Urteil des VG Frankfurt (Oder) vom 02.04.2017

VG Frankfurt(oder ): treu und glauben, angestelltenverhältnis, vertreter, verjährungsfrist, befragung, empfang, unverzüglich, sicherheitsleistung, gewerbe, vollstreckung

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Gericht:
VG Frankfurt (Oder)
3. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 K 1160/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 242 BGB, § 4 Abs 4
RdFunkGeb1991Vtr BB, § 5 Abs
2 S 1 RdFunkGeb1991Vtr BB
Rundfunkgebühren; Autoradio; Außendienstmitarbeiter;
Verjährung
Leitsatz
1. Angestellte im Außendienst, die keine hoheitlichen Aufgaben erfüllen, sind hinsichtlich
eines Autoradios, das auch zu beruflichen Zwecken genutzt wird, rundfunkgebührenpflichtig.
2. Die Verjährungseinrede greift wegen des Verbots, unzulässiger Rechtsausübung dann
nicht, wenn der Rundfunkteilnehmer seiner Anzeigepflicht nicht nachgekommen ist.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung des Beklagten durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages
abzuwenden, falls nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist nach seinen Angaben bei der Versicherungs-AG (i.F. ) seit 1991 im
Angestelltenverhältnis als Aus- und Fortbilder tätig und hat im Juni 1997 einen Pkw auf
seinen Namen zugelassen, in welchem sich ein Autoradio befindet und den er u.a. dazu
nutzt, gemeinsam mit den von ihm aus- und fortzubildenden Vertretern der Allianz
Kunden aufzusuchen. Er meldete nach der Befragung durch einen Rundfunkbeauftragten
des Beklagten unter dem 7. Oktober 2003 auf dem Formular
"Auskunft/Änderung/Anmeldung" gegenüber dem Beklagten das Autoradio in seinem Kfz
- 537 ab Juni 1997 an. Nachdem er daraufhin durch die GEZ für den Zeitraum Juni
1997 bis Oktober 2003 zur Zahlung von 388,61 Euro Rundfunkgebühren aufgefordert
worden war, machte er am 8. Dezember 2003 geltend, er sei kein Gewerbetreibender,
sondern Angestellter der , worauf er bei der der Anmeldung vorangegangenen
Befragung durch den Rundfunkbeauftragten hingewiesen habe. Der Beklagte teilte dem
Kläger sodann unter dem 1. April 2004 mit, dass auch die möglicherweise nur
geringfügig beruflich veranlasste Nutzung des Pkw die Rundfunkgebührenpflicht
begründe. Mit Gebührenbescheid vom selben Tage - zu dem der Kläger in der
mündlichen Verhandlung erklärt hat, diesen nicht erhalten zu haben - setzte der
Beklagte für Juni 1997 bis Oktober 2003 Rundfunkgebühren i.H.v. 388,61 Euro fest. Am
15. April 2004 erhob der Kläger unter Hinweis darauf, dass er kein Gewerbetreibender
sei, Widerspruch. Der Beklagte wies den Widerspruch, den er auf den Gebührenbescheid
vom 1. April 2004 bezog, unter dem 17. Mai 2004 mit der Begründung zurück, dass die
in gewerblich oder zur selbstständigen Tätigkeit genutzten Pkw befindlichen Autoradios
rundfunkgebührenpflichtig seien; aus der Anmeldung gehe hervor, dass der Kläger den
Pkw teilweise zu gewerblichen Zwecken nutze.
Mit seiner am 17. Juni 2004 erhobenen Klage wendet sich der Kläger weiter gegen seine
Heranziehung zu Rundfunkgebühren wegen des in Rede stehenden Autoradios.
Er meint, seinen Pkw weder zu gewerblichen noch zu selbstständigen Erwerbszwecken zu
nutzen, da er seit Anfang 1991 nicht mehr als selbstständiger Versicherungsvertreter,
sondern im Angestelltenverhältnis tätig sei und auch bei den Anleitungen der von ihm
aus- und fortzubildenden Vertreter der Allianz nicht an den allein von diesen erzielten
Provisionen teilhabe. Seinen Pkw habe er allein zu privaten Zwecken erworben. Im
Übrigen seien die Gebührenforderungen des Beklagten zumindest teilweise verjährt.
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Der Kläger beantragt,
den Gebührenbescheid des Beklagten vom 1. April 2004 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2004 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, dass an der Angabe des Klägers zur gewerblichen Nutzung des Pkw im
Anmeldeformular festzuhalten sei und die vom Kläger mitgeteilte Außendiensttätigkeit
die berufliche Nutzung belege. Auf die Einrede der Verjährung könne sich der Kläger
nicht berufen.
Die Beteiligten haben sich beide mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter
einverstanden erklärt (§ 87 a Abs. 2, Abs. 3 VwGO). Wegen der weiteren Einzelheiten wird
auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie des vom Beklagten vorgelegten
Verwaltungsvorganges Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob dem Kläger der
Gebührenbescheid vom 1. April 2004 wirksam bekannt gegeben worden ist oder der
Widerspruch (nur) gegen das - keinen anfechtbaren Verwaltungsakt i.S.v. § 35 VwVfG
beinhaltende - Schreiben vom 1. April 2004 gerichtet war. Jedenfalls hat der Beklagte
den Bescheid vom 1. April 2004 durch den zurückweisenden Widerspruchsbescheid in
der Sache aufrecht erhalten, so dass sich die Klage in zulässiger Weise als
Anfechtungsklage i.S.v. § 42 Abs. 1 VwGO unter Beachtung des
Vorverfahrenserfordernisses (§§ 68 ff. VwGO) gegen die in diesem Bescheid geregelte
Gebührenfestsetzung richtet. Die Klage ist auch fristgerecht erhoben worden.
Die Klage hat indessen in der Sache keinen Erfolg, da der angefochtene Bescheid
rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1
VwGO).
Die Gebührenfestsetzung für die Zeit von Juni 1997 bis Oktober 2003 beruht auf § 8 Nr. 1
des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages (bis Dezember 2000 i.d.F. des Gesetzes zum
Dritten Rundfunkänderungsstaatsvertrag vom 18. Dezember 1996, GVBl. I S. 398,414;
ab Januar 2001 i.d.F. des Gesetzes zum Fünften Rundfunkänderungsstaatsvertrages
vom 19. Dezember 2000, GVBl. I S. 186,189 - RFinStV -), wonach die Grundgebühr bis
Dezember 2000 9,45 DM (~ 4,83 Euro) und danach 5,32 Euro monatlich beträgt.
Der Kläger ist auch Rundfunkteilnehmer i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 des
Rundfunkgebührenstaatsvertrages (in der jeweils maßgeblichen Fassung der Gesetze
vom 18. Dezember 1996 und 19. Dezember 2000, a.a.O. - RGebStV -), da er im hier
interessierenden Zeitraum ein Rundfunkempfangsgerät, nämlich das Autoradio in
seinem Pkw, zum Empfang bereit hielt. Dem kann er nicht mit Erfolg entgegen halten,
dass es sich bei dem Autoradio um ein gebührenbefreites Zweitgerät handelt. Nach § 5
Abs. 2 Sätze 1 und 2 RGebStV gilt die Gebührenfreiheit nicht für Zweitgeräte in solchen
Räumen oder Kraftfahrzeugen, die zu anderen als privaten Zwecken genutzt werden; auf
den Umfang der Nutzung der Rundfunkempfangsgeräte, der Räume oder der
Kraftfahrzeuge zu diesen Zwecken kommt es nicht an. Der Kläger nutzt seinen Pkw nicht
lediglich zu privaten, sondern dadurch auch zu beruflichen Zwecken, dass er damit zu
Außenterminen fährt, um die von ihm aus- und fortzubildenden freiberuflich tätigen
Vertreter der bei deren Kundenbesuchen anzuleiten. Es steht außer Zweifel, dass die
beruflich veranlassten Fahrten mit den sich aus dem Angestelltenverhältnis des Klägers
ergebenden Arbeitspflichten unmittelbar zusammenhängen, hier also dem gewerblichen
Interesse der Allianz und der Erfüllung arbeitsvertraglicher Verpflichtungen des Klägers,
folglich "zu anderen als privaten Zwecken" dienen. Es kommt daher nicht darauf an, ob
der Kläger selbst ein Gewerbe als selbstständiger Vertreter betreibt; maßgebliches
Abgrenzungskriterium zum gebührenfreien Bereich der privaten Nutzung eines
Autoradios ist vielmehr, dass die mit Hilfe des Kraftfahrzeugs (und damit des
Autoradios) ausgeübte Berufstätigkeit dem Kraftfahrzeugnutzer oder einem Dritten
unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil erbringt (VGH Mannheim, Beschluss vom 20. März
2000 - 2 S 74/99 -, DVBl. 2000,1710 m.w.N.). Dies ist bei der Tätigkeit des Klägers der
Fall, da sie - z.B. im Unterschied zu hoheitlicher Tätigkeit (vgl. hierzu die zitierte
Entscheidung des VGH Mannheim) - der Gewinnerzielung dient.
Der Kläger kann dem umstrittenen Gebührenbescheid auch nicht entgegen halten, dass
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Der Kläger kann dem umstrittenen Gebührenbescheid auch nicht entgegen halten, dass
die Rundfunkgebühren zumindest teilweise verjährt sind. Zwar sah § 4 Abs. 4 RGebStV in
der hier zunächst anwendbaren Fassung eine vierjährige Verjährungsfrist für die
Festsetzung von Rundfunkgebühren vor. Hierauf kann sich der Kläger aber unter dem
Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (vgl. § 242 BGB) nicht berufen, da er
der von Gesetzes wegen bestehenden Verpflichtung zur Anmeldung seines Autoradios
nicht nachgekommen war. Der Rundfunkteilnehmer hat nämlich nach § 3 Abs. 1 Satz 1
RGebStV der Landesrundfunkanstalt, in deren Anstaltsbereich er wohnt, den Beginn des
Bereithaltens eines Rundfunkempfangsgerätes zum Empfang unverzüglich anzuzeigen.
Dies gilt wegen § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV auch für Zweitgeräte in Kraftfahrzeugen, die
zu anderen als zu privaten Zwecken genutzt werden. Der Kläger hat sein Autoradio indes
erst im Oktober 2003 angemeldet. Wegen des Unterlassens der rechtzeitigen
Anmeldung hatte der Beklagte keine Kenntnis von der Rundfunkgebührenpflicht
hinsichtlich des Radios, so dass er die Rundfunkgebühren nicht vor Ablauf der
Verjährungsfrist festsetzen konnte. Unter diesen von ihm verschuldeten Umständen
verstieße es gegen Treu und Glauben, wenn sich der Kläger nunmehr auf die Einrede der
Verjährung berufen könnte (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 7. Mai 2007 - 4 LA
521/07 -, zit. nach juris, m.w.N.).
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird in Höhe des umstrittenen
Rundfunkgebührenbetrages gem. § 13 Abs. 2 GKG (in der bis zum 30. Juni 2004
geltenden Fassung) auf 388,61 Euro festgesetzt.
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