Urteil des VG Freiburg vom 14.01.2010

VG Freiburg (antragsteller, forschung, ssk, juristische person, mobilfunk, wissenschaftliche forschung, öffentliche gewalt, europäische kommission, bewertung, grundstück)

VG Freiburg Beschluß vom 14.1.2010, 1 K 2125/09
Elektrosmog; Mobilfunk-Forschungsprogramm; Grenzwerte der BImSchV 26
Leitsätze
Die Bundesregierung verletzt nicht die verfassungsrechtliche Schutzpflicht gegenüber Gesundheit und Leben,
wenn sie, gestützt auf die (Zwischen-) Ergebnisse des Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramms, derzeit
weiterhin an den bestehenden Grenzwerten der 26. BImSchV festhält.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 3.750,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
1
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Nachbarrechtsschutz gegen eine der Beigeladenen erteilte
Baugenehmigung.
2
Die Beigeladene, ein Telekommunikationsunternehmen, beantragte im Anschluss an einen mit der
Antragsgegnerin unter dem 6.11.2008 abgeschlossenen „Freiflächen-Mietvertrag“ am 28.11.2008 die
Baugenehmigung zur Errichtung einer Sende- und Empfangsstation (Basisstation) für Mobilfunk mit
Antennenmast auf dem westlich an den Ortsrand des Stadtteils ... angrenzenden Grundstück der
Antragsgegnerin Flst.Nr. ..., ... Weg. Der Festlegung dieses im Außenbereich liegenden Standorts war ein
mehrjähriger Such- und Abstimmungsprozess zwischen Mobilfunkbetreiber und Verwaltung sowie dem (mit
Vertretern des Gemeinderats, der Verwaltung, der 4 Mobilfunkbetreiber sowie der Vereinigung „Ärzte gegen
Mobilfunk“ besetzten) Mobilfunkbeirat der Antragsgegnerin vorausgegangen. An dessen Ende wurde der
Standort auf Wunsch des Mobilfunkbeirats vereinbart, nachdem ein ursprünglich von der Beigeladenen
bevorzugter Alternativstandort auf einem Wohnhochhaus (... Straße ...) an der fehlenden Zustimmung der
Eigentümergemeinschaft gescheitert war. Der die Mobilfunkanlage tragende Sendemast soll eine Höhe von
50,45 m haben. An ihm sollen in einer Höhe von 48,20 m drei Mobilfunkantennen mit der Systemtechnik GSM
900, GSM 1800 und UMTS sowie fünf Richtfunkantennen angebracht werden.
3
Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein. Die von ihm getragene ...schule ist eine (seit 1979) staatlich
anerkannte Ersatzschule mit 44 Vollzeit- und 10 Teilzeitlehrkräften. An der Schule werden in den
Jahrgangsstufen 1 - 13 insgesamt 496 Schüler unterrichtet und auf die Bildungsabschlüsse Hauptschule,
Realschule, Fachhochschule und Abitur hingeführt. Mitglieder des Vereins sind die Lehrer und, mit dem
Schuleintritt ihres Kindes, die Eltern. Das im beplanten Innenbereich gelegene Grundstück Flst.Nr. ... des
Antragstellers ist von dem Außenbereichsgrundstück, auf dem die Beigeladene ihr Vorhaben beabsichtigt, nur
durch das schmale, im Eigentum der Antragsgegnerin stehende Wegegrundstück („... Weg“) Flst.Nr. ...
getrennt. Die ...schule befindet sich in etwa 130 m Entfernung vom geplanten Standort der
Mobilfunksendeanlage.
4
Gegen die ihm von der Antragsgegnerin unter gleichzeitiger Zurückweisung seiner Einwendungen
bekanntgegebene Baugenehmigung vom 4.8.2009 erhob der Antragsteller am 4.9.2009 Widerspruch bei der
Antragsgegnerin und am 9.9.2009 Petition zum Landtag Baden-Württemberg; Entscheidungen im
Widerspruchs- und Petitionsverfahren sind bislang noch nicht ergangen.
5
Am 10.11.2009 hat der Antragsteller den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
gestellt. Er macht geltend, die Baugenehmigung sei ihm gegenüber rechtswidrig, weil von der Anlage
schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen würden. Ferner verstoße sie gegen das nachbarliche
Rücksichtnahmegebot. Bei Realisierung des Bauvorhabens sei die wirtschaftliche Existenz der Ersatzschule
ernsthaft gefährdet, da bereits viele Eltern für diesen Fall die Absicht geäußert hätten, ihre Kinder aus der
Schule zu nehmen. Die Antragsgegnerin habe die Standortbescheinigung der Bundesnetzagentur zu Grunde
gelegt, ohne der eigenen Verpflichtung nachzukommen, das Auftreten schädlicher Umwelteinwirkungen zu
prüfen. Die Standortbescheinigung erfasse nicht die athermischen Umwelteinwirkungen der geplanten
Mobilfunkanlage. Im Übrigen sei das Vorhaben nicht privilegiert, weil es aufgrund anderer Möglichkeiten am
erforderlichen Standortbezug fehle; der Antragsteller hat zum Beleg hierfür ein von ihm in Auftrag gegebenes
„Standortgutachten Mobilfunk“ des ... ... vom 30.6.2009 vorgelegt. Auch als sonstiges Außenbereichsvorhaben
beeinträchtige es öffentliche Belange, weil es als erheblich störender, markanter technischer Fremdkörper das
Landschaftsbild zerstöre. Ferner widerspreche es dem gültigen Flächennutzungsplan und liege, ohne dass eine
Ausnahme oder Befreiung erteilt worden sei, in einem FFH-Gebiet.
II.
6
Der gemäß §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag ist unbegründet. Das private Interesse der
beigeladenen Bauherrin an der Ausnutzung der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Baugenehmigung (vgl. §
212a BauGB) überwiegt das gegenläufige private Interesse des Antragstellers, vorläufig vom Vollzug der
Baugenehmigung verschont zu bleiben. Nach derzeitigem Erkenntnisstand und bei der im Eilverfahren
möglichen Prüfung der Sach- und Rechtslage wird der (zulässige) Widerspruch des Antragstellers sachlich
voraussichtlich keinen Erfolg haben. Denn die angefochtene Baugenehmigung verstößt mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die - worauf es allein ankommt - zumindest
auch dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt sind.
7
1.)
(mangels Standortbezugs) im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB sowie wegen Beeinträchtigung des Natur-
und Landschaftsschutzes (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB) und wegen Widerspruchs zu den Darstellungen
des Flächennutzungsplans (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB) beruft, muss diesen Einwänden von vornherein
der Erfolg versagt bleiben, weil es sich hierbei nicht um (zumindest auch) dem Interesse von Nachbarn
bestimmte Regelungen handelt. Der Eigentümer eines Grundstücks im Innenbereich kann gegenüber einer auf
dem Nachbargrundstück im Außenbereich genehmigten Bebauung Rücksichtnahme auf seine Interessen im
Rahmen einer Abwägung mit den Interessen des Bauherrn nur insoweit verlangen, als er über eine
schutzwürdige Abwehrposition verfügt. Eine solche Position erlangt er nicht allein dadurch, dass die auf
seinem Grundstück verwirklichte Nutzung baurechtlich zulässig, das auf dem anderen Grundstück genehmigte
Vorhaben dagegen wegen einer Beeinträchtigung öffentlicher Belange, die nicht dem Schutz privater Dritter zu
dienen bestimmt sind, unzulässig ist. Ist der Nachbar, der sich gegen ein Vorhaben zur Wehr setzt, nicht in der
Lage, eine der Rücksichtnahme bedürftige Position aufzuzeigen, so kann er dieses Defizit nicht dadurch
ausgleichen, dass er die zur objektivrechtlichen Unzulässigkeit des Vorhabens führende Beeinträchtigung
eines öffentlichen Interesses, aus der allein ihm kein Abwehrrecht erwächst, ins Feld führt und mit sonstigen
für ihn nachteiligen Folgen des Vorhabens zu einer subjektiven Rechtsverletzung gleichsam aufwertet
(BVerwG, Urt. v. 28.10.1993 - 4 C 5/93 - NVwZ 1994, 686).
8
2.)
Rücksichtnahmegebot vermitteln. Danach liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn ein
Vorhaben schädliche Umwelteinwirkungen hervorrufen kann. Der hier eingetretene Nutzungskonflikt mit dem
Vorhaben der Beigeladenen ist immissionsspezifischer Art. Die - wie für eine subjektiv-rechtliche Position
vorauszusetzen - qualifizierte und individualisierende Betroffenheit des Antragstellers ergibt sich daraus, dass
das Vorhaben der Beigeladenen vom Grundstück Flst.Nr. ... nur durch einen Waldweg getrennt ist - die
Nutzung auf diesem Grundstück (Schulgebäude des Antragstellers) spielt sich in nur etwa 130 m Entfernung
von der geplanten Mobilfunkbasisstation ab. Der Antragsteller ist rechtsfähige juristische Person des
Privatrechts und Eigentümer des Grundstücks Flst.Nr. ... und folglich sowohl in baurechtlicher (vgl. Mampel
, [1994], Rnr. 271 m.w.N.) als auch in immissionsschutzrechtlicher
Hinsicht (vgl. Jarass, BImSchG, 7. Aufl. 2007, § 3 Rnr. 35 m.w.N.) schutzwürdiger Nachbar.
9
Nach dem Ergebnis des summarischen Verfahrens geht die Kammer davon aus, dass das Vorhaben zulasten
des Antragstellers nicht rücksichtslos ist, weil es keine schädlichen Umwelteinwirkungen hervorruft.
10
a.)
BauGB kann auf die Begriffsbestimmungen und Maßstäbe der §§ 3 Abs. 1, 22 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2
BImSchG sowie die dazu ergangenen Rechtsverordnungen zurückgegriffen werden. Diese Vorschriften
bestimmen die Grenze der Zumutbarkeit von Umwelteinwirkungen für Nachbarn und damit das Maß der
gebotenen Rücksichtnahme auch mit Wirkung für das Baurecht (BVerwG, Beschl. v. 9.4.2008 - 7 B 2/08 -,
NVwZ 2008, 789). Die Anforderungen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen
Umwelteinwirkungen und zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch elektromagnetische Felder
werden durch die Verordnung über elektromagnetische Felder - 26. BImSchV - konkretisiert. Die 26. BImSchV
enthält im Rahmen ihres Anwendungsbereichs (vgl. § 1 der 26. BImSchV) eine verbindliche Konkretisierung der
Anforderungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Die nach § 23 BImSchG erlassenen
Rechtsverordnungen dienen der Konkretisierung der immissionsschutzrechtlichen Betreiberpflichten gemäß §
22 BImSchG (BVerwG, Beschl. v. 28.7.1999 - 4 B 38/99 -, NVwZ 2000, 552) und können, insbesondere was
die Vorsorge betrifft, auch darüber hinausgehen; das Schutzniveau des § 22 BImSchG darf hingegen durch sie
nicht unterschritten werden (Hansmann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht Band I, BImSchG § 23 [Oktober
2006], Rnr. 14; Jarass, BImSchG, 7. Aufl. 2007, § 23, Rnrn. 1 und 3; Sparwasser/Engel/Voßkuhle,
Umweltrecht, 5. Aufl. 2003, § 10 Rnr. 267). Die §§ 2 und 3 der 26. BImSchV legen für Hochfrequenzanlagen,
zu denen die Mobilfunkbasisstation der Beigeladenen zählt, Immissionsgrenzwerte fest. Weitergehende
Anforderungen aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben zwar unberührt (vgl. § 6 der 26. BImSchV).
Insbesondere die bereichsspezifischen Bestimmungen des Funkanlagen- und
Telekommunikationseinrichtungengesetzes (FTG) i.V.m. der auf der Grundlage des § 12 FTG
(Verordnungsermächtigung betreffend den Schutz von Personen in elektromagnetischen Feldern) erlassenen
Verordnung über das Nachweisverfahren zur Begrenzung elektromagnetischer Felder (BEMFV) enthalten
jedoch keine strengeren Schutz-/Vorsorgeanforderungen. § 3 BEMFV bestimmt vielmehr, dass zur Begrenzung
der elektromagnetischen Felder von ortsfesten Funkanlagen für den Frequenzbereich 9 Kiloherz bis 300
Gigaherz die in der (jeweils) geltenden Fassung der 26. BImSchV festgesetzten Grenzwerte einzuhalten sind.
11
b.)
messen. Einer spezifischen parlamentsgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für die Einführung und den
Betrieb der Mobilfunktechnologie bedarf es über die im FTEG, der BEMFV und dem BImSchG getroffenen
Regelungen hinaus nicht (
a.A.
ebenso VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 18.2.1993 - 5 L 3261/92 - ZUR 1993, 119). Prüfungsmaßstab für den
vom Antragsteller geforderten Schutz ist (i.V.m. dem baurechtlichen Rücksichtnahmegebot und der BEMFV)
das BImSchG, das zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen die Pflichten der Betreiber nicht-
genehmigungsbedürftiger Anlagen regelt, die wiederum durch untergesetzliche Vorschriften konkretisiert
werden. Diese auf die Anlage der Beigeladenen anwendbaren Vorschriften bieten ausreichenden Schutz vor
den von ihr ausgehenden Gefahren und beugen durch Vorsorgeanforderungen gegenwärtig noch nicht
erkennbaren Risiken möglicherweise schädlicher Umwelteinwirkungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit vor.
Da die Vorschriften damit generell-abstrakt geeignet sind, den gebotenen Schutz der menschlichen Gesundheit
und der Umwelt sicherzustellen, bedarf es keiner ausdrücklichen Zulassung durch ein bereichsspezifisches
Gesetz (vgl. für niederfrequente elektromagnetische Felder einer Transformatorenstation: BVerfG, Beschl. v.
17.2.1997 - 1 BvR 1658/96 - NJW 1997, 2509; vgl. für die Nanotechnologie: BVerwG, Urt. v. 11.12.2003 - 7 C
19/02 - NVwZ 2004, 610; in diesem Sinne ebenfalls bereits für die Mobilfunktechnologie: Hess. VGH, Beschl.
v. 30.12.1994 - 3 TH 525/94 -, ZUR 1995, 205). Darauf, ob die Mobilfunktechnologie vom öffentlichen
Versorgungsauftrag mit Universaldienstleistungen i.S.v. Art. 87f GG und § 78 TKG umfasst ist (verneinend:
Budzinski, a.a.O., Seite 854), kommt es – anders als etwa bei der Interessenabwägung im Zusammenhang mit
baurechtlichen Ausnahmen/Befreiungen (vgl. dazu etwa Bay. VGH, Urt. v. 26.6.2008 - 1 B 05.1104 - UPR
2009) – hier nicht an.
12
c.)
Abs. 1, 5 Abs. 2 BEMFV, § 3 Satz 1 Nr. 1 BEMFV i.V.m. §§ 2 und 3 der 26. BImSchV) ist hier nachgewiesen,
dass das Vorhaben der Beigeladenen die Grenzwerte der §§ 2 und 3 der 26. BImSchV einhält. Der notwendige
Sicherheitsabstand beträgt - bezogen auf den genehmigten Standort und die beantragte Montagehöhe der
Bezugsantenne über Grund von 48,20 m - in Hauptstrahlrichtung 13,61 m und vertikal 2,58 m; die
systembezogenen Sicherheitsabstände je Einzelantenne liegen zwischen 3,4 m und 6,14 m
(Hauptstrahlrichtung) bzw. zwischen 0,54 m und 1,23 m (vertikal). Es ist unter den Beteiligten unstreitig, dass
diese Sicherheitsabstände zum Grundstück des Antragstellers bei weitem gewahrt sind. Das vom Antragsteller
in Auftrag gegebene ...-Gutachten vom 30.6.2009 gelangt entsprechend bei seiner Beurteilung der
Immissionssituation zu dem Ergebnis, dass die durchschnittliche Immissionsbelastung im 130 m vom
Antennenstandort entfernten Schulbereich (nur) 1,76 % (Mittelwert) bzw. 3,9 % (Maximalwert) des Grenzwerts
der 26. BImSchV beträgt (vgl. Seite 19 des Gutachtens, Abbildungen 21 und 22). Zwar sind mit der
Standortbescheinigung - schon mangels ihrer Bekanntgabe und Wirksamkeit gegenüber dem Antragsteller - die
immissionsfachlichen Gesichtspunkte nicht bereits in einem gesonderten Verfahren bindend geklärt (und
folglich im Baugenehmigungsverfahren nicht mehr i.S.v. § 58 Abs. 1 Satz 1 LBO von der Baurechtsbehörde
und dem Gericht weiter zu prüfen – so aber ausdrücklich: VG Stuttgart, Urt. v. 3.3.2009 - 5 K 860/09 -, juris;
VG Münster, Beschl. v. 15.5.2009 - 1 L 164/09 –, juris). Im Regelfall reichen die Angaben in der
Standortbescheinigung jedoch für die Prüfung durch die zuständige Behörde aus (vgl. die amtlichen
Begründungen zu § 4 BEMFV [BR-Drucks 423/02, abgedr. bei Feldhaus, a.a.O., B2.26.0, Seite 11/12] sowie
zu § 7 der 26. BImSchV [BR-Drucks 393/96, abgedr. bei Feldhaus, a.a.O., B 2.26, Seite 15/16]; vgl. auch
Abschnitt III.1 der Hinweise des Länderausschusses für Immissionsschutz vom März 2004 zur Durchführung
der Verordnung über elektromagnetische Felder [abgedr. bei Landmann/Rohmer, Umweltrecht Band II, 4.5]).
13
d.)
Auffassung in der Rechtsprechung sowie der herrschenden Meinung in der Literatur der sich aus Art. 2 Abs. 2
Satz 1 GG ergebenden staatlichen Pflicht zum Schutz der menschlichen Gesundheit. Bei Einhaltung der in § 2
in Verbindung mit Anhang 1 der 26. BImSchV bestimmten immissionsbezogenen Grenzwerte werden keine
schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne des Immissionsschutzrechts hervorgerufen. Das gilt auch für die
athermischen Wirkungen hochfrequenter elektromagnetischer Felder, d.h. solche, die gegenüber den (zum
Schutz vor thermischen Wirkungen motivierten) Grenzwerten vergleichsweise schwache Intensität aufweisen
und wegen der geringen Leistungsflussdichte (angegeben in Watt/m² [= Produkt aus elektrischer und
magnetischer Feldstärke]) keine messbare Temperaturerhöhung in Lebewesen hervorrufen ( BVerfG , Beschl.
v. 24.1.2007 - 1 BvR 382/05 - NVwZ 2007, 805; Beschl. v. 8.12.2004 - 1 BvR 1238/04 - NVwZ-RR 2005, 227;
Beschl. v. 28.2.2002 - 1 BvR 1676/01 -, NJW 2002, 1638; EGMR , Entscheidung v. 3.7.2007 - 32015/02 -
NVwZ 2008, 1215; BVerwG , Urt. v. 10.12.2003 - 9 A 73/02 - NVwZ 2004, 613; BGH , Urt. v. 13.2.2004 - V ZR
217/03 - NVwZ 2004, 1019; OVG Schl.-Holst., Urt. v. 10.11.2009 - 1 LC 236/05 - BeckRS 2009, 41671; Bay.
VGH , Beschl. v. 5.8.2009 - 15 CS 09.971 - juris; OVG NRW , Beschl. v. 9.1.2009 - 13 A 2023/08 - BeckRS
2009, 31021; OVG Sachs.-Anh ., Beschl. v. 9.11.2004 - 1 BS 377/04 - NVwZ 2005, 352; VGH Bad.-Württ. ,
Beschl. v. 2.3.2004 - 8 S 243/04 - VBlBW 2004, 262; Beschl. v. 19.4.2002 - 3 S 590/02 - NVwZ-RR 2003, 27;
VG Freiburg , Urt. v. 9.7.2009 - 4 K 1113/07; VG Stuttgart , Urt. v. 3.3.2009 - 5 K 860/08 - juris; VG Freiburg ,
Beschl. v. 3.11.2008 - 6 K 1788/08; VG Karlsruhe , Urt. v. 20.4.2004 - 4 K 4638/02 - juris; Hansmann, in:
Landmann/Rohmer, Umweltrecht Band I, BImSchG § 22 [Oktober 2006], Rnr. 13e; Jarass, a.a.O., § 23, Rnr.
32/33; Appel/Bulla, DVBl. 2008, 1277, 1285).
14 Die Kammer hegt keine durchgreifenden Bedenken gegen die Wirksamkeit der einschlägigen Regelungen.
Ausreichende Anhaltspunkte dafür, die 26. BImSchV bleibe hinter dem Schutzniveau des § 22 Abs. 1
BImSchG zurück bzw. verstoße gegen die aus Art. 2 Abs. 2 GG folgende Schutz-/Vorsorgepflicht des Staates
(so aber Budzinski, a.a.O., Seite 856/857; ders., NVwZ 2009, 160, 161; ders., NuR 2008, 535, 542; ferner
Herkner, BauR 2006, 1399,1402), gibt es nach Auffassung der Kammer derzeit nicht. Der Ausgang des
Hauptsacheverfahrens erscheint folglich nicht derart offen, dass in eine umfassende Interessenabwägung
einzutreten wäre (vgl. zu einer solchen Hess. VGH, Beschl. v. 30.12.1994, a.a.O., für die Sach- und
Rechtslage noch vor Erlass der 26. BImSchV).
15
Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum zu, der auch Raum lässt, etwa konkurrierende
öffentliche und private Interessen zu berücksichtigen. Bei komplexen Gefährdungslagen, über die noch keine
verlässlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, besteht mithin ein angemessener Erfahrungs- und
Anpassungsspielraum. In einer solchen Situation der Ungewissheit verlangt die staatliche Schutzpflicht von
den Gerichten weder, ungesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen mit Hilfe des Prozessrechts zur
Durchsetzung zu verhelfen, noch, die Vorsorgeentscheidung des Verordnungsgebers unter Kontrolle zu halten
und die Schutzeignung der Grenzwerte jeweils nach dem aktuellen Stand der Forschung zu beurteilen. Es ist
vielmehr Sache des Verordnungsgebers, den Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft mit geeigneten Mitteln
nach allen Seiten zu beobachten und zu bewerten, um gegebenenfalls weiter gehende Schutzmaßnahmen
treffen zu können. Eine gerichtliche Überprüfung darf nicht dazu führen, dass sich die politische Verantwortung
für die Risikoermittlung und -bewertung auf die Gerichte verlagert. Dies wäre notwendig der Fall, wenn die
Gerichte hier ihre eigenen Bewertungen an die Stelle der Risikoabschätzung des Verordnungsgebers setzen
könnten. Eine Verletzung der Schutzpflicht kann nur festgestellt werden, wenn die öffentliche Gewalt
Schutzvorkehrungen evident überhaupt nicht getroffen hat oder die getroffenen Maßnahmen gänzlich
ungeeignet oder völlig unzulänglich sind, das gebotene Schutzziel zu erreichen, oder erheblich dahinter
zurückbleiben (BVerfG, Beschl. v. 17.2.1997, a.a.O.; Beschl. v. 28.2.2002, a.a.O.; BVerwG, Beschl. v.
16.2.1998 - 11 B 5/98 - NVwZ 1998, 631 [KKW Krümmel])
16
mittlerweile rechtsfehlerhaft verlassen hätte, kann nicht festgestellt werden. In ihrer Erklärung vom 17.6.2008
zum Abschluss des Deutschen Mobilfunk-Forschungsprogramms (DMF) hat die Bundesregierung ausgeführt,
sich bewusst zu sein, dass auch intensivste wissenschaftliche Forschung mögliche Risiken nicht völlig
ausschließen könne. Sie werde deshalb auch nach Abschluss des DMF gezielt Forschung auf dem Gebiet des
Mobilfunks weiter betreiben, um die fachlichen Grundlagen zur Risikobewertung in einigen Bereichen weiter zu
verbessern. Sie habe die Strahlenschutzkommission (SSK) gebeten, in den Bereichen, in denen aus ihrer Sicht
noch Forschungsbedarf bestehe, Vorschläge für weitere Forschungsvorhaben zu unterbreiten. Ferner habe sie
die SSK gebeten, die Ergebnisse der Mobilfunkforschung mit den Erkenntnissen der internationalen Forschung
auf diesem Gebiet abzugleichen und hierzu zeitnah zu berichten. Vor diesem Hintergrund halte sie weiterhin an
den bestehenden Grenzwerten fest und bekenne sich auch weiterhin zu Vorsorgemaßnahmen
17
( http://www.bmu.de/files/pdfs/allgemein/application/pdf/dmf_abschluss_erklaerung.pdf ).
18
elektromagnetischer Felder nicht als vorsorgeirrelevantes Restrisiko (so noch Nds. OVG, Beschl. v. 19.1.2001
- 1 O 2761/00 - NuR 2001, 341; ferner Gehrken/Kahle/Mechel, ZUR 2006, 72,73; eine Einordnung als Restrisiko
kritisieren schließlich auch Budzinski und Herkner, jeweils a.a.O.). Vielmehr betreibt die Bundesregierung
Vorsorge in Gestalt von Forschung/Aufklärung, was rechtlich nicht beanstandet werden kann. Zur Vorsorge
gehören Maßnahmen, die einem Gefahrenverdacht - etwa wie hier im Sinne noch ungeklärter
Wirkungszusammenhänge - begegnen sollen. Vorsorgemaßnahmen fordern allerdings nicht zwingend
Immissionsgrenzwertfestsetzungen oder -verschärfungen. Das staatliche Risikomanagement im
Vorsorgebereich lässt vielmehr einen breiten Raum, der in Abhängigkeit von der Art und Schwere der
Befürchtung von der bloßen Risikoinformation, der aktivitätsbegleitenden Risikobeobachtung, der gezielten
weiteren Risikowissensgenerierung und Alternativensuche über kosteneffektive Risikominderungsmaßnahmen
bis hin zum Verbot der Aktivität reichen kann (BVerfG, Beschl. v. 20.12.1979 - 1 BvR 385/77 [Mülheim-
Kärlich]-, BVerfGE 53, 30, 58; BVerwG, Urt. v. 11.12.2003 - 7 C 19/02 -, a.a.O. [Nanotechnologie]; Di Fabio, in:
Maunz - Dürig - Herzog, GG, Art. 2 Abs. 2 [Februar 2004] Anmerkungen 49 und 90/91); Köck, ZUR 2002, 349,
350).
19
Vorsorgepflicht zur Anpassung der Immissionsgrenzwerte der 26. BImSchV für Hochfrequenzanlagen ergibt
sich weder aus Art. 20a GG noch aus dem europarechtlichen Vorsorgeprinzip (so aber Budzinski, NuR 2009,
846, 854; Kniep/Gratzel, WuM 2009, 383). Der Schutzauftrag des Art. 20a GG umfasst nur dann zugleich den
Schutz der menschlichen Gesundheit, wenn diese gerade infolge von Schädigungen der natürlichen
Lebensgrundlagen gefährdet ist. Soweit bislang erkennbar, wirken elektromagnetische Felder jedoch nicht über
Beeinträchtigungen von Luft oder Boden, sondern unmittelbar auf den Menschen ein (VGH Bad.-Württ., Beschl.
v. 2.3.2004 - 8 S 243/04 -, a.a.O.). Auch europarechtliche Vorgaben in Art. 191 Abs. 2 AEUV (ex-Art. 174 Abs.
2 EG) gehen nicht weiter. Nach der für Rechtsanwendung und -auslegung beachtlichen Mitteilung der
Europäischen Kommission vom 2.2.2000 über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips (abgedr. in NVwZ-Beil.
IV/2001) soll das EU-Vorsorgeprinzip auf der Grundlage einer dreistufigen Risikoanalyse (Risikobewertung,
Risikomanagementstrategie sowie Information über Risiken) Berücksichtigung finden. Sofern
Vorsorgemaßnahmen für erforderlich gehalten werden, soll die Palette möglicher Instrumente von rechtlich
verbindlichen Maßnahmen über Forschungsprojekte bis hin zu Empfehlungen reichen (vgl. Appel
Sorge um die Vorsorge - Zur Mitteilung der Europäischen Kommission über die Anwendbarkeit des
Vorsorgeprinzips>, NVwZ 2001, 395, 396). Ein wesentlicher Unterschied zu den oben (unter cc.) dargelegten
nationalrechtlichen Grundsätzen zur abgestuften Vorsorge im Umweltschutz besteht mithin nicht.
20
Verordnungsgeber derzeit in einem ihm zukommenden „angemessenen Erfahrungs- und Anpassungsspielraum“
(BVerfG, Beschl. v. 28.2.2002, a.a.O., Seite 1639) bewegt, wenn er zunächst weiterhin den
Erkenntnisfortschritt der Wissenschaft beobachtet. Der Fortgang der Forschung als solcher reicht allein
ohnehin nicht aus, einmal gewonnene Erkenntnisse als überholt und nicht mehr bindend anzusehen (BVerwG,
Urt. v. 10.12.2003 - 9 A 73/02, a.a.O., Seite 614). Durch die Betrachtung einzelner wissenschaftlicher Studien
kann kein konsistentes Bild über die Gefährdungslage erlangt werden. Entsprechend reicht es zum In-Frage-
stellen eines Schutzkonzepts auch nicht aus, wenn einzelne Experten den Erkenntnisstand anders bewerten,
solange abweichende Meinungen weder außer acht gelassen noch in unvertretbarer Weise fehlgewichtet
werden (BVerwG, Beschl. v. 16.2.1998, a.a.O. [KKW Krümmel]; Köck, a.a.O., Seite 351; Appel/Bulla, a.a.O.,
Seite 1286). Eine kompetente Risikobewertung setzt die laufende fallübergreifende Sichtung und Bewertung der
umfangreichen Forschung voraus, wie sie von verschiedenen internationalen und nationalen
Fachkommissionen wahrgenommen wird (BVerfG, Beschl. v. 28.2.2002, a.a.O., Seite 1639). Es müssen
angemessene Untersuchungen und Studien herangezogen werden, um den Normgeber in die Lage zu
versetzen, einen gerechten Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen herzustellen. Dies erfordert
nicht nur die aktive Förderung von Forschung, sondern auch die regelmäßige Prüfung, ob der (jeweils gerade
erreichte) Stand der Forschung eine Anpassung der Regelungen erfordert (EGMR, Entscheidung vom 3.7.2007,
a.a.O., Seite 1216).
21 Die Kammer kann nicht feststellen, dass diese Anforderungen von der Bundesregierung verletzt worden wären.
Das von ihr initiierte und vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) in den Jahren 2002 bis 2008
durchgeführte erste Deutsche Mobilfunk-Forschungsprogramm (DMF) gehört zu den weltweit größten
Programmen, die in diesem Bereich durchgeführt wurden. Die Strahlenschutzkommission (SSK) und das
Bundesamt für Strahlenschutz(BfS) halten die Ergebnisse des DMF zusammenfassend wie folgt fest (vgl. die
Stellungnahme der SSK vom 13.5.2008 [www.ssk.de/de/werke/2008/volltext/ssk0804.pdf]; vgl. ferner die
Bewertung durch das BfS, Stand 15.5.2008 [www.emf-forschungsprogramm.de/]): In 54 Forschungsprojekten
aus den Bereichen Biologie, Dosimetrie, Epidemiologie und Risikokommunikation seien einschlägige
Fragestellungen zu möglichen gesundheitlichen Risiken und der gesellschaftlichen Wahrnehmung
hochfrequenter elektromagnetischer Felder untersucht und Fragen der Risikokommunikation nachgegangen
worden. Aus dem DMF hätten bis Mitte 2008 insgesamt 60 Fachpublikationen und 50 Beiträge zu
Fachveranstaltungen resultiert. Die Ergebnisse begleitender wissenschaftlicher Fachgespräche hätten die
Grundlage für eine abschließende wissenschaftliche Tagung unter Einbeziehung nationaler wie internationaler
Expertengruppen und Organisationen (u. a. WHO, ICNIRP) gebildet, im Laufe derer die Ergebnisse fachlich
diskutiert und die verbleibenden wissenschaftlichen Lücken identifiziert worden seien. Die biologischen
Untersuchungen des DMF hätten in wesentlichen Fragestellungen wichtige Beiträge zur Klärung gebracht.
Nicht-thermische Effekte hätten nicht nachgewiesen werden können. Untersuchungen zu nicht-thermischen
Wechselwirkungsmodellen blieben weiterhin aktuell, insbesondere in Hinblick auf potenzielle genotoxische
Effekte. Während für die gesundheitliche Bewertung akuter Expositionen aus biologischer Sicht bereits
vielfältiges Datenmaterial vorliege, sei für die Bewertung länger anhaltender bis lebenslanger Expositionen noch
Forschungsbedarf gegeben, der besonders in Hinblick auf potenzielle Langzeiteffekte zu sehen sei. Dazu seien
auch weitere Arbeiten über potenzielle genotoxische Effekte und die Übertragbarkeit von Ergebnissen aus
Tierversuchen auf den Menschen erforderlich. Ebenso fehlten weiterhin biologische Ergebnisse zur Festlegung
eines geeigneten Expositionsmaßes bei zeitlich variierenden und räumlich inhomogenen Expositionen sowie
tolerierbare Temperaturänderungen und Änderungsgeschwindigkeiten. Offene Fragen ergäben sich auch
bezüglich der Exposition von Föten und Kindern sowie potenzieller Auswirkungen auf Kognition, Befindlichkeit
und Schlaf. Epidemiologische Untersuchungen zu potenziellen Langzeitwirkungen hätten bisher aufgrund der
noch relativ kurzen Zeiträume der Handynutzung eingeschränkte Aussagekraft. Schwierig zu klärende Fragen
stellten Befindlichkeitsstörungen dar, die von Betroffenen auf Mobilfunkeinflüsse zurückgeführt würden. Die
Epidemiologie könne dabei zwar Hilfestellungen geben, aber es werde erforderlich sein, zur Klärung auch
hypothesenbasierte und experimentelle Untersuchungsansätze und Strategien anzuwenden. Insgesamt habe
das DMF einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung der wissenschaftlichen Grundlage für die
gesundheitliche Bewertung der Exposition durch die elektromagnetischen Felder des Mobilfunks und damit zur
Risikokommunikation geleistet. Die bisherigen Ergebnisse zeigten, dass die ursprünglichen Befürchtungen über
gesundheitliche Risiken nicht bestätigt werden könnten. Es hätten sich durch die Forschungsergebnisse des
DMF auch keine neuen Hinweise auf bisher noch nicht bedachte gesundheitliche Auswirkungen ergeben. In
Übereinstimmung mit anderen internationalen Gremien (WHO, ICNIRP) könne festgestellt werden, dass die den
bestehenden Grenzwerten zugrundeliegenden Schutzkonzepte nicht in Frage gestellt seien. Aus der Sicht des
Strahlenschutzes sei jedoch ferner festzustellen, dass im Bereich biologischer Wechselwirkungen ein einziges
Forschungsprojekt allein selbst bei herausragender Qualität nicht in der Lage sein könne, eine
wissenschaftliche Fragestellung endgültig zu klären. In diesem Sinn sei es verständlich, wenn trotz des
Umstandes, dass die ursprünglichen Hinweise auf potenzielle gesundheitliche Wirkungen des Mobilfunks nicht
bestätigt worden seien, noch Forschungsbedarf gegeben bleibe.
22 Dass die Bundesregierung sich bei ihrer Bewertung des Erkenntnisstandes vorwiegend auf diese
Stellungnahmen der SSK und des BfS gestützt hat, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Den Aussagen
insbesondere der SSK, gegen deren fachliche Kompetenz zur Darstellung und Bewertung der Erkenntnislage
bislang keine ernsthaften Einwände erhoben wurden, durfte die Bundesregierung einen besonderen Stellenwert
zumessen. Dies gilt zumal dann, wenn diese Aussagen sich im Rahmen von Empfehlungen internationaler
Expertengremien bewegen (vgl. für die atomare Strahlenschutzvorsorge: BVerwG, Beschl. v. 16.2.1998, a.a.O.
[KKW Krümmel]). Hierbei wurde schließlich auch nicht die Eigenart der Materie verkannt, die sich auf ein „unter
der Hand entwickeltes Technikgebiet mit nachgezogener Forschung“ (Hess. VGH, Beschl. v. 30.12.1994,
a.a.O.) bezieht. Die SSK und das BfS haben in ihren Stellungnahmen vom 13.5.2008 bzw. vom 15.5.2008 zum
DMF hervorgehoben, dass die rasche Entwicklung und schnelle Verbreitung neuer Technologien ein
besonderes Problem der Untersuchung langer Zeiträume darstellten, die ständige Änderungen des
Expositionsszenarios bewirkten und die dosimetrische Zuordnung und Interpretation von Ergebnissen erheblich
erschwerten. Durch die Verwendung immer neuer drahtloser Technologien nehme die Exposition der
Bevölkerung ständig zu. Auch Fragen der Gesamtexposition in komplizierten Szenarien mit mehreren
unterschiedlichen Quellen seien noch nicht abschließend beantwortet und weiter zu erforschen.
23
gerichtliche Risikobewertung zu erfolgen hätte, weil „die Forschung so weit fortgeschritten ist, dass sich die
Beurteilungsproblematik auf bestimmte Fragestellungen verengen lässt, welche anhand gesicherter Befunde
von anerkannter wissenschaftlicher Seite geklärt werden können“ (BVerfG, Beschl. v. 28.2.2002, a.a.O., Seite
1639). Zwar konnten viele DMF-Projekte erst im Jahr 2004 begonnen werden und deshalb einige Studien
innerhalb der Gesamtlaufzeit des Programms nicht mehr zu Ende gebracht werden. Es wird somit Aufgabe der
durch SSK und BfS sachverständig beratenen Bundesregierung sein, die Ergebnisse des DMF nach Vorliegen
der Ergebnisse aller Projekte auch unter Einbeziehung der zwischenzeitlich erarbeiteten wissenschaftlichen
Literatur und der Ergebnisse anderer nationaler Forschungsprogramme in eine aktuelle Gesamtbewertung
einzubinden (vgl. z.B. das in 2009 neu veröffentlichte Dokument der ICNIRP, in dem sie den aktuellen
wissenschaftlichen Stand der Diskussion über Wirkungen und Risiken hochfrequenter elektromagnetischer
Felder zusammenfasst [www.icnirp.de/PubEMF.htm]; vgl. ferner Europäische Kommission, Update-Bericht
vom 19.1.2009 des Scientific Committee on Emerging and Newly Identified Health Risks
[http://ec.europa.eu/health/ph_risk/committees/04_scenihr/04_scenihr_en.htm]).
24
3.)
anderen, die Nachbarschaft möglicherweise weniger belastenden Standort zu errichten. Im Gegensatz zum
Planfeststellungsrecht mit seiner aus dem Abwägungsgebot als Ausprägung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eröffneten Alternativenprüfung ist die bebauungsrechtliche Prüfung an den
Bauwunsch des Bauherrn gebunden; er allein bestimmt das Vorhaben, dessen Zulässigkeit von der Behörde zu
prüfen ist. Ergibt die Prüfung, dass die Belastungen an dem vom Bauherrn gewählten Standort für den
Nachbarn zumutbar sind, so muss er die bauliche Anlage auch dann hinnehmen, wenn es einen besser
geeigneten Alternativstandort gibt (BVerwG, Beschl. v. 13.10.1998 - 4 B 93/98 -, NVwZ 1999, 298).
25
4.)
geltend machen, bei Zulassung des Betriebs der Mobilfunkbasisstation verliere er - mit der Folge wiederum
wirtschaftlicher Einbußen - Schüler. Der Fortbestand einer bestimmten Grundstückssituation stellt eine als
solche rechtlich nicht geschützte Chance dar; Veränderungen in der Umgebung durch die Verwirklichung eines
genehmigten Vorhabens entziehen daher keine Rechtsposition. Dementsprechend bilden mögliche
Wertminderungen als Folge der Ausnutzung einer einem Dritten erteilten Baugenehmigung für sich genommen
keinen Maßstab dafür, ob Beeinträchtigungen im Sinne des Rücksichtnahmegebots zumutbar sind oder nicht.
Die durch eine Nachbarbebauung bewirkte Wertminderung eines Grundstücks vermittelt dessen Eigentümer nur
dann einen Abwehranspruch gegenüber dem Nachbarvorhaben, wenn die Wertminderung die Folge einer
Verletzung des Rücksichtnahmegebots oder einer anderen nachbarschützenden Norm ist (BVerwG, Beschl. v.
13.11.1997 - 4 B 195/97 -, NVwZ-RR 1998, 540). Den „gravierenden Wertverlust“ einer Immobilie“ als
schädliche Umwelteinwirkung in Gestalt eines „erheblichen Nachteils“ i.S.v. § 3 Abs. 1 BImSchG anzusehen
(so Budzinski, NuR 2008, 535, 538), dürfte sich deshalb verbieten. Im Übrigen gilt für Nachteile und
Belästigungen ohnehin, dass es hier aufgrund der geringeren Belastung generell einer relativ hohen
Schadenswahrscheinlichkeit bedürfte, ein - wie derzeit hier - bloßer Verdacht genügt nicht (Jarass, a.a.O., § 3
Rn. 45).
26
5.)
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen, entspricht der Billigkeit, da diese als Bauherrin ohne ihr
Zutun in das Verfahren hineingezogen wurde (§ 162 Abs. 3 VwGO); dies gilt unabhängig davon, ob sie selbst
einen Antrag gestellt und ein Kostenrisiko getragen hat (VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 5.4.2004 - 3 S 361/04).
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG; mangels echter Vorwegnahme der
Hauptsache hat die Kammer den gemäß Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2004 anzusetzenden Wert von
7.500,-- EUR halbiert. Hinsichtlich der Möglichkeit der Streitwertbeschwerde wird auf § 68 Abs. 1 GKG
verwiesen; im übrigen gilt wegen der Anfechtbarkeit dieses Beschlusses folgende