder Tür-) Öffnungen
existiert, kann jedoch schwerlich als rücksichtslos erachtet werden. Hinzu kommt, dass keine Besonderheiten
in der Grenzsituation (z.B. besonders enge Grenznutzungsverhältnisse) bestehen und dass schließlich auch
die planerische Situation (MI-Gebiet; näher dazu unten) keine weitergehende Schutzwürdigkeit und
Schutzbedürftigkeit vermittelt.
18 Eine bereits zuvor vorhandene oder nunmehr durch die Zulassung weiterer 3 Garagenstellplätze erstmals
eintretende übermäßige bzw. den Nachbarn unzumutbare Stellplatznutzung ist schließlich nicht erkennbar. Die
ursprünglich auf dem Grundstück des Beigeladenen zugleich mit dem Wohnen genehmigte Gastwirtschaft (vgl.
Baugenehmigung vom 28,.12.1972) existiert seit mehreren Jahren nicht mehr, so dass ein Bestandsschutz für
die damals zugleich genehmigten 9 Stellplätze mit hoher Wahrscheinlichkeit erloschen ist (zum sog.
„Zeitmodell“ für die Frage des Erlöschens von Bestandsschutz bei Unterbrechung der Nutzung: BVerwG, Urt.
v. 18.5.1995 - 4 C 20/94 - NVwZ 1996, 379). Eine erneute Genehmigung ist zwar mit Blick auf den MI-
Gebietscharakter denkbar (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 3 BauNVO [Fassung 1990]), hierbei müsste dann jedoch unter
dem Blickwinkel des § 37 Abs. 7 LBO von der Baurechtsbehörde ein besonderes Augenmerk auf die
Vermeidung erheblicher Störungen gelegt werden. Ob der Beigeladene gegenwärtig auf seinem Grundstück
tatsächlich Stellplätze auch für einen öffentlichen (d.h. über die Bewohner und Besucher des Anwesens „
...straße 1“ hinausgehenden) Verkehr vorhält - immerhin wollen die Antragsteller mit den neuen Garagen 14
Plätze ausgemacht haben - kann die Kammer nicht verlässlich ersehen. Allerdings wäre dann diese Nutzung
nicht ohne weiteres zulässig, weil sie ohne Genehmigung erfolgte (vgl. zur Grenze der Verfahrensfreiheit: Nr.
65 des Anhangs zu § 50 LBO) und zusätzlich zu den bislang - einschließlich der 3 neuen Garagen -
genehmigten Stellplätzen/Garagen unzumutbar sein könnte.
19 In
bauplanungsrechtlicher Hinsicht
Bebauungsplans „B.garten 1. Änderung“ vom 5.10.2006. Es befindet sich innerhalb der Baugrenze des
festgesetzten MI-Gebiets. Gemäß § 12 Abs. 1 BauNVO (Fassung 1990) sind Garagen in allen Baugebieten
zulässig. Etwas anderes ergibt sich auch nicht (mehr) aus § 12 Abs. 2 BauNVO, weil dort keine
Einschränkungen für MI-Gebiete geregelt sind; bauplanungsrechtliche Festsetzungen bzw. Beschränkungen
gemäß § 12 Abs. 3 bis Abs. 6 BauNVO enthält der Plan schließlich nicht. Zwar trifft Ziffer 2.11 der textlichen
Festsetzungen - unter offensichtlich redaktionell versehentlichem Hinweis auf eine Ermächtigung in Nr. 26
statt, wie an sich einschlägig, Nr. 22 des § 9 Abs. 1 BauGB - Bestimmungen über Flächen (Standorte) von
Garagen. Eine Beschränkung auf „Zweitgaragen“ derart, dass nur zwei Garagenstellplätze gemeint sind, lässt
sich dem jedoch nicht entnehmen. Im übrigen geben weder die textlichen und zeichnerischen Festezungen
noch die Planbegründung etwas dafür her, diese Bestimmung solle Nachbarschutz vermitteln. Entsprechendes
gilt für die auf § 74 Abs. 2 Nr. 2 LBO beruhende Ziffer 2.8 der örtlichen Bauvorschriften.
20 Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit des neuen Bebauungsplans hat die Kammer nicht. Auch wenn sich das
neue Bebauungsplanverfahren zügig an den Rechtsstreit aus dem Jahr 2005 angeschlossen und speziell im
Bereich der Grundstücke der beiden beteiligten Nachbarn nicht unwesentliche Änderungen mit sich gebracht
haben mag, gibt es doch keine Anhaltspunkte dafür, es habe sich hier um eine rein privatnützige - und als
solche unzulässige - Bauleitplanung gehandelt. Es hätten schon gewichtige Indizien für die entsprechende
Behauptung der Antragsteller - aus ihrer Sicht durfte dies durchaus so „thematisiert“ werden - vorliegen
müssen, um das zeitlich und verfahrensmäßig komplexe Planwerk gewissermaßen als
Manipulationsinstrument zu Gunsten des Beigeladenen zu betrachten und in seiner städtebaulichen
Rechtfertigung und Zielsetzung in Frage zu stellen. Die Voraussetzung der Planerforderlichkeit für eine
Planänderung folgt aus § 2 Abs. 4 BauGB i.V.m § 1 Abs. 3 BauGB. Danach haben die Gemeinden
Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich
ist. Nach § 1 Abs. 1 BauGB ist es Aufgabe der Bauleitplanung, die bauliche und sonstige Nutzung der
Grundstücke in der Gemeinde nach Maßgabe des Gesetzes vorzubereiten und "zu leiten". Die in diesen
Bestimmungen vorausgesetzte Leitfunktion des Bebauungsplans oder der Planänderung verlangt, dass der
jeweilige Planinhalt objektiv geeignet sein muss, dem Entwicklungs- und Ordnungsbild zu dienen. Besonders
die Planänderung bedarf einer Rechtfertigung. Hierfür müssen Gründe vorliegen und dargelegt werden, die
plausibel machen, warum die ursprüngliche Planung nicht weiter bestehen soll und warum trotz eines
bestehenden Plans ein Bedürfnis für eine erneute Planung besteht. Hierzu reicht es aus, dass vernünftige
Gründe für eine Änderung sprechen. Das ist insbesondere bei einer nachvollziehbaren Verbesserung der
Situation der Fall. Besondere Beachtung bei der Prüfung der Rechtfertigung einer Planänderung bedarf die
Frage, ob diese an den Zielen des Gesetzes orientiert ist und nicht sachfremden Erwägungen dient. Die
Leitfunktion des Bebauungsplans verlangt demzufolge, dass hinreichend gewichtige Allgemeinbelange für eine
Planänderung sprechen (Nds. OVG, Urt. v. 6.12.1989 - 6 K 16/89 und 6 K 21/89 - NVwZ 1990, 576 m.z.N. aus
der Rspr. des BVerwG). Nach diesen Grundsätzen gibt der Bebauungsplan weder in formell- noch
materiellrechtlicher Hinsicht Anlass, im summarischen Verfahren an seiner Wirksamkeit zu zweifeln. Erklärtes
Planungsziel (vgl. Nr. 1.2 der Begründung) ist zum einen die Erfüllung der regionalplanerischen Vorgabe,
innerörtliche Brachflächen zu bebauen. Gerade aber auch Grunderwerbsprobleme unter der (mehr als 30-
jährigen) Geltung des Vorgängerbebauungsplans hätten es erforderlich gemacht, die verkehrliche
Erschließungssystematik zu ändern. Es kann nicht beanstandet werden, wenn in diesem Zusammenhang
zugleich auch die aktuelle Nutzungssituation der Grundstücke festgestellt und geregelt werden sollte. In
Übereinstimmung mit den Vorgaben des Flächennutzungsplans (zum Entwicklungsgebot vgl. § 8 Abs. 2
BauGB) stehen insbesondere die Festsetzungen des Teilbereichs, in dem sich die Grundstücke der
Antragsteller und des Beigeladenen befinden, als Mischgebiet. Hierbei hat ferner auch eine zulässige und
bedeutsame Rolle gespielt, vorhandene Nutzungskonflikte, die sich aus der Existenz des metallverarbeitenden
Gewerbebetriebs in der ...straße (Grundstück Flst.Nr. 788/4) ergeben, aufzunehmen und zu bewältigen (Gebot
der Konfliktbewältigung i.V.m. dem Abwägungsgebot). Insoweit kann die Herabstufung des zuvor als WA-
Gebiet ausgewiesenen Bereichs zum MI-Gebiet nicht beanstandet werden.
21 Das genehmigte Vorhaben verstößt schließlich mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht gegen das
bauplanungsrechtliche Gebot der Rücksichtnahme (§ 15 Abs. 1 BauNVO). Was Anzahl und Lage der Garagen
angeht, kann insoweit zunächst auf die obigen Ausführungen im Kontext des § 37 Abs. 7 LBO verwiesen
werden. Die von den Antragstellern ferner gerügte Störung ihrer Grundstücksnutzung, die durch den Zubau der
Giebelwand eintrete, in die sie später einmal Fenster einbauen möchten, begründet schließlich ebenfalls nach
Auffassung der Kammer keine Rücksichtslosigkeit. Auf einen etwaigen Bestandsschutz von Fenstern können
sich die Antragsteller nicht berufen, weil sie solche Fenster, die überdies in der Brandwand nur ausnahmsweise
bzw. unter besonderen Vorkehrungen zulässig wären (vgl. § 8 LBOAVO), (noch) nicht beantragt und folglich
(noch) nicht genehmigt erhalten haben. Im übrigen würde die Grenzgarage angesichts ihrer nur geringen
Dimensionierung, deren Wirkung sich ausschließlich auf den Erdgeschossbereich beschränkt, kaum Belichtung
und Besonnung einer späteren Wohnnutzung im bislang noch vorhandenen Ökonomiegebäude beeinträchtigen
können. Hierbei ist schließlich auch zu beachten, dass der Inhalt des Fensterausblicks nicht geschützt ist (zur
Problematik des Zubauens von Fenstern und die dabei einschlägigen Abwägungskriterien vgl. etwa VGH Bad.-
Württ., Beschl. v. 14.6.1999 - 3 S 1357/99 - VBlBW 2000, 116, sowie VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 12.10.2004
- 8 S 1661/04 - VBlBW 2005, 74).
22 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entspricht regelmäßig der Billigkeit i.S.d. § 162
Abs. 3 VwGO, die dem notwendig beigeladenen Bauherrn entstandenen außergerichtlichen Kosten auch dann
dem unterlegenen Nachbarn aufzuerlegen, wenn der Bauherr keinen Antrag gestellt (vgl. demgegenüber § 154
Abs. 3 VwGO) und den Prozess nicht wesentlich gefördert hat (vgl. in Bestätigung und Zusammenfassung der
Rechtsprechung aller VGH-Bausenate: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 1.9.97 - 8 S 1958/97 - VBlBW 1998, 57).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. In Anbetracht dessen, dass es
vorliegend um den Streit wegen der nachbarschaftlichen Auswirkung von Grenzgaragen geht, hat die Kammer
den - halbierten - Auffangwert zugrunde gelegt.