Urteil des VG Frankfurt (Oder) vom 10.02.2004

VG Frankfurt(oder ): bier, lebensmittel, verordnung, in den verkehr bringen, getränk, produkt, recht auf information, verbraucher, verkehrsauffassung, kosmetisches mittel

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Gericht:
VG Frankfurt (Oder)
4. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
4 K 455/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
LFÜG, Art 12 Abs 1 GG, § 2 Abs
3 Nr 1 LFGB, § 6 Abs 1 Nr 1a
LFGB, § 11 Abs 1 Nr 2 LFGB
Ausnahmegenehmigung für „Anti-Aging-Bier“
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 2004 verpflichtet,
der Klägerin eine Ausnahmegenehmigung für die Herstellung und das Inverkehrbringen
des von ihr bereiteten Produkts „Anti-Aging-Bier“ als Bier zu erteilen mit der Maßgabe,
dass der Satz 3 auf dem Rückenetikett lautet: „Die zugesetzten natürlichen Stoffe
Kurbad-Sole, Spirulina (Algen) und Flavonoide (Quercetin) erhöhen den Anteil an
wertvollen Vitaminen, Mineralstoffen und Aminosäuren.“
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Tatbestand
Die Klägerin braut unter Verwendung von Wasser, Malz, Hefe, Hopfen und einem
Konzentrat aus Sole, Spirulinaalgen und Flavonoiden (Quercetin) ein untergäriges Bier
mit der Bezeichnung „Anti Aging Bier“, das sowohl zum Trinken als auch zur
Badeanwendung (Badebier) geeignet ist.
Auf den Flaschen ist ein Rückenetikett mit folgendem Text angebracht:
„Anti Aging Bier Unser Anti Aging Bier soll einen kleinen Beitrag zu Ihrem
Wohlbefinden leisten. Die Uhr des Lebens lässt sich damit nicht anhalten. Die
zugesetzten natürlichen Stoffe Kurbad-Sole, Spirulina (Algen) und Flavonoide (Quercetin)
erhöhen zum Schutz der Zellen vor den schädigenden Angriffen freier Radikaler den
Anteil an wertvollen Vitaminen, Mineralstoffen und Aminosäuren. Ihrer Gesundheit
zuliebe verwenden Sie dieses Bier sorgfältig, es enthält Alkohol. Vermeiden Sie das Anti
Aging Bier als Verkehrsteilnehmer, Schwangere, Kranker und Jugendlicher.“
Das „Anti Aging Bier“ wird nach Angaben der Klägerin seit Januar 2004 hergestellt und
wurde erstmals auf der Grünen Woche in Berlin präsentiert. Ein größerer Teil der
Produktionsmenge wird nach Russland exportiert. Der Beklagte hatte der Klägerin mit
Schreiben vom 09. Juli 2004 bestätigt, dass zum Zweck der Ausfuhr bei der Bereitung
des Getränkes „Anti Aging Bier“ von den Regelungen des § 9 Abs. 1 und 2 des
Vorläufigen Biergesetzes abgewichen werden könne. Die Marke „Anti Aging Bier“ wurde
am 15. September 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen.
Mit Schreiben vom 02. Dezember 2003 beantragte die Klägerin beim Beklagten die
Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 7 des Vorläufigen Biergesetzes
zur Herstellung und für das Inverkehrbringen des „Anti Aging Biers“.
Mit Schreiben vom 26. Januar 2004 teilte das Institut für Getreideverarbeitung IGV GmbH
der Klägerin mit, dass Flavonoide und Spirulina für ihre antioxidative Wirkung bekannt
seien. Die protektive Wirkung von Antioxidantien zum Schutz der Zellen vor dem
schädigenden Angriff freier Radikale sei bekannt. Im „Anti Aging Bier“ habe im Vergleich
zu konventionellem Bier eine etwa doppelt so hohe antioxidative radikalabfangende
Aktivität nachgewiesen werden können. Die Zugabe von Sole und Spirulina führe zu
einer Erhöhung der Anteile an wertvollen Mineralstoffen, Aminosäuren und Vitaminen. In
vitro habe nachgewiesen werden können, dass das Wachstum der probiotischen Keime
Lactobacillus acidophilus und Bifidobacterium bifidum durch das Anti Aging Bier
begünstigt werde.
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Mit Bescheid vom 10. Februar 2004 lehnte der Beklagte die Erteilung der
Ausnahmegenehmigung ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen folgendes
ausgeführt: Für die Bereitung von Bier seien nach § 9 Abs. 1 und 2 sowie 4 des
Vorläufigen Biergesetzes nur die Braustoffe Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser
zugelassen. Die Verwendung weiterer Stoffe sei gemäß § 17 der Verordnung zur
Durchführung des vorläufigen Biergesetzes verboten. Das von der Klägerin untergärig
gebraute Badebier werde durch den Zusatz von Sole, Spirulina und Flavonoiden auch
nicht zu einem besonderen Bier gemäß § 9 Abs. 7 des Vorläufigen Biergesetzes. Denn
durch den Zusatz der Stoffe solle kein besonderer Geschmack, sondern hauptsächlich
besondere gesundheitsförderliche Wirkungen verliehen werden.
Weiterhin würden mit den Aussagen auf dem Rückenetikett Wirkungen suggeriert, die für
dieses Getränk nicht hinreichend nachgewiesen seien. Diese Angaben seien gemäß § 17
Abs. 1 Nr. 5 LMBG zur Irreführung geeignet und daher verboten. Gesundheitsbezogene
Aussagen, die sich auf eine Linderung von Krankheiten bezögen, seien nach § 18 Abs. 1
Nr. 1 LMBG im Verkehr mit Lebensmitteln oder in der Werbung für Lebensmittel, hier bei
alkoholischen Getränken, verboten.
Unabhängig von der Einstufung des „Anti Aging Bieres“ als besonderes Bier sei es
jedoch nicht zulässig, dieses Produkt unter der Bezeichnung „Bier“ in den Verkehr zu
bringen. Denn nach § 1 Abs. 1 der Bierverordnung dürften unter der Bezeichnung „Bier“
nur Getränke in den Verkehr gebracht werden, die den Herstellungsvorschriften des § 9
Abs. 1, 2 und 4 – 6 des Vorläufigen Biergesetzes und den Vorschriften der
Durchführungsverordnung zum Vorläufigen Biergesetz entsprächen. Diese Vorschriften
würden bei der Bereitung des „Anti Aging Bieres“ wegen Verwendung von nicht
zugelassenen Zusatzstoffen nicht eingehalten.
Des Weiteren sei gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung
(LMKV) die Angabe einer nach allgemeiner Verkehrsauffassung üblichen Bezeichnung
eines Lebensmittels zwingend erforderlich. „Anti Aging ...“ sei keine Angabe nach der
allgemeinen Verkehrsauffassung. Zudem sei die Verwendung des Wortbestandsteils
„Bade“ im Zusammenhang mit „Badebier“ als Zutat im Zutatenverzeichnis als Hinweis
auf die Verwendung als kosmetisches Mittel für den Verbraucher irreführend und daher
unzulässig. Auch die Angabe „Flavonoide“ sei kein zugelassener Klassenname nach § 6
Abs. 4 Nr. 1 LMKV. Sie daher als Zutatenangabe nicht zulässig.
Mit Schreiben vom 17. März 2004 erteilte das Veterinär- und
Lebensmittelüberwachungsamt des Landrates des Landkreises Oder-Spree der Klägerin
eine Unbedenklichkeitsbescheinigung bezüglich des Produktes Anti Aging Bier. Darin
wurde amtstierärztlich bestätigt, dass das Produkt „Anti Aging Bier“ gesundheitlich
unbedenklich und als Produkt zugelassen sei.
Im Hinblick auf das mittlerweile im Parallelverfahren 4 K 1287/97 („Schwarzer Abt“)
ergangene Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Februar 2005 – 3 C 5.04 –
teilte der Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 23. März 2005 mit, dass er an dem
Bescheid vom 10. Februar 2004 festhalte. Zwar seien die Zutaten Sole und
Spirulinaalgen natürlicher Herkunft und nicht als Zusatzstoffe im Sinne von § 2 LMBG
anzusehen. Die Flavonoide würden jedoch nach der allgemeinen Verkehrsauffassung
nicht überwiegend wegen ihres Nähr-, Geruchs- oder Geschmackswertes verwendet, so
dass sie als Zusatzstoffe gemäß § 2 Abs. 1 LMBG anzusehen seien. Gemäß § 11 LMBG
sei der Zusatz der Flavonoide und das in Verkehrbringen des fraglichen Erzeugnisses nur
zulässig, wenn und soweit dies nach zusatzstoffrechtlichen Regeln gestattet sei.
Flavonoide seien nach der Zusatzstoffzulassungsverordnung nicht für Bier zugelassen.
Die Klägerin hat bereits am 18. März 2004 die vorliegende Klage erhoben.
Sie trägt vor: Die begehrte Ausnahmegenehmigung für das Produkt „Anti Aging Bier“ sei
gemäß § 9 Abs. 7 des Vorläufigen Biergesetzes zu erteilen, weil es sich um ein
besonderes Bier handele. Werde ein besonderes Bier als solches genehmigt, dürfe es
auch unter der Bezeichnung „Bier“ in den Verkehr gebracht werden.
Die Vorschriften der §§ 17 Abs. 1 Nr. 5, 18 Abs. 1 Nr. 1 LBMG stünden einer
Genehmigung nicht entgegen, weil der Verbraucher durch die Etikettierung nicht
irregeführt werde und auch das Verbot gesundheitsbezogener Werbung nicht tangiert
sei. Es würden auch keine Versprechungen hinsichtlich einer Verzögerung des Alterns
gemacht. Deshalb enthalte das Rückenetikett einen entsprechenden Zusatz.
Soweit im Zutatenverzeichnis Badebier aufgeführt sei, beziehe sich dies darauf, dass
Badebier zur Trink- und Badeanwendung geeignet sei. Das Produkt befinde sich seit
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Badebier zur Trink- und Badeanwendung geeignet sei. Das Produkt befinde sich seit
1997 auf dem Markt, habe Verkehrsgeltung und könne daher nicht irreführend sein. Ein
Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV liege nicht vor, weil es hinsichtlich der Bezeichnung
des Produkts nicht auf die Angabe „Anti Aging“ ankomme, sondern auf „Anti Aging
Bier“. Die Angabe Bier sei eine nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche
Bezeichnung, weil das Produkt alle Merkmale eines Bieres besitze. In der Etikettierung
müsse nicht darauf hingewiesen werden, dass das Getränk nach einer bestimmten Art
gebraut sei. Es genüge, dass die Brauerei klar und unmissverständlich auf die Zutaten
verweise.
Die Zusätze Sole und Spirulinaalge seien natürlicher Herkunft und daher keine
Zusatzstoffe gemäß § 2 LMBG.
Das Flavonoid Quercetin sei ebenfalls kein Zusatzstoff. Es sei ebenfalls natürlicher
Herkunft und werde wegen seines Nährwertes im Hinblick auf dessen
ernährungsphysiologische Wirkung eingesetzt. Andere Verwendungszwecke für
Quercetin, z. B. technischer Art, etwa Konservierung zur Verhinderung des mikrobiellen
Verderbs, seien nicht bekannt. Die antioxidative Wirkung des Quercetins als Fänger von
freien Radikalen hätten unter anderem auch die Vitamine C und E, die ebenfalls
eindeutig keine Zusatzstoffe darstellten. Dabei sei unerheblich, ob es sich bei dem
Flavonoid Quercetin um einen primären oder sekundären Pflanzenstoff handele. Das
Quercetin sei ein im Hopfen selbst vorkommendes Flavonoid. Es habe einen positiven
Effekt auf den Geschmack und die Bitterqualität des Bieres. Die erhöhte Zugabe von
Quercetin diente der Intensivierung des Geschmacks und der Erhöhung der Bitterqualität
des Bieres. Damit sei das Quercetin ein Zusatzstoff, der überwiegend wegen seines
Geschmackswertes verwendet werde (§ 2 Satz 1 Halbsatz 2 LBMG).
Durch den Zusatz von Sole, Spirulinaalgen und dem Flavonoid Quercetin werde ein
besonderer Geschmack, nämlich eine etwas salzige Note, erzielt.
Die Auffassung des Beklagten, es handele sich um ein Arzneimittel, sei abwegig. Es
handle sich eindeutig um ein Lebensmittel.
Die vom Beklagten angeführte Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 vom 20. Dezember 2006
sei nicht einschlägig.
Sie beziehe sich bzgl. der erst noch festzulegenden Nährwertprofile nicht auf die hier in
Rede stehenden Substanzen. Es würden auch keine gesundheitsbezogenen Angaben im
Sinne der Verordnung gemacht.
Gemäß Art. 27 Abs. 2 der Verordnung dürften Produkte mit bereits vor dem 01. Januar
2005 bestehenden Handelsmarken oder Markennamen, die der Verordnung nicht
entsprächen, bis zum 19. Januar 2022 weiterhin in den Verkehr gebracht werden.
Vorliegend bestehe für das Produkt seit 2003 Markenschutz. Des Weiteren könnten
gemäß Art. 27 Abs. 3 nährwertbezogene Angaben, die hier nicht ersichtlich seien, und
die vor dem 01. Januar 2006 verwendet worden und die vorliegend nicht im Anhang zu
Verordnung aufgeführt seien, bis zum 19. Januar 2010 verwendet werden. Die
Bezeichnung „Anti Aging“ sei heutzutage ein vielfach gebräuchlicher und etablierter
Begriff, der bei einer Vielzahl von Produkten verwendet werde.
Durch die Erteilung der Genehmigung würden Gemeinwohlinteressen auch nicht tangiert,
weil auf die mit Alkoholkonsum verbundenen Gefahren auf dem Rückenetikett
hingewiesen werde. Eine gesundheitsfördernde Wirkung werde dem Produkt nicht
zugesprochen. Im Übrigen seien die Angaben auf dem Rückenetikett verzichtbar.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Februar 2004 zu
verpflichten, ihr eine Ausnahmegenehmigung für die Herstellung und das
Inverkehrbringen des von ihr bereiteten Produkts „Anti Aging Bier“ als Bier zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt ergänzend vor: Die im Gutachten der IGV GmbH enthaltenen Aussagen zu den
Flavonoiden entsprächen zwar dem aktuellen Stand der Wissenschaft. Die Aussagen
bezögen sich jedoch nur auf den Zusatzstoff bzw. die Zutat und könnten nicht als
gesundheitsbezogene Aussage auf das Erzeugnis Bier mit natürlichem Alkoholgehalt
übertragen werden. Das Lebensmittel müsse in seiner Gesamtheit beurteilt werden.
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übertragen werden. Das Lebensmittel müsse in seiner Gesamtheit beurteilt werden.
Daher dürfe bei einem alkoholischen Getränk mit den bekannten negativen
Auswirkungen auf den Verbraucher nicht der Anschein erweckt werden, dass dieses
Getränk durch den Zusatz von z. B. Flavonoiden zu einem gesundheitlich wertvollerem
oder unbedenklichem Erzeugnis werde. Der bloße Hinweis der Klägerin auf einen
mäßigen Gebrauch sei hierzu nicht ausreichend.
Quercetin sei ein nicht zugelassener Zusatzstoff gemäß § 2 LMBG mit der Folge, dass
nicht nur dessen Verwendung zur Vermischung mit anderen Stoffen verboten sei,
sondern auch das Inverkehrbringen derart hergestellter Lebensmittel. Zwar seien
Flavonoide natürlicher Herkunft. Sie gehörten jedoch nicht zu den primären
Pflanzeninhaltstoffen, sondern zu den sekundären, die gerade nicht überwiegend wegen
ihres Nährwertes, mithin zu Ernährungszwecken eingesetzt würden. Flavonoide dienten
nicht zu Ernährungszwecken, weil sie keine Nährstoffe in nennenswertem Umfang
enthalten würden, die dem Aufbau und der Erhaltung des menschlichen Körpers dienen
und bei einem Mangel einen Schaden am gesunden menschlichen Organismus
hervorrufen würden. Diese Stoffe würden dem menschlichen Körper gerade keine
zusätzliche Energie liefern.
Sofern sich die Klägerin auf die erteilte Ausfuhrgenehmigung für das „Anti Aging Bier“
berufe, rechtfertige dies keine andere Bewertung, da diese Genehmigung ausdrücklich
unter Hinweis auf § 50 LMBG ergangen sei.
Soweit die Klägerin die gesundheitsfördernde Wirkung der sekundären
Pflanzeninhaltsstoffe betonen wolle, stelle sich die Frage, ob damit Auswirkungen auf die
Klassifizierung des Gesamtprodukts verbunden seien, insbesondere, ob es sich dabei
nicht vielmehr um ein Arzneimittel handele. Nach der Rechtsprechung des EuGH seien
auf ein Erzeugnis, das sowohl die Voraussetzungen eines Lebensmittels als auch
diejenigen eines Arzneimittels erfülle, nur die speziell für Arzneimittel geltenden
gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden. Nach Ansicht des EuGH sei ein
Erzeugnis nicht nur dann ein Mittel zur Heilung oder zur Verhütung von Krankheiten,
wenn es ausdrücklich als solches bezeichnet oder empfohlen werden, sondern auch
dann, wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig,
aber mit Gewissheit der Eindruck entstehe, dass dieses Erzeugnis die beschriebene
Wirkung haben müsse.
Letztlich stünden einer Genehmigung Gründe des Gemeinwohls entgegen, die höher zu
gewichten seien, als die Berufsfreiheit der Klägerin gemäß Art. 12 GG.
Die von der Klägerin beabsichtigte Aufmachung des Bieres erzeuge beim Verbraucher
den Eindruck eines gesundheitsfördernden Getränks und solle dazu animieren, das
Produkt aus gesundheitlichen Gründen zu trinken. Eine Verbindung mit einem
alkoholischen Getränk sei jedoch aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der
Suchtprävention im Hinblick auf die Risiken und negativen Folgen des Alkoholkonsums
nicht zu rechtfertigen. Die Gefahr des legalen Einstiegs in den Alkoholkonsum werde
noch vergrößert, wenn dem Bier als alkoholischem Getränk Stoffe zugesetzt würden, die
das alkoholische Getränk als dem Wohlbefinden förderlich erscheinen ließen. Es bestehe
die Gefahr, dass Bevölkerungskreise, denen der Genuss von Alkohol verboten sei, durch
diese Bezeichnung irregeführt und zum Kauf des Getränkes angeregt würden. Personen,
die sich krank oder unwohl fühlen würden, könnten veranlasst werden, dass „Anti Aging
Bier“ zur Stärkung ihres Wohlbefindens zu konsumieren, ohne dass sichergestellt sei,
dass sich durch den Alkohol des Bieres ihre Symptome nicht verstärken oder parallel
eingenommene Arzneimittel nicht in ihrer Wirkung verstärkt oder abgeschwächt würden.
Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass gesunde Menschen zu einem
übermäßigen Verbrauch ermutigt würden.
Allein der Zusatz „Anti Aging“ und die für die Gesundheit positiv zu wertenden Aussagen
auf dem Flaschenetikett erfüllten den Tatbestand der Irreführung und Täuschung des
Verbrauchers gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 5 a LMBG, da dem „Anti Aging Bier“ aus dem
Blickwinkel eines durchschnittlichen Verbrauchers eine gesundheitsfördernde, gegen das
Altern helfende Wirkung beigelegt werde. Beide Aussagen seien wissenschaftlich nicht
hinreichend gesichert. Die Aussagen zur gesundheitsfördernden Wirkung erfüllten
dagegen den Tatbestand des Verbots der gesundheitsbezogenen Werbung gemäß § 18
Abs. 1 Nr. 1 LMBG.
Des Weiteren untersage Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EG) vom 20. Dezember 2006, die
zum 01. Juli 2007 in Kraft getreten sei, gesundheitsbezogene Angaben und
nährwertbezogene Angaben bei Getränken mit einem Alkoholgehalt von mehr als 1,2 %.
Die Vorschrift erfasse damit das hier in Rede stehende „Anti Aging“ Bier, das deshalb
jedenfalls nach dem 01. Juli 2007 mit den von der Klägerin gemachten Angaben nicht
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jedenfalls nach dem 01. Juli 2007 mit den von der Klägerin gemachten Angaben nicht
mehr vertrieben werden dürfe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte und
den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Verpflichtungsklage ist mit der aus dem Tenor ersichtlichen Einschränkung
begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Ausnahmegenehmigung
mit der genannten Einschränkung. Denn der angefochtene Bescheid des Beklagten vom
10. Februar 2004 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5
Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für die Herstellung und
das Inverkehrbringen des „Anti Aging Biers“ ist § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über den
Übergang auf das neue Lebensmittel- und Futtermittelrecht i. V. m. § 9 Abs. 7 des
Vorläufigen Biergesetzes (VorlBierG). Das Vorläufige Biergesetz wurde zwar gemäß Art.
7 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Lebensmittel- und des Futtermittelrechts vom
01. September 2005 (BGBl. I Nr. 55, S. 2618, 2666) aufgehoben. Andererseits gelten die
§§ 9, 11 und 18 des Vorläufigen Biergesetzes gemäß Art. 2 des Gesetzes zur
Neuordnung des Lebensmittel- und des Futtermittelrechts (Gesetz über den Übergang
auf das neue Lebensmittel- und Futtermittelrecht) weiter, solange nicht aufgrund der
Ermächtigungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches neue Regelungen
getroffen worden sind.
Gemäß § 9 Abs. 7 des VorlBierG kann auf Antrag im einzelnen Fall zugelassen werden,
dass bei der Bereitung von besonderen Bieren und von Bier, das zur Ausfuhr oder zu
wissenschaftlichen Versuchen bestimmt ist, von den Absätzen 1 und 2 abgewichen wird.
Für die Zulassung von Ausnahmen sind die nach Landerecht zuständigen Behörden
zuständig.
Gemäß § 9 Abs. 1 VorlBierG darf zur Bereitung von untergärigem Bier, abgesehen von
den Vorschriften der Absätze 4 bis 6, nur Gerstenmalz, Hopfen, Hefe und Wasser
verwendet werden. Absatz 2 der Vorschrift regelt die Bereitung von obergärigem Bier
und ist vorliegend nicht einschlägig.
Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 24. Februar 2005 – 3 C 5.04 –
bezüglich des vor der Kammer anhängig gewesenen Verfahrens 4 K 1287/97
(„Schwarzer Abt“) ausgeführt:
„... Was Bier ist, wird vom Gesetz nicht definiert, sondern vorausgesetzt (ebenso
BFH, Urteil vom 03. Juli 1984 VII R 85/83 – BFHE 141, 385 [386]. Dabei stellt § 9 VorlBierG
auf den Gattungsbegriff ab. Bier ist hiernach ein unter Verwendung von Hefe gegorenes
Getränk im Wesentlichen aus Wasser, Hopfen und Malz oder pflanzlichen
Malzersatzstoffen, das nach Aussehen, Geruch und Geschmack von der
Verkehrsanschauung als Bier angesehen wird. ... Wird Bier nicht nach § 9 VorlBierG
hergestellt, so ist es vorschriftswidrig, aber gleichwohl Bier. Insbesondere verliert ein
unter Beachtung des Reinheitsgebots hergestelltes Getränk nicht dadurch seine
Eigenschaft als Bier, dass ihm nachträglich weitere Stoffe zugesetzt werden (BFH, Urteil
vom 03. Juli 1984, a. a. O. [388]). ... Diese Bestimmungen (§ 9 Abs. 1, Abs. 2 VorlBierG)
unterwerfen das Herstellen von Bier dem sogenannten deutschen Reinheitsgebot, das
seit 1516 in Bayern gilt und seit Ende des 19. Jahrhunderts auch in Baden (1896) und in
Württemberg (1900) anerkannt ist, ins Reichsrecht allerdings erst 1906 aufgenommen
wurde ... und im Beitrittsgebiet erst seit dem 01. Januar 1993 wieder gilt. ...
Ob dieses Reinheitsgebot verfassungsrechtlich zu rechtfertigen ist, ist umstritten.
Es stellt eine Berufsausübungsregelung dar und schränkt damit das Grundrecht des
Bierbrauers aus Art. 12 Abs. 1 GG ein. Seinen rechtfertigenden Grund findet es nicht in
den Belangen des Gesundheitsschutzes, sondern allein in der Pflege einer kulturellen
Tradition – der deutschen Braukunst – und der Gewährleistung eines bestimmten
Produktsniveaus. Die Klägerin bestreitet, dass dies legitime Gemeinwohlzwecke sind, die
überhaupt eine derartige Berufsausübungsregelung tragen könnten. Auch wenn
demgegenüber die Befugnis des Gesetzgebers betont wird, Gemeinwohlzwecke zu
definieren, so erscheint doch als zweifelhaft, ob die Einschränkung der Berufsfreiheit zur
Erreichung dieser Gesetzeszwecke erforderlich und angemessen ist. Die Pflege der
kulturellen Tradition und die Gewährleistung eines bestimmten Produktniveaus erfordern
es nicht, alle Abweichungen vom Reinheitsgebot zu verbieten, als handele es sich dann
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es nicht, alle Abweichungen vom Reinheitsgebot zu verbieten, als handele es sich dann
zwangsläufig um minderwertige, trügerisches (gepanschtes) oder gar gefährliches Bier.
Es genügen vielmehr Regelungen, die einer Fortsetzung der deutschen Brautradition auf
anderem Wege sicherstellen, etwa privilegierende Bestimmungen des
Kennzeichnungsrechts oder auch Regelungen über die Ausbildung zum Braumeister.
... Mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar wäre es jedenfalls, die Herstellung von Bier
dem Reinheitsgebot ausnahmslos zu unterwerfen; zu rechtfertigen ist die Geltung des
Reinheitsgebots vielmehr allenfalls als Regel, die begründeten Ausnahmen zugänglich
ist. § 9 VorlBierG genügt diesen Anforderungen, weil er in Abs. 7 die Möglichkeit von
Ausnahmen vorsieht. Allerdings muss die Auslegung und Anwendung dieser Vorschrift
von den beschriebenen verfassungsrechtlichen Anforderungen geleitet sein. Das
verlangt eine großzügige Handhabung.
... „Besondere Biere“ sind sogenannte Bierspezialitäten, also Biere, bei denen
durch Verwendung zusätzlicher Stoffe besondere Geschmackseffekte erzielt werden. In
der Entwurfsbegründung heißt es: „Die ... Ausnahmebestimmung soll, soweit sie sich auf
die Bereitung „besonderer Biere“ bezieht, die fernere Herstellung sogenannter
Spezialitäten ermöglichen, bei der neben den in Abs. 1 (heute: in den Abs. 1 bis 6)
genannten Stoffen die Mitverwendung gewisser anderer Stoffe notwendig ist, die indes
zum Ersatze von Malz und Hopfen nicht geeignet und bestimmt sind, sondern diesen
Bieren nur hinsichtlich ihres Geschmacks usw. den Charakter besonders gearteter Biere
verleihen“. ... Die Vorschrift gestattet damit keine Abweichung in den Grundstoffen der
Bierbereitung, sondern nur die Verwendung zusätzlicher Stoffe aus allein
geschmacklichen Gründen. Gedacht war vor allem an Biere mit Gewürzzusätzen
(sogenannte Maibiere mit Maikräuterauszug oder sogenannter Brohain mit Anis, Nelken,
Zimt usw.), auch an Joghurtbiere usw. ... .
§ 9 Abs. 7 VorlBierG räumt dem Beklagten zwar Ermessen ein. Aus Art. 12 Abs. 1
GG ergibt sich aber, dass die Genehmigung erteilt werden muss, sofern kein Missbrauch
droht oder andere überwiegende Gemeinwohlgründe entgegenstehen. ...
Unter welchen Voraussetzungen ein Getränk unter der Verkehrsbezeichnung
„Bier“ in den Verkehr gebracht werden darf, regelt § 1 der Bierverordnung vom 02. Juli
1990 (BGBl. I S. 1332), zuletzt geändert durch Art. 17 der Verordnung zur Neuordnung
lebensmittelrechtlicher Vorschriften über Zusatzstoffe vom 29. Januar 1998 (BGBl. I S.
230, 298). Hiernach dürfen unter der Bezeichnung Bier – allein oder in
Zusammensetzung – oder unter Bezeichnungen oder bildlichen Darstellungen, die den
Anschein erwecken, als ob es sich um Bier handelt, gewerbsmäßig nur Getränke in den
Verkehr gebracht werden, die gegoren sind und den Vorschriften des § 9 Abs. 1, 2 und 4
bis 6 VorlBierG und den §§ 16 bis 19, 20 und §§ 21 und 22 Abs. 1 DVO-VorlBierG
entsprechen. § 9 Abs. 7 VorlBierG ist nicht genannt. Daraus zieht das
Verwaltungsgericht den Schluss, auch besondere Biere, die mit einer entsprechenden
Genehmigung in Abweichung von den generellen Regeln des Reinheitsgebotes
hergestellt werden, dürften gleichwohl nicht unter der Verkehrsbezeichnung „Bier“ in den
Verkehr gebracht werden. Diese Auslegung haftet zu sehr am Wortlaut. Sie lässt die
Entstehungsgeschichte der Vorschrift außer Acht und wird auch deren Sinn und Zweck
nicht gerecht. Vor allem begegnet sie durchgreifenden verfassungsrechtlichen
Bedenken. Geboten ist vielmehr, die Ausnahmeermächtigung des § 9 Abs. 7 VorlBierG
auch auf das in Verkehrbringen als Bier zu erstrecken. Das § 9 Abs. 7 VorlBierG in § 1
Abs. 1 Bierverordnung nicht ebenfalls genannt wird, beruht auf einem
Redaktionsversehen. ...
Auch mit dem Sinn und Zweck des Gesetze ist es nicht vereinbar, die
Verwendung der Bezeichnung „Bier“ für besondere Biere im Sinne von § 9 Abs. 7
VorlBierG auszuschließen ... § 1 Abs. 1 Bierverordnung dient mithin dem Schutz des
Verbrauchers vor Täuschung. Mit diesem Zweck ist es nicht vereinbar, § 1 Abs. 1
Bierverordnung so auszulegen, dass ein Getränk, das der Gattung nach Bier ist und
dessen Herstellung als „besonderes Bier“ ausdrücklich zugelassen wurde, nur unter
einer Verkehrsbezeichnung in den Verkehr gebracht werden darf, die die Eigenschaft,
Bier zu sein, leugnet . ... Es stellt ein legitimes Ziel dar, den Verbraucher darüber zu
informieren, ob ein Bier unter Einhaltung des Reinheitsgebots hergestellt wurde oder
nicht. Hierzu dürfte aber die Bezeichnung „Bier“ aber nur dann den unter Einhaltung des
Reinheitsgebotes hergestellten Bieren vorbehalten werden, wenn die
Verkehrsauffassung auch nur diese Biere als Bier ansähe (§ 19 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a
LMBG). Das ist aber nicht der Fall. Der Verbraucher sieht als „Bier“ auch die unter
Abweichung vom Reinheitsgebot hergestellten Biere an. Das lässt sich schon daraus
ersehen, dass auf dem deutschen Markt auch derartige Biere als „Bier“ angeboten
werden (vgl. § 1 Abs. 2 Bierverordnung). Das genannte Ziel lässt sich daher nur durch
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werden (vgl. § 1 Abs. 2 Bierverordnung). Das genannte Ziel lässt sich daher nur durch
Zusätze zur Verkehrsbezeichnung „Bier“ erreichen, sei es das nach dem Reinheitsgebot
hergestellte Biere hierauf verweisen dürften, sei es, dass andere Biere entsprechend
gekennzeichnet werden müssen (vgl. § 19 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b LMBG, auf dem die
Bierverordnung ebenfalls gestützt ist).
Die Verkehrsbezeichnung „Bier“ legal hergestellten besonderen Bieren zu
verwehren, lässt sich – jedenfalls bei dem heute erreichten Stand des
Lebensmittelrechts – auch verfassungsrechtlich nicht länger rechtfertigen. Das
Kennzeichnungsrecht stellt eine Berufsausübungsregelung dar, die sich an Art. 12 Abs. 1
GG messen lassen muss. Der Schutz des Verbrauchers vor Täuschung, den das
Kennzeichnungsrecht bezweckt (§ 19 Abs. 1 Nr. 4 LMBG), ist ein legitimes
Gemeinwohlinteresse. Es stellt aber kein hierzu geeignetes Mittel dar, die
Verkehrsbezeichnung „Bier“ legal hergestellten besonderen Bieren zu verwehren und sie
auf eine andere Verkehrsbezeichnung zu verweisen, die jede sachliche Nähe zu Bier
vermeidet; wie gezeigt, wird gerade hierdurch die Gefahr einer Täuschung des
Verbrauchers begründet. Zudem wäre eine derartige Regelung nicht erforderlich; eine
Kennzeichnung durch zusätzliche Angaben ist ein milderes Mittel, das jedenfalls gleich,
wenn nicht sogar besser geeignet ist, um eine Täuschung des Verbrauchers zu
vermeiden. Das zeigt die Zulässigkeit der Bezeichnung „Bier“ als Gattungsbezeichnung
für importierte Biere ebenso wie für unter Verwendung von Zusatzstoffen hergestellte
Biere, die jeweils nicht dem Reinheitsgebot entsprechen (müssen), ohne das damit eine
Täuschung des Verbrauchers einherginge. ... Vielmehr betrifft die Entscheidung über die
Erteilung einer Genehmigung nach § 9 Abs. 7 VorlBierG nicht nur das Herstellen,
sondern auch das in Verkehrbringen als Bier. ...“
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Klägerin für die Herstellung und das
Inverkehrbringen des von ihr hergestellten „Anti Aging Bieres“ eine
Ausnahmegenehmigung zu erteilen, weil es sich um ein besonderes Bier gemäß § 9 Abs.
7 VorlBierG handelt. Der Erteilung der Ausnahmegenehmigung an sich stehen keine
rechtlichen Gründe entgegen.
Insbesondere enthält das Produkt „Anti Aging Bier“ keine unzulässigen Zusatzstoffe
gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 a) LFGB. Dies hatte der Beklagte in Bezug auf das von der
Klägerin verwendete Quercetin geltend gemacht. Lebensmittelzusatzstoffe sind gemäß §
2 Abs. 3 LFGB Stoffe mit oder ohne Nährwert, die in der Regel weder selbst als
Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Zutat eines Lebensmittels verwendet
werden und die einem Lebensmittel aus technologischen Gründen beim Herstellen oder
Behandeln zugesetzt werden, wodurch sie selbst oder ihre Abbau- oder
Reaktionsprodukte mittelbar oder unmittelbar zu einem Bestandteil des Lebensmittels
werden oder werden können.
Den Lebensmittel-Zusatzstoffen stehen Stoffe mit oder ohne Nährwert gleich, die
üblicherweise weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Zutat
eines Lebensmittel verwendet werden und die einem Lebensmittel aus anderen als
technologischen Gründen beim Herstellen oder Behandeln zugesetzt werden, wodurch
sie selbst oder ihre Abbau- oder Reaktionsprodukte mittelbar oder unmittelbar zu einem
Bestandteil des Lebensmittels werden oder werden können. Ausgenommen sind Stoffe,
die natürlicher Herkunft oder den natürlichen chemisch gleich sind und nach allgemeiner
Verkehrsauffassung überwiegend wegen ihres Nähr-, Geruchs- oder Geschmackswertes
oder als Genussmittel verwendet werden, vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 1 LFGB. Keine
Lebensmittelzusatzstoffe sind Stoffe, die Lebensmitteln zu Ernährungszwecken
beigefügt werden, so unter anderem sekundäre Pflanzenstoffe (Meyer-Streinz, LFGB-
Basisverordnung, Kommentar, 2007, § 2 LFGB Rdn. 17 b).
Quercetin kommt selbst im Hopfen vor, wenn auch nicht in reiner Form, sondern mit
Zuckern glykosidisch gebunden (Kammhuber, Quercetin und Kaempferol,
Hopfenrundschau International 2006/2007, S. 52), und ist somit natürlicher Herkunft.
Nach den Angaben des Beklagten handelt es sich bei Quercetin um einen sekundären
Pflanzenstoff und damit bereits von vornherein nicht um einen Lebensmittelzusatzstoff.
Bioflavonoide sind dementsprechend keine Zusatzstoffe (Meyer-Streinz, a. a. O., § 2
LFGB Rdn. 76).
Neben der krebsvorbeugenden Wirkung durch die Verlangsamung der Zelloxidation, der
Verminderung von Fettablagerungen in den Blutgefäßen und der Senkung des
Blutcholesterinspiegels beeinflusst ein hoher Flavonoidgehalt den Geschmack des
Bieres, vor allem dessen Bitterqualität (Kammhuber, a.a.O.).
Somit ist davon auszugehen, dass die Verwendung von Quercetin neben gewissen
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Somit ist davon auszugehen, dass die Verwendung von Quercetin neben gewissen
positiven Wirkungen für die Gesundheit vor allem wegen seines Geschmackswertes
erfolgt und auch deshalb kein Lebensmittelzusatzstoff im Sinne des Gesetzes ist,
weshalb es auf die vom Beklagten angeführte Zusatzstoffzulassungsverordnung vom
06. Februar 1998 in Verbindung mit der Verordnung über den Übergang auf das neue
Zusatzstoffrecht (BGBl. 1998 I S. 308) in der Fassung vom 16. Oktober 1998 (BGBl. 1998
I S. 3175) nicht mehr ankommt.
Der Erteilung der Ausnahmegenehmigung steht auch nicht § 11 Abs. 1 LFGB entgegen.
Danach ist es verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder
Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein
oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben.
Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn einem Lebensmittel Wirkungen
beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen
oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind, vgl. § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB,
oder einem Lebensmittel der Anschein eines Arzneimittels gegeben wird, vgl. § 11 Abs. 1
Nr. 4 LFGB.
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Dem Produkt werden mit der Bezeichnung „Anti
Aging“ keine Wirkungen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 LFGB beigelegt. Maßgeblich ist
die Sicht des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbrauchers (EuGH C-210/96, Slg. 1998, I-4657; BGH WRP 1994, 615;
BVerwGE 89, 320). Verbraucherleitbild des EuGH ist ein Verbraucher, der nicht nur ein
Recht auf Information hat, sondern dem auch eine Informationslast aufgebürdet wird
(EuGH, Slg. 1990 I-4828/4849; Meyer-Streinz, a.a.O. § 11 LFGB, Rdnr. 30). Denn der
„verständige Verbraucher“ ist willens und in der Lage, Informationen zur Kenntnis zu
nehmen (EuGH, C-470/93, Slg. 1995, I-1923; Meyer-Streinz, a. a. O., Einführung Rdn.
12).
Ein verständiger Verbraucher wird jedenfalls durch die Bezeichnung „Anti Aging“ nicht
ernsthaft zu der abwegigen Annahme verleitet werden, dass das Getränk erheblich den
Alterungsprozess verzögern könne. Bei „Anti Aging“ handelt es sich um eine
Modebezeichnung innerhalb des allgemeinen Wellnesstrends, welcher auch bei anderen
Produkten Verwendung findet. Eine Irreführung ist damit nicht verbunden, da auf dem
Rückenetikett eindeutig darauf hingewiesen wird, dass sich „die Uhr des Lebens“ mit
dem Bier letztlich nicht anhalten lässt. Andererseits können gewisse positive
Auswirkungen des Getränks - einen maßvollen Konsum vorausgesetzt - auf den Schutz
der Zellen letztlich nicht bestritten werden, was sich aus dem Schreiben der IGV-GmbH
vom 26. Januar 2004 ergibt. Danach konnte im Anti Aging Bier im Vergleich zu
konventionellem Bier etwa eine doppelt so hohe antioxidative radikalabfangende
Aktivität nachgewiesen werden, wobei die Zugabe von Sole und Spirulina zu einer
Erhöhung der Anteile an wertvollen Mineralstoffen, Aminosäuren und Vitaminen führt.
Die positiven Wirkungen der Flavonoide werden in dem zitierten Artikel von Kammhuber
bestätigt.
Da auf dem Rückenetikett im Hinblick auf den Alkoholgehalt des Getränks ein
sorgfältiger Umgang angemahnt und vor dem Konsum durch Schwangere, Kranke und
Jugendliche gewarnt wird, wird bei dem verständigen Verbraucher der Eindruck
vermieden, dass er sich mit dem Getränk „gesundtrinken“ könne.
Die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 4 LFGB liegen ebenfalls nicht vor, weil dem
Produkt nicht der Anschein eines Arzneimittels gegeben wird.
Maßgeblich ist dabei der von einem Mittel erweckte Eindruck anhand des
Gesamterscheinungsbildes zu bestimmen, in dem dieses dem Verkehr entgegentritt;
dementsprechend sind einzelne Werbeaussagen, auch wenn sie nur für sich allein
angegriffen sind, insoweit im Zusammenhang mit den weiteren Werbeaussagen sowie
mit der Aufmachung und gesamten Erscheinung des Mittels zu würdigen (Meyer-Streinz,
a. a. O., § 11 LFGB Rdn. 113; BGH LMRR 2003, 11). Nach dem Gesamterscheinungsbild
handelt es sich im Hinblick auf die Bezeichnung „Bier“ und den Verkauf des Produkts in
Bierflaschen eindeutig um Bier, also ein Lebensmittel. Der Anschein eines Arzneimittels
wird darüber hinaus dadurch vermieden, dass die Klägerin nicht mehr darauf hinweisen
darf, dass das Produkt dem Zellenschutz dient (siehe unten). Deshalb kann auch
dahinstehen, ob dieser Hinweis unter das Verbot der krankheitsbezogenen Werbung
gemäß § 12 Abs. 1 LFGB fällt.
Ein Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Nr. 1 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung (LMKV)
liegt nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist die Verkehrsbezeichnung eines Lebensmittels
die in Rechtsvorschriften festgelegte Bezeichnung, bei deren Fehlen
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1. die nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung oder
2. eine Beschreibung des Lebensmittels und erforderlichenfalls seiner Verwendung,
die es dem Verbraucher ermöglicht, die Art des Lebensmittels zu erkennen und es von
verwechselbaren Erzeugnissen zu unterscheiden.
Bei der Bezeichnung Anti Aging Bier“ ist auf die Angabe „Bier“ abzustellen und nicht auf
„Anti Aging“. Auch sonst ist nicht der Name, z.B. „Schwarzer Abt“oder „Klostermalz“
maßgeblich, sondern die Angabe, dass es sich um „Bier“ handelt. Dies ist eine in
Rechtsvorschriften, nämlich der Bierverordnung und dem Vorläufigen Biergesetz,
vorgesehene Verkehrsbezeichnung.
Der Einwand des Beklagten, dass die Angabe „Flavonoide“ kein zugelassener
Klassenname nach § 6 Abs. 4 Nr. 1 LMKV sei, trifft nicht zu. Gemäß § 6 Abs. 4 Nr. 1
LMKV kann abweichend von Abs. 3 bei Zutaten, die zu einer in Anlage 1 aufgeführten
Klassen gehören, der Name dieser Klasse angegeben werden. Gemäß § 6 Abs. 3 LMKV
sind die Zutaten mit ihrer Verkehrsbezeichnung nach Maßgabe des § 4 anzugeben. Abs.
4 ist somit gar nicht einschlägig, weil diese Vorschrift nur eine Erleichterung der Angabe
bestimmter Stoffe gegenüber Abs. 3 vorsieht. Bei der Bezeichnung „Flavonoide“ handelt
es sich auch um eine nach allgemeiner Verkehrsauffassung übliche Bezeichnung gemäß
§ 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV.
Hinsichtlich der Angabe „Badebier“ im Zutatenverzeichnis hat die Klägerin
unwidersprochen vorgetragen, dass das Badebier unter dieser Bezeichnung bereits seit
1997 auf dem Markt sei. Folglich handelt es sich dabei um eine zulässige Bezeichnung
gem. § 4 Abs. 1 Nr. 1 LMKV.
Die begehrte Ausnahmegenehmigung ist demnach zu erteilen. Allerdings hat die
Klägerin den Hinweis auf dem Rückenetikett in Satz 3 auf den Schutz der Zellen vor den
schädigenden Angriffen freier Radikaler zu unterlassen. Denn insoweit handelt es sich
um eine gesundheitsbezogene Angabe gemäß Art. 4 Abs. 3 a der Verordnung (EG) Nr.
1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006
(Amtsblatt der Europäischen Union vom 20. Dezember 2006 L 404/9, ber. Abl. L 2007
12/3).
Gesundheitsbezogene Angabe ist gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 der Verordnung jede
Angabe, mit der erklärt wird, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht
wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem
Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit andererseits
besteht. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, da eindeutig zum Ausdruck gebracht
wird, dass in dem Getränk, dass einen Alkoholgehalt von mehr als 1,2 % aufweist,
Zutaten enthalten sind, die eine zellschützende Wirkung haben und damit für die
Gesundheit förderlich sind. Bezüglich gesundheitsbezogener Angaben gem. Art. 13 Abs.
1 – andere gesundheitsbezogene Angaben als Angaben über die Reduzierung eines
Krankheitsrisikos - sieht Art. 13 Abs. 3 die Verabschiedung einer Gemeinschaftsliste bis
zum 31. Januar 2010 über die zulässigen Angaben vor. Zwar ist in Art. 28 Abs. 5 der
Verordnung als Übergangsmaßnahme geregelt, dass gesundheitsbezogene Angaben im
Sinne des Art. 13 Abs. 1 a ab Inkrafttreten dieser Verordnung bis zur Annahme der in
Art. 13 Abs. 3 genannten Liste unter der Verantwortung von Lebensmittelunternehmern
verwendet werden dürfen, sofern die Angaben dieser Verordnung und den einschlägigen
einzelstaatlichen Vorschriften entsprechen. Die gemäß Art. 13 Abs. 3 der Verordnung zu
verabschiedende Liste soll zulässige Angaben gem. Absatz 1 vorsehen. Da für
alkoholische Getränke über 1, 2 % Alkoholgehalt jedoch grundsätzlich keine
gesundheitsbezogenen Angaben gemacht werden dürfen, kann sich die Klägerin nicht
auf die Übergangsvorschrift des Art. 28 Abs. 5 der Verordnung berufen.
Sofern die Bezeichnung „Anti Aging“ als gesundheitsbezogene Angabe angesehen wird,
darf die Klägerin allerdings mit dieser Bezeichnung das Getränk gemäß Art. 28 Abs. 2
der Verordnung noch bis zum 19. Januar 2022 in den Verkehr bringen, weil insoweit
bereits seit 2003 ein Markenname besteht.
Der verbleibende Satz 3 auf dem Rückenetikett enthält zwar unzulässige
nährwertbezogene Angaben. Die Klägerin kann diesen Satz jedoch noch bis zum 19.
Januar 2010 verwenden.
Gemäß Art. 4 Abs. 3 b) der Verordnung dürfen Getränke mit einem Alkoholgehalt von
mehr als 1,2 % keine nährwertbezogenen Angaben mit Ausnahme solcher, die sich auf
eine Reduzierung des Alkoholgehalts oder des Brennwerts beziehen, tragen.
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Nährwertbezogene Angabe ist gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 jede Angabe, mit der erklärt,
suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Lebensmittel
besondere positive Nährwerteigenschaften besitzt, und zwar aufgrund
b) der Nährstoffe oder anderen Substanzen, die es
i) enthält,
ii) in verminderter oder erhöhter Menge enthält oder
iii) nicht enthält.
Der Ausdruck Nährstoff bezeichnet gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 der Verordnung ein
Protein, ein Kohlenhydrat, ein Fett, einen Ballaststoff, Natrium, eines der im Anhang der
Richtlinie 90/496/EWG aufgeführten Vitamine und Mineralstoffe sowie jeden Stoff, der zu
einer dieser Kategorien gehört oder Bestandteil eines Stoffes aus einer dieser
Kategorien ist. Sofern der allgemeine Hinweis auf dem Rückenetikett auf die Erhöhung
des Anteils an wertvollen Vitaminen und Mineralstoffen im Hinblick auf die Kategorien
Vitamine und Mineralstoffe nicht bereits unter den Nährstoffbegriff fällt, handelt es sich
bei Mineralstoffen, Vitaminen und Aminosäuren jedenfalls um „andere Substanzen“,
worunter gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 der Verordnung ein anderer Stoff als ein Nährstoff
verstanden wird, der eine ernährungsbezogene Wirkung oder eine physiologische
Wirkung hat. Dies ist der Fall, da Mineralstoffe und Vitamine allgemein zu
Ernährungszwecken beigefügt werden und Aminosäuren ernährungsphysiologische
Wirkungen haben (Meyer-Streinz, a. a. O., LFGB § 2 Rdn. 17 b). Gemäß Art. 28 Abs. 3 der
Verordnung dürften nährstoffbezogene Angaben, die in einem Mitgliedsstaat vor dem
01. Januar 2006 gemäß den einschlägigen innerstaatlichen Vorschriften verwendet
wurden und nicht im Anhang aufgeführt sind, bis zum 19. Januar 2010 unter der
Verantwortung von Lebensmittelunternehmern verwendet werden; dies gilt unbeschadet
der Annahme von Schutzmaßnahmen gemäß Art. 24.
Die Voraussetzungen dieser Übergangsvorschrift sind erfüllt. Die Klägerin verwendete
die hier in Rede stehende Angaben bereits vor dem 01. Januar 2005 im Rahmen des
Exports des „Anti Aging Bieres“. Ein Verstoß gegen innerstaatliche Vorschriften ist nicht
ersichtlich. Die nährwertbezogenen Angaben in Satz 3 entsprechen nicht dem Anhang
der Verordnung, weil dies im Hinblick auf die dortigen Positionen „Vitamin-
/Mineralstoffquelle“ oder „hoher Vitamin-/Mineralstoffgehalt“ zumindest die Benennung
der konkreten Vitamine und Mineralstoffe voraussetzen würde, was hier nicht der Fall ist.
Der Satz 3 auf dem Rückenetikett ist demnach nach dem 19. Januar 2010 nicht mehr
zulässig.
Im Hinblick auf die oben dargelegten Grundsätze des Bundesverwaltungsgerichts, die
eine großzügige Handhabung bei der Ermessensausübung erfordern, ist somit die
Ausnahmegenehmigung mit der genannten Einschränkung auch für das
Inverkehrbringen des Getränks als Bier zu erteilen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur
Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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