Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 18.01.2008
VG Frankfurt: örtliche zuständigkeit, eintragung im handelsregister, hessen, verwaltungsakt, gewerbliche niederlassung, direktor, hauptwohnung, niederlassungsfreiheit, adresse, diplom
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Gericht:
VG Frankfurt 12.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 E 170/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 43 EG, Art 48 EG, § 1 Abs 1
Nr 1 ArchStPlG HE, § 6 Abs 2
Nr 2 ArchStPlG HE, § 7 Abs 1
ArchStPlG HE
(Untersagung der Führung des Architektentitels für
britische Ltd.; Sitz in der Bundesrepublik; fehlende
Berechtigung zur Führung der Berufsbezeichnung;
Direktor)
Leitsatz
1. Verlegt eine britische Ltd. ihren Sitz nach Hessen ist sie keine auswärtige
Berufsgesellschaft gem.§ 7 HASG, sondern unterliegt unmittelbar den
berufsbezeichnungsrechtlichen Regeln des HASG.
2.Der Sitz einer britsichen Ltd. ist der tatsächliche Verwaltungssitz-
3.Eine britische Ltd. darf in Hessen unter der geschützten Berufsbezeichnung nur
firmieren, wenn die Hessische Architekten- und Stadtplanerkammer dies gem. § 6
HASG für unbedenklich erklärt hat.
4.-Die Unbedenklichkeitserklärung nach § 6 HASG setzt unter anderem voraus, dass
der Direktor der Ltd. berechtigt ist, die geschützte Berufsbezeichnung zu führen.
5. Der durch die berufsbezeichnungsrechtlichen Regeln des HASG bezweckte
Verbraucherschutz und des Ansehens des Berufsstands und der Schutz des
Rechtsverkehrs vor Täuschung und Missbrauch rechtfertigen, dass die in Großbritannien
zulässig gegründete Ltd. in Deutschland nicht mit den nach dem HASG geschützten
Berufsbezeichnungen firmieren darf, ohne dass ihre Niederlassungsfreiheit hierdurch
unzulässig eingeschränkt wird.-
6. Die Hessische Architekten- und Stadtplanerkammer kann die unberechtigte Führung
einer geschützten Berufsbezeichnung verbindlich durch Verwaltungsakt feststellen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird
nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des aufgrund
des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine im März 2006 gegründete L, die im W seit dem 23.03.2006 als
britische Limited eingetragen und registriert ist. Der satzungsmäßige Sitz befindet
sich in England. Gesetzlich vertreten wird die Klägerin durch ihren Direktor Herrn X
G, wohnhaft B Straße 25, 65239 A am Main. Herr G war ursprünglich in die
Architektenlisten der Beklagten und der Architektenkammer Baden-Württemberg
eingetragen. Unter der Bezeichnung „C Architekten-Nachfolger: B Straße 25 X G
Freier Architekt“ betrieb er in der B Straße 25 in A a.M. ein Architekturbüro. Im
August 2001 gab Herr G erstmals die eidesstattliche Versicherung ab. Daraufhin
wurde er aus dem Berufsverzeichnis der Architektenkammer Baden-Württemberg
und aus dem Berufsverzeichnis der Beklagten gelöscht. Im August 2004 gab Herr
G erneut die eidesstattliche Versicherung ab und wurde im Schuldnerverzeichnis
des Amtsgerichtes S eingetragen.
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Einzige Gesellschafterin der Klägerin ist die C P Ltd., B Straße 25, 65239 A a.M. ,
deren einziger Gesellschafter bis zum 31.12.2006 Herr G war; seit dem 01.01.2007
ist dies Frau U, N.N. 47, 55130 M.
Die Klägerin hat gleich nach ihrer Gründung ihren Verwaltungssitz von England
nach Deutschland verlegt. Die Klägerin beschäftigt zwei Diplomingenieurinnen für
Architektur, die zuvor für Herrn G tätig waren. Wie zuvor arbeiten Sie in den von
Herrn G angemieteten Gewerberäumen B Straße 25 in A, wo auch Herr G über
einen Raum verfügt. Ebenso nutzt dort die Immobilienfirma D die gewerblichen
Räumlichkeiten. Unter der Adresse in A a.M. befindet sich ein Büroschild mit der
Bezeichnung: „C Architekten-Nachfolger: B Straße 25 X G Freier Architekt“. Bei der
Gesellschafterin der C P Ltd. mietete die Klägerin unter dem 30.3.2006 einen
Büroraum in M zu monatlich 200,--EUR an. Das Mietverhältnis endete am 31.12.
2006. Unter der Mer Adresse meldete die Klägerin ihr Gewerbe an und beantragte
beim AG M ihre Eintragung im Handelsregister, was das AG M mit Beschluss vom
07.12.2007 ablehnte. Im Januar 2007 schloss die Klägerin mit der F GmbH einen
Büroservicevertrag, der die Klägerin unter anderem berechtigt, ein Büro in der
Gewerbeimmobilie E Straße 14 in M zu einem monatlichen Mietzins von 170,--EUR
anteilig zu nutzen.
Die Klägerin ist unter anderem wie folgt in Erscheinung getreten: Im August 2006
reichte sie beim Bauaufsichtsamt der Stadt M einen Antrag auf Baugenehmigung
unter Vorlage einer ungültigen Urkunde über die Eintragung in die Architektenliste
Baden-Württemberg ein. Am 25.09.2006 reichte sie beim K einen Bauantrag unter
Vorlage einer ungültigen Bescheinigung über die Eintragung in die Architektenliste
der Architektenkammer Baden-Württemberg ein. Vom Bauamtsleiter des K auf die
fehlende Bauvorlageberechtigung angesprochen, erklärte Herr G, er werde sich bei
der Architektenkammer Rheinland-Pfalz eintragen lassen. Ein entsprechender
Antrag wurde in der Folge jedoch nicht gestellt. Am 26.09.2006 lief der für die Fa. C
Architekten X G bestehende Haftpflichtversicherungsschutz aus und wurde
seitdem nicht verlängert. Im Oktober 2006 sowie im Januar 2007 stellte die
Klägerin Bauschilder auf, welche die Klägerin unter der A Adresse als
Projektplanerin von Bauvorhaben auswiesen. Die Klägerin trat hierbei unter der
Firmierung „C Architekten“ auf. Im Dezember 2006 stellte die Klägerin unter
Vorlage einer ungültigen Urkunde über die Eintragung in die Architektenliste
Baden-Württemberg eine Bauvoranfrage beim Bausaufsichtsamt der Stadt S.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 12.12.2006, zugestellt am
13.12.2006, untersagte die Beklagte der Klägerin die Führung der Firmierung „C
Architekten Ltd.“. Zur Begründung führte sie aus, mit der Berufsbezeichnung
„Architekt“ dürfe die Klägerin nicht firmieren, weil Herr G nicht zur Führung dieser
Berufsbezeichnung berechtigt sei und ein anderer Gesellschafter mit
Bauvorlagenberechtigung nicht nachgewiesen sei. Zum Schutz des Ansehens des
Berufstandes und der Allgemeinheit werde gem. § 7 Abs.4 HASG die Firmierung
untersagt.
Im Januar 2007 belegte die Beklagte Herrn G mit einem Bußgeld wegen
unberechtigter Führung der gesetzlich geschützten Berufsbezeichnung „Freier
Architekt“ und „Architekt“.
Die Klägerin hat mit Telefax vom Montag, den 15.01.2007 Klage beim
Verwaltungsgericht Frankfurt erhoben. Zu deren Begründung trägt sie folgendes
vor:
Die Beklagte sei örtlich nicht zuständig, da sich ihr Sitz in M und damit außerhalb
Hessens befinde. Ihre Geschäfte habe ihr Direktor zunächst im angemieteten
Büroraum N.N. in M geführt. Seit Januar 2007 befinde sich der Verwaltungssitz in
der E- Straße in M. Dort würden alle Geschäftsunterlagen aufbewahrt und die
Verwaltungstätigkeiten wie Buchhaltung und steuerliche Erklärungen von ihrem
Direktor ausgeführt. In A unterhalte sie lediglich ein Sekretariats-Service mit
Besprechungsräumen.
In der Sache sei sie berechtigt, die untersagte Firmenbezeichnung zu führen, da
die Gesellschaft ordnungsgemäß in England gegründet worden sei. Die fehlende
Eintragung ins Handelsregister sei unerheblich, da dies bei einer englischen
Limited lediglich deklaratorischen Charakter habe.
Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 12.Dezember 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist entgegen ihrer Rechtsmittelbelehrung im angefochtenen Bescheid
der Auffassung, das angerufene Gericht sei örtlich unzuständig, da auf den
satzungsmäßigen Sitz abgestellt werden müsse.
Sie ist weiter der Ansicht, dass die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides
sich aus § 7 IV HASG oder einer entsprechenden Anwendung des § 6 Abs.6 Satz 5
HASG ergebe. Die Klägerin sei als Auswärtige i.S.d. § 7 HASG zu behandeln, weil
sie in Deutschland nicht offiziell registriert sei.
Ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit des europäischen Rechts läge nicht
vor, da die Klägerin sich mit der Führung der streitgegenständlichen Firmierung
rechtsmissbräuchlich verhalte.
Das Gericht hat über die Frage, wo sich der Sitz der Klägerin befindet, also wo ihre
Geschäfte geführt werden, durch Vernehmung der von der Klägerin beschäftigten
Diplom Ingenieurinnen H und O als Zeuginnen Beweis erhoben. Wegen des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die öffentliche
Sitzung vom 26.Juni 2007 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Das angerufene Verwaltungsgericht ist zur Entscheidung berufen. Es ist
insbesondere örtlich zuständig.
Die örtliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Frankfurt/M. ergibt sich aus §
52 Nr.3 S.2 VwGO i. V.m. § 1 Abs.2 Nr.2 AGVwGO. Gemäß § 52 Nr.3 S.2 VwGO ist
in den Fällen, in welchen der angegriffene Verwaltungsakt von einer Behörde
erlassen wurde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke
erstreckt, die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nach dem Sitz des
Beschwerten zu bestimmen. Die Zuständigkeit des Vorstands der Beklagten
erstreckt sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke, nämlich auf das gesamte
hessische Landesgebiet (vgl. § 3 Abs.1 und 8 HASG). Der deshalb maßgebliche
Sitz der durch den angefochtenen Bescheid beschwerten Klägerin ist in A a.M., K
und damit in dem durch § 1 Abs.2 Nr.2 AGVwGO bestimmten Sprengel des
Verwaltungsgerichts Frankfurt a.M..
Der Sitz einer britischen Ltd. i.S.d. § 52 Nr.3 S.2 VwGO ist der tatsächliche
Verwaltungssitz, mithin der Ort, an dem die Verwaltung geführt wird. Dies folgt aus
einer entsprechenden Anwendung der §§ 24, 80 BGB. Da das Gesetz keine
Regelung über den Sitz der Zweigniederlassung einer Limited in der
Bundesrepublik Deutschland trifft - die §§13d ff. HGB bestimmen lediglich die
Eintragungsverpflichtungen einer Zweigniederlassung, nicht aber den Sitz einer
ausländischen Gesellschaft - ist entsprechend der §§ 24, 80 BGB der Ort, an dem
die Verwaltung geführt wird, entscheidend.
Der tatsächliche Verwaltungssitz der Klägerin befindet sich in der B Straße 25, A
a.M. und damit im Verwaltungsgerichtsbezirk des angerufenen Gerichts. Das
Gericht ist aus folgenden Gründen davon überzeugt, dass dort die Geschäfte der
Klägerin durch ihren Direktor geführt werden: Auf diesem Anwesen wohnt Herr G.
Von dort sind auch zuvor die Geschäfte seines Architekturbüros geführt und die
Geschäftsunterlagen aufbewahrt worden. In tatsächlicher Hinsicht wird das
Architekturbüro des Direktors der Klägerin nahtlos von der Klägerin fortgeführt. Die
beiden ehemals für Herrn G tätigen Diplom-Ingenieurinnen werden seit der
Gründung der Klägerin für diese tätig, ohne dass sich an ihrem Arbeitsplatz und
ihrer Arbeit etwas geändert hat. Das frühere Firmenschild am Anwesen B Straße
25 in A a.M. wie auch die dortigen Büroräume werden weiter genutzt. Insbesondere
verfügt Herr G dort wie bislang über einen eigenen Büroraum. So haben die
Zeuginnen übereinstimmend erklärt, dass sie für die Klägerin wie zuvor für Herrn G
in der B Straße 25 tätig sind. Ebenfalls haben sie bekundet, dass Herrn G dort ein
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in der B Straße 25 tätig sind. Ebenfalls haben sie bekundet, dass Herrn G dort ein
Raum zu alleiniger Nutzung zur Verfügung steht. Die Aussagen der Zeuginnen
sind widerspruchsfrei und stimmen inhaltlich überein. Auch an der Glaubwürdigkeit
der Zeuginnen bestehen keine Zweifel, so dass das Gericht ihren Aussagen folgt.
Die Klägerin hat dagegen keine plausiblen Anhaltspunkte darlegen können,
weshalb es notwendig gewesen sein soll, die Geschäftsführung nach M
auszulagern. Die Mitbenutzung des Sekretariatsraums in A a.M. durch die Fa. D
bedingt dies nicht, da Herrn G in A nach der Aussage der Zeuginnen weiterhin ein
Raum zur alleinigen Nutzung zur Verfügung steht. Die von der Klägerin ins Feld
geführte Aufbewahrung von Akten überzeugt nicht, da nach der vorgelegten
Nutzungsvereinbarung vom 01.04.2006 die Räumlichkeiten in A a.M. auch über ein
Archiv verfügen und es fern liegt, dass dieses nun allein von der Muttergesellschaft
der Klägerin, für die keine nennenswerten Geschäftstätigkeiten genannt worden
sind, gebraucht wird. In der E-Straße in M besteht dagegen nur eine Berechtigung
der Klägerin, ein Büro anteilig zu nutzen. Archivräume zur Aufbewahrung von
Geschäftsunterlagen sind nicht Gegenstand des Vertrages mit der F GmbH.
Dieses Ergebnis wird dadurch bestätigt, dass Zustellversuche an den angeblichen
Verwaltungssitz in M nicht bewerkstelligt werden konnten, eine Zustellung an die
Anschrift in A a.M. jedoch möglich war. Auch die von der Klägerin aufgestellten
Bauschildern aus dem Zeitraum von Oktober 2006 bis Januar 2007, welche die
Klägerin unter der A Adresse als Projektplaner der aufgezeigten Bauvorhaben
ausweisen, lassen auf den dortigen faktischen Verwaltungssitz schließen.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Bescheid, der der Klägerin die Firmierung „C Architekten Ltd.“ untersagt, ist
zwar fehlerhaft, kann aber gem. § 47 HVwVfG in einen rechtmäßigen
Verwaltungsakt umgedeutet werden, so dass er nicht gem. § 113 Abs.1 VwGO
aufgehoben werden kann.
In formeller Hinsicht ist der Bescheid frei von Mängeln. Die von der Klägerin in
Frage gestellte örtliche Zuständigkeit der Beklagten zum Erlass des
angefochtenen Bescheides ist gegeben. Die Beklagte ist grundsätzlich zuständig
zur Regelung der berufsrechtlichen Angelegenheiten der in Hessen ansässigen
Berufsangehörigen und Berufsgesellschaften. Dies ergibt sich unter anderem aus
§ 3 Abs.1 HASG, wonach die Beklagte die Berufsverzeichnisse der in Hessen
ansässigen Berufsangehörigen und Berufsgesellschaften führt, wie auch aus ihrer
berufsständischen körperschaftlichen Selbstverwaltungsstruktur, die in § 8 HASG
zum Ausdruck kommt. Die Klägerin, die eine Berufsgesellschaft im Sinne des
HASG ist, weil sie in der Rechtsform einer Gesellschaft Berufsaufgaben im Sinne
von § 2 Abs.1 Nr.1 HASG , nämlich die gestaltende, technische und wirtschaftliche
Planung von Gebäuden und anderen Bauwerken unter der vom Gesetz
geschützten Berufsbezeichnung „Architekt“ ausübt, ist aus o.g. Gründen in A a.M.
und damit im Zuständigkeitsbereich der Beklagten ansässig.
Der Sache nach lässt sich der Bescheid der Beklagten vom 12.12.2006 zwar nicht
auf § 7 Abs.4 HASG stützen, da nach dieser Vorschrift nur gegen
Berufsgesellschaften, die in Hessen keine Niederlassung haben, vorgegangen
werden kann (1.); das Gericht deutet die auf § 7 Abs.4 HASG gestützte
Untersagungsverfügung jedoch gem. § 47 Abs.1 HessVwVfG in einen
feststellenden Verwaltungsakt des Inhalts um, dass die Berufsbezeichnung
„Architekten“ von der Klägerin nicht geführt werden darf, was rechtlich zutreffend
ist, und von der Beklagten verbindlich gegenüber der Klägerin festgestellt werden
darf (2.).
1. § 7 HASG bezieht sich nur auf auswärtige Berufangehörige und
Berufsgesellschaften. Dies sind nach § 7 Abs.1 HASG solche, die im Lande Hessen
keine Niederlassung oder hauptberufliche Anstellung oder ohne solche keine
Hauptwohnung haben. Die Klägerin ist in Hessen niedergelassen. Die
Niederlassung ist rein faktischer Art. Der juristische Sitz ist unerheblich. Der
handelsrechtliche Begriff der Niederlassung umschreibt den Ort, an dem den
Gewerbetreibenden zumindest Mitteilungen erreichen können (Baumbach/Hopt,
HGB, § 13 Rdnr.1, 30. Aufl.). Das Gewerberecht fordert für eine gewerbliche
Niederlassung einen zum dauernden Gebrauch eingerichteten Raum, der ständig
oder in regelmäßiger Wiederkehr vom Gewerbetreibenden zum Betrieb seines
Gewerbes genutzt wird (vgl. § 42 GewO). Dieses Verständnis des Begriffs der
Niederlassung in § 7 HSAG wird durch die Systematik des HASG bestätigt.
Auswärtige nach § 7 HASG können nur diejenigen sein, die nicht in die von der
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Auswärtige nach § 7 HASG können nur diejenigen sein, die nicht in die von der
Beklagten geführten Berufsverzeichnisse einzutragen sind. Einzutragen sind nach
§ 3 HASG alle in Hessen ansässigen Berufsangehörigen. Ansässig ist der
Berufsangehörige dort, wo er seine Berufsaufgaben tatsächlich ständig ausübt und
seine Geschäfte führt. Der Begriff der Niederlassung knüpft damit an die
Räumlichkeiten, in denen das Gewerbe durch den Gewerbetreibenden tatsächlich
ausgeführt wird, an. Hiervon geht auch die Begründung des Gesetzentwurfs der
Landesregierung für ein Gesetz zur Reform des Rechts über die Führung der
Berufsbezeichnung in den Bereichen der Architektur und der Stadtplanung vom
19. 02. 2002 (Drucksache 15/3636) aus. Dort heißt es auf S.35: „Eine berufliche
Niederlassung ist gegeben, wenn der Beruf unter einer Anschrift ortsfest in Hessen
ausgeübt wird.“ Ein solcher Ort ist in A a.M. aus o.g. Gründen gegeben. Die
fehlende handelsregisterrechtliche Eintragung der Niederlassung ist unerheblich,
da diese rein deklaratorisch ist. Der Einwand der Beklagten, Auswärtiger nach § 7
HSAG sei der, der in Deutschland keine Hauptwohnung habe, weshalb bei einer
Gesellschaft auf den Gründungssitz abzustellen sei, überzeugt nicht, weil die
fehlende Hauptwohnung nur dann die Eigenschaft als auswärtiger
Berufsangehöriger begründet, wenn dieser weder eine Niederlassung noch eine
hauptberufliche Anstellung in Deutschland hat. Die Niederlassung ersetzt also die
fehlende Hauptwohnung und damit auch den nicht in Deutschland liegenden
Satzungssitz einer Gesellschaft.
2. Das Gericht deutet die auf § 7 Abs.4 HASG gestützte Untersagungsverfügung
gem. § 47 Abs.1 HessVwVfG in einen feststellenden Verwaltungsakt des Inhalts
um, dass die Berufsbezeichnung „Architekten“ von der Klägerin nicht geführt
werden darf.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind unter den in § 47
HVwVfG genannten Voraussetzungen auch die Verwaltungsgerichte ermächtigt,
fehlerhafte Verwaltungsakte umzudeuten (BVerwGE 110, 111, 114). Gem. § 47
Abs.1 HVwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen
Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von
der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form
rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für
dessen Erlass erfüllt sind. Dies ist vorliegend der Fall, ohne dass die Umdeutung
der erkennbaren Absicht der Beklagten widerspräche oder die Rechtsfolgen für die
Klägerin ungünstiger wären als die der Untersagungsverfügung (§ 47 Abs.2
HVwVfG).
Die Feststellung, dass die Berufsbezeichnung „Architekt“ von der Klägerin nicht
geführt werden darf, ist auf das gleiche Ziel gerichtet wie der angefochtene
Bescheid, welcher die Firmierung der Klägerin als „C Architekten Limited“
untersagt. In beiden Fällen soll die weitere Führung der Berufsbezeichnung
Architekt unterbunden werden. Mit der Feststellung, dass die Klägerin die
Berufsbezeichnung nicht führen darf, kann die Beklagte verdeutlichen, dass eine
entsprechende Firmierung rechtswidrig ist. Die Umdeutung entspricht somit auch
der erkennbaren Absicht der Beklagten (§ 47 Abs.2 S.1 Var.1 HVwVfG).
Ziele und Wirkungen des feststellenden Verwaltungsakts reichen nicht weiter als
die ursprüngliche Untersagungsverfügung. Da die Untersagung gleichzeitig die
Feststellung enthält, dass das bisher gezeigte Verhalten der Klägerin (Führen der
Berufsbezeichnung) rechtswidrig ist, ist der Verwaltungsakt, in den umgedeutet
wird, in dem fehlerhaften Verwaltungsakt „enthalten“.
Die in Rede stehende Festsstellung hätte von der Beklagten in der geschehenen
Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden können.
Zwar fehlt vorliegend für die Handlungsform des feststellenden Verwaltungsakts
eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung. Doch reicht es aus, wenn die
Ermächtigungsgrundlage für eine Feststellung aus dem Gesetz im Wege der
Auslegung unter Rückgriff auf den Normzweck entnommen werden kann (BVerwGE
72, 265, 268; BVerwGE 119, 123, 124f.).
Es entspricht dem Zweck des Schutzes der Berufsbezeichnung „Architekt“ und
der der Beklagten eingeräumten Befugnisse verbindlich festzustellen, ob eine
geschützte Berufsbezeichnung unbefugt geführt wird. Die Regelung der
Berufsbezeichnungen des HASG dient dem Schutz der Verbraucher, ihres
Informationsbedürfnisses und des Ansehens des Berufsstandes. Mit dem Führen
der geschützten Berufsbezeichnungen wird dem Rechtsverkehr und dem
Verbraucher kund getan, dass eine für die Berufsaufgaben entsprechende
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Verbraucher kund getan, dass eine für die Berufsaufgaben entsprechende
berufsqualifizierende Ausbildung in einem Studiengang an einer öffentlichen oder
staatlich anerkannten Hochschule mit einem anerkannten Diplom oder sonstigen
Befähigungsnachweis abgeschlossen ist, dass eine qualifizierende Berufpraxis von
zwei Jahren vorliegt und keine Tatsachen bestehen, aus denen sich ergibt, dass die
für die Berufsausübung erforderliche Zuverlässigkeit, die eine unabhängige
treuhänderische Wahrnehmung der Interessen des Bauherrn ermöglicht, fehlt. Der
Berufsstand soll davor bewahrt werden, dass durch die Firmierung von Personen,
welche die Anforderungen an eine Eintragung in das Berufsverzeichnis nicht
erfüllen, das Vertrauen in das Architektenwesen unterlaufen und ausgehöhlt wird.
Zur Durchsetzung dieser Normzwecke ist die unbefugte Führung einer
geschützten Berufsbezeichnung gem. § 20 HASG als Ordnungswidrigkeit
ausgestaltet, die von der Beklagten zu ahnden ist. Dies impliziert die Befugnis,
festzustellen, ob eine unzulässige Führung einer geschützten Berufsbezeichnung
vorliegt.
Die Berufsbezeichnung „Architekten“ darf von der Klägerin nicht geführt werden.
Gem. § 1 Abs.1 Nr. 1 HASG darf die Berufsbezeichnung „Architekt“ nur führen
oder führen lassen, wer unter der jeweiligen Berufsbezeichnung in ein
Berufsverzeichnis nach § 3 HASG oder § 19 b des Ingenieurkammergesetzes
eingetragen ist oder als auswärtige berufsangehörige Person oder
Berufsgesellschaft dazu nach § 7 berechtigt ist. Berufsgesellschaften, deren Firma
in ein Handelsregister im Land Hessen einzutragen ist, haben das Recht zur
Führung der Berufsbezeichnung, wenn die Beklagte die Unbedenklichkeit erklärt
hat. Die Klägerin hat gem. §§ 13, 13 d HGB ihre in A a. M. gegründete
Zweigniederlassung beim Handelsregister anzumelden. Die deshalb durch die
Beklagte erforderliche Erklärung der Unbedenklichkeit der Firmierung mit der
geschützten Berufsbezeichnung „Architekt“ hat die Beklagte nicht erklärt und darf
sie auch nicht erklären, weil es an der Voraussetzung des § 6 Abs.2 Nr.2 HASG
fehlt, nämlich der Geschäftsführer der Klägerin, Herr G mangels Eintragung in ein
Berufsverzeichnis zur Führung dieser Berufsbezeichnung nicht berechtigt ist.
Auf die europarechtliche Niederlassungsfreiheit kann die Klägerin sich nicht mit
Erfolg berufen. Art. 43, 48 EGV stehen einer solchen Auslegung und Anwendung
der Normen des HASG nicht entgegen.
Zwar kann es die Niederlassungsfreiheit einer Gesellschaft beschränken, wenn sie
ihre nach Gründungsrecht in zulässiger Weise gebildete Firma in einem anderen
Vertragsstaat nicht verwenden kann (MünchKommBGB, Kindler, 4.Auflage,
IntGesR. Rn.212). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes sind
aber nationale Maßnahmen, welche die Ausübung der durch den EG-Vertrag
garantierten Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können,
gerechtfertigt, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind. Sie müssen in
nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden
Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen zur Erreichung
des verfolgten Ziels geeignet sein und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was
zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. EuGH NJW 2006, 425, 426 - Sevic;
NJW 2003, 3331, 3334 - Inspire Art; NJW 1999, 2027, 2029 - Centros). Diese
Voraussetzungen liegen vor.
Zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses die die Beschränkung
rechtfertigen, zählen der Schutz des Rechtsverkehrs vor Täuschung und
Missbrauch, aber auch das Interesse anderer Unternehmensgründer, bestimmte
Allgemeinbegriffe firmenrechtlich freizuhalten (OLG München 07.03.2007, 31 Wx
092/06, juris Rdn.9) Solche
Zwecke des Schutzes des Rechtsverkehrs und des Ansehens des Berufsstandes
der Architekten bezwecken aus o.g. Gründen die berufsbezeichnungsrechtlichen
Regelungen des HASG und insbesondere die Feststellung, dass die Klägerin die
Berufsbezeichnung „Architekt“ nicht führen darf. Denn durch die Firmierung als „C
Architekten Limited“ täuscht die Klägerin vor, den Eintragungsvoraussetzungen zu
genügen. Die Maßnahme ist auch geeignet, das Vertrauen der Auftraggeberschaft
und der Allgemeinheit in den Berufsstand zu schützen. Mildere gleich geeignete
Mittel zur Erreichung dieses Zieles sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist zu
berücksichtigten, dass die Beklagte - in Befolgung des feststellenden
Verwaltungsaktes - lediglich ihre Firmierung zu ändern hat, jedoch nicht dazu
aufgefordert wird, die gegründete Gesellschaft aufzulösen. Anhaltspunkte für eine
diskriminierende Anwendung sind nicht ersichtlich.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs.1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der
Kosten beruht auf § 167 Abs.2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.