Urteil des VG Frankfurt (Oder) vom 13.03.2017

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Gericht:
VG Frankfurt (Oder)
5. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 M 42/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 18 Nr 3 RVG, Anl 1 Nr 3309
RVG, § 169 Abs 1 S 2 VwGO
Verfahrensgebühr bei anwaltlicher Tätigkeit im
Vollstreckungsverfahren
Leitsatz
Für den nach fruchtloser Zahlungsaufforderung mit Vollstreckungsankündigung gestellten
Vollstreckungsantrag nach § 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO fällt grundsätzlich keine (weitere)
Verfahrensgebühr gemäß VV 3309 (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Satz RVG) an.
Tenor
Die Erinnerung des Vollstreckungsgläubigers wird zurückgewiesen.
Der Vollstreckungsgläubiger trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
Gründe
Die nach § 165 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO - i. V. mit § 151 VwGO in
entsprechender Anwendung zulässige Erinnerung des Vollstreckungsgläubigers, mit dem
dieser sinngemäß begehrt,
den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
vom 22. April 2008 zu ändern und die im Kostenfestsetzungsantrag vom 27. September
2007 zur Erstattung beantragten Kosten i. H. von 14,28 € festzusetzen,
hat keinen Erfolg.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Urkundsbeamtin im Ergebnis rechtlich
bedenkenfrei eine weitere 3/10-Gebühr gem. § 18 Nr. 3 des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG - für die Stellung eines Vollstreckungsantrags
nach § 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO, die der Gläubiger nunmehr neben der bereits im
Vollstreckungsantrag geltend gemachten Gebühr für die „Kosten der Vollstreckung“
beansprucht, abgesetzt und den hierauf gerichteten Kostenfestsetzungsantrag
insgesamt zurückgewiesen.
Die Stellung eines Vollstreckungsantrags nach § 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist hier keine
weitere „besondere Angelegenheit“ i. S. von § 18 Nr. 3 RVG. Danach erhält der
Rechtsanwalt für „jede Vollstreckungsmaßnahme“ eine Verfahrensgebühr nach VV 3309
(Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG). Richtig ist zwar, dass hier eine Gebühr für die
Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des Vollstreckungsgläubigers in der
Zwangsvollstreckung entstanden ist. Denn schon die Zahlungsaufforderung mit
Vollstreckungsandrohung gehört als die Vollstreckung vorbereitende Maßnahme bereits
zur Zwangsvollstreckung (vgl. Gerold/Schmidt-Müller-Rabe, RVG, 18. Auflage, VV 3309
Rn. 360). Dem entspricht es, dass der Vorsitzende des ersten Rechtszugs als
Vollstreckungsbehörde im Beschluss vom 12. September 2007 gemäß § 169 Abs. 1 Satz
2 VwGO verfügt hat, die dem Vollstreckungsgläubiger durch die Beauftragung eines
Prozessbevollmächtigten entstandenen Vollstreckungskosten zugleich mit dem zur
Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben (§ 167 Abs. 1 VwGO i. V. mit §
788 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung - ZPO). Bleibt die unter Androhung von
Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgte Zahlungsaufforderung des Anwalts - wie hier
- ohne Erfolg, so stellt der anschließend erteilte Vollstreckungsauftrag mit dem
Aufforderungsschreiben und der Vollstreckungsandrohung jedoch eine Angelegenheit
dar (Müller-Rabe a. a .O. Rn. 361).
Der Gläubiger beruft sich nunmehr auf § 18 Nr. 3 RVG und meint sinngemäß, der Antrag
auf gerichtliche Verfügung nach § 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO stelle eine eigene, nicht zu
seiner Disposition stehende Maßnahme dar. Mithin könne der Kostenaufwand, der dem
Gläubiger für die vorgerichtliche Vollstreckungsandrohung als gesonderte Tätigkeit
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Gläubiger für die vorgerichtliche Vollstreckungsandrohung als gesonderte Tätigkeit
entstanden sei, nicht als gleichartige Maßnahme angesehen werden, mit der – über die
hierfür angefallene Verfahrensgebühr - zugleich die Stellung eines Vollstreckungsantrags
nach § 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO abgegolten sei. Dem vermag die Kammer nicht zu
folgen. Denn die einzelnen Teilakte der Zwangsvollstreckung von deren Vorbereitung bis
zur Befriedigung des Gläubigers bilden gebührenrechtlich eine Angelegenheit (eine
Vollstreckungsmaßnahme i. S. von § 18 Nr. 3 RVG). Der Bundesgerichtshof hat dazu
entschieden, dass grundsätzlich die gesamten zu einer bestimmten
Vollstreckungsmaßnahme gehörenden, miteinander in einem inneren Zusammenhang
stehenden Einzelmaßnahmen von der Vorbereitung der Vollstreckung bis zur
Befriedigung des Gläubigers oder bis zum sonstigen Abschluss der Vollstreckung
dieselbe gebührenrechtliche Angelegenheit bilden. Dabei stehen die Einzelmaßnahmen
in einem inneren Zusammenhang, welche die einmal eingeleitete Maßnahme mit
demselben Ziel der Befriedigung fortsetzen (BGH, NJW-RR 2005, 78 f.). Ein solcher
innerer Zusammenhang besteht somit zwischen Vollstreckungsandrohung und
anschließendem Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses in
gleicher Weise wie zwischen Vollstreckungsandrohung und Vollstreckungsauftrag an den
Gerichtsvollzieher (vgl. z.B. LG Mainz, Beschluss vom 04. August 2005 - 3 T 130/05 –
zitiert nach juris).
Im System der gerichtlichen Fremdvollstreckung nach § 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist auch
für die gegenüber der Vollstreckungsschuldnerin ergangene Zahlungsaufforderung mit
Vollstreckungsandrohung und die aufgrund der Vollstreckungsanordnung des Gläubigers
vom 26. Juli 2007 beantragte und von der Vollstreckungsbehörde verfügte Vollstreckung
(Beschluss vom 12. September 2007) ein solcher innerer Zusammenhang zu bejahen.
Richtig ist zwar, dass bei Wechsel der Vollstreckungsart, etwa bei Übergang von der
Mobiliar- zur Forderungspfändung, mangels Gleichartigkeit der
Vollstreckungshandlungen verschiedene Angelegenheiten vorliegen (Müller-Rabe a. a. O.
§ 18 RVG, Rn. 46). Hierum geht es im vorliegenden Fall jedoch nicht.
Denn nach § 169 Abs. 1 VwGO richtet sich die Vollstreckung zugunsten der öffentlichen
Hand, wie sie hier aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss begehrt wurde, nach dem
Verwaltungs - Vollstreckungsgesetz des Bundes – VwVG. Nach § 3 Abs. 1 VwVG wird die
Vollstreckung durch eine nach § 3 Abs. 4 VwVG von der anspruchsberechtigten Behörde
(Vollstreckungsgläubiger) zu erlassende Vollstreckungsanordnung eingeleitet. Die
Vollstreckungsanordnung weist den titulierten Anspruch als vollstreckbar aus und
bestimmt Aufgabe, Art und Umfang der Zwangsvollstreckung (so Pietzner in:
Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 169 Rn. 36). Sinn dieser
Vollstreckungsanordnung ist es, bei Auseinanderfallen von anspruchsberechtigter und
Vollstreckungsbehörde der ersteren die Entscheidung sowohl zum „Ob“ als auch zu Art
und Umfang der Vollstreckung vorzubehalten und zugleich die Vollstreckungsbehörde
entsprechend den insoweit von der anspruchsberechtigten Behörde getroffenen
Maßgaben für die Durchführung der Vollstreckung zu legitimieren (vgl. OVG Berlin-
Brandenburg, Beschluss vom 07. Februar 2006 – 9 L 74.05).
Soweit danach die anspruchsberechtigte Behörde insbesondere Art und Umfang der
Vollstreckung bestimmen muss, hat sie bei der Vollstreckung wegen Geldforderungen
sowohl das Vollstreckungsobjekt (bewegliche Sachen, Forderung, Grundstücke) als auch
die Vollstreckungsart zu bestimmen. Ist eine Vollstreckung in bewegliche Sachen
beabsichtigt, muss die Vollstreckungsanordnung zwischen der Vollstreckung in Sachen,
Forderungen und andere Vermögensrechte differenzieren (vgl. §§ 281 ff. der
Abgabenordnung), um hinreichend bestimmt zu sein. In der Sache stellt die nach § 3
Abs. 1 VwVG erforderliche Vollstreckungsanordnung des Gläubigers nach alledem nichts
anderes dar als einen Vollstreckungsauftrag an die Vollstreckungsbehörde, der im
Vollstreckungsauftrag des Gläubigers an den Gerichtsvollzieher (§§ 753 Abs. 2, 754 ZPO)
und dem Gläubigergesuch an das Vollstreckungsgericht sein zivilprozessuales Analogon
findet (so Pietzner, a. a. O., Rn. 35). Mithin besteht auch zwangsläufig ein innerer
Zusammenhang zwischen Vollstreckungsanordnung und verwaltungsgerichtlichem
Vollstreckungsantrag nach § 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Denn mit der Stellung eines
Vollstreckungsantrags nach § 169 Abs. 1 Satz 2 VwGO wurden bzw. werden lediglich die
einmal begonnenen Vollstreckungsmaßnahmen fortgesetzt. Sie hatten hier zum Ziel,
den zwangsweisen Zugriff auf die beweglichen Sachen der Schuldnerin vorzubereiten,
um daraus wegen des titulierten Anspruchs Befriedigung zu suchen (vgl. Müller-Rabe a.
a. O. Rn. 361). Der Vorsitzende des Gerichts des ersten Rechtszugs handelte
diesbezüglich als Vollstreckungsbehörde - wie der Gerichtsvollzieher - als durch die
Vollstreckungsanordnung nach Art und Umfang legitimiertes Organ der Rechtspflege
nach Ermessen und steht dem Gerichtsvollzieher als verwaltungsprozessuales Analogon
gleich (zum Gerichtsvollzieher Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 753, Rn.
3 ff.).
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Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat nach alledem im Ergebnis zu Recht die
geltend gemachte weitere 3/10 Gebühr für den Vollstreckungsantrag abgesetzt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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