Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 29.01.2003

VG Frankfurt: anzeige, ablauf der frist, haftpflichtversicherung, kennzeichen, versicherungsschutz, gebühr, versicherungsgesellschaft, verordnung, gerichtsakte, einverständnis

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Gericht:
VG Frankfurt 6.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 E 3677/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 1 Abs 1 StGebO
Leitsatz
Gebühren für eingeleitete Zwangsmaßnahmen im Verkehrsrecht; Fehlender
Versicherungsschutz, Anzeige der Haftpflichtversicherung
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Kostenfestsetzung abwenden,
wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Halter des Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen X..
Am06.08.2002 ging bei dem Beklagten die Anzeige der B.-Versicherungs-
Gesellschaft ein, wonach der Versicherungsschutz für das Fahrzeug mit dem
Kennzeichen X. seit dem 22.07.2002 nicht mehr bestehe.
Mit Bescheid vom 06.08.2002 gab der Beklagte daraufhin dem Kläger unter
Androhung der zwangsweisen Außerbetriebsetzung des Fahrzeuges auf,
unverzüglich, spätestens jedoch bis zum 20.08.2002, der Zulassungsstelle eine
neue Versicherungsbestätigungskarte (Doppelkarte) gemäß § 29 a StVZO
vorzulegen oder gemäß § 29 d Abs. 1 StVZO die Kennzeichenschilder sowie die
Fahrzeugpapiere zur Abmeldung vorzulegen. Für den Fall, dass der Kläger dieser
Verpflichtung nicht fristgemäß nachkommen sollte, werde die zwangsweise
Einziehung des Fahrzeugscheins und die Entstempelung der amtlichen
Kennzeichen im Wege der Ersatzvornahme angeordnet. Dieser Bescheid wurde
dem Kläger am08.08.2002 zugestellt; Klage hier dagegen hat der Kläger nicht
erhoben. Nachdem der Zulassungsbehörde bis zum Ablauf der Frist weder eine
neue Deckungskarte noch Fahrzeugpapiere und Kennzeichen vorgelegt worden
waren, gab der Beklagte seiner Vollstreckungsstelle am 22.08.2002 einen
Vollstreckungsauftrag mit dem Ziel, die Kennzeichenschilder zu entstempeln und
den Fahrzeugschein einzuziehen (Bl. 7 BA). Am 22.08.2002 kam es zu einem
Vollstreckungsversuch durch den Vollsteckungsbediensteten, der aber erfolglos
blieb (Bl. 8 BA).
Zu weiteren Vollstreckungsmaßnahmen kam es nicht, weil der Kläger am
27.08.2002 eine Versicherungsdeckungskarte vorlegte, wodurch
Versicherungsschutz nachgewiesen war. Mit Bescheid vom 28.08.2002 setzte der
Beklagte gegen den Kläger für das Einleiten von Zwangsmaßnahmen eine Gebühr
in Höhe von 124,38 € sowie Auslagen für die Postzustellungsgebühr in Höhe von
5,62 €, insgesamt also eine Gesamtgebühr von 130,00 € fest. Am 20.09.2002 hat
der Kläger gegen den Bescheid vom 28.08.2002 Klage erhoben.
Zur Begründung trägt er vor, dass sein Fahrzeug mit dem Kennzeichen X. seit der
Erstzulassung am 01.03.2002 versichert sei. Es habe ein Fehler seitens der
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Erstzulassung am 01.03.2002 versichert sei. Es habe ein Fehler seitens der
Versicherung bzw. des Versicherungsbüros vorgelegen, für den er nichts könne.
Er habe immer alle Versicherungsbeiträge bezahlt, so dass es nicht seine Schuld
sei, dass die Versicherung angeblich keinen Zahlungseingang für das Fahrzeug
verbucht habe. Die Gebühren in Höhe von 30,00 € für den Bescheid
vom06.08.2002 würde er bezahlen und versuchen, diese von der
Versicherungsgesellschaft ersetzt zu bekommen. Die in dem Bescheid
vom28.08.2002 festgesetzten Gebühren in Höhe von 130,00 € könne er nicht
bezahlen, weil es zum einen sehr viel Geld sei und er zum anderen rechtzeitig
reagiert und der Versicherungsgesellschaft bzw. seinem zuständigen Maklerbüro
den Fehler mitgeteilt habe. Des Weiteren habe er die Doppelkarte rechtzeitig
versandt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid vom 28.08.2002 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er erwidert, für ihn sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen im
Innenverhältnis zwischen Kläger und Versicherung die
Versicherungsgesellschaftfehlenden Versicherungsschutz angezeigt habe. Mit der
Anzeige der Versicherungsgesellschaft habe es aber an einem Nachweis der
erforderlichen Haftpflichtversicherung gefehlt. Der Kläger habe mit dem Bescheid
vom06.08.2002 auch ausreichende Frist zum Klären der Versicherungsproblematik
gehabt. Auf den dem Kläger am 08.08.2002 zugestellten Bescheid habe der Kläger
aber nicht reagiert, so dass die Zwangsmaßnahmen hätten eingeleitet werden
müssen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Behördenakte (1 Hefter) hat vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Kammer kann durch ihren Vorsitzenden im schriftlichen Verfahren
entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis zu dieser
Verfahrensweiseerklärt haben (§§ 87 a Abs. 2, 101 Abs. 2 VwGO). Die zulässige
Klage ist nicht begründet, da der angefochtene Bescheid des Landrats des
Hochtaunuskreises vom 28.08.2002 rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in
seinen Rechten verletzt. Rechtsgrundlage des Gebührenbescheides ist § 6 a Abs. 1
Nr. 1 StVG i.V.m. § 1der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr
(GebOSt) vom 26.06.1970(BGBl. I S. 865, 1298), zuletzt geändert durch
Verordnung vom 11.12.2001(BGBl. I S. 3622). Nach § 1 Abs. 1 GebOSt werden für
Amtshandlungen Gebühren nach dieser Verordnung erhoben. Nach § 2 Abs. 1 Nr.
1 GebOSt sind durch den Gebührenschuldner ferner Postgebühren im
Zustellverfahren zu entrichten.
Kostenschuldner ist gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt derjenige, der die
Amtshandlung veranlasst hat. Der Beklagte hat sich für die Festsetzung der
Gebühren in Höhe von 124,38 € zu Recht auf die Gebührennummer 54 der Anlage
zur GebOSt berufen, wonach für sonstige Anordnungen nach der StVZO eine
Gebühr zu erheben ist, für welche ein Gebührenrahmen von 14,30 € bis 286,00 €
vorgesehen ist. Der Kläger hat die Maßnahme - den Vollstreckungsversuch – auch
veranlasst, da er die ihm mit bestandkräftigem Bescheid vom 06.08.2002 bis
zum20.08.2002 gesetzte Frist zur Vorlage einer neuen
Versicherungsbestätigungskarte bzw. der Kennzeichenschilder und der
Fahrzeugpapiere nicht eingehalten hat. Da der Kläger gegen den mit einer
ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehenen Bescheid vom 06.08.2002
keine Klage erhoben hat, ist dieser mit der Folge bestandskräftig geworden, dass
es unerheblich ist, ob dieser rechtmäßig ergangen ist oder nicht. Der
Vollständigkeit halber weist das Gericht aber darauf hin, dass es nicht nur den
Bescheid vom 28.08.2002, sondern auch den Bescheid vom 06.08.2002 für
rechtmäßig erachtet. Der Hess. VGH hat in einem Beschluss vom 18.09.2000 (2
UZ840/00) zu einem vergleichbaren Fall folgendes ausgeführt: "Danach hat der
Versicherer eines Kraftfahrzeuges gemäß § 29 c Abs. 1 Satz 1der
Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) der zuständigen
Straßenverkehrsbehörde Anzeige zu erstatten, sobald die
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Straßenverkehrsbehörde Anzeige zu erstatten, sobald die
Versicherungsbestätigung, die er einmal ausgestellt hat, ihre Geltung verloren hat.
Ergänzend legt § 29 d Abs. 2 Satz 1 StVZO fest, dass die
Zulassungsstelleunverzüglich u.a. den Fahrzeugschein einzuziehen und das
Kennzeichen zu entstempeln hat, sobald sie durch diese Anzeige oder auf andere
Weise erfährt, dass für das Fahrzeug keine dem Pflichtversicherungsgesetz
entsprechende Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung mehr besteht. Wird die
Anzeige des Versicherers nach § 29 c Abs. 1 StVZO über das Nichtbestehen einer
Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung irrtümlich abgegeben und besteht entgegen
der Anzeige die Haftpflichtversicherung in Wahrheit ununterbrochen fort, so hat
dies keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Anzeige nach §
29 d StVZO eingeleiteten Maßnahmen der Zulassungsstelle. Denn aus dem
Wortlaut der Bestimmung geht zweifelsfrei hervor, dass nicht auf das Bestehen
einer Haftpflichtversicherung abgestellt wird, sondern allein darauf, dass die
Zulassungsstelle durch eine Anzeige, zu deren Erstattung der Versicherer nach §
29 c Abs. 1 StVZO verpflichtet ist, von diesem Umstand" erfährt". Der
Verordnungsgeber nimmt somit allein den Zugang dieser Anzeige zum Anlass, der
Behörde ein unverzügliches Handeln zu gebieten. Ein Abwarten oder ein unter
Umständen zeitraubendes überprüfen der Richtigkeit der Anzeige des Versicherers
verbietet sich deshalb. Diese Auslegung entspricht auch Sinn und Zweck der
Regelung. Die Vorschriften, welche die Haftpflichtversicherung von Kraftfahrzeugen
betreffen, sollen nach Möglichkeit sicherstellen, dass Kraftfahrzeuge, für die eine
Haftpflichtversicherung nicht abgeschlossen ist, nicht am Straßenverkehr
teilnehmen, und dass Verkehrsteilnehmer, die bei Unfällen geschädigt werden, auf
jeden Fall einen Versicherungsschutz genießen.
Damit liegt es auf der Hand, dass das gesetzliche Ziel, Verkehrsteilnehmer vor
unversicherten Fahrzeugen zu schützen, nicht erreicht ist, wenn die
Zulassungsstelle nach Eingang der Anzeige des Versicherers verpflichtet wäre,
jeweils durch Rückfrage beim Versicherer oder beim Fahrzeughalter nachzuprüfen,
ob die Erlöschungsanzeige des Versicherers zu Recht erstattet worden ist, zumal
die darauf eingezogenen Erkundigungen wiederum auf ihre Richtigkeit überprüft
werden müssten. Für die Erhebung einer Gebühr nach der Gebührenordnung für
Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) im Fall einer irrtümlichen bzw. objektiv
unrichtigen Mitteilung des Haftpflichtversicherers ist somit entscheidend darauf
abzustellen, dass dem Kraftfahrzeughalter die Pflicht obliegt, für einen
ununterbrochenen Nachweis eines Versicherungsschutzes bei der
Zulassungsstelle Sorge zu tragen. Die Haftpflichtversicherung steht
gewissermaßen auf Seiten des Kraftfahrzeughalters. Im Rahmen der öffentlich-
rechtlichen Pflichtenbeziehung zwischen dem Halter eines Kraftfahrzeugs
einerseits und der Zulassungsstelle andererseits ist der Haftpflichtversicherer der
Halterseite zuzuordnen. Für fehlerhaftes bzw. falsches Verhalten des Versicherers
kann mithin nicht die Zulassungsstelle einstehen, die aufgrund der materiell-
rechtlichen Vorgaben der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung nicht zu einer
Überprüfung der Richtigkeit der Mitteilung des Versicherers verpflichtet ist. Es ist
daher sachgerecht, dem Kraftfahrzeughalter die Folgen des fehlerhaften bzw.
objektivfalschen Verhaltens "seines" Versicherers aufzubürden, zumal er sich im
Rahmendes privatrechtlichen Versicherungsvertrags schadlos halten kann. Auf
eine Vorhersehbarkeit im Sinne einer "Zurechenbarkeit" kommt es daher (auch)
beidem gebührenrechtlichen Veranlassungstatbestand nach der
Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr nicht an (so: BVerwG, Urteil
vom 22. Oktober 1992- 3 C 2.90 -, BVerwGE 91, 109 = NVwZ 1993, 584 = DVBl.
1993, 607 = NZV 1993,245 = DAR 1993, 192 = Buchholz 442.16 § 29 d StVZO Nr.
3)." Unerheblich ist es, dass es letztendlich nicht zu einer zwangsweisen
Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs des Klägers gekommen ist. Die nach der
Gebührennummer 254 der Anlage zur GebOSt erhobene Gebühr ist nämlich auch
fällig, wenn die Voraussetzungen für die zwangsweise Stilllegung nach Einleitung
der Zwangsmaßnahme beseitigt worden sind (Gebührenziffer 254 Abs.2). Dies war
hier der Fall, da der Nachweis des Versicherungsschutzes für das Fahrzeug des
Klägers beim Beklagten erst am 27.08.2002 eingegangen ist, während die
Zwangsmaßnahmen bereits am 22.08.2002 eingeleitet worden waren. Als
unterliegender Beteiligter hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des
Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt
aus §§ 167 Abs.1. VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.