Urteil des VG Freiburg vom 12.10.2010

VG Freiburg (verordnung, juristische person, kläger, milch, eröffnung des verfahrens, ausschlagung einer erbschaft, begründung, betrieb, zpo, tätigkeit)

VG Freiburg Urteil vom 12.10.2010, 3 K 1198/09
Leitsätze
Zur Frage der Veräußerung der Milchquote im Übertragungsstellenverfahren durch den Insolvenzverwalter nach
einem Beschluss der Gläubigerversammlung, den landwirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Insolvenzschuldners
einzustellen.
Tenor
Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Regierungspräsidiums Tübingen vom 25.06.2009 rechtswidrig war.
Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
1
Mit Beschluss vom 06.11.2008 - 1 IN 76/07 (1 IN 30/8; 1 IN 109/08) - eröffnete das Amtsgericht ... -
Insolvenzgericht - das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beigeladenen (eines Landwirts mit
Milchproduktion) und ernannte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
2
Die Gläubigerversammlung beschloss am 15.04.2009 die Einstellung des Geschäftsbetriebs des Beigeladenen,
woraufhin der Insolvenzverwalter in der Folgezeit die Insolvenzmasse verwertete.
3
Am 26.05.2009 bestätigte das Landratsamt ... - Amt für Landwirtschaft -, dass der Beigeladene über eine zur
Abgabe vorgesehene Milchanlieferungsquote - Milchquote - von 149.857 kg bei einem Referenzfettgehalt von
3,91 % verfügt.
4
Mit Schreiben vom 27.05.2009 bot der Kläger daraufhin der Service- und Marketinggesellschaft
Landesbauernverband BWmbH die vorgenannte Milchquote zum Übertragungsstellentermin am 01.07.2009 an,
was diese auch mit Schreiben vom 08.06.2009 bestätigte (146.485 kg Milch, umgerechnet auf den
Standardfettgehalt von 4 %).
5
Mit Bescheid vom 25.06.2009 wies das Regierungspräsidium ... - Übertragungsstelle für Milchquoten Baden-
Württemberg - das Milchquotengebot gem. § 14 Abs. 3 Milchquotenverordnung zurück, soweit es 90.000 kg
Milch übersteigt. Zur Begründung heißt es, die Milchquote sei eine öffentlich-rechtliche Abgabenvergünstigung,
die das Recht zur abgabenfreien Milchanlieferung in bestimmter Menge beinhalte. Ihre rechtliche Behandlung in
Zwangsvollstreckung und Insolvenz sei umstritten. Gemäß § 8 Abs. 1 Milchquotenverordnung dürfe die
Übertragung ausschließlich nach den Bestimmungen der Milchquotenverordnung erfolgen. § 26
Milchquotenverordnung bestimme u.a., dass der Insolvenzverwalter die Quote übertragen könne soweit ihr
Inhaber - der Beigeladene - entweder über keinen Milcherzeugungsbetrieb verfüge oder sein
Milcherzeugungsbetrieb im Rahmen des Insolvenzverfahrens aufgelöst worden sei. An dieser letztgenannten,
hier allein relevanten Voraussetzung fehle es vorliegend trotz des Beschlusses der Gläubigerversammlung
vom 15.04.2009. Denn unter „sein Milcherzeugungsbetrieb“ i.S. des § 26 Milchquotenverordnung sei nicht ein
bestimmtes Unternehmen zu verstehen, sondern die Tätigkeit der Milcherzeugung generell, was sich aus der
Bindung der Milchquote an den Milcherzeuger ergebe. Der Beigeladene setze aber die Milcherzeugung mit den
bisherigen Betriebsmitteln am gleichen Ort fort. Die sicherungsübereigneten Milchkühe seien ihm (nach
Freigabe aus der grundpfandrechtlichen Haftung) von der ... ... ... als Sicherungsnehmer wieder überlassen
worden. Trotz der Kündigung der Pachtverträge und der anstehenden Verwertung der mit Grundpfandrechten
belasteten Eigentumsflächen setze der Beigeladene dort seine landwirtschaftliche Tätigkeit fort. Teilweise habe
er auch neue Pachtverträge abgeschlossen. Da der Beigeladene aber lediglich den 90.000 kg übersteigenden
Teil der Milchquote für seine Milchproduktion benötige, sei das Angebot auch nur insoweit zurückzuweisen
gewesen.
6
Am 27.07.2009, einem Montag, hat der Kläger verwaltungsgerichtliche Klage erhoben. Zu deren Begründung
macht er geltend, die Voraussetzungen aus § 26 Milchquotenverordnung für eine Veräußerung durch den
Insolvenzverwalter seien gegeben, denn der Milcherzeugungsbetrieb des Beigeladenen sei entsprechend dem
Beschluss der Gläubigerversammlung vom 15.04.2009 im Rahmen des Insolvenzverfahrens aufgelöst worden.
Mangels gegenteiliger Regelung in der Milchquotenverordnung sei dies auch im Rahmen dieser Norm zu
beachten. Aufgrund dieses Beschlusses seien sämtliche veräußerbaren Vermögensgegenstände verwertet
worden. Insolvenzrechtlich sei nicht zu erkennen, warum jetzt die grundsätzlich übertragbare Milchquote nicht
sollte verwertet werden dürfen. Dass dem Beigeladenen die Milchkühe von der ... ... ... wieder überlassen
worden seien und der Kläger die selbständige Tätigkeit am 07.05.2009 gem. § 35 Abs. 2 InsO aus der
Insolvenzmasse freigegeben habe, rechtfertige keine andere Beurteilung. Die Freigabe sei mit dem
ausdrücklichen Hinweis erfolgt, dass die Milchquote davon nicht umfasst sei. Der Beigeladene betreibe im
Übrigen nunmehr (zusammen mit seinem Bruder) einen neuen Milcherzeugungsbetrieb mit neuer
Betriebsnummer, für den er eine neue Milchquote erwerben müsse. Das Ziel der EG-Milchquotenregelung, dass
jegliche Milcherzeugung durch eine entsprechende Quote abgedeckt sein müsse, um eine Überproduktion zu
vermeiden, werde durch die Zulassung der Veräußerung der Milchquote durch den Insolvenzverwalter also
gerade nicht beeinträchtigt. Das Argument des Beklagten, ein Milcherzeugungsbetrieb im Sinne der EG-
Milchquotenregelung sei die Gesamtheit der von einem Betriebsinhaber verwalteten Produktionseinheiten, die
sich auf dem Gebiet desselben Mitgliedstaates befänden, verkenne, dass die bisherige unternehmerische
Tätigkeit des Beigeladenen vom Kläger als Insolvenzverwalter vollständig abzuwickeln sei, auch wenn der
Beigeladene als natürliche Person anders als eine juristische Person selbstverständlich weiterlebe. Die
maßgebliche Zäsur sei in beiden Fällen die Veräußerung der Massegegenstände. Ungeachtet dessen habe
sich im Jahre 2010 herausgestellt, dass die Tierhaltung des Beigeladenen derart schlecht sei, dass mit der
zwangsweisen Wegnahme der Kühe und der Einstellung der Milchproduktion insgesamt zu rechnen sei. -
Folgte man der Argumentation des Beklagten, so führte die Freigabe der selbständigen Tätigkeit des
Beigeladenen aus der Insolvenzmasse dazu, dass seine Vermögenswerte nicht vollständig verwertet werden
könnten und er Restschuldbefreiung erlange, obwohl er als Selbständiger gem. §§ 35 Abs. 2 Satz 2, 295 InsO
nicht besser als ein abhängig Tätiger gestellt werden dürfe. Ohne die Freigabe wäre der Beigeladene nicht
berechtigt, außerhalb der Insolvenzmasse eine neue Milcherzeugung zu betreiben. Der Beigeladene als
Insolvenzschuldner würde durch die nach Art. 12 GG gebotene Freigabe gegenüber anderen Milcherzeugern
unberechtigt bevorzugt. Während diese die Milchquote käuflich erwerben müssten, würde sie dem
Beigeladenen aus der Insolvenzmasse schenkungsweise überlassen. - Mit dem Verstreichen des
Verkaufsstellentermins am 01.07.2009 habe sich der streitige Bescheid erledigt. Es bestehe jedoch ein
berechtigtes Interesse an der Feststellung seiner Rechtswidrigkeit, denn es sei konkret damit zu rechnen, dass
der Beklagte auch ein Gebot bezüglich der noch ausstehenden Milchquote zu einem zukünftigen
Veräußerungstermin zurückweisen werde und gerichtlicher Rechtsschutz dann wieder nicht rechtzeitig zu
erlangen sei. Da die an der Milchbörse erzielten Gleichgewichtspreise ständig geringer würden, stünden auch
Amtshaftungsansprüche im Raum.
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Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass der Bescheid des Regierungspräsidiums ... vom 25.06.2009 rechtswidrig war.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
11 Er macht geltend, das zuständige Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
gehe in Übereinstimmung mit dem Beklagten generell von der Un-pfändbarkeit der Milchquote aus. Diese sei
als öffentlich-rechtliche Befugnis, abgabenfrei Milch zu liefern, an die Milcherzeugereigenschaft gebunden,
denn die Milchquote solle zur Erzeugung und Vermarktung von Milch dienen und nicht dazu, unter Ausnutzung
ihres Marktwertes lediglich finanzielle Vorteile daraus zu ziehen. Der Bundesgerichtshof gehe in seiner
Rechtsprechung allerdings von der Pfändbarkeit der Milchquote aus. Lediglich die Überweisung zur Einziehung
an den Gläubiger sei nicht möglich. Sie solle durch eine Anordnung des Vollstreckungsgerichts gem. § 857
Abs. 5 ZPO ersetzt werden, die Milchquote an einer zuständigen Übertragungsstelle gem. §§ 11 ff.
Milchquotenverordnung zu veräußern. Der Bundesgerichtshof verkenne aber, dass der Antrag auf Übertragung
an einer Übertragungsstelle (Milchquotenbörse) überhaupt nur von einem aktiven Milcherzeuger gestellt werden
könne. In Reaktion auf diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei in § 8 Abs. 1 Satz 1
Milchquotenverordnung klargestellt worden, dass die Milchquote „nur im Rahmen und nach Maßgabe der in
dieser Verordnung vorgesehenen Möglichkeiten übertragen werden“ könne. Ausweislich der Begründung (BR-
Drucksache 935/06 v. 28.12.2006, S. 48) habe mit dieser Vorschrift klargestellt werden sollen, dass die
Übertragung von Milchquoten im Rahmen der Zwangsvollstreckung nicht möglich sei. Der Bundesfinanzhof
gehe dementsprechend in seiner Rechtsprechung davon aus, dass auch eine dem Insolvenzbeschlag
unterliegende Milchquote eingezogen werden könne. Denn darin sei die Ausübung einer öffentlich-rechtlichen
Befugnis und keine während des Insolvenzverfahrens unzulässige Maßnahme der Einzelzwangsvollstreckung
zu sehen. Vor diesem Hintergrund regele § 26 Milchquotenverordnung, unter welchen Voraussetzungen die
Verwertung der Milchquote im Rahmen eines Insolvenzverfahrens möglich sei. In der Begründung dazu (BR-
Drucksache 935/06 v. 28.12.2006, S. 56) heiße es, soweit der Referenzmengeninhaber noch über einen
Milcherzeugungsbetrieb verfüge, solle es nicht möglich sein, im Rahmen des Insolvenzverfahrens die
Referenzmenge (jetzt: Milchquote) von dem Betrieb zu trennen. Die Voraussetzungen dieser Norm lägen mithin
nicht vor. Der Beigeladene als Inhaber der Milchquote verfüge weiterhin über einen Milcherzeugungsbetrieb.
Dafür genüge nach der Definition des Milcherzeugers in Art. 65c Verordnung (EG) 1234/2007, dass eine Person
eigenverantwortlich Milch erzeuge. Genau dies habe der Kläger dem Beigeladenen mit Schreiben vom
07.05.2009 aber gestattet. Ohnehin sei nach Art. 67 Abs. 1 Verordnung (EG) 1234/2007 die Milchquote einer
Person und nicht einem Betrieb zugeordnet, wie aus der Formulierung „die einzelbetrieblichen Quoten der
Erzeuger“ zu ersehen sei. - Schlussendlich sei der Milcherzeugungsbetrieb des Beigeladenen auch nicht im
Sinne des § 26 Milchquotenverordnung im Rahmen des Insolvenzverfahrens aufgelöst worden. Aus dem Sinn
und Zweck dieser Bestimmung folge, dass die Milchquote dem Milcherzeuger solange persönlich verbleiben
solle, wie er Milcherzeugung betreibe, denn jegliche Milcherzeugung solle zur Begrenzung der Überproduktion
durch eine Milchquote abgedeckt sein. Nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft sei ein
(Milcherzeugungs-) Betrieb die Gesamtheit der von einem Betriebsinhaber verwalteten Produktionseinheiten,
die sich auf dem Gebiet desselben Mitgliedstaates befinden (Art. 65d Verordnung (EG) 1234/2007, Art. 2b
Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 bzw. seit 01.01.2009 Art. 2b Verordnung (EG) 73/2009). Nach Art. 2a
Verordnung (EG) Nr. 73/2009 sei Betriebsinhaber eine „natürliche oder juristische Person“, deren Betrieb sich
im Gebiet der EG befinde und die eine landwirtschaftliche Tätigkeit ausübe. Daraus ergebe sich, dass eine
Person nach dem Agrarmarktrecht solange Inhaber eines Milcherzeugungsbetriebs sei, wie sie eine
landwirtschaftliche Produktionseinheit zur Milcherzeugung eigenverantwortlich betreibe. Auf das Verhältnis der
Betriebsinhaber zu den Produktionseinheiten (Eigentum bzw. Pacht) komme es dabei ebenso wenig an wie auf
die Inhaberschaft an einem bestimmten Betrieb. § 26 Milchquotenverordnung stelle mithin nicht auf einen
konkreten Betrieb ab, sondern verlange als Voraussetzung für die Veräußerung der Milchquote durch den
Insolvenzverwalter, dass der Beigeladene als Insolvenzschuldner überhaupt keine Milcherzeugung mehr
betreibe. Der Betriebsbegriff sei hier rein funktional im Hinblick auf die tatsächliche Ausübung der
landwirtschaftlichen Tätigkeit zu betrachten.
12 Der Beigeladene beantragt,
13
die Klage abzuweisen.
14 Er macht geltend, mit seiner Betriebseinstellung sei auch weiterhin nicht zu rechnen. Zwar sei tatsächlich
einmal der Zellgehalt in der Milch zu hoch gewesen, das liege jedoch daran, dass der Kläger über keinerlei
landwirtschaftliche Kenntnisse verfüge und deshalb die Betriebsführung sehr erschwert gewesen sei. Von einer
Betriebsaufgabe könne keine Rede sein, denn die Milcherzeugung werde auf dem gleichen Grundstück, in den
gleichen Gebäuden, mit den gleichen Maschinen, denselben Tieren und derselben Futterfläche fortgeführt.
15 Dem Gericht liegt die Akte des Regierungspräsidiums ... (ein Band) vor. Darauf sowie auf die Gerichtsakte wird
ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
16 Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Der Bescheid des
Regierungspräsidiums ... vom 25.06.2009 ist ein Verwaltungsakt, der sich mit Durchführung des
Übertragungsstellenverfahrens am 01.07.2009 in sonstiger Weise erledigt hat. Der Eintritt der Erledigung vor
Klageerhebung steht der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage nicht entgegen, denn § 113 Abs. 1
Satz 4 VwGO ist in diesen Fällen entsprechend anwendbar. Der Kläger hat unter dem Gesichtspunkt der
Wiederholungsgefahr auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des streitigen
Bescheids.
17 Im Einzelnen:
18 Die Zurückweisung eines Milchquotenverkaufsangebots erfolgt durch Verwaltungsakt. Die
Milchanlieferungsquote des Beigeladenen von 149.857 kg bei einem Referenzfettgehalt von 3,91 % ist eine
öffentlich-rechtliche Abgabenvergünstigung. Hält der Beigeladene - wie auch ein sonstiger Inhaber einer
Milchanlieferungsquote - diese ein, kann er auch im Falle einer Überlieferung der deutschen einzelstaatlichen
Milchquote nicht zu der EG-rechtlich für diesen Fall vorgesehenen Überschussabgabe herangezogen werden -
vgl. dazu die Art. 65, 66 Abs. 1 u. 2, 67, 78 Abs. 1, 79, 80 der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates v.
22.10.2007 - ABl. L 299 v. 10.11.2007 -, die gemäß Art. 204 Abs. 2g der genannten Verordnung ab 01.04.2008
anwendbar sind, bzw. die nationale Durchführungsbestimmung in § 7 Nr. 1 Milchquotenverordnung v.
04.03.2008 (BGBl. I, S. 359), die ebenfalls am 01.04.2008 in Kraft getreten ist (vgl. § 58
Milchquotenverordnung). Nach § 8 Abs. 1 Milchquotenverordnung können die Milchquoten nur im Rahmen und
nach Maßgabe der in der Milchquotenverordnung vorgesehenen Möglichkeiten übertragen werden, und zwar -
von in der Milchquotenverordnung im Einzelnen geregelten Ausnahmen abgesehen - nur flächen- und
betriebsungebunden, dauerhaft und schriftlich. Grundsätzlich sind die Milchanlieferungsquoten im so genannten
Übertragungsstellenverfahren gem. §§ 11 ff. Milchquotenverordnung zu übertragen. Die Übertragung erfolgt
danach - in einem dem Verfahren an der Börse vergleichbaren Prozedere -, soweit die Angebote (§ 12
Milchquotenverordnung) und die Nachfragenangebote (§ 13 Milchquotenverordnung) sich decken (bezüglich der
hier nicht relevanten komplizierten Einzelheiten vgl. die §§ 11 ff. Milchquotenverordnung). Das
Übertragungsstellenverfahren wird im Übertragungsbereich West - den so genannten alten Ländern - durch
Übertragungsstellen der Länder (vorliegend das Regierungspräsidium ...) durchgeführt (§ 16 Abs. 3
Milchquotenverordnung), die die abgegebenen Gebote auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen haben und
unzulässige Gebote durch Bescheid zurückweisen (§ 14 Abs. 3 Satz 2 Milchquotenverordnung). Bereits diese
Wortwahl verdeutlicht, dass die Entscheidung über die Zurückweisung ein Verwaltungsakt ist. Ungeachtet
dessen folgt dieses Ergebnis auch aus dem öffentlich-rechtlichen Regelungszusammenhang des
Übertragungsstellenverfahrens, wonach über die Zulassung jedes einzelnen Gebotes eine Behörde (§ 35 Abs. 1
VwVfG) zu entscheiden hat (vgl. zum Charakter der Zurückweisungsentscheidung auch bereits VG
Sigmaringen, Beschl. v. 26.03.2003 - 4 K 438/03 -, zitiert nach Busse, Zur Frage der Pfändbarkeit von
Milchquoten und der Rechtsnatur der Milchquotenübertragung, Agrar- und Umweltrecht, 2006, S. 153 ff.,
Fußnote 47).
19 Die Zurückweisung des Gebots des Klägers im Schreiben vom 27.05.2009 durch den streitigen Bescheid des
Regierungspräsidiums ... vom 25.06.2009 hat sich mit Durchführung des Übertragungsstellentermins zum
01.07.2009 durch Zeitablauf erledigt (vgl. zu den Übertragungsstellenterminen § 11 Abs. 1
Milchquotenverordnung). In einem späteren Übertragungsstellentermin konnte das Gebot nicht berücksichtigt
werden. Dies folgt aus den Regelungen in §§ 14 Abs. 1 Satz 2, 12 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3
Milchquotenverordnung, wonach mit dem Gebot jeweils aktuelle Nachweise über die (noch) verfügbare
Milchquote vorzulegen sind.
20 Die Milchquote des Beigeladenen ist im Umfang der Zurückweisung nach wie vor in der Insolvenzmasse
vorhanden (vgl. dazu die Einzelheiten unten). Der Kläger hat die Insolvenzmasse kraft Amtes zu verwerten (§
159 InsO). Angesichts des Rechtsstandpunktes des Beklagten muss er damit rechnen, dass auch Gebote für
zukünftige Übertragungsstellentermine ganz oder mindestens teilweise als unzulässig zurückgewiesen werden.
Gerichtlichen Rechtsschutz in der Hauptsache wird er auch dann nicht rechtzeitig erreichen können. Dem
Erfolg eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung dürfte das Verbot der Vorwegnahme der
Hauptsache entgegenstehen. Der Kläger hat daher ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung
unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr.
21 Die Klage ist auch begründet. Denn der Bescheid des Regierungspräsidiums ... vom 25.06.2009 ist
rechtswidrig. Das Gebot des Klägers im Schreiben vom 27.05.2009 zur Teilnahme am
Übertragungsstellentermin am 01.07.2009 wurde vom Regierungspräsidium ... zu Unrecht gem. § 14 Abs. 3
Satz 2 Milchquotenverordnung als unzulässig zurückgewiesen. Gründe, die der Zulassung des Gebots hätten
entgegenstehen können, sind nicht gegeben.
22 Ein Gebot ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Bieter eine Milchquote übertragen möchte, über die er
nicht (mehr) verfügt oder über die er nicht verfügungsberechtigt ist. Der Beklagte trägt hierzu vor, die
Milchquote sei als öffentlich-rechtliche Befugnis, abgabenfrei Milch zu liefern (vgl. dazu bereits oben),
unpfändbar. Dahinter steht der Gedanke, die Milchanlieferungsquote des Beigeladenen sei nicht Teil der
Insolvenzmasse und der Kläger als Insolvenzverwalter folglich nicht verfügungsberechtigt (vgl. § 80 Abs. 1
InsO). Dieser Rechtsstandpunkt wird in der Tat in der Begründung zu § 8 Milchabgabenverordnung, der wörtlich
übereinstimmenden Vorgängerbestimmung zu § 8 Milchquotenverordnung, vertreten (vgl. BR-Drucksache
935/06 v. 28.12.2006, S. 49). Dem ist jedoch nicht zu folgen.
23 Nach § 35 Abs. 1 InsO umfasst die Insolvenzmasse das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der
Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Gemäß § 36 Abs. 1 InsO gehören
jedoch die Gegenstände nicht zur Insolvenzmasse, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, etwa weil
sie unpfändbar sind. In § 36 Abs. 2 InsO ist eine - hier allerdings nicht unmittelbar relevante - Ausnahme
geregelt, wonach einzelne unpfändbare Gegenstände gleichwohl in die Insolvenzmasse fallen.
24 Nach diesen rechtlichen Vorgaben ist die Milchquote Teil der Insolvenzmasse. Der Bundesgerichtshof hat
entschieden, dass die Milchquote ein anderes Vermögensrecht i.S. des § 857 Abs. 1 ZPO ist, weil sie dem
Milcherzeuger das Recht gewährt, in ihrem Umfang abgabenfrei Milch anzuliefern und ihre (Pfand-)Verwertung
im Übertragungsstellenverfahren zur Befriedigung eines Geldanspruchs des Gläubigers des
Milchquoteninhabers führen kann. Das Vollstreckungsgericht muss dazu den Vollstreckungsgläubiger gem. §
857 Abs. 5 ZPO ermächtigen, die Milchquote an Stelle ihres Inhabers, des Vollstreckungsschuldners, im
Übertragungsstellenverfahren zu veräußern (vgl. BGH, Beschl. v. 20.06.2006 - VII ZB 92/05 - NJW-RR 2007,
1219, zitiert nach juris, der allerdings noch zu den - soweit hier relevant - inhaltlich übereinstimmenden
Regelungen der Milchabgabenverordnung ergangen ist, weshalb auch noch der mit der Milchquote
übereinstimmende Begriff der Milchreferenzmenge gebraucht wird - vgl. dazu Erwägungsgrund Nr. 36 zur
Verordnung (EG) Nr. 1234/2007).
25 Die Einstufung der Milchquote als anderes Vermögensrecht nach § 857 Abs. 1 ZPO rechtfertigt ihre
Qualifikation als Vermögensbestandteil i.S. des § 35 Abs. 1 InsO. Das ergibt sich aus der insoweit gleichen
Zielrichtung von Einzelzwangsvollstreckungsverfahren einerseits und Insolvenzverfahren andererseits. Beide
Verfahren sind auf die Befriedigung von Geldforderungen (bzw. auch von in Geld umgerechneten sonstigen
Forderungen gem. § 45 InsO) gerichtet. Im Einzelzwangsvollstreckungsverfahren geht es lediglich um die
Durchsetzung des Anspruchs eines einzelnen Gläubigers, im Insolvenzverfahren dagegen um die - möglichst
vollständige - Befriedigung der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger im Falle eines Insolvenzgrundes.
26 Die Milchquote ist auch pfändbar. Sie ist zunächst keine bloße, der Pfändung nicht unterworfene Befugnis, wie
etwa ein Kündigungsrecht, ein Anfechtungsrecht oder das Recht zur Ausschlagung einer Erbschaft, vielmehr
ist sie übertragbar und damit grundsätzlich verkehrsfähig (vgl. BGH, a.a.O.).
27 Stimmen in der Literatur (vgl. Busse, a.a.O.) vertreten allerdings die Auffassung, die Milchquote sei
unpfändbar, weil sie nicht nach §§ 398, 413 BGB abtretbar sei, und deshalb auch weder zur Sicherung
abgetreten noch verpfändet werden könne (§ 1274 BGB), sondern nur in den öffentlich-rechtlich geregelten
Übertragungsstellenverfahren (jetzt: §§ 11 ff. Milchquotenverordnung) übertragen werden könne.
28 Die eingeschränkte Übertragbarkeit der Milchquote steht ihrer Pfändbarkeit (§§ 857 Abs. 1, 851 ZPO) und
damit ihrer Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse indessen nicht entgegen.
29 Ob die eingeschränkte Übertragbarkeit eines Vermögensrechts dessen Pfändbarkeit gem. §§ 857 Abs. 1, 851
Abs. 1 ZPO ausschließt, ist durch Auslegung des beschränkenden Gesetzes zu ermitteln (vgl. BGH, Urt. v.
25.03.1999 - IX ZR 223/97 - BGHZ 141, 173/176). Wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat, ist die
Übertragbarkeit der Milchquote eingeschränkt, weil sie (grundsätzlich) nur Milcherzeugern zustehen darf, also
an einen milcherzeugenden Betrieb gebunden ist, um zu verhindern, dass sie nicht zur Erzeugung oder
Vermarktung von Milch verwendet wird, sondern dazu, unter Ausnutzung ihres Marktwertes (etwa durch
Spekulation) rein finanzielle Vorteile aus ihr zu ziehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.05.2006 - 3 C 32.05 -, juris).
Diese Zielsetzung der Milchquotenverordnung wird durch die Pfändung der Milchquote indessen nicht
beeinträchtigt, denn der Gläubiger kann sie nach einer Ermächtigung durch das Vollstreckungsgericht gem. §
857 Abs. 5 ZPO ebenso wie ihr Inhaber nur im Übertragungsstellenverfahren und nur an einen Milcherzeuger (§
8 Abs. 2 Satz 1 Milchquotenverordnung) übertragen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.12.2006 - 7 ZB 92/05 -, NJW-RR
2007, 1219).
30 Die vom Beklagten gegen diese Entscheidung vorgebrachten Einwendungen greifen nicht durch. Das
Argument, der Bundesgerichtshof habe verkannt, dass ein Gebot im Übertragungsstellenverfahren nur von
einem aktiven Milcherzeuger abgegeben werden könne, ist unzutreffend. Denn nach § 8 Abs. 2
Milchquotenverordnung kann die Milchquote in Sonderfällen (Erbfall usw.) zunächst auch von Personen
übernommen werden, die selbst keine Milcherzeuger sind. Nach § 9 Abs. 1 Milchquotenverordnung sind diese
Personen dann aber verpflichtet, die Milchquote innerhalb einer vorgegebenen Frist (als nicht aktive
Milcherzeuger) im Übertragungsstellenverfahren an einen Milcherzeuger zu übertragen. Anderenfalls wird sie
gem. § 9 Abs. 3 Milchquotenverordnung zugunsten der nationalen Milchquotenreserve eingezogen. Gerade vor
diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, warum ein Vollstreckungsgläubiger nicht gem. § 857 Abs. 5 ZPO sollte
ermächtigt werden können, im Übertragungsstellenverfahren ein Gebot abzugeben.
31 Wie bereits oben ausgeführt, heißt es allerdings in der Begründung zur Neufassung des wörtlich mit § 8
Milchquotenverordnung übereinstimmenden § 8 der Milchabgabenverordnung, aus der Bestimmung könne
zugleich geschlossen werden, dass die Übertragung im Rahmen einer Zwangsvollstreckung nicht möglich sei.
Denn das in sich geschlossene Übertragungssystem der Milchabgabenverordnung sehe eine solche
Übertragungsmöglichkeit nicht vor. Daher scheide nach § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO auch die Zugehörigkeit zu
einer Insolvenzmasse grundsätzlich aus, weshalb auch die Sonderbestimmung des § 26
Milchabgabenverordnung (bzw. jetzt: Milchquotenverordnung) erforderlich sei. Diese Begründung (vgl. BR-
Drucksache 935/06 v. 28.12.2006) ist nach der Erklärung des Beklagten eine Reaktion auf den Beschluss des
Bundesgerichtshofs vom 20.12.2006.
32 Aus den Ausführungen des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in der
genannten Begründung ist indessen nicht zu folgern, dass die Milchquotenverordnung auch in diesem Sinne
auszulegen ist. Zunächst ist die Begründung bereits in sich widersprüchlich. Wäre die Milchquote unpfändbar
und gehörte deshalb nicht zur Insolvenzmasse, könnte der Insolvenzverwalter darüber überhaupt nicht
verfügen (§ 80 Abs. 1 InsO). Einer die Übertragbarkeit der Milchquote durch den Insolvenzverwalter
einschränkenden Regelung in § 26 Milchabgabenverordnung (bzw. jetzt: in § 26 Milchquotenverordnung) hätte
es dann überhaupt nicht bedurft. Dass in den genannten Verordnungen eine („insolvenzrechtliche“) Regelung
des Inhalts getroffen werden sollte, dass der Insolvenzverwalter ausnahmsweise entgegen der gesetzlichen
Regelung in § 80 Abs. 1 InsO über nicht zur Insolvenzmasse gehörende Gegenstände soll verfügen dürfen, ist
nicht anzunehmen, denn eine solche Bestimmung wäre von der gesetzlichen Grundlage der genannten
Verordnungen (dazu sogleich) nicht gedeckt.
33 Gesetzliche Ermächtigungsgrundlage i.S. des § 80 Abs. 1 GG der Milchabgabenverordnung ebenso wie der
Milchquotenverordnung für die hier maßgeblichen Regelungen ist § 8 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung
der gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen (Marktorganisationsgesetz - MOG -) in der
Fassung der Bekanntmachung vom 24.06.2005 (BGBl. I, S. 1847). Nach dieser Bestimmung wird das
Bundesministerium, d.h. das Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (vgl. § 3 Abs. 2
Satz 1 MOG), ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem
Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
hinsichtlich Garantiemengen, Referenzmengen, Referenzbeträgen, Quoten, Obergrenzen, Zahlungsansprüchen
und sonstigen Mindest- oder Höchstmengen oder -beträgen, die in Regelungen i.S. des § 1 Abs. 2 MOG
vorgesehen sind (Mengen), Vorschriften über das Verfahren bezüglich Mengen und die Zuordnung von Mengen
zu erlassen, soweit die Vorschriften zur Durchführung von Regelungen i.S. des § 1 Abs. 2 MOG hinsichtlich
Marktordnungswaren oder Direktzahlungen erforderlich sind und im Falle der Zuordnung von Mengen die
Zuordnung nach den Regelungen i.S. des § 1 Abs. 2 MOG bestimmt, bestimmbar oder begrenzt ist. In § 8
Abs. 1 Satz 2 Nr. 3a MOG heißt es zwar u.a., in Rechtsverordnungen nach Satz 1 könne insbesondere die
Übertragung von Mengen geregelt werden, wobei persönliche, örtliche und zeitliche
Übertragungsbeschränkungen vorgesehen werden könnten. Die Anordnung der Unpfändbarkeit der Milchquote
in der Milchabgabenverordnung bzw. jetzt der Milchquotenverordnung ist jedoch keine persönliche
Übertragungsbeschränkung im Sinne der genannten Norm.
34 Das folgt aus dem Regelungszweck des § 8 Abs. 1 MOG. Denn nach Satz 1 dieser Bestimmung müssen die
Anordnungen in der Rechtsverordnung zur Durchführung von Regelungen i.S. des § 1 Abs. 2 MOG erforderlich
sein. Eine solche Regelung ist hier die Verordnung (EG) 1234/2007 (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 MOG). Die genannte
EG-Verordnung dient der Schaffung einer gemeinsamen Agrarpolitik und einer gemeinsamen Organisation der
Agrarmärkte (vgl. ihren Erwägungsgrund Nr. 1), nicht aber dem Schuldnerschutz in der
Einzelzwangsvollstreckung oder der Insolvenz. Im Erwägungsgrund Nr. 30 zur genannten Verordnung heißt es
dementsprechend, im Sektor Milch und Milcherzeugnisse sei die mengenmäßige Beschränkung der Erzeugung
über die Erhebung einer Abgabe über viele Jahre ein wesentliches Marktpolitikinstrument gewesen. Die Gründe
für dessen Beibehaltung bestünden fort. Nach Erwägungsgrund Nr. 36 ist Hauptziel der Milchquotenregelung
weiterhin, das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf dem entsprechenden Markt und die
daraus resultierenden strukturellen Überschüsse zu verringern und so ein besseres Marktgleichgewicht zu
erreichen. Die Bestimmungen in Art. 65 ff. der Verordnung (EG Nr. 1234/2007) zielen dementsprechend auch
auf die Regelung der genannten marktorganisatorischen Fragen ab. Normen, die bezwecken, die Landwirte -
etwa zu ihrer Förderung - in Zwangsvollstreckung und Insolvenz zu begünstigen, sind darin indessen nicht
enthalten.
35 Wie letztlich bereits der BGH in seinem Beschluss vom 20.12.2006 - VII ZB 92/05 -, a.a.O. ausgeführt hat,
steht die Pfändbarkeit und damit verbunden die Zugehörigkeit der Milchquote zur Insolvenzmasse den
marktorganisatorischen Zielsetzungen aber nicht entgegen. Denn es macht keinen Unterschied, ob der
Milcherzeuger selbst oder im Falle seiner Insolvenz der Insolvenzverwalter von der grundsätzlich gegebenen
Möglichkeit Gebrauch macht, die Quote im Übertragungsstellenverfahren an einen anderen Milcherzeuger zu
veräußern.
36 Mit anderen Worten, originär zwangsvollstreckungsrechtliche oder insolvenzrechtliche Regelungen ohne
marktordnungsrechtliche Relevanz, wie die Anordnung der Unpfändbarkeit der Milchquote bzw. ihrer
Nichtzugehörigkeit zur Insolvenzmasse, wären von Inhalt, Zweck und Ausmaß der gesetzlichen
Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt und damit unwirksam (§ 80 Abs. 1 Satz 2 GG). Deshalb kann die
Milchquotenverordnung ungeachtet ihrer Begründung auch nicht in diesem Sinne ausgelegt werden. Ihre
Wirksamkeit auf der Basis einer mit der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage übereinstimmenden Auslegung
bleibt davon unberührt.
37 Entgegen der Auffassung des Beklagten und des Beigeladenen liegen auch die Voraussetzungen des § 26
Milchquotenverordnung für die Übertragung der Milchquote durch den Insolvenzverwalter vor. Die
Gläubigerversammlung hat gem. §§ 156, 157 InsO die Einstellung des Geschäftsbetriebs des Beigeladenen
beschlossen und der Kläger in der Folgezeit die Insolvenzmasse veräußert. Dadurch haben die
Insolvenzgläubiger von der ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeit Gebrauch gemacht, den
Milcherzeugungsbetrieb des Beigeladenen als Insolvenzschuldner (wie in § 26 Milchquotenverordnung
vorgesehen) im Rahmen des Insolvenzverfahrens aufzulösen. Eine andere Form der Betriebsauflösung besteht
im Insolvenzverfahren auch nicht.
38 Dass der Beigeladene weiter Milch erzeugt, und zwar - wie er vorträgt -, mit im wesentlichen identischen
Produktionsmitteln, ändert daran nichts. Der Beigeladene kann diese Produktionsmittel weiterhin nutzen, weil
sie nicht in die Masse gefallen sind bzw. die Verpächter bereit waren, ihm die entsprechenden Flächen trotz
des Eintritts der Insolvenz zu überlassen. Von solchen Zufälligkeiten kann die Verwertbarkeit der Milchquote
im Insolvenzverfahren aber nicht abhängig gemacht werden. Es genügt mit anderen Worten, dass die
Gläubigerversammlung die Einstellung des Milcherzeugungsbetriebs beschlossen hat, mit dem der
Beigeladene in Insolvenz gefallen ist.
39 Der Beklagte trägt aber weiter vor, es komme gar nicht darauf an, dass der Beigeladene die Milchproduktion
mit denselben Produktionsmitteln fortsetze. Daraus folge nur, dass die Milchquote im vorliegenden Fall erst
recht nicht vom Insolvenzverwalter übertragen werden könne. Denn die Milchquote sei ein höchstpersönliches
Recht, das dem Inhaber solange zustehe, wie er überhaupt „irgendwie“ Milch produziere. Hier bleibt schon
offen, wieso die Milchquote „höchstpersönlich“ sein soll, obwohl sie in einem börsenähnlichen Verfahren u.a.
flächen- und betriebsungebunden an andere Milcherzeuger übertragen werden kann. Das Argument des
Beklagten, jeder Milcherzeugungsbetrieb müsse zur Vermeidung einer Überproduktion über eine Milchquote
verfügen, ist zwar (wirtschaftlich) richtig, weil die Milcherzeugung ohne Milchquote in der Regel nicht
gewinnbringend betrieben werden kann, rechtfertigt aber kein anderes Ergebnis. Ebenso wie sich ein
Insolvenzschuldner auch sonst um neue Produktionsmittel bemühen muss, wenn er durch Neueröffnung eines
Betriebes seine bisherige Tätigkeit weiterführen möchte, muss auch der Beigeladene eine neue Milchquote
erwerben. Für dieses Ergebnis spricht im Übrigen auch § 36 Abs. 2 Nr. 2 InsO. Die in § 811 Nr. 4 ZPO
genannten Wirtschaftsgüter eines landwirtschaftlichen Betriebes unterfallen nicht der
Einzelzwangsvollstreckung, weil sie der Schuldner zur Fortführung seines Betriebes benötigt. In der Insolvenz
greift dieser Schutz nicht ein. Denn der Betrieb soll vollständig aufgelöst und zu Gunsten der
gemeinschaftlichen Befriedigung der Insolvenzgläubiger verwertet werden. Anzumerken ist weiter, dass auf der
Grundlage dieser Rechtsauffassung des Beklagten offen bleibt, welchen Sinn das Tatbestandsmerkmal der
Auflösung im Rahmen des Insolvenzverfahrens in § 26 Milchquotenverordnung haben soll.
40 Die Freigabe der selbständigen Erwerbstätigkeit des Beigeladenen führt gleichfalls nicht zu einem anderen
Ergebnis. Der Kläger hat ausdrücklich klargestellt, dass die Milchquote davon nicht erfasst wird. Ungeachtet
dessen bezweckt die Freigabe der selbständigen Erwerbstätigkeit im Wesentlichen, insolvenzrechtliche
Probleme zu vermeiden, die daraus resultieren können, dass ohne Freigabe der Neuerwerb in die Masse fallen
würde (§ 35 Abs. 1 InsO), während umgekehrt die Neugläubiger aus der Insolvenzmasse keine Befriedigung
erlangen können (§ 38 InsO).
41 Der Beklagte versucht, aus der Definition des Betriebsbegriffs in der Verordnung (EG) 1234/2007 abzuleiten,
dass ein Betrieb im Insolvenzverfahren solange nicht im Sinne des § 26 Milchquotenverordnung aufgelöst sei,
wie der Insolvenzschuldner trotz eines Beschlusses der Gläubigerversammlung über die Betriebsstilllegung
„irgendwie“ noch Milch erzeuge. Der bereits oben dargelegte marktorganisatorische Regelungszweck der
genannten Verordnung verdeutlicht jedoch, dass sich daraus dieses Ergebnis nicht ergibt.
42 In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte weiter argumentiert, aufgrund des Vorrangs des öffentlichen
Rechts gegenüber dem Insolvenzrecht stehe es dem Normgeber frei zu regeln, unter welchen
Voraussetzungen die Milchquote übertragbar sei und damit vom Insolvenzverwalter als Bestandteil der
Insolvenzmasse übertragen werden könne. Jedenfalls wenn eine solche Regelung durch Rechtsverordnung
getroffen werden soll, bedarf es dafür einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage. Wie
gezeigt, fehlt es aber an einer solchen.
43 Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 159 Satz 2 VwGO.
44 Gemäß § 132 Abs. 2 VwGO ist die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil die Frage, ob
und unter welchen Voraussetzungen die Milchquote durch den Insolvenzverwalter im
Übertragungsstellenverfahren veräußert werden kann, noch nicht obergerichtlich geklärt ist.