Urteil des VG Frankfurt (Oder) vom 15.03.2017

VG Frankfurt(oder ): akteneinsichtsrecht, zivilrechtliche streitigkeit, zweckverband, abgabenordnung, unterliegen, untätigkeitsklage, gerichtsakte, vorverfahren, verhinderung, steuergeheimnis

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Gericht:
VG Frankfurt (Oder)
3. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 K 2480/03
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 4 AktenE/InfZG BB, § 5
AktenE/InfZG BB
Verpflichtungsklage bei Akteneinsichtsrecht nach AktenE/InfZG
BB; analoge Anwendung der Vorschriften für
Gemeindeverbände auf Zweckverbände; die Darlegungs- und
Beweislast für Ausschlussgründe liegt bei der Behörde
Leitsatz
1. Für Klagen mit dem Ziel einer Akteneinsicht nach dem AIG ist die Verpflichtungsklage
statthaft.
2. Zweckverbände unterliegen in entsprechender Anwendung der für Gemeindeverbände
geltenden Rechtsvorschriften dem Akteneinsichtsrecht nach dem AIG.
3. Hinsichtlich der Ausschlussgründe nach §§ 4, 5 AIG ist die aktenführende Behörde
darlegungs- und ggf. beweisbelastet
Tenor
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Akteneinsicht in die Protokolle der öffentlichen
Vorstandssitzungen sowie in die Protokolle der öffentlichen Verbandsversammlungen
jeweils im Zeitraum 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2001 zu gewähren.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten bleibt nachgelassen, eine Vollstreckung des Klägers durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages
abzuwenden, falls der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Kläger in Akten des Beklagten, eines
Wasser- und Abwasserzweckverbandes, Einsicht nehmen kann. Hintergrund des
vorliegenden Streitverfahrens war zunächst offensichtlich eine zivilrechtliche Streitigkeit
über einen Vertrag, den der Beklagte entgegen § 16 Abs. 7 Satz 2 GKGBbg allein durch
seinen Verbandsvorsteher mit einem Dritten zur dezentralen Schmutzwasserentsorgung
abgeschlossen hatte, wobei der Kläger als Prozessbevollmächtigter des Dritten auftrat
und unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs geltend machte,
dass die fehlende zweite Unterschrift für den Beklagten unbeachtlich sei, wenn der
fehlerhafte Vertragsschluss von dessen Verbandsversammlung oder dem
Verbandsvorstand genehmigt wurde.
Der Kläger beantragte am 27. Oktober 2003 gemäß § 1 AIG beim Beklagten Einsicht in
sämtliche Protokolle der öffentlichen Vorstandssitzungen sowie in sämtliche Protokolle
der öffentlichen Verbandsversammlungen jeweils im Zeitraum 1. Januar 1998 bis 31.
Dezember 2001; an sein - bis heute - unbeschieden gebliebenes Gesuch erinnerte er
unter dem 11. November 2003.
Am 18. November 2003 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, zu deren
Begründung er im Wesentlichen vorträgt, dass ihm der Beklagte durch ein
zwischenzeitliches Schreiben vom 24. November 2003 die Akteneinsicht bereits dem
Grunde nach bewilligt habe. Die Darlegung eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses
für das Akteneinsichtsgesuch sei nicht erforderlich; möglicherweise könnten aus der
Akteneinsicht Erkenntnisse für anderweitige Prozesse gegen den Beklagten gewonnen
werden.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, ihm Akteneinsicht in die Protokolle der öffentlichen
Vorstandssitzungen sowie in die Protokolle der öffentlichen Verbandsversammlungen im
Zeitraum 1. Januar 1998 bis 31. Dezember 2001 zu erteilen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Er lässt im Wesentlichen vortragen, die Klage sei unzulässig, da der Kläger entgegen §
68 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO kein Vorverfahren durchgeführt habe und bei
Klageerhebung die Frist des § 75 Satz 2 VwGO nicht verstrichen gewesen sei. Auch habe
der Kläger nicht dargelegt, worin sein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage begründet sei,
zumal er nicht als "jedermann", sondern vielmehr als Prozessbevollmächtigter Dritter im
Zusammenhang mit Rechtsstreitigkeiten mit dem Beklagten auftrete. Es treffe nicht zu,
dass die begehrte Akteneinsicht dem Grunde nach bewilligt worden sei; einer solchen
stehe bereits entgegen, dass das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz auf
Zweckverbände nicht anwendbar sei, was durch den Verweis des § 2 Abs. 1 AIG auf das
Landesorganisationsgesetz und durch die Aufhebung des früheren ersten Teilsatzes in §
5 Abs. 2 GKGBbg belegt werde. Außerdem sei der Beklagte als wirtschaftlich tätige
Einrichtung i. S. v. § 18 Abs. 4 Satz 1 GKGBbg i. V. m. § 103 Abs. 1 Satz 1 GO wie jeder
Private von einer Akteneinsicht nach dem AIG ausgeschlossen. Da der Kläger
Erkenntnisse für gebührenrechtliche Streitigkeiten gewinnen wolle, mache er das
Akteneinsichtsgesuch im Rahmen der Abgabenerhebung geltend, wofür nach den
einschlägigen abgabenrechtlichen Vorschriften (§§ 4, 6 Abs. 1, 12 Abs. 1 KAGBbg;
Abgabenordnung) Einsichtsrechte nicht bestünden. Außerdem stünden dem
Akteneinsichtsbegehren des Klägers die Ausschlussgründe in § 4 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Nr.
1 und Nr. 4 AIG sowie in § 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG entgegen und bestehe auch sonst kein
Akteneinsichtsrecht, etwa nach § 29 VwVfGBbg.
Mit Beschluss vom 29. November 2005 hat die Kammer den Rechtsstreit auf den
Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte 3 L 82/05 bezüglich
eines zwischenzeitlichen einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sowie auf den Inhalt des
dreiseitigen Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug genommen. Die vom
Beklagten auf Anforderung des Gerichts vorgelegten Akten mit den umstrittenen
Protokollinhalten sind nicht Gegenstand der Erörterung gewesen und dem Kläger
entgegen seinem diesbezüglichen Ersuchen an das Gericht nicht offenbart worden.
Entscheidungsgründe
1. Über die Klage konnte in der Sitzung am 13. November 2007 verhandelt und
entschieden werden, obgleich weder ein Vertreter des Beklagten noch dessen
Prozessbevollmächtigte erschienen waren, weil die Beteiligten gemäß § 102 Abs. 2
VwGO in der jeweils bereits im September 2007 zugestellten Ladung entsprechend
belehrt worden waren.
Das Gericht musste den Termin auch nicht auf Grund der Anträge der
Beklagtenbevollmächtigten vom 7. und 12. November 2007 verschieben, da die
Beklagtenbevollmächtigten - zumal angesichts des bereits Mitte August 2007 erfolgten
Ankündigung und in der Ladung im September 2007 erfolgten Mitteilung des
Verhandlungstermins - keinen erheblichen Grund (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227
ZPO) hierfür vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht hatten. Einerseits trifft die zur
Begründung des Verlegungsantrages angeführte Behauptung augenscheinlich nicht zu,
dass der Prozessbevollmächtigte aus der Kanzlei der Beklagtenbevollmächtigten, der die
Verlegungsanträge gestellt hat, alleinbearbeitender Rechtsanwalt in der vorliegenden
Sache war, da der das Beklagtenvorbringen eingehend behandelnde Schriftsatz vom 2.
November 2007 von einem anderen Mitglied der Kanzlei gezeichnet ist. Es ist daher
weder nachvollziehbar dargetan noch gar glaubhaft gemacht, dass nicht ein anderes
Mitglied der Kanzlei der Beklagtenbevollmächtigten den Termin hätte wahrnehmen
können. Andererseits war den Beklagtenbevollmächtigten bereits in der gerichtlichen
Verfügung vom 9. November 2007 "eine Absprache vor Ort" in Aussicht gestellt worden,
weil die in den Verlegungsanträgen geltend gemachte Verhinderung wegen einer zeitlich
überschneidenden Terminsteilnahme in Sitzungen der 1. Kammer des Gerichts weder in
zeitlicher Hinsicht noch vor dem Hintergrund feststand, dass die
Beklagtenbevollmächtigten in jenen Verfahren der 1. Kammer sich nicht bestellt hatten
und demgemäß dort auch gar nicht geladen worden waren. Soweit der dort für einen
anderen Prozessbeteiligten erschienene Prozessbevollmächtigte des Beklagten das
Anerbieten des Gerichts ausgeschlagen hat, sich über eine Änderung der Terminsstunde
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Anerbieten des Gerichts ausgeschlagen hat, sich über eine Änderung der Terminsstunde
- auch unter Berücksichtigung etwaiger Terminsüberschneidungen nunmehr auf
Klägerseite - zu verabreden, nachdem mit Blick auf die Dauer eines ersten
Erörterungstermins bei der 1. Kammer zunächst mit dem Eintritt in die mündliche
Verhandlung zugewartet, die hiesige Sitzung unterbrochen und über den
Berichterstatter der 1. Kammer um Mitteilung des Beklagtenbevollmächtigten bezüglich
der hiesigen Terminsteilnahme nachgefragt worden war, muss sich der Beklagte diese
Vereitelungshandlung seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen. Im Übrigen
war dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten noch am selben Tage mehrfach
mitgeteilt worden, dass die Sitzung zunächst unterbrochen worden sei und um 17 Uhr
fortgesetzt werden sollte; hierzu hatte die Kanzlei der Beklagtenbevollmächtigten über
die Geschäftsstelle mitteilen lassen, dass "Einverständnis mit einer Fortführung der
Sitzung um 17.00 Uhr erklärt" werde. Daher bestand für das Gericht keinerlei Anlass zu
Zweifeln daran, dass keine verfahrensrechtlich relevante Verhinderung der
Beklagtenbevollmächtigten (mehr) vorlag. Soweit die Beklagtenbevollmächtigten im
Nachgang zur mündlichen Verhandlung u. a. bemängeln, dass ihnen bezüglich eines in
der Zwischenzeit angebrachten Ablehnungsgesuchs keine Entscheidung übermittelt
worden sei, müssen sie sich entgegen halten lassen, dass angesichts der Bekanntgabe
der zu dem Ablehnungsgesuch abgegebenen dienstlichen Erklärung des Einzelrichters
durch die mit dem Befangenheitsvorbringen befasste Kammer und die später erfolgte
Bestätigung, dass die unterbrochene Verhandlung um 17 Uhr fortgesetzt werde, davon
ausgegangen werden musste, dass die Kammer das Ablehnungsgesuch abgelehnt
hatte, da andernfalls - wegen der zuletzt erfolgten Unterbrechung der mündlichen
Verhandlung - eine Terminsaufhebung durch das Gericht hätte mitgeteilt werden
müssen.
2. Die Klage ist zulässig.
a) Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Gestalt einer Untätigkeitsklage (§§ 42 Abs. 1 -
2. Alt. -, § 75 Satz 1 VwGO) statthaft und auch sonst zulässig.
Über Anträge auf Akteneinsicht nach Maßgabe des Akteneinsichts- und
Informationszugangsgesetzes entscheiden die betroffenen Behörden durch
Verwaltungsakt, da sie mit der Stattgabe oder Ablehnung derartiger Anträge
Regelungen zum (Nicht-)Bestehen eines solchen Rechts dem Grunde und mit Blick auf
von Amts wegen zu beachtende Ausschlussgründe unter Berücksichtigung etwaiger
öffentlicher oder privater Interessen Anderer dem Umfang nach treffen. Richtige Klageart
in Fällen der vorliegenden Art ist mithin die Verpflichtungsklage (vgl. zu § 4 Abs. 1 IFG NW
VG Minden, Urteil vom 3. Mai 2007 - 7 K 1581/06 -, zitiert nach juris; anders: VG
Potsdam, Urteil vom 13. November 2001 - 3 K 3376/00 -, LKV 2003, 149: Anfechtungs-
und Leistungsklage; offen gelassen: VG Frankfurt [Oder], Gerichtsbescheid vom 13.
Februar 2006 - 3 K 1455/98 -). Zwar war die am 18. November 2003 erhobene Klage
zunächst nicht zulässig, weil über den Akteneinsichtsantrag des Klägers noch nicht
entschieden und folglich noch kein Vorverfahren nach § 68 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO
durchgeführt worden war; indes hat der Beklagte bis heute keinen Verwaltungsakt zu
dem am 27. Oktober 2003 bei ihm angebrachten Akteneinsichtsgesuch erlassen, ohne
dass hierfür ein zureichender Grund gegeben wäre. Zumal sich der Beklagte während
des anhängigen Klageverfahrens in der Sache zu dem Akteneinsichtsbegehren des
Klägers verhalten hat, ist die Klage daher als Untätigkeitsklage unabhängig von dem
Vorverfahrenserfordernis zulässig.
b) Dem Kläger mangelt es nicht an einem (allgemeinen) Rechtsschutzbedürfnis für die
Durchführung des Klageverfahrens. Es gibt angesichts der aufrecht erhaltenen
Verweigerungshaltung des Beklagten außer dem Klageverfahren keine andere
rechtsstaatlich zulässige Möglichkeit, die Frage über das umstrittene
Akteneinsichtsgesuch mit der Option einer anschließenden Vollstreckung verbindlich zu
beantworten. Ein "besonderes" Rechtsschutzbedürfnis im Sinne des
Beklagtenvorbringens wird schon mit Blick auf die der Akteneinsicht vermittels Art. 21
Abs. 4 BbgLV zukommende Funktion politischer Mitgestaltung weder vom Gesetz noch
nach allgemeinen Prozessrechtserwägungen verlangt. Dies wird hinsichtlich der
Akteneinsichtsgesuche nach dem AIG bereits dadurch belegt, dass im ursprünglichen
Gesetzgebungsverfahren aus dem Entwurf der Landesregierung der Passus gestrichen
wurde, mit dem der Anspruch auf Akteneinsicht von einem berechtigten Interesse
abhängig gemacht werden sollte (s. hierzu Breidenbach/Palenda, Das neue
Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz des Landes Brandenburg, LKV 1998,
252 [253] m.w.N.). Dies erhellt zudem aus dem Wortlaut von § 1 AIG, wonach es sich bei
den Akteneinsichtsregelungen um solche "für einen unbeschränkten Personenkreis"
handelt; ein Erfordernis der Darlegung besonderer Akteneinsichtsinteressen wäre hiermit
nicht zu vereinbaren.
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c) Schließlich steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, dass sich die Sache etwa
erledigt haben könnte. Abgesehen davon, dass dem Schreiben des Beklagten vom 24.
November 2003, wonach dem Akteneinsichtsgesuch wegen Arbeitsüberlastung nicht
nachgekommen werden könne, nicht der Erklärungswert beigemessen werden kann, hier
sei dem Grunde nach dem Akteneinsichtsgesuch entsprochen worden, ist die
Akteneinsicht gerade angesichts der ablehnenden Haltung des Beklagten im
Klageverfahren nach wie vor nicht erfolgt. Es fehlt daher an einem erledigenden Ereignis.
3. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die aufrecht erhaltene Weigerung des
Beklagten, dem Kläger Einsicht in die umstrittenen Protokolle zu gewähren, ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, da er einen entsprechenden
Akteneinsichtsanspruch hat (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
a) Das Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz ist entgegen der
Rechtsauffassung des Beklagten auf ihn als einen Zweckverband ohne weiteres
anwendbar. Denn nach § 2 Abs. 1 AIG besteht das Akteneinsichtsrecht gegenüber
Behörden und Einrichtungen des Landes im Sinne des Dritten Abschnitts des
Landesorganisationsgesetzes sowie gegenüber Gemeinden und Gemeindeverbänden.
Nach § 5 Abs. 2 GKGBbg wiederum finden Vorschriften, die bestimmen, dass sie für
Gemeindeverbände gelten, auf den Zweckverband entsprechende Anwendung, soweit
sich aus ihnen oder aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt. Da weder im GKGBbg
noch im AIG irgendwelche Vorschriften der danach schon vom Wortlaut her eindeutigen
Anwendbarkeit des Akteneinsichtsrechts nach dem AIG auf den Zweckverband entgegen
stehen (vgl. VG Minden a.a.O. zur entspr. Rechtslage in NW), geht der Hinweis der
Beklagtenbevollmächtigten auf die Regelungen des Landesorganisationsgesetzes ins
Leere. Sie übersehen, dass dort die neben den Gemeinden und Gemeindeverbänden
betroffenen anderen Behörden und Einrichtungen des Landes genannt werden, auf die
das AIG Anwendung findet. Sie irren auch, soweit sie zur Begründung der vermeintlich
fehlenden Anwendbarkeit des AIG auf Zweckverbände die Änderung des § 5 Abs. 2
GKGBbg durch das Gesetz vom 7. April 1999 (GVBl. I S. 90) anführen, da die Aufhebung
des früheren § 5 Abs. 2 - 1. Hs. - GKGBbg allein terminologische Gründe hatte und nichts
an der grundsätzlichen Anwendbarkeit von Rechtsvorschriften auf Zweckverbände
geändert hat, in denen der Begriff Gemeindeverband als Sammelbegriff verwendet wird
(vgl. LT-Drs. 2/5822 S. 19). Dass ein Zweckverband kein Gemeindeverband ist - worauf
die Beklagtenbevollmächtigten hinweisen -, steht außer Frage; wäre er ein solcher,
bedürfte es nicht der gesetzlichen Anordnung einer "entsprechenden" Anwendung der
maßgeblichen Vorschriften. Ebenso neben der Sache liegt der mit einem Verweis auf §§
18 Abs. 4 S. 1 GKGBbg, 103 Abs. 1 S. 1 GO verbundene Vortrag der
Beklagtenbevollmächtigten, dass Zweckverbände nach rein wirtschaftlichen
Grundsätzen geführt würden und daher in Bezug auf das Akteneinsichtsrecht Privaten
gleichzustellen seien; sie verkennen, dass Zweckverbände stets dazu dienen, der
Erfüllung der den Gemeinden und Gemeindeverbänden zustehenden oder obliegenden
Aufgaben zu dienen (§ 4 Abs. 1 GKGBbg) und dass sogar in allen Fällen, in denen sich
aktenführende Behörden zur Erledigung hoheitlicher Aufgaben Privater bedienen, das
Akteneinsichtsrecht gegenüber den privaten Stellen besteht (§ 2 Abs. 4 AIG). Die
Zweckverbände im Land Brandenburg unterliegen - bis zur Grenze des
Rechtsmissbrauchs - nach alledem der mit dem Ziel politischer Mitgestaltung von
Verfassungs wegen eingeführten Akteneinsicht durch Jedermann.
b) Der Akteneinsichtsanspruch des Klägers beruht auf § 1 AIG. Danach hat jeder nach
Maßgabe dieses Gesetzes das Recht auf Einsicht in Akten, soweit nicht überwiegende
öffentliche oder private Interessen nach den §§ 4 und 5 entgegen stehen oder andere
Rechtsvorschriften bereichsspezifische Regelungen für einen unbeschränkten
Personenkreis enthalten.
aa) Für die Zweckverbände gibt es keine anderweitigen bereichsspezifischen
Rechtsvorschriften, wie die Beklagtenbevollmächtigten indes unter Verweis auf die im
Abgabenverfahren nach Maßgabe des Kommunalabgabengesetzes anwendbare
Abgabenordnung in Verkennung der sich im vorliegenden Verfahren stellenden
Rechtsfragen meinen. Der Kläger hat gerade nicht Akteneinsicht in dem - erweiterten -
Steuergeheimnis unterfallende Vorgänge der unmittelbaren Abgabenerhebung (in
einem oder mehreren konkreten Fällen) beantragt; weder geht es hier um eine oder
mehrere konkrete Gebührenerhebungen i. S. v. § 4 KAGBbg noch um Vorgänge der
Erhebung von Benutzungsgebühren i. S. v. § 6 KAGBbg, auf welche nach § 12 Abs. 1
KAGBbg die Vorschriften der Abgabenordnung, insbesondere § 30 AO, Anwendung
finden. Auch geht es dem Kläger erkennbar nicht um Einsicht in ein laufendes Verfahren,
so dass Akteneinsicht nur nach Maßgabe des anzuwendenden Verfahrensrechts gewährt
werden dürfte (§ 2 Abs. 5 AIG), da alle hier relevanten Sitzungen längst erledigt sind. All
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werden dürfte (§ 2 Abs. 5 AIG), da alle hier relevanten Sitzungen längst erledigt sind. All
dies liegt auf der Hand, zumal grundsätzlich weder in den öffentlichen
Vorstandssitzungen noch in den öffentlichen Verbandsversammlungen des Beklagten
solche Vorgänge behandelt werden; konkrete Gebühren- bzw.
Benutzungsgebührenvorgänge sind nahezu ausnahmslos Geschäfte der laufenden
Verwaltung und dürften ggf. schon aus Gründen des Datenschutzes jedenfalls nicht
öffentlich von den hier interessierenden Gremien behandelt werden. Soweit in der
Verbandsversammlung oder im Vorstand allgemeine Grundsätze des
Verwaltungshandelns beraten und hierüber Beschlüsse herbeigeführt werden,
unterliegen sie offensichtlich nicht dem abgabenrechtlichen Steuergeheimnis und sind
sie der Kontrolle im Rahmen des politischen Mitwirkungsanspruchs "für einen
unbeschränkten Personenkreis" nach Art. 21 Abs. 4 BbgLV und § 1 AIG nach dem Willen
des Landesverfassungsgebers grundsätzlich ohne weiteres zugänglich.
bb) Dem Akteneinsichtsgesuch des Klägers stehen keine Ausschlussgründe nach §§ 4, 5
AIG entgegen.
Zunächst hat der Beklagte keinerlei Tatsachen angegeben, die in einzelnen oder
mehreren konkret benannten Sitzungen protokolliert sind und das Vorliegen eines
Ausschlussgrundes begründen sollen. Insoweit ist angesichts der auch dem Gericht von
Amts wegen unbekannten Inhalte der betroffenen Akten, in die der Kläger Einsicht
nehmen will, zu berücksichtigen, dass der Beklagte nach den allgemeinen
Rechtsgrundsätzen im Zweifelsfalle die Darlegungs- und ggf. Beweislast für solche
Tatsachen trägt, die das grundsätzlich bestehende Akteneinsichtsrecht ausschließen
sollen (vgl. insoweit zum Akteneinsichtsrecht nach dem UIG: VG Frankfurt [Main], Urteil
vom 10. Mai 2006 - 7 E 2109/05 -, NVwZ 2006, 1321). Die Amtsermittlung des Gerichts
setzt hier erst und nur dort ein, wenn von der Behörde konkrete Tatsachen angegeben
werden, die im jeweiligen Einzelfall den Ausschluss des Akteneinsichtsrechts begründen
sollen (vgl. allgemein BVerwG, Beschluss vom 4. September 2007 - 9 B 10.07 u. a. -,
zitiert nach juris). Allein im Hinblick auf einen solchen eventuellen Vortrag des Beklagten
hin hat das Gericht die umstrittenen Akten beim Beklagten angefordert, auf die sich das
verwaltungsgerichtliche Akteneinsichtsrecht des Klägers nach § 100 Abs. 1 VwGO schon
nach der Natur der Sache nicht erstreckt.
Sodann ist auch unabhängig von durch den Beklagten in Bezug auf einzelne
Protokollierungen konkret zu benennende Ausschlussgründe im vorliegenden Fall kein
Ausschlussgrund ersichtlich.
Es ist weder nachvollziehbar vorgetragen worden noch sonst erkennbar, dass der vom
Kläger begehrten Akteneinsicht überwiegende öffentliche Interessen i. S. v. § 4 AIG
entgegen stehen. Die streitbetroffenen Vorstands- und
Verbandsversammlungsprotokolle sind entgegen der offenkundig rechtsirrigen
Auffassung der Beklagtenbevollmächtigten nicht zur Durchführung eines
Gerichtsverfahrens, eines strafrechtlichen oder disziplinarrechtlichen
Ermittlungsverfahrens oder eines Bußgeldverfahrens erstellt worden oder dem
Beklagten auf Grund eines solchen Verfahrens zugegangen und dienen dem Beklagten
auch nicht zur - ihm gar nicht zustehenden - Aufsicht über eine andere Stelle, so dass §
4 Abs. 1 Nr. 5 AIG hier nicht einschlägig ist.
Gleichfalls unergiebig ist der auf § 4 Abs. 2 Nr. 1 AIG abzielende Einwand der
Beklagtenbevollmächtigten, der Inhalt der streitbetroffenen Protokolle beziehe sich auf
den Prozess der Willensbildung innerhalb des Beklagten. Grundsätzlich dürften in
Protokollen der hier betroffenen Art den behördlichen Willensbildungsprozess abbildende
Inhalte durchaus enthalten sein können; konkrete Angaben hierzu hat der Beklagte
indes nicht gemacht, so dass ein entsprechender - evt. partieller - Ausschlussgrund im
vorliegenden Fall nicht erkannt werden kann. Keinesfalls aber kann der gesamte Inhalt
derartiger Protokolle per se als Darstellung des behördlichen Willensbildungsprozesses
angesehen werden. Zweck der Ausschlussregelung in § 4 Abs. 2 Nr. 1 AIG ist es, die
interne Willensbildung insbesondere im behördlichen Bereich zu schützen, so dass nur
die Beratungs- und Abwägungsvorgänge, d. h. der Beratungsprozess oder -verlauf
selbst, nicht aber die den Beratungen zugrunde liegenden, bereits zuvor vorliegenden
Sachinformationen, über die beraten wird (Beratungsgegenstand wie etwa die zur
Entscheidung führenden Tatsachen), oder auch die Beratungsergebnisse (wie etwa
Gutachten, die die tatsächlichen oder rechtlichen Entscheidungsgrundlagen
zusammenstellen), vom Akteneinsichtsrecht ausgenommen sind (vgl. zum Bereich der
Umweltinformationen: OVG NW, Urteil vom 5. September 2006 - 8 A 2190/04 -, GewArch
2006, 468; Fluck/Theuer, Informationsfreiheitsrecht, Teil A, § 7 UIG Rn. 50, 58;
Reidt/Schiller, in: Landmann/ Rohmer, Umweltrecht, Teil II Nr. 3, § 8 UIG Rn. 21;. OVG
SH., Urteil vom 15. September 1998 - 4 L 139/98 -, NVwZ 1999, 670; Schrader, in:
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SH., Urteil vom 15. September 1998 - 4 L 139/98 -, NVwZ 1999, 670; Schrader, in:
Schomerus/Schrader/Wegener, UIG-Handkommentar, 2. Aufl. 2002, § 7 Rn. 9).
Inwieweit durch die begehrte Akteneinsicht die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben
des Beklagten beeinträchtigt würde (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 AIG) erschließt sich schon im
Ansatz nicht.
Zuletzt ist weder nachvollziehbar vorgetragen worden noch sonst ersichtlich, dass der
umstrittenen Akteneinsicht überwiegende private Interessen i. S. v. § 5 AIG entgegen
stehen. Dass durch die vom Kläger begehrte Akteneinsicht Geschäftsgeheimnisse i. S. v.
§ 5 Abs. 1 Nr. 3 AIG preisgegeben werden könnten, haben die
Beklagtenbevollmächtigten zwar pauschal behauptet aber durch nichts unterlegt, so
dass diesem Ausschlussgrund nicht nachgegangen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die übrigen
Nebenentscheidungen folgen aus § 167 VwGO, 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 des
Gerichtskostengesetzes in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung auf 4.000 Euro
festgesetzt.
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