Urteil des VG Freiburg vom 24.10.2006

VG Freiburg: erwerbstätigkeit in der schweiz, beihilfe, gleichbehandlung im unrecht, aufenthalt im ausland, fürsorgepflicht, private krankenversicherung, kostenvergleich, sicherheit, aufwand

VG Freiburg Urteil vom 24.10.2006, 6 K 683/06
Tenor
Die Beklagte - ... - (...) - wird verpflichtet, der Klägerin aus einem Aufwand in Höhe von 923, 71 EURO Beihilfe für den Krankenhausaufenthalt im
Spital ... vom 02./03.03.2005 zu gewähren und die bisher dazu ergangenen Beihilfebescheide sowie den Widerspruchsbescheid vom 16.02.2006
aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Die ... geborene Klägerin begehrt ungekürzte Beihilfe, ausgehend von der vollen Höhe der Krankenhausaufwendungen, die ihr wegen eines
Sportunfalls im Ausland in Rechnung gestellt worden waren.
2
Die Klägerin ist als ... ... nahe der Schweizer Grenze wohnhaft und zu 50% beihilfeberechtigt. Sie stürzte am 02.03.2005 in .../Schweiz während
eines Tagesausflugs mit dem Snowboard auf das Kinn und wurde deshalb wegen Anzeichen einer Gehirnerschütterung mit Gedächtnisausfall
von ihrem Begleiter vorsorglich zur Untersuchung in das Spital ... gebracht. Das Spital führte verschiedene Untersuchungen, u.a. mit Röntgen
und einer CT-Aufnahme, durch und behielt die Klägerin als Privatpatientin zur Beobachtung während einer Nacht im Hause. Mit direkt ihrer
Privatversicherung (...) zugesandter Schlussrechnung vom 09.04.2005 berechnete es dafür Behandlungskosten in Höhe von insgesamt
11.317,60 SFr entsprechend 7.778,71 Euro. Die Rechnung setzte sich u.a. aus einer „Abteilungsfallpauschale Chirurgie“ in Höhe von 1.439.-
SFr., einem „Basiszuschlag Chirurgie“ in Höhe von 4.090.- SFr. und einer „Arztpauschale Chirurgie“ in Höhe von 4.004.- SFr. zusammen.
Begründet wurden diese Beträge in einem erläuternden Schreiben des Spitals vom 13.01.2006 damit, dass es sich bei der
„Abteilungsfallpauschale“ um den Grundtarif pro Spitalaufenthalt und Klinik handle, durch welchen über die schweizerische Pflichtversicherung
ca. 40 Prozent der Kosten abgedeckt würden, während der „Basiszuschlag Chirurgie“ und der weitere „Basiszuschlag Tagespauschale“ (hier
886.- SFr.) jenen Teil der Kosten beinhalte, den in der Schweiz der jeweilige Wohn-Kanton des Patienten übernehme (ca. 60 Prozent). Dieser
Teil müsse indes ausländischen Patienten im Interesse der Kostendeckung ebenfalls abverlangt werden. Er decke einen Teil der allgemeinen
Infrastrukturkosten des Spitals (Investitionen, Bereitschaftsdienste usw.) ab. Die „Arztpauschale“ schließlich stelle den Zuschlag für die
Chefarztbehandlung dar und werde üblicherweise von Zusatzversicherungen getragen. Das Spital reichte schließlich auf mehrfache Anforderung
der Klägerin eine zweiseitige Liste vom 20.01.2006 mit insgesamt 76 - teils mehrfach vermerkten - Einzelpositionen der erbrachten Leistungen
nach.
3
Auf den unter dem 20.09.2005 zur obengenannten Rechnung gestellten Beihilfeantrag der Klägerin bewilligte die Beklagte (...) mit Bescheiden
vom 06.10.2005 sowie ergänzend vom 13.10.2005 - nach Abzug des Eigenanteils - Beihilfe in Höhe von insgesamt 241,31 Euro. Die ...-
Versicherung bezahlte ihren vollen Anteil in Höhe von 3.939,35 Euro, teilte aber der Beklagten mit, dass die in ... erbrachten Leistungen an einer
deutschen Klinik nach der DRG-Ziffer D 80 Z vergleichsweise mit ca. 800.- EUR berechnet würden. Hiervon ausgehend ergab eine genauere
Vergleichsberechnung nach Maßgabe des § 13 Abs. 1 Satz 1 und 2 BhV anhand eines entsprechenden Berechnungsprogramms des
Universitätsklinikums Münster, welches auch für die Universitätsklinik ... gelte, wie die ... der Klägerin mitteilte, für die dem Entlassbericht des
Spitals ... vom 04.03.2005 zu entnehmenden Diagnosen S06.0 und S13.4 sowie Prozeduren 8-915 einen beihilfefähigen Betrag bei eintägiger
Verweildauer in Höhe von 502,61 Euro. Weitere 7.276,10 Euro Krankenhausaufwendungen blieben hiernach unberücksichtigt.
4
Die Klägerin legte gegen beide Bescheide am 24.10. bzw. am 26.10.2005 Widerspruch ein, den sie im Folgenden damit begründete, dass es
sich um eine dringend vor Ort erforderliche Notfallbehandlung nach einem Unfall gehandelt habe und sie keinerlei Möglichkeit gehabt habe, auf
Ort, Art und Umfang der Behandlung Einfluss zu nehmen. Insoweit müsse auch nach § 13 BhV etwas Anderes gelten als im Falle einer regulären
Erkrankung. Es komme hinzu, dass das schweizerische Abrechnungssystem mit dem deutschen System in keiner Weise vergleichbar sei und
deshalb auch in Deutschland eigentlich beihilfefähige Leistungen verborgen und damit unberücksichtigt blieben. Immerhin habe deshalb ihre
private Krankenversicherung voll geleistet.
5
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2006 wies die Beklagte (...) die Widersprüche der Klägerin als unbegründet zurück. Wegen des
subsidiären Charakters der Beihilfe müssten im Einzelfall auch Härten und Nachteile hingenommen werden, die sich aus einer notwendigen
pauschalierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht durch die Beihilfevorschriften ergäben und keine unzumutbare
Belastung bedeuteten. Das gelte insbesondere für im Ausland entstandene Aufwendungen, welche nach § 13 Abs. 1 BhV nur eingeschränkt
beihilfefähig seien, nämlich nur bis zu der Höhe, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland bei einem Verbleib am Wohnort entstanden wären.
Diese Begrenzung sei unter Berücksichtigung des Territorialprinzips notwendig und auch mit der Fürsorgepflicht zu vereinbaren, um den
Dienstherrn grundsätzlich vor höheren Kosten zu bewahren, wenn der Auslandsaufenthalt ihm nicht zuzurechnen sei, sondern auf einer
Willensentscheidung des Beihilfeberechtigten beruhe. Dabei werde nicht nach dem Grund des Entstehens der Kosten, insbesondere nicht
danach, ob ein Notfall gegeben gewesen sei, unterschieden. Im Ausland entstandene Heilkosten würden auch insoweit nicht ersetzt, als sie nicht
detailliert in Übereinstimmung mit der im Inland maßgebenden Gebührenordnung und durch Belege nachgewiesen werden könnten. Die
Verantwortung, für eine entsprechende Gegenüberstellung der Kosten zu sorgen, treffe den Beihilfeberechtigten, andernfalls trage er die sich
aus der mangelnden Aufklärung ergebenden Härten. Soweit wenigstens Unterlagen vorgelegt werden könnten, aus denen sich das
Krankheitsbild und die erbrachten Leistungen ergäben, habe der Dienstherr nach billigem Ermessen die Angemessenheit der Aufwendungen
festzustellen. Ausgehend von den im Kurzbericht des Spitals ... aufgeführten Diagnosen sowie nach der Basisfallpauschale der Universitätsklinik
... ergebe eine Vergleichsberechnung den genannten beihilfefähigen Betrag von 502,61 Euro. Die von der Klägerin unter dem 24.01.2006 noch
nachgereichte Liste der erbrachten Leistungen sowie die dazu gegebene Begründung des Spitals reichten nicht aus, weitere Kosten
anzuerkennen, denn sie erlaubten keine Vergleichsberechnung nach der in Deutschland maßgebenden Gebührenordnung (GOÄ). Auch soweit
die Klägerin auf einen Berufungsfall mit voller Erstattung der Auslandskosten einschließlich Rettungsflug aus dem Jahre 2001 verweise,
rechtfertige dies nicht (erneut) eine fehlerhafte Leistungsbewilligung, da es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gebe. Die in § 13
BhV beschriebenen Ausnahmen, die Aufwendungen ohne Beschränkungen bzw. ohne Vergleichsberechnung anzuerkennen, lägen im
vorliegenden Falle nicht vor.
6
Der Widerspruchsbescheid wurde am 06.03.2006 zugestellt.
7
Am 28.03.2006 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie habe Anspruch auf volle Erstattung der Kosten ohne Vergleichsberechnung, weil der
Ausnahmetatbestand des § 13 Abs. 2 Nr. 3 BhV gegeben sei. Danach seien die Aufwendungen ohne Beschränkung auf die Kosten in
Deutschland u.a. dann beihilfefähig, wenn bei Aufenthalt in der Nähe der Grenze aus akutem Anlass das nächstgelegene Krankenhaus habe
aufgesucht werden müssen. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Aufenthalt diesseits oder jenseits der Grenze stattgefunden habe.
Entscheidend sei vielmehr, dass sie wegen eines Unfalles keine Möglichkeit gehabt habe, rechtzeitig in Deutschland behandelt zu werden. Sie
habe auch ausreichend Unterlagen mit einer Einzelaufstellung der durch das Spital ... erbrachten Leistungen vorgelegt. Eine differenzierte
Aufstellung der Leistungen nach der GOÄ sei wegen der Verschiedenheit der Abrechnungssysteme nicht möglich und könne daher nicht verlangt
werden. Abgesehen davon sei ein Kostenvergleich bei innerhalb der Europäischen Union entstandenen beihilfefähigen Aufwendungen
einschließlich stationärer Leistungen in öffentlichen Krankenhäusern nicht durchzuführen (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BhV). Zwar zähle die Schweiz noch
nicht zur Europäischen Union, habe jedoch in einem zweiseitigen Abkommen mit dieser die Freizügigkeit sowie die Systeme der sozialen
Sicherheit koordiniert. Dieses Abkommen sei am 01.06.2002 in Kraft getreten und stelle die Schweiz in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht
den EU-Mitgliedsstaaten gleich. Das müsse auch für die Beihilfevorschriften gelten, welche ebenfalls Teil des Systems der sozialen Sicherheit
und damit des genannten Abkommens seien.
8
Die Klägerin beantragt,
9
Die Beklagte - ... ... - (...) - zu verpflichten, der Klägerin aus dem vollen Aufwand in Höhe von 7.778,71 EURO im Spital ... vom 02./03.03.2005
Beihilfe zu gewähren und die bisher dazu ergangenen Beihilfebescheide sowie den Widerspruchsbescheid vom 16.02.2006 aufzuheben,
soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.
10 Die Beklagte beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12 Sie hält das Freizügigkeitsabkommen der Europäischen Gemeinschaft mit der Schweiz (FZA) im vorliegenden Fall schon deshalb nicht für
anwendbar, weil die Klägerin in Deutschland wohnhaft und erwerbstätig sei, während das Abkommen auf den Aufenthalt eines EU-Bürgers in
der Schweiz ab drei Monaten oder länger abstelle. Art. 8 FZA sehe die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, somit auch der
Krankenversicherung vor und solle sicherstellen, dass EU-Staatsangehörige, insbesondere im Hinblick auf eine Erwerbstätigkeit in der Schweiz,
die gleiche soziale Absicherung hätten wie die Schweizer selbst. So würden beispielsweise Grenzgänger dem jeweils an ihrem Arbeitsplatz
geltenden Versicherungssystem unterworfen. Die Klägerin habe auch als zweifellos „in der Nähe der deutschen Grenze wohnende Person“ (§ 13
Abs. 2 Nr. 3 BhV) im vorliegenden Fall keinen Anspruch auf uneingeschränkte Beihilfe in der Schweiz, weil sie nicht vom Wohnort aus aus
akutem Anlass das Spital ... aufgesucht habe. Abgesehen davon handle es sich hierbei auch nicht um das von ihrem Wohnort aus gesehen
nächstgelegene Krankenhaus in der Schweiz.
13 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze und den sonstigen
Akteninhalt Bezug genommen.
14 Dem Gericht liegen die einschlägigen Akten der ... (1 Heft) vor; sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
15 Im Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht durch den Berichterstatter als Einzelrichter entscheiden (§ 87 a Abs. 2 und 3 VwGO) und
auch gemäß § 102 Abs. 2 VwGO, worauf in der Ladung ordnungsgemäß hingewiesen worden war, verhandeln, ohne dass ein Vertreter der
Beklagten in der mündlichen Verhandlung zugegen war, zumal das Fernbleiben entschuldigt war.
16 Die
Verpflichtungsklage
zweiten Behandlungstages
(2)
sind folglich nicht rechtswidrig und verletzen sie nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO)
(1)
17 Rechtsgrundlage für das Verpflichtungsbegehren der Klägerin ist § 79 BBG in Verbindung mit der allgemeinen Verwaltungsvorschrift für Beihilfen
in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Beihilfevorschriften -
BhV
dem Jahre 2005 herrührenden Aufwendungen maßgeblich ist. Dabei stellt das Gericht die vom Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom
17.06.2004 - 2 C 50/02 -, BVerwGE 121, 103 = DVBl 2004, 1420 = DÖV 2005, 24 = ZBR 2005, 42; zitiert nach Juris) formell
verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Gültigkeit der Beihilfevorschriften unter Anerkennung einer großzügig zu bemessenden - auch vom
Bundesverwaltungsgericht anerkannten -
Übergangszeit
(ähnlich so VG Dresden, Urteil vom 16.02.2006 - 11 K 2389/03 - und VG Braunschweig, Urteil vom 25.04.2006 - 7 A 265/04 -; jeweils zitiert nach
Juris).
18
1.
Aufwendungen nach § 6 und §§ 9 bis 11 BhV handelt und nur insoweit und bis zu der Höhe, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland beim
Verbleiben am Wohnort entstanden und beihilfefähig gewesen wären. Die Kosten der hier im Mai 2005 erfolgten ärztlichen Behandlung und der
Unterbringung im Krankenhaus sind in diesem Sinne nach § 6 krankheitsbedingte beihilfefähige Aufwendungen und damit auch im Ausland
nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BhV grundsätzlich beihilfefähig. Allerdings wird Beihilfe nur insoweit und bis zu der Höhe, wie in der Bundesrepublik
Deutschland für das selbe Krankheitsbild in einem vergleichbaren Krankenhaus Kosten entstanden wären, geleistet. Zu diesem Zwecke wird ein
Kostenvergleich durchgeführt, der lediglich in den Ländern innerhalb der Europäischen Union entbehrlich ist (§ 13 Abs. 1 Satz 3 BhV).
Abgesehen davon gilt keine Beschränkung der Beihilfe auf die Höhe der in der Bundesrepublik Deutschland beihilfefähigen Kosten nur dann,
wenn u.a. die Aufwendungen 550 EUR je Krankheitsfall nicht übersteigen oder wenn eine in der Nähe der deutschen Grenze wohnende Person
aus akutem Anlass das nächstgelegene Krankenhaus im Ausland aufgesucht hat (§ 13 Abs. 2 Nr. 3 BhV).
19 Hiervon ausgehend sind die geltend gemachten Aufwendungen der Klägerin in Höhe von insgesamt rund 7.800.- EUR nur beschränkt
beihilfefähig und ist die genaue Höhe der Beihilfe durch einen sogenannten
Kostenvergleich
weiter unter § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BhV aufgeführten - hier von vorneherein nicht einschlägigen - Ausnahmevoraussetzungen, die die
Beschränkung der Beihilfe oder den Kostenvergleich erübrigen könnten, sind gegeben. Entgegen dem Vortrag der Klägerin ist die Schweiz, die
unstreitig kein Mitglied der Europäischen Gemeinschaft ist, auch nicht auf Grund eines bilateralen Abkommens hinsichtlich der
Krankenversorgung wie ein solches Mitglied zu behandeln. Art. 8 des hier nach Auffassung der Klägerin in Betracht zu ziehenden
Freizügigkeitsabkommens, wonach die Vertragsparteien die „Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit gem. Anhang II“ regeln, lässt
einen solchen Schluss nicht zu. Art. 1 des Anhangs II verlangt zwar im Bereich der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit
untereinander, die gemeinschaftlichen Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft, auf die in Abschnitt A Bezug genommen wird, anzuwenden.
Abschnitt A nimmt jedoch ausschließlich auf Rechtsakte Bezug, die Arbeitnehmer oder Selbstständige sowie deren Familienangehörige
betreffen. Allgemein stellt das Freizügigkeitsabkommen auch ansonsten auf den beruflichen und wirtschaftlichen Austausch ab und damit
grundsätzlich auf den dauerhaften Aufenthalt der jeweiligen Staatsangehörigen im anderen Land, jedenfalls aber schwergewichtig auf einen
Aufenthalt im Zuge der Erwerbstätigkeit (Grenzgänger)(vgl. etwa „Zielsetzungen“ in Art. 1 a), b) und d) FZA u.a.: „Zugang zu Erwerbstätigkeit“;
„Erbringung von Dienstleistungen“, „gleiche Beschäftigungsbedingungen“). Darauf hat die Beklagte zutreffend hingewiesen. Das wird auch durch
Art. 24 FZA unterstrichen, wonach Personen, die keine Erwerbstätigkeit in der Schweiz ausüben, aber dort wohnen (wollen), eine
Aufenthaltserlaubnis mit einer Gültigkeitsdauer von mindestens fünf Jahren erhalten, sofern sie u.a. nachweisen, über einen
Krankenversicherungsschutz zu verfügen, der sämtliche Risiken (nach schweizerischem Recht auch Unfall und Mutterschaft) abdeckt. Aus der
Tatsache, dass für Besuchsreisen offenbar keine vergleichbare Regelung besteht, ist zu schließen, dass das Freizügigkeitsabkommen insoweit
keine Koordinierung des Schutzes durch Krankenversicherungen anstrebt. Für Besucher sichert das Abkommen, falls insoweit überhaupt
erforderlich, allenfalls das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Art. 1 c, 3 und 6 FZA).
20 Selbst wenn nach der Zielsetzung des Abkommens, die Systeme der sozialen Sicherheit zu koordinieren, auch eine Anpassung der
beihilferechtlichen Regelung des § 13 BhV im Verhältnis zur Schweiz angestrebt wäre und deshalb erfolgen müsste, wie die Klägerin meint, so
ließe sich eine beihilferechtliche Entscheidung nicht unmittelbar auf das Abkommen stützen. Eine Umsetzung ist indessen bislang nicht erfolgt.
Dieses „Versäumnis“ verstieße auch nicht gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, sodass mittelbar auch nicht daraus vom einzelnen
Beihilfeberechtigten ein einklagbarer Anspruch auf Gewährung einer höheren Beihilfe abgeleitet werden könnte. Für eine solche Anpassung
fehlen nämlich derzeit bereits die Voraussetzungen, wie der nahezu um den Faktor 10 variierende Krankenkostenunterschied zwischen der
Schweiz und Deutschland jedenfalls im vorliegenden Fall beweist.
21 Die im Abkommen angestrebte „Koordinierung“ müsste mithin vor allem und zunächst eine Angleichung der Kosten sowie eine Anpassung des
Abrechnungssystems
schriftliche Begründung des Spitals ... vom 13.01.2006 für die in Rechnung gestellten Preise, dass es sich offenbar nicht um ein Entgelt für
tatsächlich angefallenen Aufwand, sondern um einen in Geldbeträgen ausgedrückten Verrechnungsposten zur Krankenhausfinanzierung
anhand der durchschnittlichen kantonalen Vorjahres-Fallkosten handelt. Dieses Finanzierungssystem stützt sich hauptsächlich (in ... zu 60
Prozent) auf staatliche Leistungen des Wohnkantons des Patienten, ergänzt durch dessen Pflichtversicherung, wobei nicht der individuell-
konkrete Leistungsumfang für den einzelnen Patienten, sondern der prognostizierte Gesamtaufwand der Klinik maßgebend ist. Die
Patientenkosten können auf diesem Wege, wie der vorliegende Fall besonders deutlich zeigt, im Einzelfall bis zur „Kostendeckung“ nachgerade
beliebige Höhen erreichen, belasten aber - vorbehaltlich von besonderen Leistungen für Privatpatienten - nie den (schweizerischen) Patienten
selbst.
22 Mit diesem Abrechnungssystem kann das am individuellen Kranken-Aufwand orientierte deutsche Versicherungssystem nicht Schritt halten, kann
auch das hieran anknüpfende System der Beihilfe, welches lediglich (individuell) notwendige und (insoweit) der Höhe nach angemessene
Aufwendungen tragen soll (§ 5 Abs. 1 BhV), nicht in Einklang gebracht werden. Denn die Beihilfe stellt kein Instrument der staatlichen
Krankenhausfinanzierung dar; dies kann auch und erst recht bei Aufwendungen für den stationären Aufenthalt im Ausland nicht anders sein.
Zumindest deshalb kann bislang selbst in erweiternder Analogie zum Freizügigkeitsabkommen bei in der Schweiz erkrankten Freizeit- und
Urlaubsreisenden nicht von einem Kostenvergleich nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BhV abgesehen werden. Aus dem Freizügigkeitsabkommen kann
mithin nichts zu Gunsten der Klägerin hergeleitet werden.
23 Es stellt sich vielmehr umgekehrt die Frage, ob die Überwälzung des staatlichen Förderanteils der Kantone an der Krankenhausfinanzierung auf
den aus der Europäischen Gemeinschaft stammenden ausländischen Patienten (vgl. so ausdrücklich die Begründung des Spitals vom
13.01.2006) ihrerseits mit dem
Koordinierungsgebot
Freizügigkeitsabkommen in Einklang steht. Das begegnet erheblichen Zweifeln. Möglicherweise bedürfte es zur weiteren Abklärung bilateraler
Verhandlungen auf der politischen Ebene. Geht mithin die Klägerin - wie sie in der mündlichen Verhandlung erklärte - folgerichtig selbst davon
aus, persönlich zur (restlichen) Bezahlung dieser Rechnung des Spitals eigentlich nicht verpflichtet zu sein, so ist ihr Aufwand auch schon aus
diesem Grunde nicht beihilfefähig. Denn Beihilfe wird regelmäßig nicht unabhängig vom Zahlungsverpflichteten, sondern nur insoweit gewährt,
als der Zahlungsverpflichtete selbst zu Recht herangezogen wird bzw. seine Heranziehung für berechtigt ansieht.
24 Von einem Kostenvergleich bzw. einer Beschränkung des beihilfefähigen Aufwands kann schließlich auch nicht nach der Ausnahmebestimmung
des
§ 13 Abs. 2 Nr. 3 BhV
schweizerischen Grenze wohnt, aus akutem Anlass in das für sie nächstgelegene Krankenhaus in der Schweiz begeben. Auch ist ihr zuzugeben,
dass der Anlass nicht eingetreten sein muss, während sie sich (noch) diesseits der Grenze in Deutschland aufgehalten hatte (so nunmehr
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg zur gleich lautenden landesrechtlichen Regelung des § 13 Abs. 2 Nr. 3 2. Alt. BVO, Urteil vom
20.02.2006 - 4 S 2954/04 -, VBlBW 2006, 315; zitiert nach Juris). Sie hatte sich aber auf der Schweizer Seite nicht in der Nähe der Grenze
aufgehalten, als sich die Notwendigkeit ergab, das Krankenhaus aufzusuchen. Ein Beihilfeberechtigter hält sich nach dem genannten Urteil des
Verwaltungsgerichtshofs nur dann in der Nähe der Grenze auf, wenn er damit rechnen darf, mit dem Kraftfahrzeug ohne Schwierigkeiten nicht
länger als etwa eine Stunde für die Wiedereinreise nach Deutschland zu benötigen. Eine solche Fahrtzeit wäre im vorliegenden Falle von ... aus
offensichtlich nicht zu erreichen. Es kommt hinzu, dass sich das „nächstgelegene Krankenhaus“ nach dem Sinn und Zweck der Regelung,
Grenzbewohnern (von Konstanz bis Weil am Rhein) rascher die beste Versorgung (z.B. in Basel) zu ermöglichen, auf den Wohnort, nicht aber
den Ort des Vorfalles, beziehen mag, was hier allerdings letztlich offen bleiben kann. Gleiches gilt für die Frage, ob das Spital ... als „öffentliches
Krankenhaus“ im Sinne der Vorschrift anzusehen wäre.
25 Aus dem Vorstehenden ergibt sich mittelbar zugleich, dass es grundsätzlich in allen Fällen des § 13 BhV auf die Umstände der Wahl des
Krankenhauses im Ausland, insbesondere darauf, ob es sich um einen
Notfall
ausgegangen. Die einzige Fallgestaltung, bei welcher der „akute Anlass“, d.h. (auch) ein Notfall, eine Rolle spielt, ist mithin die genannte
Ausnahmeregelung für Grenzbewohner. Da Ausnahmeregelungen eng auszulegen sind und der „akute Anlass“ in § 13 Abs. 2 Nr. 3 BhV nach
der obergerichtlichen Rechtsprechung auch lediglich in einem „Stundenradius“ von der Grenze Bedeutung haben kann, kommt es nach dem
Willen des Erlassgebers in allen anderen Fällen auf eine Notfallsituation nicht an. Zu diesem Grundsatz des Beihilferechts hat das Gericht bereits
in einem anderen Verfahren (Urteil vom 12.07.2006 - 6 K 1551/05 -), in welchem die Wahl der Klinik notfallbedingt nicht frei erfolgen konnte,
ausgeführt:
26 „Das gilt auch in
Notfällen
Beihilfevorschriften sehen insoweit keine unterschiedliche Bewertung vor, insbesondere z.B. keinen Verzicht auf die Vergleichsberechnung, auf
welchen der Kläger letztlich abhebt. Das ist auch rechtlich nicht geboten, weil die Vergleichsberechnung nicht zur Sanktion der „Wahl“ des
Beihilfeberechtigten für eine teurere Klinik, sondern einseitig zur Begrenzung der Beihilfekosten vorgesehen ist. Der Anlass für eine Behandlung
in der Privatklinik kann unter diesen Umständen keine Rolle spielen. Folglich kann es auch auf den „freien“ Willen des Beihilfeberechtigten, sich
in die Privatklinik zu begeben, nicht ankommen. Soweit er nicht aus freien Stücken in die Privatklinik gelangt war, hat dies - wie bei allen
Notfällen, z.B. einem Unfall im Ausland, - schicksalhaften Charakter.…Es kommt hinzu, dass die Nichtberücksichtigung des Anlasses der
Aufnahme in eine Privatklinik in hohem Maße den Grundsätzen der
Generalisierung und Pauschalierung
ausgeführt hat. Eine Regelung, die „Notfälle“ von der generellen Abrechnungsweise ausnehmen würde, würde sich nämlich voraussichtlich
rasch als unpraktikabel erweisen. Jedenfalls wäre ihre Anwendung mit einem erheblichen - der Beihilfestelle letztlich unzumutbaren -
Verwaltungsaufwand verbunden…..Letztlich wäre die behauptete Überlastung der Universitätsklinik nur durch eine unter Einbeziehung von
Zeugen durchzuführende Beweisaufnahme zu klären….Des Weiteren müsste in solchen Fällen zur Beurteilung der Dringlichkeit des „Notfalles“
weiter geklärt werden, ob lediglich die überbelegte Klinik zu einer sachgemäßen und dem Beihilfeberechtigten zumutbaren Versorgung in der
Lage gewesen war, wovon hier - jedenfalls nach Meinung des fachkundigen Oberarztes - ebenfalls kaum ausgegangen werden
könnte….Schließlich müsste zweifelsohne vielfach geklärt werden, ob der „Notfall“ wirklich so dringlich gewesen war, dass nicht - oder
gegebenenfalls wie lange höchstens - auf einen eventuell frei werdenden Behandlungsplatz hätte gewartet werden können. All dies zu ermitteln
ist allein zur Vermeidung von einzelnen Belastungsfällen der Beihilfeverwaltung weder organisatorisch noch finanziell zuzumuten.“(Zitat-Ende)
Diese Überlegungen gelten auch im vorliegenden Falle.
27 All dies verstößt auch nicht gegen die
Fürsorgepflicht
Beihilfeberechtigte auch schon bei Krankheitsfällen im Inland gewisse „Härten“ hinzunehmen. Insbesondere ist es nicht geboten, alle
krankheitsbedingten Aufwendungen durch Beihilfen abzudecken; geboten ist lediglich eine angemessene Beteiligung an den Aufwendungen.
Dem Dienstherrn verbleibt ein erheblicher Spielraum, in dessen Rahmen er Voraussetzungen, Umfang sowie Art und Weise der Erfüllung seiner
Fürsorgepflicht bestimmen kann (so schon BVerwG, Urteil vom 20.10.1976, BVerwGE 41, 192 ff.) Ein Zurückgreifen auf die allgemeine
Fürsorgepflicht ist daher nur dann zulässig und geboten, wenn die Versagung einer Hilfe die Fürsorgepflicht in ihrem Kern verletzen würde. Das
trifft hier nicht zu. Für im Ausland eintretende Krankheitsfälle, sofern sie nicht im Zusammenhang mit der Ausübung des Dienstes stehen (§ 13
Abs. 2 Nr. 1 BhV) oder ihre Behandlung dort ausdrücklich gestattet wird (§ 13 Abs. 2 Nr. 2 BhV) braucht der Dienstherr schon im Ansatz nicht in
vollem Umfange einzustehen, kann also auch der Kern der Fürsorgepflicht in aller Regel nicht verletzt sein. Zutreffend hat die Beklagte insoweit
auf das
Territorialprinzip
rechtfertigt sich letztlich daraus, dass der Dienstherr im Ausland keinerlei Möglichkeiten hat, auf die für seine Leistungsgewährung maßgeblichen
Verhältnisse Einfluss zu nehmen, beispielsweise auf die Art und Weise der Krankenversorgung, das Abrechnungssystem, die
Rechnungsüberprüfung usw.. Insoweit fehlt häufig sogar die Möglichkeit, ausreichenden Einblick in diese Verhältnisse zu gewinnen. Unter
diesen Umständen ist es ihm folglich nicht zuzumuten, Leistungen zu erbringen, soweit sie über das hinausgehen, was im Inland angemessen
ist. Außerhalb der Landesgrenzen hat der Beamte somit grundsätzlich in höherem Maße als im Inland für sich selbst zu sorgen. Diese
Unterscheidung zwischen In- und Ausland im Beihilferecht steht mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in jedem Falle in Einklang
(Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, a.a.O.), zumal es dem ins Ausland reisenden Beamten obliegt, durch Abschluss einer
Auslandskrankenversicherung selbst Vorsorge zu treffen. Geschieht dies nicht, kann grundsätzlich auch kein existenzieller Härtefall anerkannt
werden, wenn er mit extrem hohen Krankenkosten belastet wird, die in seiner Heimat unbekannt sind. So verhält es sich hier.
28 Die Beklagte hat den hiernach gebotenen Kostenvergleich auch rechnerisch zutreffend durchgeführt. Insoweit kann im Einzelnen auf ihre
detaillierte Darstellung in der Klageerwiderung vom 26.07.2006 (S. 4) verwiesen werden, gegenüber welcher die Klägerin keine Einwendungen
erhoben hat. Ausweislich des in den Akten enthaltenen Auszugs des Computerprogramms der Universität Münster zur Berechnung der
Behandlungskosten ist nach der hier von den Beteiligten nicht in Zweifel gezogenen Beschreibung des Krankheitsbildes durch das Spital in ...
von dem international katalogisierten Krankheitsfall
DRG-Ziffer B 80 Z
Basisentgelt bei eintägiger Verweildauer im Krankenhaus in Höhe von 502,61 Euro und bei zweitägiger Verweildauer in Höhe von 923,71 Euro
anzusetzen. Bezüglich dieser Beträge nimmt das Gericht - von einer eigenen Darstellung der Entscheidungsgründe absehend - erneut auf die
zutreffenden Ausführungen der Beklagten Bezug (§ 117 Abs. 5 VwGO). Entgegen der Auffassung der Klägerin kann die Beklagte die
Angemessenheit höherer Aufwendungen nicht anhand der nachgereichten Auflistung von Einzelposten des Spitals ... vom 20.01.2006 nach
billigem Ermessen anerkennen (§ 13 Abs. 1 Satz 2 BhV). Denn die Angemessenheit von Aufwendungen ist fiktiv an den im Inland
vergleichsweise entstehenden Kosten zu messen. Dieser Kostenrahmen ist im vorliegenden Falle mit dem genannten Basisentgelt bereits
höchstmöglich ausgeschöpft. Auch ist keine Summierung von konkreten Einzelpositionen und fiktiven Pauschalbeträgen zulässig. Für eine über
den fiktiven Pauschbetrag hinausgehende Zubilligung von Kosten „nach billigem Ermessen“ fehlen damit die rechtlichen Voraussetzungen.
29
2.
zwei nur einen Tag des Krankenhausaufenthalts der Klägerin in ... als Grundlage für die vergleichsweise anzusetzenden Kosten anerkannt. Für
diese Einschränkung ist jedoch kein Grund zu ersehen. Unstreitig hatte sich die Klägerin über Nacht - also an zwei Tagen - stationär im Spital
aufgehalten. Damit erscheint ein Ansatz von
zwei Tagen
überhaupt ein stationärer Aufenthalt medizinisch geboten gewesen war, ist im Rahmen des Kostenvergleichs, sofern die ärztliche Entscheidung
nicht völlig willkürlich erscheint, nicht zu überprüfen. Grundsätzlich findet der Vergleich nach § 13 Abs. 1 BhV nämlich lediglich zwischen den
Aufwendungen, nicht aber den Behandlungsmethoden statt.
30 Geht man folglich von einer Verweildauer von zwei Tagen aus, so hat die Klage in dem Umfange Erfolg, als Aufwendungen in Höhe von
insgesamt
923,71 Euro
Beihilfe anzusetzen sind.
31
3.
1/35 unterlegenen Beklagten - auch aus Gründen der Praktikabilität - keine Kosten aufzuerlegen. Im Übrigen besteht keine Veranlassung, die
Entscheidung hinsichtlich der Kosten gemäß § 167 Abs. 2 VwGO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.
32
4.
Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO).