Urteil des VG Frankfurt (Oder) vom 02.04.2017

VG Frankfurt(oder ): ddr, steg, verordnung, befreiung, landrat, wesentliche veränderung, grundstück, öffentlich, eigentümer, bootsliegeplatz

1
2
3
4
5
6
Gericht:
VG Frankfurt (Oder)
5. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 K 215/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 87 Abs 1 WasG BB 2005
Wasserrecht - Beibehaltung einer Steganlage im
Landschaftsschutzgebiet
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die
Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe der jeweils
beizutreibenden Forderung abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks XXX am Scharmützelsee, eingetragen im
Grundbuch von XXX als Flurstücke XXX und XXX der Flur XXX. Sie haben dieses
Grundstück von ihrer Tante geerbt. Vor 1990 verpachtete der VEB Kommunale
Wohnungsverwaltung als staatlicher Verwalter das Grundstück ohne Kenntnis der
damaligen Grundstückseigentümerin an den VEB Reifenwerk Pneumant. Mitarbeiter
dieses Unternehmens errichteten seeseitig vor dem Grundstück eine Steganlage, die im
Stegkataster die Nummer "R XXX" trägt. Unterlagen über die Errichtung der Steganlage
liegen den Klägern nicht vor. Ob damals eine Genehmigung erteilt wurde, ist nicht
bekannt; Nachforschungen der Kläger brachten kein Ergebnis. Das Grundstück ist im
Übrigen unbebaut, bewaldet und naturnah. Vor dem Grundstück befinden sich Röhricht-
und Schwimmblattgesellschaften, in deren Mitte die Steganlage liegt. Diese besteht aus
einem im rechten Winkel zum Seeufer angelegten Steg mit einer Gesamtlänge von 25
m, von dem in einer Entfernung von etwa 13 m zum Ufer links und rechts wiederum im
rechten Winkel zum Hauptsteg zwei Stege mit einer Länge von jeweils etwa 6 m
abzweigen, die beide in einer Plattform endeten. Von der linken der beiden Plattformen
ging wiederum im rechten Winkel ein weiterer Steg Richtung Seemitte ab, der eine Länge
von ca. 9 m aufwies. Dieser Steg und die dazugehörige Plattform waren im Jahr 2002
derart baufällig, dass die Kläger nach Übernahme des Grundstücks aus der staatlichen
Verwaltung die Beseitigung dieses Anlagenteils planten. An dessen Stelle wollten sie vier
neue Pfähle setzen, um daran ein größeres Motorboot anbinden zu können.
Mit Schreiben vom 29. Januar 2003 wandten sich die Kläger an den Beklagten in seiner
Eigenschaft als untere Naturschutzbehörde und baten ihn um Zustimmung zu der
beabsichtigten Maßnahme. Der Beklagte teilte den Klägern daraufhin mit, dass nur
solche Steganlagen Bestandsschutz genössen, die legal errichtet worden seien, für die
also Altgenehmigungen vorgelegt werden könnten. Sollte die Vorlage einer
Altgenehmigung nicht möglich sein, wäre die nachträgliche Genehmigungsfähigkeit zu
prüfen. Der Beklagte forderte hierfür ergänzende Unterlagen an.
Bei einer Ortsbegehung am 18. Juni 2003 stellte der Beklagte fest, dass der Seitensteg
bereits zurückgebaut und die vier Anbindpfähle bereits errichtet waren.
Mit Bescheid vom 28. Juli 2003 lehnte es der Beklagte ab, für das beantragte Vorhaben,
nämlich die Beibehaltung der vorhandenen Steganlage und die Errichtung von vier
Anbindpfählen mit einem Bootsliegeplatz,
- die beantragte Befreiung von den Verboten der Schutzgebietsverordnung des
Landschaftsschutzgebietes "Scharmützelseegebiet" zu gewähren;
- eine Ausnahmegenehmigung vom gesetzlichen Biotopschutz
(Röhrichtgesellschaften) zu erteilen;
7
8
9
10
11
12
- eine Genehmigung zur Benutzung einer Wasserfläche für das oben genannte
Vorhaben zu erteilen.
Zur Begründung erklärte der Beklagte, er habe wegen des Fehlens einer
Altgenehmigung die nachträgliche Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens zu prüfen
gehabt. Das Vorhaben bedürfe einer landschaftsschutzrechtlichen Genehmigung nach §
4 Abs. 2 der Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "Scharmützelsee" vom 11.
Juni 2002 (nachfolgend als „LSGV“ abgekürzt), die nicht erteilt werden könne. Denn das
Vorhaben führe zur Beeinträchtigung der Ufer, Biotope und Lebensräume. Es handele
sich um eine bauliche Anlage, die aufgrund ihrer Größe, Lage und Nutzung als
Bootsliegeplatz gesetzlich geschützte Biotope erheblich und nachhaltig beeinträchtige,
den Gebietscharakter verändere und dem besonderen Schutzzweck, nämlich der
Bewahrung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Landschaftsbildes, nicht unerheblich
zuwiderlaufe. Es müsse frühzeitig der Gefährdung der Erholungsfunktion und dem
weitgehenden Verlust aller Potenziale des Naturhaushalts entgegengewirkt werden, der
durch die Vielzahl geplanter Einzelsteganlagen an den Wassergrundstücken drohe. Auch
eine Befreiung gemäß § 72 des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes (BbgNatSchG)
könne nicht gewährt werden, da die Voraussetzungen dieser Norm nicht vorlägen.
Insbesondere führe die Versagung der Genehmigung nicht zu einer unbeabsichtigten
Härte. Die Ablehnung der Errichtung einer Steganlage sei vielmehr vom
Verordnungsgeber gesehen und in Kauf genommen worden, um die naturnahe
Erhaltung typischer Brandenburger Landschaften und den Arten- und Biotopschutz zu
sichern. Unter den letztgenannten Aspekt fielen die in dem unmittelbaren
Einflussbereich der beantragten Steganlage befindlichen Röhrichte der
Verlandungszonen und Gewässerufer sowie Schwimmblattgesellschaften, die gemäß §
32 Abs. 1 Nr. 1 BbgNatSchG gesetzlich geschützte Biotope darstellten. Die
Voraussetzungen für die Gewährung einer Ausnahme vom gesetzlichen Biotopschutz
lägen nicht vor. Die für den geplanten Bootsliegeplatz erforderliche Genehmigung nach §
50 Abs. 1 BbgNatSchG könne nicht erteilt werden, weil die Belange des Naturschutzes
und der Landschaftspflege durch dieses Vorhaben nicht nur unerheblich beeinträchtigt
würden.
Mit Bescheid vom 7. August 2003 lehnte der Beklagte in seiner Eigenschaft als untere
Wasserbehörde auch den Antrag der Kläger auf wasserrechtliche Genehmigung zur
Beibehaltung einer Steganlage und zur Errichtung von vier Anbindpfählen ab.
Die Kläger legten mit Schreiben vom 6. August 2003 Widerspruch gegen den
ablehnenden Bescheid der unteren Naturschutzbehörde vom 28. Juli 2003 ein. Sie
erklärten, es sei unverständlich, dass die Steganlage, die seit den Jahren 1970/71 unter
den Augen der örtlichen Behörden existierte, jetzt keinen Bestand mehr haben könne.
Am 17. Dezember 2003 schlossen die Kläger einen Nutzungsvertrag mit dem Wasser-
und Schifffahrtsamt Berlin. Darin überließ die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung dem
Kläger zu 2. die vor dem Flurstück XXX liegende Wasserfläche mit Wirkung ab dem 1.
August 2001 zur Nutzung als Steganlage mit einem Bootsliegeplatz. In dem Vertrag
vereinbarten die Parteien, dass der Nutzer die Nutzung so ausüben solle, dass
Landschafts- und Naturschutzgebiete, schutzwürdige Biotope und andere für
Naturschutz und Landschaftspflege erhaltenswerte Flächen und Objekte auf der
Nutzfläche und auf den angrenzenden Grundstücken und Wasserflächen nicht
beeinträchtigt werden. Der Nutzer werde Art und Ausmaß des Bewuchses (z.B. Bäume,
Sträucher, Schilf) auf der Nutzfläche nur verändern, wenn die Wasser- und
Schifffahrtsverwaltung in die vom Nutzer geplanten Maßnahmen eingewilligt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2005 stellte der Beklagte die Erledigung des
Verwaltungsverfahrens fest, soweit es die Erteilung einer Genehmigung zur Benutzung
einer Wasserfläche als Liegeplatz für ein Sportboot betraf. Im Übrigen wies er den
Widerspruch zurück. Die teilweise Erledigung sei eingetreten, weil die der Entscheidung
zu Grunde liegende Vorschrift des § 50 BbgNatSchG zum 22. April 2004 aufgehoben
worden sei. Damit sei die Rechtsgrundlage für die begehrte Genehmigung
zwischenzeitlich entfallen. Im Übrigen erweise sich der ablehnende Bescheid vom 28. Juli
2003 auch nach nochmaliger Überprüfung als rechtmäßig. Die Steganlage sei ohne die
erforderliche Genehmigung errichtet und betrieben worden. Sie sei damit illegal und
genieße keinen Bestandsschutz. Der Weiterbetrieb der Steganlage und die Errichtung
neuer Anbindpfähle laufe dem Schutzzweck der Landschaftsschutzgebietsverordnung
nicht unerheblich zuwider. Eine Befreiung könne nicht erteilt werden. Der vorhandene
Steg befinde sich in einem geschlossenen Schilfgürtel. Durch die Anlage und ihre
Benutzung könne sich der vorhandene Schilfgürtel an dieser Stelle nicht schließen.
Nutzungsbedingt werde insbesondere die Lebensraumfunktion der Schutzbereiche für
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
Nutzungsbedingt werde insbesondere die Lebensraumfunktion der Schutzbereiche für
Schilfbrüter nachhaltig beeinträchtigt. Diese Beeinträchtigung sei nicht geringfügig, da
der Schilfgürtel an dieser Stelle sehr breit sei. Der Uferabschnitt sei naturnah und
bestimme das Landschaftsbild des unmittelbaren Eingriffsraumes. Die vorhandene
Steganlage wirke hier als Fremdkörper, der zu einer massiven Störung des
Landschaftsbildes führe. Allein die Tatsache, dass die Anlage bereits seit 1970 bestehe
und deshalb auch die von ihr ausgehenden Beeinträchtigungen des Naturhaushaltes
und des Landschaftsbildes schon seit vielen Jahren wirksam seien, könne zu keiner
anderen Beurteilung führen, da sonst Inhaber rechtswidrig errichteter Steganlagen
gegenüber solchen Antragstellern bevorteilt würden, deren Anträge in vergleichbarer
Situation abgelehnt werden müssten.
Die Kläger haben am 25. Februar 2005 Klage erhoben.
Zur Begründung haben sie u.a. erklärt, sie seien der Überzeugung, dass der
Sachbearbeiter, der den angefochtenen Bescheid unterschrieben habe, nicht
bevollmächtigt gewesen sei, den Landrat zu vertreten. Aber auch dem Landrat fehle die
Zuständigkeit für die von ihm ausgesprochenen Versagungen. Denn die
Bundeswasserstraße Scharmützelsee falle in die alleinige Zuständigkeit der Wasser- und
Schifffahrtsverwaltung. Diese habe in § 9 des zwischen ihr und den Klägern
abgeschlossenen Nutzungsvertrages Veränderungen von "Art und Ausmaß des
Bewuchses (z.B. Bäume, Sträucher, Schilf)" zugestimmt. Der Beklagte habe im Übrigen
bei allen Ermessensentscheidungen zu Unrecht das BbgNatSchG vom 25. Juni 1992 und
die darauf beruhende Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet
"Scharmützelseegebiet" vom 11. Juni 2002 sowie das BbgNatSchG vom 26. Mai 2004
angewendet. Denn die Steganlage genieße Bestandsschutz. Es sei unvorstellbar, dass
der von einem DDR-Kombinat errichtete Steg unter den Augen der damaligen Behörden
illegal errichtet und jahrzehntelang genutzt worden sei. Es sei vielmehr so, dass die von
dem Beklagten geforderte "Altgenehmigung" in den Jahren zwischen 1970 und 1990
nicht erforderlich gewesen sei. Das damals maßgebliche "Gesetz zur Erhaltung und
Pflege der heimatlichen Natur" und das seit 1970 geltende Gesetz über die planmäßige
Gestaltung der sozialistischen Landeskultur in der DDR mit der hierzu ergangenen
Ersten Durchführungsverordnung hätte nämlich keine dem BbgNatSchG vergleichbaren
Regelungen gekannt. Jedenfalls habe der Beklagte das ihm zustehende Ermessen
fehlerhaft ausgeübt. Denn in unmittelbarer Nachbarschaft der Kläger befänden sich
mehrere andere Steganlagen. Es sei nicht nachvollziehbar, warum allein der seit 1970
vorhandene Steg der Kläger dem Schutzzweck der LSGV zuwiderlaufen solle. Die Kläger
hätten Anspruch darauf, genauso wie die Eigentümer der anderen Steganlagen
behandelt zu werden. Da der Steg bereits seit 1970 vorhanden sei, könne auch den
Klägern nicht vorgeworfen werden, sie hätten mit dem vorhandenen Steg Verbote der
LSGV missachtet und etwa "Ufervegetation beschädigt oder beseitigt" oder beabsichtigt,
in Röhrichte einzudringen. Schließlich passe sich der Steg auch ohne weiteres in das
vorhandene Landschaftsbild ein, der Beklagte hätte deshalb mindestens eine Ausnahme
von den Verboten des § 32 BbgNatSchG zulassen müssen.
Nachdem der Beklagte bezgl. des wasserrechtlichen Bescheides vom 07. August 2003
den Widerspruchsbescheid vom 30. September 2009 erlassen hat und die Kläger diese
Bescheide mit klageerweiterndem Schriftsatz vom 08. Oktober 2009 in ihre Klage
einbezogen haben, beantragen die Kläger nunmehr,
den Beklagten unter Aufhebung
- des ablehnenden Bescheides der unteren Naturschutzbehörde vom 28. Juli 2003
und des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2005 und
- des ablehnenden Bescheides der unteren Wasserbehörde vom 07. August 2003
und des hierzu ergangenen Widerspruchsbescheides vom 30. September 2009
zu verpflichten, den Antrag der Kläger auf Erteilung der erforderlichen
Genehmigungen und Befreiungen für die Beibehaltung der vorhandenen Steganlage und
die Errichtung von vier Anbindpfählen auf dem Flurstück 599 (Flur 17) und 43 (Flur 9)
erneut zu bescheiden,
hilfsweise,
den Klägern eine Schriftsatzfrist von drei Wochen nachzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
24
25
26
27
28
Zur Begründung erklärt er, der Landrat sei befugt, die interne Organisation der
Kreisverwaltung zu gestalten und in diesem Zusammenhang Aufgaben zu delegieren
und Mitarbeiter zu bevollmächtigen, eigenverantwortlich Vorgänge zu bearbeiten. Es sei
in der Kreisverwaltung auch gar nicht möglich, dass etwa der Landrat alle Bescheide
selbst prüfe und anschließend unterschreibe. Hierfür seien die einzelnen Fachämter mit
ihren Strukturen eingerichtet worden. Der hier zu entscheidende Vorgang sei in jeder
Bearbeitungsstufe von den zuständigen und insoweit bevollmächtigten (also mit einer
Unterschriftsbefugnis versehenen) Mitarbeitern der unteren Naturschutzbehörde
bearbeitet worden. Im Übrigen verhielten sich die Kläger widersprüchlich, wenn sie zum
einen Anträge bei dem Beklagten stellten und dann aber dessen Zuständigkeit für die
beantragten Entscheidungen bestritten.
Die teilweise Erledigung des Verfahrens sei im Hinblick auf die Genehmigung gemäß § 50
Abs. 1 BbgNatSchG zu Recht festgestellt worden, da sich dieser Teil des Verfahrens
durch die Streichung der zu Grunde liegenden Norm und dem damit verbundenen
Wegfall der Genehmigungspflicht tatsächlich erledigt habe.
Der Beklagte habe bei seinen Entscheidungen das jeweils geltende aktuelle
Naturschutzrecht angewendet. In der Sache sei davon auszugehen, dass der
Scharmützelsee und die angrenzenden Gebiete seit dem 6. Januar 1965 unter
Landschaftsschutz stünden. Dies sei also auch der Fall gewesen, als der heute von den
Klägern genutzte Steg in den Jahren 1970/71 errichtet worden sei. Die Errichtung einer
Steganlage habe schon damals im Widerspruch zu den Schutzzwecken und Regelungen
des Landschaftsschutzbeschlusses gestanden und habe einer entsprechenden
naturschutzrechtlichen Genehmigung bedurft. Die Erteilung einer solchen Genehmigung
hätten die Kläger nicht nachgewiesen. Es sei deshalb nach wie vor davon auszugehen,
dass die Steganlage im Widerspruch zum damals geltenden Recht und damit illegal
errichtet worden sei. Sie könne deshalb keinen Bestandsschutz genießen. Im Übrigen
hätten die Kläger selbst durch den Teilabriss und die Errichtung der Anbindpfähle so
gravierende Änderungen vorgenommen, dass man nicht mehr vom Fortbestand der
ursprünglichen Steganlage ausgehen könne, so dass bereits deshalb ein eventueller
Bestandsschutz erloschen sei. Es erschließe sich dem Beklagten vor diesem Hintergrund
nicht, warum eine ungenehmigt errichtete Anlage, die kürzlich erst wesentlich verändert
worden sei, nicht dem BbgNatSchG und Verordnungen unterliegen solle. Soweit die
Kläger meinten, einen Anspruch auf Gleichbehandlung zu haben, könne ihnen versichert
werden, dass auch andere unzulässige Stegvorhaben vom Beklagten untersagt würden
und illegale Stege beseitigt werden sollten. Nur Altanlagen mit Bestandsschutz könnten
weiter bestehen bleiben. Insgesamt würden derzeit im Zusammenwirken zwischen der
unteren Naturschutzbehörde, der unteren Wasserbehörde, der Gemeinde Bad Saarow
sowie dem Amt Scharmützelsee und der Wasser- und Schifffahrtsbehörde alle Stege am
Scharmützelsee einer näheren Prüfung unterzogen, unabhängig davon, ob sie in alten
oder aktuellen Unterlagen der Behörde verzeichnet seien oder nicht. Es würde deshalb
gegebenenfalls auch die Nutzung anderer illegaler Stege untersagt und deren
Beseitigung angeordnet. Es müsse jedoch an einer Stelle begonnen werden. Sollten
einzelne illegale Stegbetreiber deshalb einen kurzfristigen zeitlichen Vorteil haben, weil
sie noch nicht an der Reihe seien, so werde dieser Vorteil nicht von langer Dauer sein.
Einen Anspruch auf gleichzeitiges Einschreiten gegen alle in Betracht kommenden
Störer könne es schon aus praktischen Gründen nicht geben. Schließlich treffe es auch
nicht zu, dass die Kläger selbst keine Verbote der Schutzgebietsverordnung missachtet
hätten und so zum Beispiel nicht in Röhrichte eingedrungen seien oder diese beschädigt
hätten. Denn aus der beim Verwaltungsvorgang befindlichen Fotodokumentation ergebe
sich, dass ein großes Sportboot in diesem Bereich gelegen habe und folglich hier
eingedrungen sein müsse. Unzweifelhaft könnten der Bootskörper und die
Schiffsschraube Röhricht- und Schwimmblattgesellschaften beschädigen oder
beseitigen. Aber auch der Teilabriss des Steges und die Errichtung der vier Anbindpfähle
sei nicht möglich gewesen, ohne in diesen Bereich einzudringen und zwar mit weniger als
5 m Abstand.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die – soweit wesentlich
– Gegenstand der mündlichen Verhandlung, der Beratung und der Entscheidung der
Kammer waren.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nach zulässiger Klageerweiterung (§ 44 Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO -) mit Schriftsatz vom 08. Oktober 2009 auf die Verpflichtung des Beklagten in
seiner Funktion als untere Wasserbehörde gerichtet, den Antrag auf Erteilung der
29
30
31
32
33
34
seiner Funktion als untere Wasserbehörde gerichtet, den Antrag auf Erteilung der
erforderlichen Genehmigungen und Befreiungen für die Beibehaltung der vorhandenen
Steganlage und die Errichtung von vier Anbindpfählen vor dem Grundstück der Kläger
erneut zu bescheiden. Für eine (zusätzliche) Verpflichtung des Beklagten zur
Neubescheidung entsprechender Anträge in seiner Funktion als untere
Naturschutzbehörde ist nach der Änderung des § 87 des Brandenburgischen
Wassergesetzes (BbgWG) durch Gesetz vom 23. April 2008 (GVBl. I S. 62) kein Raum
mehr. Denn seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes schließt die wasserrechtliche
Genehmigung alle weiteren für das Vorhaben nach Landesrecht erforderlichen öffentlich-
rechtlichen Zulassungen ein (§ 87 Abs. 3 Satz 2 BbgWG n.F.). Über die
naturschutzrechtlichen Genehmigungen und Befreiungen ist deshalb im Verfahren auf
Erteilung einer wasserrechtlichen Genehmigung nach interner Beteiligung der
Naturschutzbehörden mit zu entscheiden. Soweit vor Inkrafttreten der
Genehmigungskonzentration separate naturschutzrechtliche Entscheidungen ergangen
waren, sind diese im wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren zu berücksichtigen (vgl.
hierzu bereits das Urteil der Kammer 5 K 2011/04 vom 15. September 2008). Die Kläger
begehren also Neubescheidung durch die untere Wasserbehörde unter Aufhebung aller
bisher ergangenen Entscheidungen der unteren Wasser- und Naturschutzbehörde.
Die so auszulegende Klage ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
Der wasserrechtliche Bescheid vom 07. August 2003 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 30. September 2009, mit dem der Beklagte den Antrag
der Kläger auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis für die Beibehaltung ihrer
Steganlage und der vier neu errichteten Anbindpfähle abgelehnt hat, ist rechtmäßig und
verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Soweit die Kläger ursprünglich bestritten haben, dass die ablehnenden Bescheide von
der zuständigen Behörde erlassen worden seien, verkennen sie grundlegende Prinzipien
der Behördenorganisation. Die angefochtenen Bescheide stammen vom Landkreis, der
nach § 52 Satz 2 des Brandenburgischen Naturschutzgesetzes (BbgNatSchG) die
Aufgaben der unteren Naturschutzbehörde und nach § 124 Abs. 2 des
Brandenburgischen Wassergesetzes (BbgWG) die Aufgaben der unteren Wasserbehörde
wahrnimmt. Diese Gebietskörperschaft wurde bis zum Inkrafttreten der
Kommunalverfassung des Landes Brandenburg (BbgKVerf) nach § 50 Satz 2
Landkreisordnung (LKrO) und wird auch heute nach § 131 BbgKVerf in Verbindung mit §
57 Abs. 1 BbgKVerf durch den Landrat vertreten. Dieser leitet die Kreisverwaltung, deren
Untergliederungen die dem Landkreis übertragenen Aufgaben tatsächlich ausführen; er
ist allgemeine untere Landesbehörde im Gebiet seines Landkreises (§ 132 Abs. 1 Satz 1
BbgKVerf). Der Beklagte hat zu Recht darauf hingewiesen, dass es weder möglich noch
erforderlich ist, dass der Landrat alle zu treffenden Verwaltungsentscheidungen selbst
unterzeichnet. Dies war in der Landkreisordnung und ist auch in der
Kommunalverfassung des Landes Brandenburg nicht vorgesehen. Der Landrat ist im
Rechtssinne nämlich nicht allein eine Person, sondern eine Behörde mit
entsprechendem Verwaltungsunterbau (Kreisverwaltung). Deren Mitarbeiter handeln für
den Landrat und in seinem Auftrag, ohne dass dies rechtlichen Bedenken begegnen
würde.
Die Kläger haben auch in der Sache keinen Anspruch auf die begehrte erneute
Bescheidung ihres Antrages.
Allein in Betracht kommende Rechtsgrundlage der begehrten wasserrechtlichen
Genehmigung ist § 87 des Brandenburgischen Wassergesetzes (BbgWG). Nach § 87 Abs.
1 BbgWG bedarf die Errichtung oder wesentliche Veränderung von Anlagen in und an
Gewässern der Genehmigung der Wasserbehörde. Bei der Entscheidung über den – auf
die Erteilung dieser Genehmigung gerichteten – Antrag der Kläger war § 87 BbgWG in der
Fassung anzuwenden, die er durch das am 30. April 2008 in Kraft getretene Gesetz zur
Änderung wasserrechtlicher Vorschriften vom 23. April 2008 (GVBl. I 63) erhalten hat
und die heute noch gilt. Denn der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach-
und Rechtslage ergibt sich aus dem materiellen Recht (ständige Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts, vgl. zum Beispiel Urteil 4 C 9/07 vom 13. Dezember 2007,
juris RN 10). Das Wasserrecht gebietet, bei der Beurteilung der Frage, ob dem Kläger die
begehrte Genehmigung zusteht, auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten
mündlichen Verhandlung abzustellen. Nach § 87 Abs. 3 BbgWG darf eine derartige
Genehmigung nämlich nur erteilt werden, wenn dem beabsichtigten Vorhaben nach
Absatz 1 keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Daraus folgt, dass
diese Voraussetzungen im Genehmigungszeitpunkt (noch immer) vorliegen müssen.
Dies ist bezogen auf das Vorhaben der Kläger nicht der Fall. Der Erteilung der begehrten
34
35
36
37
38
39
40
41
42
43
Dies ist bezogen auf das Vorhaben der Kläger nicht der Fall. Der Erteilung der begehrten
Genehmigung stehen vielmehr gesetzliche Versagungsgründe entgegen.
Gemäß § 87 Abs. 3 S. 1 und 2 BbgWG n.F. darf die Genehmigung nur erteilt werden,
wenn dem beabsichtigten Vorhaben nach Absatz 1 keine öffentlich-rechtlichen
Vorschriften entgegenstehen und ferner das Wohl der Allgemeinheit nicht beeinträchtigt
wird.
Das Vorhaben der Kläger ist gleich in mehrfacher Hinsicht nicht mit den maßgeblichen
naturschutzrechtlichen Bestimmungen vereinbar. Es verstößt zunächst gegen
landschaftsschutzrechtliche Verbote (1.), ohne dass die Voraussetzungen für eine
Befreiung von diesen Verboten vorliegen würden (2.). Zudem verletzt es Vorschriften
über den Biotopschutz und erfüllt nicht die Voraussetzungen, die die Erteilung einer
Ausnahmegenehmigung rechtfertigen könnten (3.). Ein Anspruch auf Erteilung der
erforderlichen Genehmigungen und Befreiungen ergibt sich schließlich auch nicht aus
dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (4.).
1.
Die Beibehaltung der Steganlage steht im Widerspruch zu den Festsetzungen der im
örtlichen Bereich einschlägigen Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet
"Scharmützelseegebiet" vom 11. Juni 2002 (GVBl. II S. 454; im Folgenden:
Landschaftsschutzgebiets-Verordnung, LSG-VO). Dass das von den Klägern genutzte
Grundstück XXX in den Schutzbereich der Verordnung einbezogen ist, ist zwischen den
Beteiligten nicht umstritten (§ 2 Abs. 1 S. 1 LSG-VO).
a) Der Beibehaltung der Steganlage steht ein – abgesehen von der Möglichkeit der
Befreiung – zwingendes Verbot gemäß § 4 Abs. 1 LSG-VO entgegen. Nach dieser
Vorschrift ist es vorbehaltlich der nach § 5 zulässigen Handlungen in den
Landschaftsschutzgebieten gemäß § 22 Abs. 3 BbgNatSchG insbesondere verboten, die
Ufervegetation zu beschädigen oder zu beseitigen (Nr. 4) oder in Röhrichte einzudringen
oder sich diesen wasserseitig dichter als 5 m zu nähern (Nr. 5). Diesem Verbot
widerspricht die Steganlage. Denn nach den vom Beklagten im Verwaltungsvorgang
eingereichten Fotografien durchschneidet die Anlage einen ausgedehnten
Röhrichtgürtel, der sich wegen der Nutzung der Anlage hier nicht schließen kann (siehe
Blatt 77 bis 80 des Verwaltungsvorgangs).
b) Die Steganlage verstößt daneben auch gegen § 4 Abs. 2 und 3 LSG-VO. Nach Satz 1
des erstgenannten Absatzes bedürfen sonstige Handlungen, die geeignet sind, den
Charakter des Gebietes zu verändern, den Naturhaushalt zu schädigen, das
Landschaftsbild zu verunstalten, den Naturgenuss zu beeinträchtigen oder sonst dem
besonderen Schutzzweck zuwider laufen, der Genehmigung. Gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1
LSG-VO ist die Genehmigung nach Absatz 2 zu erteilen, wenn die beabsichtigte
Handlung den Charakter des Gebietes nicht verändert, den Naturhaushalt nicht schädigt
oder dem Schutzzweck nach § 3 nicht oder nur unerheblich zuwiderläuft. Schutzzweck
der LSG-VO ist nach § 3 unter anderem die Erhaltung, Entwicklung oder
Wiederherstellung der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, insbesondere der
Uferbereiche, der gefährdeten und charakteristischen Lebensräume wie Röhrichte und
die Bewahrung der Vielfalt, Eigenart und Schönheit des Landschaftsbildes. Diesen
Schutzzwecken läuft die Beibehaltung der Steganlage erheblich zuwider. Denn sie
zerschneidet den Schilfgürtel, verhindert damit die Wiederherstellung des Röhrichts als
Lebensraum für viele wichtige Arten und beeinträchtigt das Landschaftsbild des
naturnahen Seeufers.
c) Der von den Klägern für sich in Anspruch genommene „Bestandsschutz“ nach § 5
Abs. 1 Nr. 11 LSG-VO liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift bleiben entgegen § 4 LSG-
VO zulässig: „... die sonstigen bei In-Kraft-Treten dieser Verordnung aufgrund
behördlicher Einzelfallentscheidung rechtmäßig ausgeübten Nutzungen und Befugnisse
in der bisherigen Art und im bisherigen Umfang.“
Die Voraussetzungen dieser Norm sind nicht gegeben.
Soweit die Kläger die Beibehaltung der vier Anbindpfähle begehren, bestand diese
Nutzung bei Inkrafttreten der LSG-VO noch nicht, so dass Bestandsschutz nach § 5 Abs.
1 Nr. 11 LSG-VO nicht eingetreten ist. Die rechtliche Beurteilung ist daher in vollem
Umfang anhand des heute geltenden Rechts vorzunehmen, das die Errichtung nach
dem vorstehenden nicht zulässt.
Die übrige Steganlage ist zwar vor dem Wirksamwerden der LSG-VO errichtet und
genutzt worden. Dies haben die Kläger dargelegt, durch Benennung von drei Zeugen
44
45
46
47
48
49
genutzt worden. Dies haben die Kläger dargelegt, durch Benennung von drei Zeugen
unter Beweis gestellt, und der Beklagte hat dieser Behauptung nicht widersprochen.
Einer Vernehmung der angebotenen Zeugen bedurfte es nicht; es kann zugunsten der
Kläger vielmehr unterstellt werden, dass der unter Beweis gestellte Sachverhalt zutrifft,
die Steganlage also bereits seit 1970 besteht. Eine behördliche Einzelfallentscheidung
(wasserrechtlicher, baurechtlicher oder naturschutzrechtlicher Art), auf deren Grundlage
Errichtung und Nutzung als „rechtmäßig“ zu beurteilen sein könnten, ist jedoch nicht
ersichtlich.
Der Eintragung der Anlage im Stegkataster kommt eine rechtliche Bedeutung nicht zu,
da dieses Kataster nur den tatsächlichen Bestand wiedergibt, ohne die
Genehmigungslage für die einzelnen Anlagen zu berücksichtigen.
Vergleichbares gilt für den Nutzungsvertrag Nr. 124, den die Kläger am 17. Dezember
2003 mit dem Wasser- und Schifffahrtsamt Berlin abgeschlossen haben. Bei dieser
Vereinbarung handelt es sich um einen zivilrechtlichen Vertrag, der lediglich das
(interne) Verhältnis zwischen dem Eigentümer und den Nutzern der Wasserflächen vor
dem Grundstück regelt. Öffentlich-rechtliche Vorschriften, wie z.B. die Vorschriften der
LSG-VO bleiben hiervon unberührt. So heißt es dann auch in § 2 Abs. 4 dieses
Nutzungsvertrages: „Dieser Vertrag ersetzt nicht die für die Nutzung der Nutzfläche
sowie für die Errichtung und den Betrieb von Anlagen erforderlichen Verwaltungsakte.“
Andere Genehmigungen oder Befreiungen wurden in der Zeit nach dem Inkrafttreten
des Grundgesetzes im Land Brandenburg unstreitig nicht erteilt.
Es sind auch sonst keine behördlichen Einzelfallentscheidungen betreffend die Errichtung
der Steganlage aus der Zeit vor dem 03. Oktober 1990 bekannt, obwohl für die
rechtmäßige Errichtung einer Steganlage auch schon vor 1990 eine solche
Einzelfallentscheidung erforderlich war (vgl. hierzu den Beschluss der Kammer 5 L
133/08 vom 25. November 2008, Seite 8 des Beschlussabdrucks). Denn insoweit galt §
18 des Gesetzes über den Schutz, die Nutzung und die Instandhaltung der Gewässer
und den Schutz vor Hochwassergefahren (Wassergesetz) vom 17. April 1963 (DDR-GBl. I
Seite 77 ff.). Nach dieser Vorschrift war für die Errichtung, Veränderung oder Beseitigung
baulicher Anlagen in, an, unter und über den oberirdischen Gewässern die Zustimmung
des Rates des Kreises erforderlich. Dass eine solche „Wasserrechtliche Zustimmung“
durch den Rat des Kreises erteilt worden wäre, ist nicht ersichtlich. An diesem
Tatbestand hat sich auch nach Inkrafttreten des Wassergesetzes der DDR vom 02. Juli
1982 (DDR-GBl. I S. 467) nichts geändert. Denn auch in diesem Gesetz war in § 17 Abs.
2 vorgesehen, dass die Errichtung baulicher Anlagen an, in, unter oder über
Oberflächengewässern der Zustimmung bedürfe. Auch die Kläger haben nicht
nachweisen können, dass eine solche Zustimmung erteilt worden wäre.
Bedurfte es demnach zufolge den maßgeblichen Vorschriften des DDR-Rechts einer
wasserrechtlichen Zustimmung und ist deren Erteilung nicht nachgewiesen, liegt auch
kein Bestandsschutz i.S. des § 5 Abs. 1 Nr. 11 LSG-VO vor. Denn ohne Zustimmung war
die Errichtung und Nutzung der Steganlage schon nach dem bei ihrer Errichtung
geltenden Recht nicht rechtmäßig. Ob neben der wasserrechtlichen Zustimmung weitere
behördliche Einzelfallentscheidungen (etwa landschaftsschutzrechtlicher Art) erforderlich
waren, kann vor diesem Hintergrund dahinstehen.
Die Kläger können die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche auch nicht auf die
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 116 Sachenrechtsbereinigungsgesetz
stützen (BGH, ZOV 2005, 29 f.). Denn zum einen kann diese Rechtsprechung zu
zivilrechtlichen Nutzungsverhältnissen (in der DDR) nicht auf die Erteilung öffentlich-
rechtlicher Genehmigungen übertragen werden, die nicht nur dem Ausgleich privater
Interessen, sondern auch der Durchsetzung öffentlicher Interessen (zum Beispiel am
Natur- und Landschaftsschutz) dienen. Zum anderen wäre auch nach dieser
Rechtsprechung Mindestvoraussetzung für eine Anerkennung faktischer Verhältnisse in
der DDR durch das heutige Recht, dass das faktische Verhältnis nach der
Verwaltungspraxis der DDR oder nach den DDR-typischen Gegebenheiten als
„rechtmäßig“ angesehen wurde (BGH a.a.O.zitiert nach Juris Rn.12). Das Fehlen von
Anhaltspunkten für ein Einschreiten der DDR-Behörden gegen die Errichtung und
Nutzung der Steganlage belegt jedoch – entgegen der Auffassung der Kläger – nicht,
dass etwa „DDR-typische Gegebenheiten“ als rechtmäßig angesehen werden sollten. Mit
Blick auf die nach DDR-Recht erforderliche wasserrechtliche Zustimmung kam auch nach
der Rechtsprechung des BGH kein „faktischer Schutz“ der hier ohne (positive)
Zustimmung erfolgte Gewässernutzung angenommen werden. Die Untätigkeit der
Behörden kann vielmehr verschiedenste Ursachen haben; es kommen auch fehlende
Kenntnis oder unzureichende Kapazitäten oder Willkür bei der Rechtsanwendung (im
50
51
52
53
54
55
56
Kenntnis oder unzureichende Kapazitäten oder Willkür bei der Rechtsanwendung (im
Sinne einer unzulässigen Privilegierung der damaligen Nutzer des Steges) in Frage. Eine
solche Privilegierung bestimmter Mitarbeiter volkseigener Betriebe unter Zurückstellung
des schon damals zu beachtenden Landschaftsschutzes wäre schon nach der
Verwaltungspraxis der DDR bei einer Überprüfung in den damals vorgesehenen
rechtlichen Verfahren nicht als „rechtmäßig“ angesehen worden. Allein die bloße
Existenz der Steganlage über 30 Jahre begründet nach alledem nicht die
„Rechtmäßigkeit“ der Anlage nach damaligem Recht. Die bloße Existenz der Anlage
über diesen Zeitraum vermag deshalb auch nicht die Annahme eines Bestandsschutzes
zu begründen.
2.
Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Befreiung (§ 7 LSG-VO).
Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Befreiung nach den Regelungen des § 72
Abs. 3 BbgNatSchG, auf den § 7 LSG-VO verweist, liegen nicht vor. Denn weder führt die
Beseitigung des Steges zu einer nicht gewollten Beeinträchtigung von Natur und
Landschaft (§ 72 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b BbgNatSchG), noch erfordern überwiegende
Gründe des Gemeinwohls die Gewährung einer Befreiung (§ 72 Abs. 3 Nr. 2
BbgNatSchG). Auch tatsächliche Umstände, die die Annahme einer nicht beabsichtigten
Härte rechtfertigen könnten (§ 72 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a BbgNatSchG), sind weder
vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es ist regelmäßige (und durchaus beabsichtigte)
Folge der Unterschutzstellung, dass die bauliche Nutzung der Ufergrundstücke im
Landschaftsschutzgebiet zugunsten der Schutzzwecke der Verordnung eingeschränkt
wird. Auch die Kläger haben keine besonderen Umstände vorgetragen, die belegen
könnten, dass sie der Verzicht auf die Nutzung des Steges stärker als andere
Eigentümer von Wassergrundstücken belasten würde.
3.
Im Übrigen stellt der Röhrichtgürtel, in dem die Steganlage errichtet wurde, auch ein
besonders geschütztes Biotop gemäß § 1 der „Verordnung zu den gesetzlich
geschützten Biotopen“ (BiotopSchV) dar. Gemäß § 32 Abs. 1 BbgNatSchG sind
Maßnahmen, die zu einer Zerstörung oder sonstigen erheblichen oder nachhaltigen
Beeinträchtigung des Biotops führen können unzulässig. Dass eine Nutzung der
vollständig von Röhricht umgebenen Steganlage den Röhrichtgürtel notwendig
beeinträchtigt, bedarf keiner näheren Darlegung. Die Beeinträchtigung ist auch
erheblich, wenn man bedenkt, dass rund um den Scharmützelsee zahlreiche illegale
Steganlagen errichtet wurden, wodurch eine kumulative Schädigung des Schilfgürtels
eingetreten ist, der nur entgegengewirkt werden kann, wenn jeder einzelne (kleine)
Eingriff konsequent untersagt wird. Dies zeigt auch gerade der vorliegende Fall, in dem
sich die Kläger ausdrücklich auf die Gleichbehandlung mit den anderen Steganlagen am
Scharmützelsee berufen.
Von dem Verbot des § 32 BbgNatSchG kann eine Ausnahme im vorliegenden Fall nicht
zugelassen werden, da die hierdurch entstehenden Beeinträchtigungen des
Naturhaushalts oder des Landschaftsbildes nicht ausgeglichen werden können (§ 72
Abs. 1 BbgNatSchG).
4.
Die Kläger können den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung der gewünschten
wasserrechtlichen Genehmigung auch nicht auf den Gleichbehandlungsgrundsatz nach
Art. 3 des Grundgesetzes (GG) stützen. Sie haben insoweit schon nicht dargelegt, dass
der Beklagte anderen Personen für vergleichbare Vorhaben unter vergleichbaren
Umständen in seinem Ermessen stehende Genehmigungen und Befreiungen erteilt hat.
Der Beklagte hat hierzu mitgeteilt, dass er zurzeit sukzessive alle Steganlagen am
Scharmützelsee überprüft und gegebenenfalls ordnungsbehördliche Verfahren einleitet.
Der Kammer ist diese Vorgehensweise des Beklagten aus zahlreichen anderen
gerichtlichen Verfahren bekannt. Vor diesem Hintergrund ist nichts für eine
verfassungswidrige Ungleichbehandlung der Kläger durch den Beklagten ersichtlich.
5.
Der hilfsweise gestellte Antrag auf Gewährung eines dreiwöchigen Schriftsatznachlasses
war abzulehnen.
Denn die Kläger haben diesen Antrag allein mit dem späten Erhalt des
(wasserrechtlichen) Widerspruchsbescheides vom 30. September 2009 am 02. Oktober
57
(wasserrechtlichen) Widerspruchsbescheides vom 30. September 2009 am 02. Oktober
2009 begründet. Davon abgesehen, dass der verbleibende Zeitraum von zehn Tagen bis
zur mündlichen Verhandlung am 12. Oktober 2009 ausreichen sollte, um zu dem
Widerspruchsbescheid Stellung zu nehmen, enthielt der Widerspruchsbescheid vom 30.
September 2009 keine entscheidungserheblichen, neuen Tatsachen oder
Gesichtspunkte, die bisher im Klageverfahren noch nicht angesprochen worden wären.
Der Beklagte hat vielmehr auch die Zurückweisung dieses Widerspruchs in erster Linie
auf die natur- und landschaftsschutzrechtliche Unzulässigkeit des Vorhabens gestützt,
die auch allein den Grund für die Abweisung der Klage bildet und im Klageverfahren
bereits ausführlich erörtert worden ist.
6.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen
Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 der
Zivilprozessordnung (ZPO). Die Berufung ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 124
Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO genannten Gründe vorliegt, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum