Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 18.05.2004
VG Frankfurt: verfügung, aufschiebende wirkung, öffentliche sicherheit, hund, behörde, halter, erlass, zwangsgeld, verwaltungsakt, verordnung
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Gericht:
VG Frankfurt 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 G 1600/04
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 1 Abs 3 HuV HE
Leitsatz
1. Zur Rechtmäßigkeit der Erklärung eines Hundes zum gefährlichen Hund i.S.d.
Hessischen Hundeverordnung aus Anlass eines Beißvorfalls. 2. Die mit einer
Zwangsgeldandrohung versehene Aufforderung an den Halter eines gefährlichen
Hundes, u.a. einen Sachkundenachweis als Voraussetzung für die Erteilung einer
Haltererlaubnis vorzulegen, ist rechtswidrig.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die
Verfügung der Antragsgegnerin vom 15.03.2004 wird bezüglich der Nr. 4
(Nachweis der Sachkunde) wiederhergestellt und bezüglich der darauf bezogenen
Zwangsgeldandrohung angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.812,50 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 30.03.2004 gegen die
Verfügung der Antragsgegnerin vom 15.03.2004 wiederherzustellen,
ist ergänzend dahin auszulegen, dass zugleich die Anordnung der aufschiebenden
Wirkung gegen die in der genannten Verfügung enthaltenen
Zwangsgeldandrohungen begehrt wird.
Der so verstandene Antrag ist zulässig, jedoch nur im tenorierten Umfang
begründet; im Übrigen ist der Antrag abzulehnen.
Die Rechtmäßigkeit der Verfügung der Antragsgegnerin vom 15.03.2004 mit der
unter Anordnung des Sofortvollzugs der von den Antragstellern gehaltene
Rottweiler-Rüde "Teddy" zum gefährlichen Hund im Sinne des § 2 Abs. 2 der
Hessischen Gefahrenabwehrverordnung für das Halten und Führen von Hunden
(Hundeverordnung) vom 22.01.2003 (Gesetz- und Verordnungsblatt I, Seite 54)
erklärt worden ist, begegnet mit Ausnahme der in Nummer 4 enthaltenen
Verpflichtung, einen Sachkundenachweis vorzulegen, jedenfalls nach dem
gegenwärtigen Sach- und Streitstand keinen ernstlichen Zweifeln, so dass unter
Abwägung der zu wahrenden und zu sichernden öffentlichen und privaten
Interessen dem öffentlichen Interesse an einer weiteren Aufrechterhaltung der im
angegriffenen Bescheid getroffenen Feststellung der Vorzug zu geben ist (§ 80
Abs. 2 Nr. 4, Abs. 5 VwGO).
Es kann dahingestellt bleiben, ob die von der Antragsgegnerin freiwillig gewählte
Zustellung der Verfügung vom 15.03.2004 fehlerhaft war, weil der Bescheid nicht
getrennt jedem der Antragsteller zugestellt worden ist. Nach § 1 Abs. 1 des
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getrennt jedem der Antragsteller zugestellt worden ist. Nach § 1 Abs. 1 des
Hessischen Verwaltungszustellungsgesetzes vom 14.02.1957 (Gesetz- und
Verordnungsblatt, Seite 9) in der Fassung vom 05.02.1973 (Gesetz- und
Verordnungsblatt Bl. I Seite 57) i. V. m. § 9 des Verwaltungszustellungsgesetzes
vom 03.07.1952 (Bundesgesetzblatt I, Seite 379) in der Fassung vom 25.06.2001
(Bundesgesetzblatt I, Seite 1206) gilt ein unter Verletzung von
Zustellungsvorschriften zugegangenes Schriftstück als in dem Zeitpunkt
zugestellt, in dem es der Empfangsberechtigte nachweislich erhalten hat. Aus dem
Umstand, dass die Antragsteller über ihren Bevollmächtigten sowohl Widerspruch
eingelegt als auch den vorliegenden Eilantrag gestellt haben, ergibt sich ohne
weiteres, dass ihnen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 15.03.2004
zugegangen ist.
Die sofortige Vollziehung der Verfügung der Antragsgegnerin vom 15.04.2003 ist
auch im Hinblick auf § 80 Abs. 3 VwGO hinreichend begründet. Die
Antragsgegnerin hat in dieser Verfügung überzeugend dargelegt, dass im Hinblick
auf die Gefährlichkeit, die von dem Hund der Antragsteller ausgeht, ein sofortiges
Einschreiten zum Schutze der Bevölkerung erforderlich gewesen ist.
Die Antragsgegnerin hat in der mit dem Widerspruch der Antragsteller
angegriffenen Verfügung vom 15.03.2004 zutreffend dem von den Antragstellern
gehaltenen Rotweiler-Rüden "Teddy" zum gefährlichen Hund erklärt. Gemäß § 2
Abs. 2 Nr. 2 der Hundeverordnung gilt ein Hund als gefährlich im Sinne dieser
Verordnung, wenn er ein anderes Tier durch Biss geschädigt hat, ohne selbst
angegriffen worden zu sein. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand ist
davon auszugehen, dass der von den Antragstellern gehaltene Hund am
01.01.2004 gegen 13:45 Uhr in den Flörsheimer Mainwiesen den von Herrn A.
gehaltenen und geführten Bob-Tail-Rüden "Samson" durch einen Biss am Ohr
verletzt hat. Damit hat sich der Hund der Antragsteller als gefährlich im Sinne der
Hundeverordnung erwiesen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass der
Biss des Hundes der Antragsteller offensichtlich keine schwereren Verletzungen
bewirkt hat.
In rechtlich nicht zu beanstandender Weise hat die Antragsgegnerin unter den
Nummern 1 - 9 der Verfügung auch auf die für die Antragsteller unmittelbar aus
der Hessischen Hundeverordnung folgenden rechtlichen Verpflichtungen als Halter
eines gefährlichen Hundes hingewiesen. Kommen die Antragsteller diesen
Verpflichtungen nicht nach, wird die Antragsgegnerin berechtigt sein,
gegebenenfalls den Hund der Antragsteller sicherzustellen oder eine andere Art
der Verwertung, etwa Verpflichtung zur Abgabe an eine dritte Person, in Betracht
zu ziehen.
Soweit hinsichtlich der Nr. 1 - 3, 5, 6 und 8 den Antragstellern jeweils ein
Zwangsgeld angedroht worden ist (vgl. die Modifizierung der
Zwangsgeldandrohung im Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragsgegnerin
vom 21.04.2004, Seite 5) bestehen insoweit keine rechtlichen Bedenken. Die
jeweilige Zwangsgeldandrohung dient dazu, die aus der Hessischen
Hundeverordnung für die Antragsteller folgenden Verpflichtungen durchzusetzen.
Dem Antrag der Antragsteller ist hingegen stattzugeben, soweit sie unter Nr. 4 der
Verfügung unter Androhung eines Zwangsgeldes aufgefordert werden, einen
Sachkundenachweis vorzulegen. Zwar ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden,
dass die Antragsgegnerin von den Antragstellern einen Sachkundenachweis zum
Halten ihres gefährlichen Hundes anfordert. § 3 Abs. 1 Nr. 3 der Hundeverordnung
bestimmt nämlich, dass die Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen Hundes nur
erteilt werden darf, wenn die Halterin oder der Halter sachkundig ist.
Rechtswidrig ist aber die von der Antragsgegnerin in der Verfügung vom
15.03.2004 unter Nr. 4 gewählte rechtliche Ausgestaltung dieser Anforderung. Die
Antragsgegnerin hat in ihrer Verfügung die Vorlage eines Sachkundenachweises in
die Gestalt eines eigenständig belastenden Verwaltungsaktes gegossen. Dies folgt
zwar noch nicht zwingend allein aus der Formulierung der Nr. 4 der Verfügung. Die
Antragsgegnerin hat aber im weiteren Verlauf der Verfügung den Antragstellern für
den Fall, dass sie ihrer Verpflichtung u. a. aus Nr. 4 des Tenors der Verfügung nicht
in der genannten Frist nachkommen, ein Zwangsgeld i. H. v. 250,- € angedroht.
Hieraus folgt zwingend, dass die Antragsgegnerin die Aufforderung zur Vorlage
eines Sachkundenachweises als eigenständige belastende Regelung versteht, die
auch durch Zwangsmittel durchgesetzt werden kann und soll.
Eine solche Vorgehensweise ist durch die in der HundeVO getroffenen Regelungen
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Eine solche Vorgehensweise ist durch die in der HundeVO getroffenen Regelungen
nicht gedeckt, sie widerspricht der Systematik dieser Rechtverordnung. Nach § 1
Abs. 3 HundeVO darf gefährliche Hunde nur halten, wem eine Erlaubnis durch die
zuständige Behörde erteilt worden ist. Bei der Erlaubniserteilung nach § 1 Abs. 3
HundeVO handelt es sich um einen begünstigenden Verwaltungsakt. Die
Voraussetzungen für den Erlass dieses begünstigenden Verwaltungsaktes ergeben
sich aus § 3 Abs. 1 HundeVO. Danach darf die Erlaubnis nur demjenigen erteilt
werden, der u. a. (§ 3 Abs. 1 Nr. 3) sachkundig ist. Es ist Sache der Antragsteller,
eine Erlaubnis zum Halten ihres gefährlichen Hundes zu beantragen, es ist
weiterhin ihre Sache, die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Erlaubnis
herbeizuführen. Eine dieser Voraussetzungen ist der Nachweis der Sachkunde.
Kommen die Antragsteller dem nicht nach, kann die Antragsgegnerin nach § 14
HundeVO vorgehen. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde
die Sicherstellung sowie die Verwahrung nach den §§ 40 und 41 des Hessischen
Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) anordnen. Die
zuständige Behörde wird nach diesen Vorschriften ermächtigt, bei Fehlen der
Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis zum Halten eines gefährlichen
Hundes entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Damit ist ein ausreichender
Schutz der öffentlichen Sicherheit gewährleistet.
Die HundeVO enthält hingegen keine Ermächtigungsgrundlage zum Erlass eines
belastenden Verwaltungsaktes, der die Vorlage eines Sachkundenachweises
fordert. Es widerspricht auch den Grundsätzen des Verwaltungsverfahrensrechtes,
jemanden durch belastenden Verwaltungsakt und Anwendung von
Verwaltungszwang zu zwingen, die Voraussetzungen für den Erlass eines
begünstigenden Verwaltungsaktes zu schaffen. Die zuständige Behörde kann zwar
einen Betroffenen unter Fristsetzung zur Vorlage eines Sachkundenachweises
auffordern. Kommt der Betroffene dem nicht nach, stehen der Behörde jedoch die
geschilderten Möglichkeiten des § 14 HundeVO zur Verfügung. Die Kammer hat
auch erwogen, die in Nr. 4 der Verfügung vom 15.03.2004 enthaltene Aufforderung
zur Vorlage eines Sachkundenachweises lediglich als Hinweis auf die in der
HundeVO getroffenen Regelungen ohne Verwaltungsaktsqualität anzusehen.
Angesichts des diesbezüglich ausdrücklich angedrohten Verwaltungszwanges sah
sie sich daran aber gehindert. Im Ergebnis erweist sich somit die in Nr. 4 der
Verfügung vom 15.03.2004 getroffene Regelung als offensichtlich rechtswidrig, so
dass insoweit dem Eilantrag stattzugeben ist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3 i. V. m. § 13 Abs. 1 und 2 GKG.
Dabei hat die Kammer als Streitwert für die in dem Bescheid vom 15.03.2004
getroffenen Grundverfügungen insgesamt einen Betrag von 4.000,00 € gemäß §
13 Abs. 1 Satz 2 GKG zu Grunde gelegt und diesen für das vorliegende
Eilverfahren um die Hälfte auf 2.000,00 € reduziert. Die einzelnen
Zwangsgeldandrohungen, die sich insgesamt auf 1.625,00 € belaufen, hat das
Gericht gleichfalls um die Hälfte auf 812,50 € reduziert.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.