Urteil des VG Frankfurt (Oder) vom 14.03.2017

VG Frankfurt(oder ): stadt, abfallentsorgung, öffentlich, amtsblatt, grundstück, missverhältnis, abfallverwertung, satzung, abrechnung, ermessen

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Gericht:
VG Frankfurt (Oder)
5. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 K 455/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 6 Abs 4 KAG BB, § 8 KAG BB, §
9 AbfG BB
Kommunalabgaben - Mindestgebühr für Abfallentsorgung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Verfahrenskosten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen,
die gegen sie gerichtete Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abzuwenden, wenn nicht der
Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich mit ihrer Klage gegen die Festsetzung einer Entleerungsgebühr
für die Abfallentsorgung auf ihrem Wohngrundstück.
Mit Grundbesitzabgabenbescheid vom 10. Februar 2006 wurden die Kläger einerseits zu
einer Entleerungsgebühr 031 für den Zeitraum 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2005
für „12 Entleerung(en) von Abfallbehälter mit 60 l Füllraum zu je 1,50 €“, insgesamt 18 €
veranlagt. Außerdem setzte der Beklagte für das Jahr 2006 Vorauszahlungen, wiederum
„für 12 Entleerung(en) von Abfallbehälter mit 60 l Füllraum zu je 1,44 €“, insgesamt
17,28 € fest. Unstreitig haben die Kläger im Abrechnungszeitraum 2005 lediglich 3
Entleerungen ihres Restabfallbehälters in Anspruch genommen.
In ihrem Widerspruch vom 15. Februar 2006 wandten sich die Kläger u.a. gegen die
Position "031 Entleerungsgebühr Restmüll“ und zwar für die Jahre 2005 und 2006. Die
Kläger machten unter Bezugnahme auf ihr Schreiben an den Beklagten vom 8. März
2005 im wesentlichen geltend, die Ziehungsgebühr sei unabhängig vom tatsächlichen
Restabfall-Anfall für mindestens 12 mal zu entrichten. Sie, die Kläger, betrieben
konsequente Mülltrennung. Von daher bleibe für den Restabfallbehälter kaum noch
etwas übrig, jedenfalls nicht in einer Größenordnung, die 12 Leerungen pro Jahr
erfordere. Die Kläger fühlten sich durch die derzeitige Regelung in ihrem Bestreben um
Müllminimierung bestraft.
Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2006
zurück. Die Behörde hielt den Widerspruch für unbegründet; die Kläger seien aufgrund
der satzungsrechtlichen Regelungen verpflichtet, die Abfallbehälter mindestens 12 mal
pro Jahr zur Entleerung bereitzustellen. Auf der Grundlage der maßgeblichen
Gebührensatzung würden dementsprechend bei der Gebührenberechnung 12
Entleerungen zugrunde gelegt werden.
Die Kläger haben am 21. März 2006 Klage erhoben; sie halten die von ihnen verlangten
Entleerungsgebühren weiterhin für rechtswidrig. Sie tragen im wesentlichen vor, die
Abfallentsorgungssatzung widerspräche mit der Verpflichtung der Anschlusspflichtigen,
jeden auf dem Grundstück aufgestellten Restabfallbehälter mindestens 12 mal pro Jahr
zur Entleerung bereitzustellen dem in der Abfallentsorgungssatzung und im
brandenburgischen Abfallgesetz niedergelegten Grundsatz einer anzustrebenden
Müllvermeidung. Der Beklagte vermenge bei der Erhebung von Entleerungsgebühren 2
unterschiedliche Berechnungsansätze, indem er einerseits pauschal 12 Leerungen in
Rechnung stelle, andererseits jedoch die zur Entsorgung übergebene Müllmenge im
Übrigen konkret erfasse und berechne. Diese Kombination aus
Wahrscheinlichkeitsmaßstab und Wirklichkeitsmaßstab sei rechtswidrig. Da der Beklagte
die zur Entsorgung übergebene Müllmenge konkret erfasse, bleibe für eine pauschale
Berechnung von fiktiv 12 Leerungen kein Raum. Ebenso wenig könnten hygienische
Gründe oder der vom Beklagten bemühte Solidargedanke eine 12malige Entleerung der
Abfallbehälter rechtfertigen.
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Die Kläger beantragen schriftlich sinngemäß,
den Grundbesitzabgabenbescheid vom 10. Februar 2006 und den
Widerspruchsbescheid vom 15. März 2006 hinsichtlich der Positionen 0 31
Entleerungsgebühr Restmüll für die Jahre 2005 und 2006 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt schriftlich,
die Klage abzuweisen.
Er hält den Grundbesitzabgabenbescheid und den Widerspruchsbescheid im jeweils
angefochtenen Umfang für rechtmäßig. Die von den Klägern beanstandeten Regelungen
widersprächen weder dem abfallrechtlichen Grundsatz der Abfallvermeidung noch den
gebührenrechtlichen Grundsätzen des Kommunalabgabengesetzes für das Land
Brandenburg. Vielmehr sei es den anschlusspflichtigen Bürgern der Stadt Frankfurt
(Oder) möglich, die Abfallgebühren durch einen umsichtigen Umgang mit Abfällen gering
zu halten. Im Übrigen sei der Beklagte nicht in jedem Fall verpflichtet, bei der
Gebührenbemessung den Wirklichkeitsmaßstab, d.h. die tatsächliche Inanspruchnahme
der öffentlichen Einrichtung oder Anlage, anzulegen. Vielmehr sei die Festlegung eines
Mindestverbrauchs unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Abfallaufkommens je
Einwohner und Tag oder Woche auf der Grundlage entsprechender Erfahrungswerte
zulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und den Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und -
soweit wesentlich - Gegenstand der Beratung und Entscheidung der Kammer gewesen
sind.
Entscheidungsgründe
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte die Kammer ohne mündliche Verhandlung
entscheiden, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO.
Die Kläger haben hinsichtlich der angefochtenen Vorauszahlungen für 2006 bereits kein
Rechtsschutzbedürfnis für die Durchführung eines Klageverfahrens, da sich der
streitbefangene Vorausleistungsteil des Grundbesitzabgabenbescheides vom 10.
Februar 2006 betreffend die Position 031 „Entleerungsgebühr Restmüll“ durch den
Erlass des (endgültigen) Bescheides vom 12. Februar 2007 erledigt hat. In diesem
Bescheid wurde die Position 031 „Entleerungsgebühr Restmüll“ als „Abrechnung des
Verbrauchs 2006“ abschließend festgesetzt.
Die Erledigung des o.g. Vorausleistungsteils vom 10. Februar 2006 beruht darauf, dass
diesem keine Rechtswirkung mehr zukommt. Der endgültige
Grundbesitzabgabenbescheid vom 12. Februar 2007 hat bzgl. der Position 031 für das
Jahr 2006 alle Regelungsteile des Vorausleistungsbescheids ersetzt.
Zwar bewirkt ein endgültiger Gebührenbescheid auch dann keine Ablösung des
Vorausleistungsbescheids, wenn Ersterer kein Leistungsgebot enthält und seine
Auslegung ergibt, insoweit solle es beim Leistungsgebot des Vorausleistungsbescheids
bleiben. Vorliegend haben die Kläger aber auf die Leistungsgebote des jeweiligen
Vorauszahlungsbescheides nach fernmündlicher Auskunft des Beklagten vom 29.
September 2009 stets gezahlt. Ist - so wie hier - auf den angefochtenen
Vorausleistungsbescheid bereits gezahlt worden, löst ein endgültiger Beitragsbescheid
den vorangegangenen Vorausleistungsbescheid mit der Folge vollständig ab, dass das
Rechtsschutzinteresse für eine anhängige Klage gegen den Vorausleistungsbescheid
entfällt (vgl. hierzu Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 8 Rn. 147 m.w.N.).
Die - im Übrigen - zulässige Klage erweist sich als unbegründet.
Denn der Grundbesitzabgabenbescheid des Beklagten vom 10. Februar 2006 erweist
sich hinsichtlich der darin enthaltenen Position 031 Entleerungsgebühr Restmüll
(Abrechnung des Verbrauchs in 2005) als rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in
ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Rechtsgrundlage für die angefochtene Gebührenerhebung - Festsetzung der
Entleerungsgebühr 2005 - ist hier die Gebührensatzung für die Abfallentsorgung der
Stadt Frankfurt (Oder) vom 14. Dezember 2004 - AGS 2005, in Kraft getreten am 01.
Januar 2005 (§ 9 AGS 2005), öffentlich bekanntgemacht im „Amtsblatt für die Stadt
Frankfurt (Oder)“ Nr. 13 vom 22. Dezember 2004, S. 253 - 261 und die
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Frankfurt (Oder)“ Nr. 13 vom 22. Dezember 2004, S. 253 - 261 und die
Gebührensatzung für die Abfallentsorgung der Stadt Frankfurt (Oder) vom 24. Mai 2005 -
AGS 2005-II, in Kraft getreten am 01. Juni 2005 (§ 9 AGS 2005-II), öffentlich
bekanntgemacht im „Amtsblatt für die Stadt Frankfurt (Oder)“ Nr. 6 vom 08. Juni 2005,
S. 77 - 89.
Die Kläger haben weder formelle Fehler des Satzungsgebungsverfahrens vorgetragen
noch sind diese sonst ersichtlich.
Die AGS 2005 und AGS 2005-II genügen auch den in § 2 Abs. 1 Satz 2
Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg (KAG) enthaltenen
Mindestanforderungen an eine Abgabensatzung und sind auch sonst nicht durch
substantiierte Rügen der Kläger in Frage gestellt worden. Denn die AGS 2005 und die
AGS 2005-II enthalten jeweils in § 1 den die Abgabe begründenden Tatbestand und den
Gebührenmaßstab, in § 2 eine Regelung über die Gebührensätze und bestimmen in § 3
den Gebührenschuldner sowie in § 5 den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit.
Rechtsgrundlage für die Erhebung einer Entleerungsgebühr im Einzelfall ist hier zum
einen § 1 Abs. 2 Satz 3 AGS 2005/AGS 2005-II. Danach wird die Entleerungsgebühr nach
der Anzahl der Entleerungen der Restabfallbehälter bemessen. Zufolge § 2 Abs. 2 AGS
2005/AGS 2005-II beträgt die Entleerungsgebühr im Sinne des § 1 Abs. 2 dieser Satzung
je Entleerung eines Restabfallbehälters mit 60 l Füllraum 1,50 €. Gemäß § 4 Abs. 2 AGS
2005/AGS 2005-II entsteht die Gebührenschuld für die Entleerungsgebühr jeweils mit
Entleerung der Abfallbehälter. § 2 Abs. 2 Satz 2 AGS 2005/AGS 2005-II sieht weiter vor,
dass der Gebührenberechnung mindestens 12 Entleerungen zugrunde gelegt werden,
da gemäß § 13 Abs. 3 Satz 2 der Abfallentsorgungssatzung der Anschlusspflichtige
verpflichtet ist, die Abfallbehälter mindestens 12 mal pro Jahr zur Entleerung
bereitzustellen.
§ 13 Abs. 3 Satz 1 (nicht Satz 2) der Satzung über die Vermeidung, Verwertung und
sonstige Entsorgung von Abfällen in der kreisfreien Stadt Frankfurt (Oder), Land
Brandenburg (Abfallentsorgungssatzung) vom 13. März 2003, zufolge ihrem § 24
rückwirkend in Kraft getreten zum 24. Januar 2002 und öffentlich bekanntgemacht im
„Amtsblatt für die Stadt Frankfurt (Oder)“ Nr. 3 vom 26. März 2003 sowie § 13 Abs. 3
Satz 1 der Abfallentsorgungssatzung vom 20. Mai 2005 - AbfallS 2005-II, in Kraft
getreten am 01. Juni 2005 (§ 24 AbfallS 2005-II) und öffentlich bekannt gemacht im
„Amtsblatt für die Stadt Frankfurt (Oder)“ Nr. 6 vom 08. Juni 2005 sehen insoweit
gleichlautend vor, dass der Anschlusspflichtige verpflichtet ist, jeden auf dem
Grundstück aufgestellten Restabfallbehälter mindestens 12 mal pro Jahr zur Entleerung
bereitzustellen.
Die Kläger haben auch hier weder formelle Fehler des Satzungsgebungsverfahrens
vorgetragen noch sind diese sonst ersichtlich.
Den Klägern kann nicht darin gefolgt werden, dass die Entleerungsgebühr nach dem
Wirklichkeitsmaßstab des § 6 Abs. 4 Satz 1 KAG erhoben werden müsse und vom
Beklagten auch so erhoben worden sei. Nach dieser Vorschrift ist die Gebühr nach der
Inanspruchnahme der Einrichtung oder Anlage zu bemessen. Soweit die Kläger nunmehr
einen Verstoß gegen diese Bestimmung rügen, indem der Beklagte mit der Festlegung
von 12 Mindestleerungen lediglich einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab gewählt habe, trifft
es zwar zu, dass die vom Beklagten beschlossenen Regelungen über die
Entleerungsgebühr nicht an die wirkliche, sondern an die wahrscheinliche
Inanspruchnahme des Abfallbeseitigungssystems anknüpfen. Sie stellt sich damit als die
von einer Mindestgebühr zu unterscheidende Unterstellung einer
Mindestinanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung im Sinne eines pauschalierten
Mindestmaßstabes der Inanspruchnahme, die der Maßstabsregelung zuzuordnen ist,
dar. (vgl. Kluge in: Becker u. a., Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg, § 6
Rn. 783a).
Eine solche Pauschalierung bedarf wegen des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1
Grundgesetz einer besonderen Rechtfertigung. Sie ist grundsätzlich mit § 6 Abs. 4 Satz
1 KAG und Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz vereinbar, wenn eine Gebührenbemessung nach
Art und Umfang der Inanspruchnahme schwierig oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist,
der Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zur
Inanspruchnahme steht und sachliche Gründe dafür sprechen, sich trotz des
eintretenden „Realitätsverlustes“ für einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu entscheiden
(vgl. für das niedersächsische Landesrecht OVG Lüneburg, Urteil vom 7. Juni 2004 – 9 KN
502/02, NordÖR 2004, 310 (311) m.w.N.). Entsprechend bestimmt § 6 Abs. 4 Satz 2
KAG, dass ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab, der nicht in einem offensichtlichen
Missverhältnis zu der Inanspruchnahme stehen darf, gewählt werden kann, „wenn das
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Missverhältnis zu der Inanspruchnahme stehen darf, gewählt werden kann, „wenn das
(die Bemessung der Inanspruchnahme der Einrichtung oder Anlage) besonders schwierig
oder wirtschaftlich nicht vertretbar ist“. Allerdings ist die Unterstellung einer
Mindestinanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung im Sinne des oben dargestellten
pauschalierten Mindestmaßstabes der - im Übrigen „genommenen“ - Inanspruchnahme
genauso wie die Erhebung einer Mindestgebühr in § 6 Abs. 4 KAG nicht vorgesehen und
daher - vorbehaltlich spezialgesetzlicher Regelungen – unzulässig (vgl. Kluge a.a.O.).
Eine im vorgenannten Sinne spezialgesetzliche Regelung stellt § 9 brandenburgisches
Abfallgesetz (BbgAbfG) für die Abfallentsorgung dar. In dessen Anwendungsbereich
können - auch wenn § 9 BbgAbfG diesbezügliche Befugnisse nicht ausdrücklich eröffnet -
die Erhebung einer Mindestgebühr oder - wie hier – die Unterstellung eines
pauschalierten Mindestmaßes der Inanspruchnahme, etwa satzungsrechtliche
Regelungen, nach denen eine bestimmte Anzahl von Entleerungen von Abfallbehältern
der Gebührenbemessung zugrunde zu legen ist, mit der Sicherung einer
umweltverträglichen Abfallbeseitigung (vgl. § 1 Abs. 1 BbgAbfG) gerechtfertigt werden.
Hierzu gehört auch, dass sich die Abfallentsorger ihrer Abfälle nicht illegal entledigen
oder hygienisch bedenkliche Zustände entstehen (Kluge a.a.O.). § 9 BbgAbfG, der auch
die Zielsetzungen des § 1 BbgAbfG („Zwecke und Ziele des Gesetzes“) umfasst, enthält
damit spezialgesetzliche Regelungen, die - soweit sie reichen - den § 6 KAG verdrängen
und daher auch Durchbrechungen der Vorgaben ermöglichen, wie sie insbesondere § 6
Abs. 2 und § 4 Kommunalabgabengesetz enthalten (Kluge a.a.O. Rn. 783d m.w.
Ausführungen).
Entgegen dem Vorbringen der Kläger zwingt das in § 9 Abs. 3 BbgAbfG sowohl in seiner
Alt - als auch in seiner Neufassung zum Ausdruck kommende Gebot, mit dem
Gebührenmaßstab Anreize zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen zu schaffen (§
9 Abs. 3 BbgAbfG a.F. “sollen“; § 9 Abs. 3 BbgAbfG n.F. „können“), nicht zu
Gebührenregelungen, die diesem Gesichtspunkt in jeder Hinsicht Rechnung tragen.
Denn bei der Ausgestaltung ihres Gebührensystems hat die abfallbeseitigungspflichtige
Körperschaft ein weites Ermessen, innerhalb dessen sie auf unterschiedliche Maßstäbe
zurückgreifen und auf verschiedene Gesichtspunkte abstellen kann. Sie hat nämlich
neben dem Erfordernis, zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung anzuhalten, auch
zahlreiche andere Kriterien zu berücksichtigen, die - wie etwa die Notwendigkeit einer
geordneten Abfallentsorgung sowie das Vorhandensein einer Kalkulationssicherheit -
einer zu starken Gebührendifferenzierung je nach der Menge des tatsächlich anfallenden
Abfalls entgegenstehen können. So kann es sachgerecht sein, durch die Festlegung von
Mindestentleerungen sicherzustellen, dass der Abfall in regelmäßigen Zeitabständen
abgefahren und der Gebührenpflichtige nicht verleitet wird, sich seiner Restabfälle
zwecks Minderung der Gebührenlast verbotswidrig zu entledigen. § 9 Abs. 3 BbgAbfG
richtet sich daher nicht an jede einzelne Teilregelung einer Gebührensatzung, sondern
ist bereits beachtet, wenn die Gebührengestaltung in ihrer Gesamtheit hinreichend
Anreize zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung bietet (so OVG Lüneburg für das
niedersächsische Landesrecht a.a.O.). Die mit der unterstellten
Mindestinanspruchnahme verbundene Belastung darf aber nicht so hoch sein, dass sich
Vermeidungs- und Verwertungsanstrengungen, die sich in der Überlassung einer
niedrigeren Abfallmenge äußern, nicht mehr spürbar finanziell niederschlagen (Kluge
a.a.O. Rn. 783b).
Ausgehend von diesen Vorgaben ist weder der vom Beklagten gewählte
(Wahrscheinlichkeits-)maßstab einer Mindestinanspruchnahme noch die Festlegung von
Mindestleerungen zu beanstanden. Dies gilt auch trotz des Umstandes, dass sich der
Beklagte gerichtsbekannt für das System „Restabfalltonnen mit Barcode“ entschieden
hat, er also jeden einzelnen Leerungsvorgang „zählen“ kann. Aus der Wahl dieses
Systems folgt nicht zwingend, dass er sich damit stets auch für den
Wirklichkeitsmaßstab entscheiden muss. Denn die Kläger können (bezogen auf das
Festsetzungsjahr 2005) - wie auch die anderen Abfallbeseitigungspflichtigen - durch ihr
Verhalten die von ihnen zu zahlende Behältergebühr für einen Restabfallbehälter mit 60 l
Füllraum von 28,51 €/Jahr (Grundbetrag) zuzüglich einer regelmäßig anfallenden
Leerungsgebühr von 39,00 €/Jahr (1,50 € je Restabfallbehälter mit 60 l Füllraum x 26
Leerungen), von insgesamt also 67,51 € auf lediglich 46,51 €/Jahr bei 12 Leerungen
reduzieren. Die von den Klägern danach für ihren Zweipersonenhaushalt zu zahlende
Entleerungs-Jahresgebühr zwischen 46,51 €/Jahr bei 12 Leerungen (Mindestleerungen)
und 67,51 €/Jahr bei turnusmäßigen 26 Leerungen (Regelleerungen) gibt dem
Entsorgungspflichtigen nach alledem noch einen hinreichenden Anreiz zur
Abfallvermeidung (vgl. zum niedersächsischen Landesrecht OVG Lüneburg a.a.O. und
OVG Lüneburg, Urt. vom 26. März 2003 - 9 KN 439/02 zit. nach Juris Rn. 20 ff.).
Soweit die Kläger sich für ihre gegenteilige Rechtsansicht auf die Rechtsprechung des
OVG Münster beziehen (hier OVG Münster, Beschluss vom 14. November 2003 - 9 A
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OVG Münster beziehen (hier OVG Münster, Beschluss vom 14. November 2003 - 9 A
85/02, NVwZ-RR 2004, 291), derzufolge eine ergänzende satzungsrechtliche Regelung
(in der Gebührensatzung) unwirksam sein soll, nach der in jedem Fall mindestens 8
Leerungen/Jahr zugrunde zu legen sind, obschon die Abfallgebührensatzung eine
Leistungsgebühr für das Restmüllgefäß vorsieht, die sich grundsätzlich nach der Anzahl
der elektronisch erfassten tatsächlichen Leerungen bemisst, ist diese Rechtsprechung
hier nicht einschlägig. Danach erfordert die verbindliche Sicherstellung einer bestimmten
Anzahl von Mindestleerungen letztlich eine in der Abfallentsorgungssatzung getroffene
(wirksame) Regelung über einen entsprechenden Benutzungszwang, die sicherstellt,
dass es zu einer entsprechenden Abfuhr in bestimmten Intervallen kommt. Die im
Verfahren vor dem OVG Münster maßgebliche Abfallentsorgungssatzung sah einen
solchen Benutzungszwang gerade nicht vor (vgl. OVG Münster a.a.O., zit. nach Juris Rn. 5
und Kluge in: Becker u.a., Kommunalabgabengesetz für das Land Brandenburg, § 6, Rn.
783d). Vorliegend bestimmt indes § 13 Abs. 3 der o.g. Abfallentsorgungssatzungen des
Beklagten einen dahin gehenden Benutzungszwang, in dem der Anschlusspflichtige
verpflichtet ist, jeden auf dem Grundstück aufgestellten Restabfallbehälter mindestens
12 mal pro Jahr zur Entleerung bereitzustellen. Gegen diesen Benutzungszwang ist aus
den oben dargestellten Gründen auch nicht zu erinnern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. mit §§ 708 Nr. 11, 711 der
Zivilprozessordnung. Gründe, die Berufung zuzulassen (§§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3
und 4 VwGO) sind nicht ersichtlich.
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