Urteil des VG Freiburg vom 22.07.2009

VG Freiburg (prüfer, arbeit, wirtschaft, bewertung, prüfung, inhalt, zulassung, verhältnis zu, ex nunc, korrespondenz)

VG Freiburg Urteil vom 22.7.2009, 1 K 477/08
Rechtmäßigkeit der Bewertung einer Diplomarbeit
Leitsätze
Enthält die Prüfungsordnung keine ausdrücklichen Anforderungen, so bestimmen sich Inhalt und Form der
Betreuung einer Diplomarbeit nach dem Zweck der Diplomprüfung sowie ferner nach der Praxis zwischen Prüfling
und Betreuer.
Nicht allein schon dadurch, dass der Prüfling übernommene Textstellen als Zitat kennzeichnet, erfüllt seine Arbeit
wissenschaftliche Anforderungen. Erst die Gewinnung gedanklicher Schlussfolgerungen auf der Grundlage von
Auffassungen anderer Wissenschaftler, die Strukturierung und Gewichtung dieser Schlussfolgerungen und ebenso
ihre sprachliche Umsetzung in einen wissenschaftlichen Text stellen eigenständige wissenschaftliche Leistungen
des Prüflings dar.
Zur Frage, ob die Häufung akzentuierter Bemerkungen eines Prüfers eine Unsachlichkeit bzw. Besorgnis der
Befangenheit begründet (hier im Einzelfall verneint).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt Rechtsschutz wegen einer endgültig nicht bestandenen Diplomprüfung.
2
Die am ... 1982 geborene Klägerin erhielt zum 1.10.2004 die Zulassung zum Studium an der Berufsakademie
... (jetzt Duale Hochschule Baden-Württemberg, Standort ...) im Studiengang Handel (Studienbereich
Wirtschaft). Im Rahmen der Diplomprüfung bestand sie im WS 2006/2007 bzw. SS 2007 den theoriebezogenen
sowie den praxisbezogenen Prüfungsteil jeweils mit der Note ausreichend (3,7 bzw. 4,0). Die für den
Diplomabschluss ferner erforderliche Diplomarbeit bestand sie im ersten Versuch nicht.
3
Am 21.1.2008 gab die Klägerin eine im Wiederholungsversuch gefertigte erneute Diplomarbeit (Thema:
„Auswirkungen des demographischen Wandels in Deutschland auf das Personalmanagement in Unternehmen -
Ansätze zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit älterer Mitarbeiter am Beispiel der ...“) ab. Der die Diplomarbeit
betreuende Dozent Prof. Dr. S. bewertete die Arbeit unter dem Datum „20.1.2008“ mit der Note 4,4 („nicht
ausreichend“). Der deshalb hinzugezogene weitere Prüfer Prof. Dr. F. vergab unter dem 30.1.2008 die Note 4,5
(„nicht ausreichend“).
4
Mit Bescheid vom 11.2.2008 widerrief der Direktor der Berufsakademie die Zulassung zum 11.2.2008. Zugleich
führte er unter Hinweis auf eine beiliegende Notenübersicht aus, leider habe die Klägerin die Wiederholung der
Diplomarbeit endgültig nicht bestanden. Die Klägerin erhob mit Anwaltsschreiben vom 11.3.2008 Widerspruch,
über den nicht entschieden wurde.
5
Die Klägerin hat am 12.3.2008 Klage erhoben. Sie trägt vor: Die im Bescheid angeführte Rechtsgrundlage („§
88.3.2 Berufsakademiegesetz“) sei unzutreffend, weil es dieses Gesetz nicht mehr gebe. Die dem Widerruf der
Zulassung zu Grunde liegende Benotung der Diplomarbeit sei rechtswidrig. Im Rahmen der Email-
Korrespondenz habe der betreuende Prof. Dr. S. die Themenstellung ihrer Arbeit bereits eingeschränkt.
Widersprüchlicherweise halte er ihr bei der Bewertung vor, die Thematik sei zu weit gefasst. Dem Betreuer sei
bekannt gewesen, dass sie die erste Diplomarbeit nicht bestanden habe. Hierdurch habe er eine erhöhte Pflicht
gehabt, sie bei der Betreuung auf etwaige Mängel hinzuweisen. Die ihm vorab überlassene Gliederung und
Auszüge der Arbeit seien jeweils mit akzeptablen Kommentaren zurückgekommen, sodass sie zu keiner Zeit
das Gefühl gehabt habe oder hätte haben müssen, die Arbeit nicht zu bestehen. Ausweislich der Datierung
„20.1.2008“ sei die Erstbewertung bereits vor Abgabe der Diplomarbeit erstellt gewesen. Beide Prüfer rügten
wörtliche Zitate in zu hoher Anzahl. Grundsätzlich liege es jedoch im Wesen einer Diplomarbeit, anders als
eine Habilitation zum größten Teil aus der Systematisierung von in der Literatur bereits existierenden
Resultaten zu bestehen. Vorausgesetzt, übernommene Resultate und Gedanken seien als Zitat
gekennzeichnet, seien durchschnittlich drei bis sechs Zitate pro Seite - so wie in ihrer Arbeit - zulässig. In
jedem Fall könne aus der Anzahl verwendeter Zitate kein Rückschluss auf die Eigenständigkeit des
Ergebnisses gezogen werden. Überdies stimmten aber auch die von den Prüfern gemachten Prozentangaben
zu verwendeten Zitaten nicht, wenn man nach Zeilen rechne. Sowohl Prof. Dr. S., als auch der von dessen
Bewertung offenbar beeinflusste Prof. Dr. F. legten zu großen Wert auf den Gesichtspunkt der verwendeten
Zitate und zögen den unzutreffenden Schluss auf eine mangelnde Selbstständigkeit der Diplomarbeit. Offenbar
habe die durch den Gebrauch vieler Zitate unter Umständen verringerte Lesbarkeit die Prüfer zu einer für sie,
die Klägerin, nachteiligen Subjektivität verleitet. Dies zeige sich auch sonst in unsachlichem Stil und
übertriebener Quantifizierung der Zitate. Ferner verwendeten beide Prüfer abwertende und unsachliche
Formulierungen, was auf Befangenheit und mangelndes Wohlwollen bzw. Voreingenommenheit schließen
lasse. Schließlich gewichteten sie den sachlichen Inhalt unzulässigerweise mit unterschiedlichen Quoten.
6
Die Klägerin beantragt,
7
den Bescheid der Beklagten vom 11.2.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihre
Diplomarbeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten;
8
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, ihr erneut ein Thema für eine Diplomarbeit zu vergeben, diese
erstellen zu lassen und zu bewerten.
9
Die Beklagte beantragt,
10
die Klage abzuweisen.
11 Angelehnt an das Ergebnis des Überdenkens durch die beiden Prüfer, entgegnet sie: Während der Diplomarbeit
habe es eine rege Korrespondenz per E-Mail und telefonisch gegeben, anlässlich der die Klägerin tatsächlich
Teile der Diplomarbeit übersendet habe. Eine Einschränkung der Themenstellung habe dabei jedoch nicht
stattgefunden. Spätere positive Hinweise des Betreuers stellten lediglich ein relatives, nicht hingegen
absolutes Urteil dar, weil die nunmehr überarbeitete Gliederung verglichen mit dem sehr rudimentären ersten
Gliederungsentwurf tatsächlich erheblich besser gewesen sei. Beim Bewertungsdatum „20.1.2008“ handele es
sich um ein offensichtliches Schreibversehen. Bei der Quantifizierung der Zitate handele es sich um „ca.“-
Angaben, entscheidend sei die Erkenntnis, dass es sich um einen wesentlichen Anteil im Rahmen der Arbeit
handele, woran sich selbst bei Zugrundelegung der Zeilenzählung und Prozentangaben der Klägerin nichts
ändere. Auch in qualitativer Hinsicht habe die hohe Anzahl wörtlicher Zitate einen nur bedingt
nachvollziehbaren Argumentationszusammenhang verursacht. Das Nichtbestehen gründe sich auf Mängel in
der inhaltlichen Abarbeitung und eine unzureichende wissenschaftliche Methodik. Beim Einwand unsachlicher
Formulierungen verkürze die Klägerin in bedenklicher Weise. Unbegründet sei schließlich der Vorwurf, beide
Gutachter hätten sich abgesprochen. Gerade die ausweislich des Begutachtungsbogens leicht abweichenden
Gewichtungen stellten ein gegenteiliges Indiz dar.
12 Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie den
Akteninhalt (3 Hefte der Beklagten, darunter die Originaldiplomarbeit die Klägerin) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
13
A. Hauptantrag
I.
14
1.)
zulässig. Eines Vorverfahrens bedurfte es wegen § 95 Abs. 2 LHG in der vor Inkrafttreten des 2. Gesetzes zur
Umsetzung der Föderalismusreform im Hochschulbereich (vom 3.12.2008, GBl. S. 435) geltenden Fassung -
künftig LHG a.F. - nicht (vgl. nunmehr den seit 1.3.2009 für die Duale Hochschule und die Exmatrikulation
geltenden § 63 Abs. 1 LHG n.F.).
15
2.)
Rechtswirkung. Er stellt nämlich i.V.m. der ihm beigefügten Notenübersicht ausdrücklich fest, dass die
Klägerin auch die Wiederholung der Diplomarbeit endgültig nicht bestanden habe. Werden keine
Prüfungsbescheide zur rechtsförmlichen Feststellung von Prüfungsergebnissen erlassen, etwa weil dies in der
einschlägigen Prüfungsordnung nicht vorgesehen ist, so bleibt die Feststellung, dass eine Hochschulprüfung
endgültig nicht bestanden und somit das Ziel des Studienabschnitts oder des Studienganges endgültig nicht
erreicht ist, dem Exmatrikulations- bzw. Widerrufsbescheid vorbehalten. In Ermangelung vorangehender
abschichtender Regelungen enthält dann erst dieser Bescheid die Feststellung, dass der Prüfungsanspruch in
seiner Gesamtheit vollständig erfüllt ist (vgl. auch Sächs. OVG, Beschl. v. 11.6.2001 - 4 E 31/01 - juris). Diese
Voraussetzungen sind hier erfüllt. § 88 Abs. 3 Nr. 2 LHG a.F. (zu dieser Vorschrift als einschlägiger
Rechtsgrundlage vgl. unten) sieht vor, dass die Zulassung zu widerrufen ist, wenn der Studierende den
Anforderungen in den vorgeschriebenen Leistungskontrollen und Prüfungen, ohne sie wiederholen zu können,
nicht genügt hat. Die für die Klägerin noch maßgebliche Verordnung des Wissenschaftsministeriums über die
Ausbildung und Prüfung der Studierenden im Studienbereich Wirtschaft der Berufsakademien Baden-
Württemberg (vom 6.2.2001 - APrO BA Wirtschaft; vgl. dazu § 25 Abs. 2 StuPrO BA Wirtschaft vom
11.1.2007, die gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 DH-ErrichtG fortgilt) enthält in §§ 22 ff. für den vorliegenden Fall keine
Regelungen.
16 Die Anfechtungsklage ist ferner auch insoweit ohne Vorverfahren zulässig, weil § 95 Abs. 2 LHG a.F .
ausdrücklich die (Prüfungsrechts-) Fälle des § 91 LHG a.F.erfasst(e). In statthafter Weise kombiniert mit der
Anfechtung, hat die Klägerin schließlich einen Bescheidungsantrag gestellt, gerichtet auf Erfüllung des von ihr
behaupteten Prüfungsanspruchs.
II.
17
1.)
rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zur Rechtmäßigkeit einer Exmatrikulation
nach Verlust des Prüfungsanspruchs ist auf den Fall des Widerrufs der Zulassung anzuwenden. Danach reicht
für das endgültige Nichtbestehen ein negatives Prüfungsergebnis im letzten nach der maßgeblichen
Prüfungsordnung zustehenden Prüfungsversuch aus, es bedarf also nicht der Bestandskraft des
Feststellungsbescheids über das Ergebnis der letzten Prüfung (vgl. zu §§ 62 Abs. 2 Nr. 2, 32 Abs. 1 Satz 5
LHG a.F./n.F.: VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 08.07.2008 - 9 S 442/08 -, juris, m. w. N.; vgl. auch Urteil der
Kammer vom 21.1.2009 - 1 K 2182/08). Für den Fall einer späteren positiven Prüfungsentscheidung zieht der
VGH die „dogmatische Konsequenz“ derart, dass die Exmatrikulation gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 LVwVfG bei
Wegfall des Erlöschenstatbestandes aufzuheben ist. Die Zulassung zu einem Studiengang ist nämlich nur
solange erloschen, wie der Bescheid über das endgültige Nichtbestehen der Prüfung, um dessen Aufhebung es
vorliegend ebenfalls geht, Bestand hat (vgl. zu §§ 91 Abs. 2 Nr. 2, 50 Abs. 1 Satz 5 UG: VGH Bad.-Württ.,
Beschl. v. 8.2.1988 - 9 S 3250/87 - juris [LS]).
18 Auch im übrigen ist der Widerruf rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar soll seine Wirkung bereits zum
11.2.2008 eintreten, mithin einem Zeitpunkt, welcher auf den Erlass-, nicht hingegen auf die (etwas spätere)
Bekanntgabe fällt. Dies dürfte angesichts der in § 49 Abs. 2 LVwVfG bestimmten „ex-nunc“-Wirkung des
Widerrufs unzulässig gewesen sein. Gleichwohl ist die Klägerin hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt, weil
nichts dafür erkennbar ist, aus der allenfalls wenige Tage betragenden Rückwirkung ergebe sich eine rechtliche
oder tatsächliche Beschwer. Unschädlich ist schließlich die Wahl der evident falschen Rechtsgrundlage (das
Berufsakademiegesetz ist seit 6.1.2005 außer Kraft getreten). Denn der angegriffene Verwaltungsakt ist
aufgrund § 88 Abs. 3 Nr. 2 LHG a.F., einer mit § 8 Abs. 2 Nr. 2 des Berufsakademiegesetzes wesens- und
inhaltsgleichen Rechtsgrundlage, rechtmäßig (vgl. zum gerichtlichen Auswechseln der Begründung: BVerwG,
Urt. v. 30.6.1989 - 4 C 40.88 - NVwZ 1990, 259; Urt. v. 21.11.1989 - 9 C 28.89 - NVwZ 1990, 673; VGH Bad.-
Württ., Urt. v. 13.12.2007 - 10 S 1272/07 - juris; Urt. v. 26.5.1994 - 5 S 2637/93 - NVwZ 1995, 397).
19
2.)
Klägerin steht mangels Fehlern in der Leistungsbewertung der von ihr geltend gemachte
Bescheidungsanspruch nicht zu (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
20 Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Anwendung der prüfungsrechtlichen Vorschriften sind nicht ersichtlich.
Studium und Ausbildung setzen sich in der Regel aus vier Studienhalbjahren in der ersten Stufe
(Grundstudium) und zwei Studienhalbjahren in der zweiten Stufe (Hauptstudium) zusammen (§ 2 APrO BA
Wirtschaft). Zum erfolgreichen Abschluss des Studiums bedarf es des erfolgreichen Erbringens aller
Prüfungsleistungen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 APrO BA Wirtschaft). Die Prüfung nach dem Hauptstudium
(Diplomprüfung) besteht aus einem theoriebezogenen Prüfungsteil A (von der Klägerin bestanden), einem
praxisbezogenen Prüfungsteil B (ebenfalls von der Klägerin bestanden) und der Diplomarbeit. Die
Diplomprüfung ist erfolgreich abgeschlossen, wenn jeder dieser genannten Prüfungsteile erfolgreich
abgeschlossen ist (§ 5 Abs. 2 und Abs. 3 APrO BA Wirtschaft). Die Prüfungsleistung Diplomarbeit hat die
Klägerin im ersten Versuch nicht bestanden, weil sie nicht mindestens die Note „ausreichend“ (4,0) erzielte (§
21 Abs. 1 i.V.m. §§ 4 Abs. 1 Nr. 5, 8 APrO BA Wirtschaft). Von der einmaligen Wiederholungsmöglichkeit
gemäß § 21 Abs. 4 APrO BA Wirtschaft hat die Klägerin Gebrauch gemacht. Auch hier, bei der nunmehr
streitgegenständlichen Diplomarbeit, wurden ihre Leistungen jedoch mit der Note „nicht ausreichend“ (4,4)
bewertet.
21 Die Benotung entspricht ebenfalls den Gesetzesvorgaben. Die Prüfer haben die Prüfungsleistung Diplomarbeit
(vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 5 APrO BA Wirtschaft) gemäß § 8 Abs. 1 APrO BA Wirtschaft jeweils mit Zwischennoten
mit einer Dezimalstelle bewertet (Prof. S.: 4,4; Prof. Dr. F.: 4,5). Aufgrund unterschiedlicher Bewertungen
betrug die Diplomarbeitsnote in der Folge gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 APrO BA Wirtschaft als arithmetisches
Mittel 4,45. Daraus wiederum errechnete sich gemäß § 8 Abs. 2, Abs. 5 APrO BA Wirtschaft die Fachnote 4,4,
was angesichts eines Durchschnitts über 4,0 „nicht ausreichend“ bedeutete.
22 Die Klägerin hat folglich ihre Diplomprüfung endgültig nicht bestanden (i.S.v. § 88 Abs. 3 Nr. 2 LHG) und den
Prüfungsanspruch in ihrem Fach gemäß § 32 Abs. 1 Satz 5 LHG endgültig verloren. Rechtsfehler bei der
Bewertung der wiederholten Diplomarbeit liegen nicht vor:
23
a.)
Prüfungsleistung unter maßgeblicher Beteiligung der Prüfer „überdacht“ werden. Dies sind vorliegend die
Professoren Dres. S. und F.. Weil der zugleich die Arbeit betreuende Prüfer Prof. Dr. S. (vgl. § 20 Abs. 2 APrO
BA Wirtschaft) eine Bewertung schlechter als „ausreichend“ gegeben hatte, war ein zweiter Prüfer, Prof. Dr. F.,
hinzuzuziehen (§ 21 Abs. 2 Satz 1 APrO BA Wirtschaft). Damit das Verfahren des „Überdenkens“ der
Prüfungsentscheidung seinen Zweck konkret erfüllen kann, muss u. a. gewährleistet sein, dass die vom
Prüfling erhobenen - substantiierten - Einwände den beteiligten Prüfern zugeleitet werden, diese sich mit den
Einwänden auseinandersetzen und - soweit diese berechtigt sind - ihre Bewertung der betroffenen
Prüfungsleistungen korrigieren, sowie alsdann auf dieser möglicherweise veränderten Grundlage erneut über die
Prüfung entscheiden (BVerwG, Urt. v. 24.2.1993 - 6 C 35/92 - juris). Dem vorstehend dargestellten Anspruch
auf Überdenken der Prüfungsentscheidung hat die Beklagte Rechnung getragen, indem die Professoren zu den
Einwendungen der Klägerin Stellung bezogen und im Einzelnen dargelegt haben, dass das Vorbringen keine
abweichende Beurteilung rechtfertigt (vgl. Stellungnahme Prof. Dr. S. vom 5.8.2008 und Stellungnahme Prof.
Dr. F. vom 31.8.2008). Mit der Durchführung des gebotenen verwaltungsinternen Kontrollverfahrens wurde
allerdings der Anspruch der Klägerin auf eine gerichtliche Überprüfung der Berechtigung ihrer Einwendungen
nicht erfüllt. Ergeht kein förmlicher neuer Bescheid, sondern wird - wie hier - lediglich der alte Bescheid durch
eine unselbständige Verfahrenshandlung (§ 44 a LVwVfG) bekräftigt, so bleibt der Streit um die Rechtmäßigkeit
oder Rechtswidrigkeit dieses Bescheides weiter anhängig.
24
b.)
Neubewertung ihrer Arbeit im Rahmen der gerichtlichen Kontrollmöglichkeiten nachprüfen zu lassen (BVerwG,
Urt. v. 30.1.1995 - 6 C 1/92 - NVwZ 1995, 788). Da es hier nicht um fach-, sondern prüfungsspezifische
Streitfragen geht, gilt: Die gerichtliche Kontrolle fachlicher, wissenschaftlicher Urteile, Wertungen und
Entscheidungen von Prüfern stößt an Grenzen, weil die Beurteilung von Prüfungsleistungen von
Gesichtspunkten und Überlegungen bestimmt ist, die sich einer rechtlich unmittelbar subsumierbaren
Erfassung mehr oder minder entziehen oder jedenfalls tatsächlich auf nicht in vollem Umfang objektivierbaren
Einschätzungen und Erfahrungen beruhen und insbesondere davon abhängig sind, was nach Meinung der
Prüfer bei einem bestimmten Ausbildungsstand als Prüfungsleistung verlangt werden kann. Die Prüfer müssen
bei ihrem wertenden Urteil von Einschätzungen und Erfahrungen ausgehen, die sie im Laufe ihrer
Prüfungspraxis bei vergleichbaren Prüfungen entwickelt haben und allgemein anwenden. Daher steht ihnen vor
allem bei der Einordnung der Qualität einer Prüfungsleistung in das Notensystem der Prüfungsordnung und der
Festlegung der Bestehensgrenze ein Bewertungsspielraum zu, der der gerichtlichen Kontrolle nur
eingeschränkt zugänglich ist. Die Gerichte haben zu prüfen, ob die Prüfer anzuwendendes Recht verkannten,
von einem unrichtigen Sachverhalt ausgingen, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe verletzten oder sich von
sachfremden Erwägungen leiten ließen. Ein materieller Prüfungsfehler ist beachtlich, wenn nicht
ausgeschlossen werden kann, dass sich der Fehler auf das Ergebnis der Prüfungsentscheidung ausgewirkt hat
(Niehues, Schul- und Prüfungsrecht, Band 2, 4. Aufl., Rdnrn. 846 ff. m.z.N.).
25
Unter Beachtung dieses Prüfungsmaßstabs können die Einwendungen der Klägerin nicht durchgreifen.
26
27 Die Klägerin rügt hiermit einen Verfahrensfehler, bei dessen Feststellung allerdings wohl kaum der von ihr
geltend gemachte Neubescheidungsanspruch, sondern vielmehr (nur) ein Anspruch in Betracht käme, die
Diplomarbeit unter Vermeidung dieses Fehlers - also nunmehr ordnungsgemäß betreut - erneut zu erstellen
(vgl. speziell für einen Betreuungsmangel: OVG Bremen, Urt. v. 12.12.1989 - 1 BA 16/89 - juris; vgl. allgemein:
VGH Bad.-Württ., Urt. v. 16.2.2009 - 4 S 1071/08 - juris; Urt. v. 21.11.2006 - 9 S 987/06 -, VBlBW 2007, 218;
Niehues, a.a.O., Rdnr. 504). Letztlich kann dies jedoch dahinstehen. Denn jedenfalls hat Prof. Dr. S. bei der
Betreuung der Diplomarbeit keine Sorgfaltspflichten verletzt. Die E-Mail-Korrespondenz zwischen Oktober 2007
und Januar 2008 belegt, dass eine kontinuierliche Betreuung der Arbeit stattgefunden hat und der Kontakt der
Klägerin zum Betreuer nie abgerissen ist. Zu mehr verpflichtet § 20 Abs. 1 APrO BA Wirtschaft nicht. Dort ist
(nur) geregelt, dass die Studienakademie ein Mitglied des Lehrkörpers benennt, das die Diplomarbeit als Prüfer
betreut und bewertet. Damit enthält die Prüfungsordnung keine inhaltlichen Anforderungen an die Betreuung. Es
bleibt damit wesentlich bei dem durch den Zweck der Diplomprüfung gesetzten Rahmen. Danach ist gemäß §
19 Abs. 1 APrO BA Wirtschaft die Diplomarbeit eine Prüfungsleistung, die zeigen soll, dass der Studierende in
der Lage ist, innerhalb einer vorgegebenen Frist eine praxisbezogene Problemstellung unter Anwendung
praktischer Methoden und wissenschaftlicher Erkenntnisse selbstständig zu bearbeiten. Im Übrigen bestimmen
sich innerhalb dieses Rahmens Inhalt und Form der Betreuung nach dem Einzelfall, insbesondere nach der
Praxis zwischen Prüfling und Betreuer (OVG Bremen, Urt. v. 12.12.1989, a.a.O.). Zwar ist die Prüfungsleistung
auch ein Ergebnis der Umsetzung dessen, was Gegenstand des Betreuungsverfahrens war. Einen allgemeinen
Prüfungsgrundsatz dahingehend, dass der Umfang und/oder die Intensität der Betreuung sowie das, was in
Folge der Betreuung an Verbesserungen in die Arbeit Eingang gefunden hat, zu einer Notenveränderung führen
kann, gibt es jedoch nicht (Hess. VGH, Urt. v. 14.12.2006 - 8 UE 1188/06 - juris).
28 Aus den Beiträgen des betreuenden Erstprüfers ergibt sich nach dem maßgeblichen objektivierten
Empfängerhorizont nichts dafür, die Diplomarbeit werde bei Umsetzung des Besprochenen in jedem Fall
ausreichend sein. Wesentlich ist dabei zunächst, dass die E-Mail-Korrespondenz in der Zeit vom 13.11.2007
bis zum 26.11.2007 ausschließlich Aufbau und Gliederung der Arbeit, nicht hingegen die inhaltliche
Ausarbeitung betraf. Die Sätze Prof. Dr. S.´s, auf die die Klägerin sich für ein Vertrauen auf das Bestehen der
Arbeit beruft („Dann wird das langsam eine runde Sache“ / „Dann würde Punkt 4 super passen und ein
Lösungskonzept darstellen“ / „Damit wäre ein roter Faden durchgängig“), sind allesamt in seiner E-Mail vom
18.11.2007 enthalten und betrafen eindeutig nur den Titel und die Gliederung. Die weitere Äußerung in seiner E-
Mail vom 26.11.2007 („ist jetzt erheblich besser“) galt ebenfalls nur dem vorgenannten Teil der Diplomarbeit,
was sich klar daraus erkennen lässt, dass die Klägerin in ihrer vorangehenden E-Mail vom selben Tag
offensichtlich auf die Anregungen vom 18.11.2007 reagiert und eine neue „Lösung“ präsentiert hatte, verbunden
mit dem Hinweis „Werde Ihr Angebot gerne annehmen“. Aus dieser Korrespondenz durfte die Klägerin in keiner
Weise auf einen Erfolg der Gesamtarbeit schließen. Im Übrigen hat sich Prof. Dr. S. auch im Nachhinein nicht
in Widerspruch zu diesen seinen Aussagen gesetzt, wie die Bewertung des Teils „Problemstellung mit daraus
abgeleiteter Gliederung“ mit der Teilnote 3,88 (= „ausreichend“, vgl. § 8 Abs. 2 APrO BA Wirtschaft) zeigt.
29 Nichts anderes gilt ferner für die E-Mail-Korrespondenz kurz vor Abgabe der Diplomarbeit. Zwar hatte die
Klägerin am 8.1.2008 das vollständige Kapitel 3 ihrer Diplomarbeit zum „Durchschauen“ übermittelt. Auch wenn
Prof. Dr. S. antwortete, „grundsätzlich (seien) die Ausführungen gut nachvollziehbar“, so bezog sich dies in
Verbindung mit dem klaren Hinweis der gebotenen Zurückhaltung („mehr lese ich ja nicht, da ich mich
ansonsten später selbst korrigieren müsste“) doch ausdrücklich nur auf das Durchlesen der „ersten drei
Seiten“. Allerdings gaben diese 3 Seiten des dem Betreuer überlassenen Entwurfs des Kapitels 3 bereits ein
Bild des Vorgehens der Klägerin, wörtliche Zitate (im Text - mit Anführungszeichen) und sinngemäße Zitate (in
den Fußnoten - mit „vgl.“) entgegen wissenschaftlicher Zitierrichtlinien darzustellen bzw. zu kombinieren. Im
Rahmen des Betreuungsverhältnisses ist es Prof. Dr. S. gleichwohl nicht vorzuwerfen, dass er die Klägerin auf
diese Problematik nicht hingewiesen hat. Hierzu hat der Betreuer in der Überdenkens-Stellungnahme plausibel
und überzeugend ausgeführt, dass er dieses „Phänomen“ bislang nicht gekannt hatte und überdies der
Zitatcharakter beim Lesen aufgrund der großen Zeilenlänge verloren gegangen sei. Im Übrigen hatte er jedoch
in seiner E-Mail vom 9.1.2008 durchaus bereits Bedenken hinsichtlich der (zu steigernden) „Informationsdichte“
und (abzubauender) „leichte(r) Redundanzen“ geltend gemacht. In keinem Fall konnte der Betreuer zu diesem
Zeitpunkt aber davon ausgehen, die Klägerin werde die spezifische Vorgehensweise beim Arbeiten mit Zitaten
über 31 (von insgesamt 46) Seiten der Diplomarbeit beibehalten. Für die elektronische Korrespondenz, die am
17.12.2007 zwei Seiten des Kapitels 2 betraf, gilt Entsprechendes. Auch hier hatte der Betreuer übrigens
durchaus schon auf unnötige Argumentation einerseits und zu geringe Informationsdichte andererseits
hingewiesen.
30 Schließlich ergibt sich nichts für eine die Klägerin einschränkende Themenvorgabe durch den Betreuer. In ihrer
E-Mail vom 18.11.2007 („Ich verstehe Ihre Anmerkung, die ... doch in die Arbeit mit einzubeziehen. …“) hatte
die Klägerin die Anregung Prof. Dr. S.´s (vgl. dessen E-Mail vom 13.11.: „Schade dass Sie nicht auf ...
bezogen schreiben. …“) aufgegriffen. Der Betreuer aber hatte die Klägerin damit letztlich nur an das „erinnert“,
was sie selbst von Anfang an vorhatte (vgl. E-Mail der Klägerin vom 23.10.2007: „Chancen und Risiken (…) für
das Handelsunternehmen ... auf die Personalarbeit“). Prof. Dr. S. hält in seiner Bewertung der Diplomarbeit der
Klägerin auch nicht etwa vor, die Thematik sei zu weit gefasst, sondern kritisiert vielmehr das Fehlen einer
ausdrücklichen und klar formulierten Zielsetzung, die zu umfangreich gewichtete Darstellung des Vorgehens
der Arbeit sowie die erheblich zu langatmigen Ausführungen zu den Grundlagen. Von Widersprüchlichkeit kann
keine Rede sein, weil nicht ersichtlich ist, der Betreuer habe der Klägerin in der Vorkorrespondenz zu dem
geraten, was er nunmehr bemängelt.
31
Diplomarbeit erstellt gewesen:
32 Hierauf hat Prof. Dr. S. glaubhaft das erwidert, was ohnehin schon auf Grund der sonstigen Umstände auf der
Hand lag: Es handelt sich um ein redaktionelles (Schreib-) Versehen. Das belegen auch die Anmerkungen in
der Diplomarbeit und insbesondere der Inhalt des schriftlichen Gutachtens.
33
34 Dies trifft nicht zu. Sowohl in den Randbemerkungen in der Arbeit, als auch insbesondere im
Beurteilungsbogen zur Diplomarbeit und schließlich im schriftlichen Gutachten haben beide Prüfer ausführlich
ihre Bewertung begründet. Inhalt und Umfang ermöglichen es, die grundlegenden Gedankengänge der Prüfer zu
erkennen und nachzuvollziehen, was sie zur Bewertung veranlasst hat. Ergänzungen bzw. Nachbesserungen
haben im verwaltungsinternen Kontrollverfahren stattgefunden, anlässlich dessen die Prüfer ausführlich auf die
Einwendungen der Klägerin eingegangen sind und ihre Bewertung überdacht haben (vgl. dazu Niehues, a.a.O.,
Rdnrn. 714 - 718 sowie Rdnr. 614). Prof. Dr. F. hat schließlich auch ein eigenständiges Votum abgegeben und
dieses begründet. Dies war nach Sinn und Zweck des 21 Abs. 2 APrO BA Wirtschaft erforderlich, weil es um
das Bestehen der Diplomprüfung im Allgemeinen und angesichts des Wiederholungsversuchs der Klägerin
sogar weitergehend um das Erlöschen des Prüfungsanspruchs im Besonderen ging (vgl. auch VG München,
Urt. v. 24.9.2007 - M 3 K 07.1919 – juris).
35
hierfür ein Beispiel, das sich dort in der Einführung gar nicht finde:
36 Der Satz Prof. Dr. F.´s ist nicht als Zitat aus der Arbeit der Klägerin zu verstehen, sondern umschreibt mit
eigenen, zusammenfassenden Worten das, was der hinzugezogene Prüfer aus der Einführung als (zuviel)
Wertung entnimmt.
37
Gutachter gewichteten den sachlichen Inhalt unzulässigerweise mit unterschiedlichen Quoten (Erstgutachter:
65%, Zweitgutachter: 60%):
38 Eine Regelung dazu, ob im Fall des § 21 Abs. 2 (Hinzuziehung eines zweiten Prüfers) nur eine
isolierte/verdeckte oder eine offene Bewertung zulässig ist, enthält die APrO BA Wirtschaft nicht;
verfassungsrechtlich sind beide Modalitäten zulässig (Niehues, a.a.O., Rdnr. 616 m.w.N.). Nach Aussage Prof.
Dr. S.´s hat keine vorherige Abstimmung stattgefunden. Prof. Dr. F. hat dies glaubhaft dahin konkretisiert,
zwecks Unabhängigkeitswahrung habe er das Gutachten des Kollegen nicht erhalten und es hätten auch keine
Gespräche über die Arbeit stattgefunden. Allein aus kritischen Äußerungen beider Prüfer auf ihre gegenseitige
unzulässige Beeinflussung zu schließen, geht nicht an. Im Übrigen war es, wie die mündliche Verhandlung
bestätigte, missverständlich formuliert, wenn Prof. Dr. F. ursprünglich ausführte, er habe ein „unkorrigiertes“
Exemplar der Diplomarbeit erhalten. Die dem Gericht vorliegende Diplomarbeit enthält nämlich handschriftliche
Bemerkungen beider Prüfer (rote Farbe: Erstprüfer; schwarze Farbe: Zweitprüfer). Gemeint war hingegen
vielmehr, dass der dem Zweitprüfer zugeleiteten Diplomarbeit das Gutachten des Erstprüfers nicht beigefügt
war. Im Übrigen ergibt sich aus den handschriftliche Bemerkungen auch nichts Gegenteiliges. Das Verfahren
nach § 21 Abs. 2 APrO BA Wirtschaft setzt ohnehin zwingend voraus, dass der Zweitprüfer weiß, dass die
Diplomarbeit vom betreuenden Prüfer mit „nicht ausreichend“ bewertet wurde.
39 Eine unterschiedliche Gewichtung des sachlichen Inhalts der Arbeit durch beide Prüfer kann die Klägerin nicht
erfolgreich einwenden. Im Gegenteil ist es gerade Sinn des hinzugezogenen Prüfers, unabhängig vom
Erstprüfer vorzugehen. § 21 Abs. 2 APrO BA Wirtschaft trifft auch hier, wie sein Satz 2 zeigt, für den Fall
unterschiedlicher Bewertungen eine Regelung. Das setzt nicht nur die Unabhängigkeit beider Gutachter,
sondern auch die Möglichkeit unterschiedlicher (Teil-)Bewertungen bei der Notenfindung voraus. Rechtlich
erforderlich war allerdings, dass die Kategorie „Sachlicher Inhalt“ im Verhältnis zu den anderen drei
Bewertungskategorien nicht fehlgewichtet wurde. Davon kann angesichts der Werte von 65% bzw. 60%
allerdings nicht ausgegangen werden. Es ist schließlich nichts dafür ersichtlich, dass sich die Gutachter an die
im „Beurteilungsbogen Diplomarbeit“ vorgegebenen %-Empfehlungen (betreffend „Sachlicher Inhalt“: 50 bis 70
%) zwingend gebunden gesehen hätten.
40
und Eigenständigkeit des Ergebnisses gezogen werden; Prüfer gingen von falschen Zitatquantitäten aus:
41 Die Klägerin hat - entsprechend ihrer ehrenwörtlichen Erklärung vom 18.1.2008 - tatsächlich alle Stellen, die
wörtlich oder sinngemäß aus veröffentlichten und nicht veröffentlichten Schriften entnommen worden sind, als
solche kenntlich gemacht. Mit Blick auf die prüfungsspezifische Problematik verfängt ihr Einwand nicht. Dabei
ist zunächst zu beachten, dass beide Prüfer in ihren Überdenkens-Stellungnahmen auch bei Übernahme der
Zitatzahlen der Klägerin bei ihren Bewertungen geblieben sind, wonach es dann immer noch an einer
ausreichenden Eigenleistung fehle. Unabhängig davon verbleibt es auch dabei, dass die Nachvollziehbarkeit
von Sinn- und Argumentationslogik durch die vielen zitierten Textstellen erheblich erschwert wird. Es geht nicht
darum, wie viele Zitate die Klägerin pro Seite verwendet hat, sondern darum, dass diese Zitate einen
erheblichen Textumfang haben und dazwischen lediglich durch eigene Bemerkungen verknüpft bzw. an vielen
Stellen auch nur (redundant - d.h. ohne für ein Verständnis noch erforderlich zu sein) mit eigenen Worten
wiederholt werden. Nicht allein schon dadurch, dass der Prüfling die übernommenen Textstellen als Zitat
kennzeichnet, wird sein Text zu einer wissenschaftlichen Arbeit. Die Gewinnung gedanklicher
Schlussfolgerungen auf der Grundlage von Auffassungen anderer Wissenschaftler, die Strukturierung und
Gewichtung dieser Schlussfolgerungen und ebenso ihre sprachliche Umsetzung in einen wissenschaftlichen
Text stellen eigenständige wissenschaftliche Leistungen des Prüflings dar (in diesem Sinne für den Fall nicht
kenntlich gemachter Zitate: VG Münster, Urt. v. 20.2.2009 - 10 K 1212/07 – juris). Entscheidend ist folglich
nicht nur die eigenständige Recherche nach zu dem Thema bereits existierenden Quellen. Hierbei hat die
Klägerin ohnehin - wie von den Prüfern bemängelt und von ihr nicht mit Einwänden angegriffen - ihre Arbeit nur
schwach mit solchen Quellen belegt, obwohl bei zentralen Themen eine erheblich größere Zahl an Werken
existierte, die zu einer vertieften Aufwandauseinandersetzung Anlass gegeben hätten. Die Klägerin muss sich
zurecht vorhalten lassen, dass es aufgrund der Quantität von Zitaten an einer eigenständigen geistigen
Durchdringung und schließlich der eigenständigen sprachlichen Darstellung selbstständig gezogener
Schlussfolgerungen fehlt. Diese „qualitative Komponente“ haben beide Prüfer hervorgehoben. Entsprechend
konsequent haben sie in den Beurteilungsbögen die Zitatproblematik nicht nur im formalen Kontext, sondern
insbesondere auch bzw. hauptsächlich sogar in den Bewertungskategorien „Sachlicher Inhalt“ und
„Wissenschaftliche Methodik“ negativ gewichtet. Dagegen ist unter den Postulaten allgemeingültiger
Bewertungsgrundsätze, der Sachlichkeit und Willkürfreiheit sowie angesichts des Zwecks der Diplomprüfung
nichts einzuwenden.
42
Zitate ließen auf Befangenheit und mangelndes Wohlwollen bzw. Voreingenommenheit beider Gutachter
schließen:
43 Vorweg ist festzustellen, dass die Zitatproblematik nichts mit der Frage zu tun hat, ob das Gebot der
Sachlichkeit verletzt wurde. So, wie die Prüfer in ihren Gutachten und späteren Überdenkens-Stellungnahmen
die Zitattechnik der Klägerin problematisiert bzw. kritisiert und bewertet haben, stellt dies ausschließlich einen
prüfungsspezifischen Gesichtspunkt dar, der sachlich und deshalb (nur) an allgemein gültigen
Bewertungsgrundsätzen zu messen ist (vgl. dazu bereits oben unter ). Anhaltspunkte für
Unsachlichkeit/Befangenheit in der Person Prof. Dr. S.´s. bestehen von vornherein nicht. Seine
Betreuungsleistungen, die auch sonst nicht zu beanstanden sind (vgl. oben unter ), sprechen für eine
wohlwollende Unterstützung in der Entstehungsphase der Diplomarbeit, seine spätere Bewertung dieser Arbeit
ist - wenngleich ohne Beschönigung ein „nicht bestanden“ attestierend - durch sachliche und moderate
Wortwahl gekennzeichnet.
44 Einer dem gegenüber vertieften Würdigung hat die Kammer hingegen die Ausführungen Prof. Dr. F.´s
unterzogen. Zum Nachweis der Unsachlichkeit und Besorgnis der Befangenheit führt die Klägerin insoweit
zahlreiche (im Folgenden kursiv gesetzte) Begriffe und Wendungen
45
- etwas holprig
- allzu wertend
- Die Autorin scheint jedoch so von dem Thema geprägt
- langatmige Antworten
- die Einleitung fesselt nicht
- verwirrt durch viele irrelevante Ausflüchte
- kommt die Autorin mitunter banal daher
- verliert sich mit einem überlangen Zitat in der Belanglosigkeit
- schwadroniert mit Tautologien
- schreckt die Autorin nicht davor zurück zu erklären
- Die entsprechenden Argumentationsketten kommen jedoch zufällig und ohne jede logisch-
deduktive Komponente daher
46 aus dem schriftlichen Gutachten vom 30.1.2008 an. Auch wenn es im Interesse der Vermeidung von
Missverständnissen wünschenswert gewesen wäre, „verhaltener“ zu formulieren - schon nämlich wenn offen
bleibt, ob sich „verbale Entgleisungen“ auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt haben, trägt die Behörde die
Beweislast (Niehues, a.a.O., Rdnr. 190 m.w.N.) -, erachtet die Kammer die Bemerkungen des Zweitprüfers
gleichwohl (noch) für vertretbar und sachlich sowie keine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigend. Auf
schlechte schriftliche Leistungen darf mit harten (Rand-)Bemerkungen reagiert werden (z.B. auf eine abwegige
Äußerung mit dem Begriff " Unsinn " oder auf inhaltsleere Ausführungen mit der Bezeichnung " Phrasen ").
Anders als bei einer mündlichen Prüfung können solche Reaktionen des Prüfers, von denen der Prüfling erst
nach der Prüfung Kenntnis erlangt, nicht zu einer die Leistung mindernden Einschüchterung führen. Selbst
Grobheiten, die bei einer mündlichen Prüfung unzulässig wären, können als schriftliche Äußerung unschädlich
sein. Es wäre nichts gewonnen, wollte man den Prüfer auch hier zu besonderer Zurückhaltung bei der
Kennzeichnung von Fehlleistungen verpflichten. Allein aus einer drastischen Ausdrucksweise des Prüfers wird
man deshalb regelmäßig nicht auf eine unsachliche Bewertung der Prüfungsleistung schließen können. Selbst
gelegentliche "Ausrutscher" und "Entgleisungen" des Prüfers, die der Prüfling auch bei einer mündlichen
Prüfung hinnehmen muss, können für sich allein den Vorwurf der Unsachlichkeit nicht rechtfertigen (BVerwG,
Urt. v. 20.9.1984 - 7 C 57/83 - NVwZ 1985, 187).
47 Verglichen mit Bemerkungen, die in der Rechtsprechung als noch zulässig akzeptiert worden sind (BVerwG,
Urt. v. 24.2.1993 - 6 C 35/92 - NVwZ 1993, 681: "außerordentlich dürftig", ferner Hinweise auf sprachliche und
grammatikalische Mängel; BVerwG, Beschl. v. 6.3.1995 - 6 B 3/95 - juris: "fad" und "eintönig" ; OVG Berlin,
Beschl. v. 5.5.2003 - 4 S 12.03 - juris: "Eiern Sie nicht herum"; OVG NRW, Urt. v. 16.3.2005 - 14 A 530/04
[nach Zimmerling/Brehm, Prüfungsrecht, 3. Aufl. 2007, Rdnrn. 283 bis 288, Fußnote 797]: „grauenhaft“ ; VG
Stuttgart, Urt. v. 15.11.2005 - 13 K 3508/04 [nach Zimmerling/Brehm, a.a.O., Fußnote 800]: „abstruse
Spekulationen“ und „Halluzinationen“; VG Sigmaringen, Beschl. v. 4.9.2002 - 8 K 1687/02 [nach
Zimmerling/Brehm, a.a.O., Fußnote 784]: „Sie können vielleicht an Maschinen arbeiten, aber nicht an
Menschen“; VG Berlin, Beschl. v. 2.3.1998 - 12 A 37.98 [nach Zimmerling/Brehm, a.a.O., Fußnote 787]: „Sie
sind nicht ohne Grund durch die erste und zweite Prüfung gefallen“), kann den Äußerungen Prof. Dr. F.´s nicht
entnommen werden, sie seien unsachlich, aggressiv oder beleidigend und ließen keinen zweifelsfreien Schluss
mehr auf die innere Distanz und Emotionsfreiheit des Prüfers zu, als dieser die Leistung der Klägerin zur
Kenntnis nahm (vgl. hingegen für einen solchen Fall VGH Bad.-Württ., Urt. v. 20.9.1988 - 9 S 1929/88 - DVBl
1988, 1124: Randbemerkung in juristischer Klausur, die die Abkürzung "BRD" als "Wortungeheuer" bezeichnet;
die Einordnung der Randbemerkung "Erbarmung! Barmherzigkeit!“ wurde von OVG NRW, Beschl. v. 19.8.2008
-14 A 1372/07 – juris, offen gelassen, weil von der Klägerin nicht gerügt und weil es sich um die Beurteilung
von Randbemerkungen zu einer unter dem Prinzip der Anonymität geschriebenen und bewerteten Klausur
handele).
48 Die monierte Wortwahl ist letztlich in ihrer Qualität nicht anders einzuordnen, als weitere Äußerungen des
Zweitprüfers, die auch von der Klägerin nicht beanstandet wurden ( unreflektierte und langatmige Antworten;
indem sie Kollektivwissen (…) ohne Belegangaben als wissenschaftlich relevant verbrämt; wirkt in ihrer
Argumentationsführung diffus; räsoniert im Folgenden; fabriziert die Autorin aus eigenwillig zitierten Quellen ein
Konstrukt schwer nachvollziehbarer Argumente; behält ihren Stil der Zitate gestützten Pseudoargumentation
bei; Der vierte Abschnitt erscheint als eine bunte Mischung aus …; bleibt im Wesentlichen deskriptiv an
betriebswirtschaftlichen Banalitäten haften; eine Arbeit, die von unzusammenhängender Themenvielfalt
überquillt; dreht sie sich im Kreis ihrer eigenen Argumentation).
49 Auch aus der Häufigkeit seiner Wertungen ergibt sich schließlich nichts für sachfremde Erwägungen oder
Tendenzen des Zweitprüfers. Unsachlich wird eine Bewertung dann, wenn der Prüfer seiner Verärgerung über
schwache Prüfungsleistungen freien Lauf lässt und dadurch die Gelassenheit und emotionale Distanz verliert,
ohne die eine gerechte Beurteilung schwerlich gelingen kann (BVerwG, Urt. v. 20.9.1984, a.a.O.). Bei der
Bewertung durch Prof. Dr. F. schließt die Kammer solches jedoch aus. Die Bemerkungen des Prüfers finden
zum Einen nämlich eine hinreichend objektivierbare Entsprechung im Beurteilungsbogen zur Diplomarbeit (vgl.
insbesondere die Teilbewertungen zu „Darstellung des Stellenwerts des Problems - 4,50“, „Problemabgrenzung
- 4,50“, „Qualität der Problemanalyse - 5,00“, „Anspruchsniveau - 4,50“, „Innovationsgehalt/Kreativität - 5,00“,
„“Eigenständigkeit - 5,00“). Zum Anderen kann die akzentuiert zum Ausdruck kommende negative Kritik an den
Leistungen der Klägerin prüfungsspezifisch nicht beanstandet werden und weist - abgesehen von zulässigen
Schwankungen in Teil-/Zwischen- und Endbewertung - zu den deutlich weniger zugespitzten Bemerkungen des
Erstprüfers Prof. Dr. S. wie
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- Nachvollziehbar, hätte aber zwingender erfolgen sollen
- Präziser formulieren
- Erneute Inhaltsangabe mit erheblichen Redundanzen
- Zu pauschal und ohne inhaltliche Begründung allgemein
- Zielsetzung (…) kann bestenfalls „zwischen den Zeilen“ heraus gelesen werden
- in erheblichem Maße redundant (…) und viel zu umfangreich gewichtet
- wirken diese Themenfelder willkürlich ausgewählt
- erheblich zu langatmig geraten
- das fortlaufende Aneinanderreihen von wörtlichen Zitaten
- wird durch das Aneinanderreihen der „Textbausteine“ wieder deutlich erschwert
- entwickelt keine neuen Inhalte, sondern verarbeitet erprobte und bestens bekannte Sachverhalte
- Ausführungen auf einem sehr hohen Allgemeinheitsgrad
- nur allgemeine Ideen zusammengeführt
51 weitgehend und alle Bewertungskategorien betreffend eine inhaltliche Kongruenz auf.
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B. Hilfsantrag
53 Dieses (im Wege der sachdienlichen Klageänderung am 21.7.2009 hinzugefügte) Begehren auf erneute
Leistungserbringung ist zwar zulässig, aber unbegründet. Aus den vorherigen Ausführungen insbesondere unter
A. II. 2b) ergibt sich, dass der Klägerin auch insoweit kein Anspruch zusteht.
C.
54 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Kammer hat keinen Anlass, sie für vorläufig
vollstreckbar zu erklären (§ 167 Abs. 2 VwGO). Gründe für eine Zulassung der Berufung liegen nicht vor,
weshalb für die Anfechtbarkeit dieses Urteils folgendes gilt: