Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 26.06.2006
VG Frankfurt: versetzung, wiederherstellung des ursprünglichen zustandes, behinderung, dienstliche tätigkeit, berufliche tätigkeit, vertrauensperson, beamter, behörde, ermessensfehler
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Gericht:
VG Frankfurt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 E 3404/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 26 Abs 1 BBG, § 29 Abs 1 BG
HE, § 81 Abs 2 SGB 9 , § 81
Abs 4 SGB 9
(Schwerbehinderter Beamter; Antrag auf Versetzung;
Begründung; Integrationsrichtlinien)
Leitsatz
Soweit Integrationsrichtlinien vorsehen, einem begründeten Antrag eines schwer-
behinderten Menschen auf Versetzung nach Möglichkeit zu entsprechen, genügt ein
bloßer Versetzungsantrag nicht, um die Beschränkung des Ermessens auszulösen. Ein
begründeter Antrag in diesem Sinne liegt nur vor, wenn der Versetzungswunsch in
einen Zusammenhang mit der Art der Behinderung und ihren Auswirkungen auf die
dienstliche Tätigkeit gebracht werden!
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt seine Versetzung an das Finanzamt Y und seine dortige
Verwendung im Bereich der Steuerfahndung.
Derzeit ist der 1949 geborene Kläger am Finanzamt Z als Oberamtsrat tätig. Dort
war er über seit 1991 bis zum Dezember 2003 in der Steuerfahndung eingesetzt.
Seit Januar 2004 ist er in der Servicestelle Recht des Finanzamts Z eingesetzt.
Das Hessische Landesamt für Versorgung und Soziales stellte beim Kläger mit
Bescheid vom 15. Januar 1999 einen Behinderungsgrad von 70 fest. Gleichzeitig
wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Feststellung von Merkzeichen
nicht vorlägen. Zuvor war mit Bescheid vom 14. Februar 1992 ein
Behinderungsgrad von 60 festgestellt worden.
Der Kläger ist im Finanzamt Z gewählte Vertrauensperson der schwerbehinderten
Menschen. Zudem gehört er dem Personalrat an. Zwischen dem 1. Februar 1998
und 31. Juli 1999 war der Kläger auf eigenen Antrag zu 80% teilzeitbeschäftigt.
Am 31. Juli 2001 beantragte der Kläger unter Hinweis auf seine
Schwerbehinderteneigenschaft die Bewilligung von Altersteilzeit im Blockmodell.
Die Altersteilzeit solle mit dem Endes Monats enden, in dem er sein 60.
Lebensjahr vollende. Diesen Antrag erneuerte er im Dezember 2003. Mit Bescheid
vom 4. Februar 2004 bewilligte die Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main dem
Kläger Altersteilzeit nach Maßgabe von § 85b HBG, wobei die Arbeitsphase
zwischen dem 1. Mai 2004 und 31. Oktober 2006 liege. Daran schließe sich die
Freistellungsphase an, die zum 30. April 2009 ende.
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Zuvor hatte das beklagte Land im Jahr 2003 eine Neustrukturierung der
Finanzämter im Ballungsraum Frankfurt vorgenommen. Dabei wurden unter
anderem die Aufgaben der beim Finanzamt Z bis dahin noch vorhandenen
Aufgaben der Steuerfahndungs-, Bußgeld- und Strafsachenstelle auf die
Finanzämter Y und X verteilt. Im Gegenzug wurden die Aufgaben der
Körperschaftsbesteuerung im Zuständigkeitsbereich Frankfurt nunmehr den
Finanzämter A und B gemeinsam zugeordnet. Dazu musste eine
Körperschaftsbesteuerungsstelle beim Finanzamt Z neu eingerichtet werden. Zur
Umsetzung dieses Konzepts war zunächst beabsichtigt, die in den betroffenen
Arbeitsgebieten tätigen Beschäftigten jeweils an ihre neuen Dienststellen zu
versetzen. So sollten unter anderem sämtliche in der Steuerfahndung beim
Finanzamt Z tätigen Beschäftigten entweder an das Finanzamt Y oder das
Finanzamt B versetzt werden. Dementsprechend wurde der Kläger zu seiner
ursprünglich beabsichtigten Versetzung an das Finanzamt Y mit Schreiben vom
28. November 2003 angehört.
In Reaktion auf Feststellungen des Hessischen Rechnungshofes entschloss sich
das beklagte Land Ende des Jahres 2003 darüber hinaus, eine zentrale
Servicestelle Recht beim Finanzamt Z neu einzurichten. Diese Stelle soll die
Finanzämter Y bis C unbeschadet deren eigener Zuständigkeiten in der
Bearbeitung rechtlich schwieriger Steuerangelegenheiten unterstützen. Zur
Besetzung dieser Stelle entschloss sich der Leiter des Finanzamts Z, nicht alle
ursprünglich zur Versetzung an die Finanzämter Y und B vorgesehen Beamten
nach dort zu versetzen, sondern einige Beamte beim Finanzamt Z verbleiben zu
lassen, um sie dort in der neu aufzubauenden Servicestelle Recht zu verwenden.
Amt 3. Dezember 2003 teilte der Leiter des Finanzamts Z dem Kläger mit, ihn
entgegen der bisherigen Planung nicht an das Finanzamt Y zu versetzen, sondern
in der Stammdienststelle zu belassen und ab Januar 2004 in der Servicestelle
Recht einzusetzen. Der Kläger wandte sich gegen diese Maßnahme mit Schreiben
vom 7. Dezember 2003 (Bl. 37 f. d. A.). Zur Begründung gab er an, er habe dem
Finanzamtsvorsteher vorgetragen, dass seine Umsetzung in das neue
Arbeitsgebiet nicht unumgänglich i. S. d. Ziff. IV.8. der Integrationsrichtlinien sei.
Die Umsetzung entspreche nicht den Vorstellungen und Wünschen des Klägers.
Auch vermöge er nicht zu erkennen, dass ihm wenigstens gleichwertige oder
bessere Arbeitsbedingungen oder Entwicklungsmöglichkeiten geboten würden.
Zudem stehe die Umsetzung in unmittelbarem Zusammenhang mit seiner
Betätigung als Vertrauensperson schwerbehinderter Menschen. Der
Finanzamtsvorsteher teilte dem Kläger mit Schreiben vom 17. Dezember 2003
mit, unter Berücksichtigung der Erörterung mit der stellvertretenden
Vertrauensperson der Schwerbehinderten am 16. Dezember 2003 gemeinsam mit
dem Kläger komme er, der Finanzamtsvorsteher zu keiner anderen
Auswahlentscheidung. Die Integrationsrichtlinien seien nicht einschlägig, weil der
bisherige Arbeitsbereich Steuerfahndung ab Januar 2004 im Finanzamt Z nicht
mehr vorhanden sei. Da der Kläger aber nach wie vor eine Beschäftigung im
Bereich der Steuerfahndung anstrebe, werde das Schreiben vom 7. Dezember
2003 als Versetzungsantrag zuständigkeitshalber an die Oberfinanzdirektion
Frankfurt am Main weitergeleitet.
Mit Bescheid vom 27. Februar 2004 (Bl. 2 f. d. A.). lehnte die Oberfinanzdirektion
Frankfurt am Main die Versetzung des Klägers in die Steuerfahndungsstelle eines
anderen Finanzamtes ab. Die Umsetzung innerhalb des Finanzamtes Z habe der
Finanzamtsvorsteher nach pflichtgemäßem Ermessen vorgenommen. Der Kläger
sei für die Servicestelle unter anderem ausgewählt worden, um in der neuen
Einheit eine adäquate Besetzung des Dienstpostens der Besoldungsgruppe A 13
sicherzustellen. Dabei habe er der Schwerbehinderung Rechnung getragen, indem
er davon ausgegangen sei, die reine Innendiensttätigkeit werde weniger belastend
sein als die mit häufigem und bisweilen psychisch belastendem Außendienst
verbundene Tätigkeit als Steuerfahnder.
Am 29. März 2004 erhob der Kläger Widerspruch, ohne ihn zunächst zu
begründen. Eine erste Begründung erfolgte am 30. September 2004 (Bl. 39-42 d.
A.). Mit ihr wird geltend gemacht, das Schreiben vom 7. Dezember 2003 enthalte
keinen Versetzungsantrag, sondern richte sich gegen die Umsetzung zur
Servicestelle Recht. Verlangt werde die Wiederherstellung des ursprünglichen
Zustandes und die Verwendung im bisherigen Arbeitsgebiet. Die Umsetzung
verstoße gegen § 81 Abs. 2, 4 SGB IX und die Integrationsrichtlinien. Für die
Besetzung des dem Kläger in der Servicestelle Recht übertragenen Dienstpostens
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Besetzung des dem Kläger in der Servicestelle Recht übertragenen Dienstpostens
hätten mindestens 30 gleichqualifizierte nicht schwerbehinderte Oberamtsräte zur
Verfügung gestanden. Die Umsetzung sei also nicht unumgänglich gewesen i. S.
d. Ziff. IV.8 der Integrationsrichtlinien. Die Fähigkeiten und Kenntnisse des Klägers
lägen auf dem Gebiet der Steuerfahndung, wo er seit 1991 eingesetzt gewesen
sei, nicht jedoch auf dem Gebiet, in dem er jetzt eingesetzt werde. Sein
Gesundheitszustand habe sich durch die neue Verwendung stetig verschlechtert.
Dazu hat der Kläger nachfolgend die ärztlichen Atteste von Dr. Zekorn vom 21.
Dezember 2004 (Bl. 43 f. d. A.) und Dr. Thomas vom 1. März 2005 (Bl. 133 der
Personalhauptakte Band 2) überreicht. Im Verlauf des Widerspruchsverfahrens
erklärte der Kläger durch seinen Bevollmächtigten, im Hinblick auf die Zuordnung
seines früheren Arbeitsgebietes zu einem anderen Finanzamt möge der
Widerspruch als Widerspruch gegen die Ablehnung einer Versetzung behandelt
werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2005 (Bl. 4-11 d. A.) wies die
Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main den Widerspruch des Klägers zurück. Der
am 8. September zur Post gegebene Bescheid ging dem Bevollmächtigten des
Klägers am 12. September 2005 zu.
Mit der am 10. Oktober 2005 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren
weiter. Unter Vertiefung seines Vorbringens im Widerspruchsverfahren macht er
geltend, die Umsetzung verstoße gegen die Vorschriften des
Schwerbehindertenrechts, insbesondere gegen § 81 Abs. 2 SGB IX und Ziff. IV.8
der Integrationsrichtlinien. Dieses müssten so angewandt werden, dass sie auch
den vorliegenden Fall erfassten, dass ein bislang versehenes Arbeitsgebiet
wegfalle, sofern in einer anderen Dienststelle eine Verwendung entsprechend den
bisherigen Aufgaben möglich sei. Beim Kläger habe sich ein depressives Syndrom
entwickelt über die im Verwaltungsverfahren hinaus dokumentierten Krankheiten.
Nach dem Gutachten von Dr. Zipser (Bl. 45 d. A.) dekompensiere der Kläger
aufgrund belastender Konflikte am Arbeitsplatz depressiv.
Der Kläger beantragt,
das beklagte Land unter Aufhebung des Bescheides der Oberfinanzdirektion
Frankfurt am Main vom 27. Februar 2004 und deren Widerspruchsbescheides vom
31. August 2005 zu verpflichten, den Kläger an das Finanzamt Y zu versetzen und
dort im Arbeitsbereich Steuerfahndung zu verwenden.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es vertieft die Ausführungen des Widerspruchsbescheides und bestreitet, dass die
Verschlechterungen des Gesundheitszustandes beim Kläger mit der Behinderung
oder dem Wechsel in die Servicestelle Recht zusammenhingen. Die Änderung der
Verwendung des Klägers sei aufgrund der Organisationsänderungen unumgänglich
gewesen. Zudem verlange § 81 Abs. 4 S. 1 SGB IX nur die Berücksichtigung der
Behinderung und ihrer Auswirkungen. Der Kläger sei den Nachweis schuldig
geblieben, was die Behinderung mit dem Arbeitsplatzwechsel zu tun habe.
Die den Kläger betreffenden Personalakten des Beklagten sind zum Gegenstand
der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Zur Ergänzung des Sach- und
Streitstands wird darauf und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis mit den Beteiligten entscheidet der Vorsitzende allein (§ 87 a
Abs. 2, VwGO).
Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, bleibt aber in der
Sache ohne Erfolg, da die das Begehren des Klägers ablehnenden Bescheide des
Beklagten rechtmäßig sind (§ 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 VwGO).
Prüfungsmaßstab ist zunächst § 29 Abs. 1 HBG, da über die Verwendung des
Klägers erst als Folge seiner Versetzung zu befinden ist. Gemäß § 29 Abs. 1 HBG
kann ein Beamter seine Versetzung beantragen, d. h. die Übertragung eines
anderen Amtes bei einer anderen Dienststelle. Einen solchen Antrag hat der
Kläger hier gestellt, nachdem im Vorverfahren klargestellt wurde, dass sich der
Widerspruch nicht nur gegen die Umsetzung richtet, sondern auch als
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Widerspruch nicht nur gegen die Umsetzung richtet, sondern auch als
Versetzungsantrag aufzufassen ist. Diese Auslegung hat der Kläger durch die
Klageschrift noch einmal bestätigt.
Die Berechtigung eines Beamten, seine Versetzung zu beantragen, verleiht ihm
keinen Anspruch auf Versetzung. Vielmehr ist der Antrag nur Voraussetzung für
die Entscheidung über den Antrag, d. h. die gewünschte Versetzung, nach
pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Bei der Ausübung dieses vorrangig im
öffentlichen Interesse bestehenden Ermessens zur Steuerung des
Personaleinsatzes verfügt der Dienstherr über einen weiten
Entscheidungsspielraum. Seine gerichtliche Überprüfung ist nur in den Grenzen
des § 114 VwGO möglich. Dem Gericht steht es nicht zu, eigene
Ermessenserwägungen an die Stelle der behördlichen Ermessenserwägungen zu
setzen. Das Gericht kann nur kontrollieren, ob sich die Behörde von unrichtigen
Gesichtspunkten hat leiten lassen, den Zweck der Ermächtigung richtig erkannt
hat oder die relevanten Gesichtspunkte vollständig berücksichtigt hat. Derartige
Fehler sind hier nicht aufgetreten. Dabei ist von der Sach- und Rechtslage in
Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides auszugehen, da der Anspruch
des Klägers auf ermessensfehlerfreie Bescheidung seines Versetzungsantrags zu
diesem Zeitpunkt fehlerfrei erfüllt worden war. Auf die Entwicklung der Sachlage
nach diesem Zeitpunkt könnte es nur ankommen, wenn der Widerspruchsbescheid
fehlerhaft wäre, der Anspruch des Klägers auf ermessensfehlerfreie Bescheidung
also noch nicht erfüllt worden wäre (Kopp/Schenke, 13. Auflage, § 113 VwGO Rn.
217 Rn. 294). Das ist hier nicht festzustellen.
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Versetzungsantrags
kommt es nicht darauf an, ob die Umsetzung des Klägers in die Servicestelle
Recht zu Beginn des Jahres 2004 rechtmäßig war. Auch wenn dies unterstellt
würde, ergäbe sich daraus nichts, was auf eine Beschränkung des
Versetzungsermessens des Beklagten hinausliefe.
Allerdings sind gegen die seinerzeitige Umsetzung keine rechtlichen Bedenken zu
erheben. Der Kläger wurde vor der Maßnahme angehört. Nach Kundgabe seiner
Einwände mit Schreiben vom 7. Dezember 2003 wurde die Angelegenheit mit ihm
und der stellvertretenden Vertrauensperson der Schwerbehinderten mündlich
erörtert. Daraufhin hielt der Finanzamtsvorsteher an seiner Entscheidung fest, traf
sie erneut und begründete dies gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 17.
Dezember 2003. Den Erfordernissen des § 95 Abs. 2 SGB IX ist damit genüge
getan. Die anfänglich fehlende Anhörung der Schwerbehindertenvertretung wurde
wirksam nachgeholt, die ursprünglich getroffene Entscheidung wurde erneut
getroffen. Die Erwägungen im Schreiben vom 17. Dezember 2003 sind
sachgerecht und lassen keinen Ermessensfehler erkennen. Der Behördenleiter hat
ausdrücklich berücksichtigt, dass die künftige dienstliche Verwendung nicht den
persönlichen Wünschen des Klägers entspricht. Dies war auch unschädlich, weil
Ziff. IV.8 der Integrationsrichtlinien für den vorliegenden Fall nicht einschlägig ist.
Danach sind zwar Umsetzungen grundsätzlich zu vermeiden, außer sie sind
unumgänglich. Hier war die Umsetzung nur die Folge einer nicht
personenbezogenen Organisationsmaßnahme. Das bisherige Arbeitsgebiet des
Klägers fiel durch Maßnahmen außerhalb des Zuständigkeitsbereichs seiner
Vorgesetzten im Finanzamt Z dort zum 1. Januar 2004 ersatzlos weg. Daher
musste über die weitere dienstliche Verwendung aller im Bereich der
Steuerfahndung bislang tätigen Beschäftigten einschließlich des Klägers neu
entschieden werden. Für alle war daher entweder eine Versetzung, Abordnung
oder Umsetzung vorzunehmen. Jede dieser Maßnahmen war unumgänglich.
Die Ermessensausübung enthält keine Anhaltspunkte für eine - vom Kläger
angenommene - Benachteiligung wegen seiner Behinderung (§ 81 Abs. 2 Nr. 1
SGB IX). Der Behördenleiter hat die weitere Verwendung des Klägers im Finanzamt
Z mit sachgerechten Erwägungen gerechtfertigt, insbesondere auch mit Blick auf
den Wegfall der höheren Belastungen im Bereich der Steuerfahndungstätigkeit.
Seinerzeit boten sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Änderung der
dienstlichen Tätigkeit aufgrund der Organisationsänderungen irgendwelche
behinderungsbedingten Auswirkungen auf die Gesundheit des Klägers haben
würden oder könnten. Der Kläger hat dafür bis heute keinen geeigneten
Sachverhalt vorgetragen. Auch lässt sich seinen schriftlich geäußerten Einwänden
vom 7. Dezember 2003 nichts entnehmen, was darauf hindeuten könnte. Allenfalls
bestand die abstrakte, nicht auszuschließende Möglichkeit, dass die Änderung der
dienstlichen Tätigkeit auf die Gesundheit ungünstige Auswirkungen haben könnte.
Eine rein abstrakte Gefährdung genügt jedoch nicht, um eine drohende
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Eine rein abstrakte Gefährdung genügt jedoch nicht, um eine drohende
Benachteiligung anzunehmen, zu deren Verhinderung der Dienstherr Maßnahmen
hätte ergreifen müssen. Erst recht war im Dezember 2003 nicht zu erkennen, ob
die nicht völlig auszuschließenden gesundheitlichen Folgen der Tätigkeitsänderung
in irgendeinem Zusammenhang mit der Behinderung stehen könnten. Dieser
Zusammenhang hätte im Hinblick auf § 81 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 SGB IX jedoch schon
seinerzeit erkennbar sein müssen, um eine drohende Benachteiligung wegen einer
Behinderung in Erwägung ziehen zu können.
Bei der Ausübung des Versetzungsermessens hat sich das beklagte Land
vorrangig davon leiten lassen, es fehle an einem dienstlichen Bedürfnis für die
Versetzung des Klägers an das Finanzamt Y, da dort kein Personalbedarf bestehe.
Über den Umfang des Personalbedarfs einer Behörde entscheidet ein Dienstherr
nach pflichtgemäßem Ermessen. Dieses Ermessen wird nur im öffentlichen
Interesse, nicht jedoch im Interesse einzelner Beschäftigter ausgeübt. Vor diesem
Hintergrund hat das Land keinen Anlass gesehen, den Kläger in der von ihm
beantragten Weise zu versetzen. Das ist nicht zu beanstanden. Zwar hätte im
Finanzamt Frankfurt am Main I ein dem Kläger vergleichbarer Beamter aus der
Behörde herausgenommen werden können, um so einen Dienstposten für den
Kläger frei zu machen. Der Dienstherr ist jedoch auch bei einer beantragten
Versetzung nicht verpflichtet, derartigen Möglichkeiten konkret nachzugehen oder
sie in Erwägung zu ziehen. Unterlässt er dies, stellt des regelmäßig keinen
Ermessensfehler dar, schon weil die Freimachung eines Dienstpostens ihrerseits
Personalmaßnahmen erfordert, die in die Rechte eines anderen Beschäftigten
eingreifen.
Die Erwägungen im Widerspruchsbescheid zu Ziff. IV.8 der Integrationsrichtlinien
sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar kann nicht angenommen werden,
diese Regelung sei auf den Kläger überhaupt nicht anwendbar. Ziff. IV.8 S. 6
erwähnt ausdrücklich begründete Anträge auf Versetzung oder sonstigen Wechsel
des Arbeitsplatzes. Derartigen Anträgen soll nach Möglichkeit - also nicht auf jeden
Fall - entsprochen. Der Dienstherr hat sich aber unabhängig davon mit den Fragen
eines angemessenen Schwerbehindertenschutzes befasst und von der
Überlegung leiten lassen, einen dringenden Personalbedarf in der Servicestelle
Recht zu befriedigen und andererseits die Belastungen des Klägers durch den
Innendienst als günstiger im Verhältnis zu den belastenderen
Außendiensttätigkeiten einzustufen. Dies ist nach der im Zeitpunkt des Erlasses
des Widerspruchsbescheides bestehenden Sachlage nicht zu beanstanden, auch
weil der Kläger entsprechend seinen hohen steuerrechtlichen Kenntnissen in der
Servicestelle Recht sachgerecht, laufbahngemäß und auch sonst
amtsangemessen eingesetzt wird.
Ziff. IV.8 der Integrationsrichtlinien verlangt einen begründeten Antrag auf
Versetzung. Wann ein derartig begründeter Antrag vorliegen soll, führen die
Richtlinien nicht näher aus. Bezieht man zur Auslegung der Regelung auf § 81 Abs.
4 S. 1 Nr. 1 SGB IX ein, so geht es um die Konkretisierung des Anspruchs auf
behindertengerechte Beschäftigung entsprechend den persönlichen Fähigkeiten
und Kenntnissen. Diese Regelung sieht die Erfüllung des Anspruchs aber nur dann
als grundsätzlich geboten an, wenn auch die konkrete Behinderung berücksichtigt
und ihre Auswirkungen auf die Beschäftigung ins Auge gefasst werden.
Hier hat der Kläger jedenfalls bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides nie
vorgetragen, an welchen körperlichen oder sonstigen Beeinträchtigungen er
konkret leidet und wie diese sich auf seine berufliche Tätigkeit einschränkend
auswirken. Die im Verwaltungsverfahren überreichten Atteste befassen sich mit
diesem Zusammenhang überhaupt nicht, sondern geben nur Krankheitsdiagnosen
wieder. Die Bescheide zur Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft lassen
nur den Grad der Behinderung erkennen, ohne sonst Aufschluss darüber zu
geben, welche Beeinträchtigungen konkret beim Kläger vorliegen. Der Dienstherr
konnte daher nicht erkennen, in welcher Weise gerade der Einsatz in der
Servicestelle Recht trotz der dort erforderlichen und beim Kläger auch
vorhandenen intensiven Steuerrechtskenntnisse in seinen behinderungsbedingten
Einschränkungen treffen könnte. Derartiges hat der Kläger im
Verwaltungsverfahren auch nicht geltend gemacht, da er lediglich vorgetragen hat,
seine Gesundheit habe sich verschlechtert. Ob dies auf den Einsatz in der
Servicestelle Recht zurückzuführen ist und zudem mit seiner Behinderung
zusammenhängt, wird weder dargelegt, noch drängte sich dieser Zusammenhang
während des Widerspruchsverfahrens auf. Der Dienstherr war hier auch nicht zu
besonderen Ermittlungen veranlasst, durfte er doch davon ausgehen, dass der
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besonderen Ermittlungen veranlasst, durfte er doch davon ausgehen, dass der
Kläger als langjähriger Schwerbehindertenvertreter und Personalratsmitglied in der
Lage war, einschlägige Sachverhalte selbst vorzutragen, so sie seinerzeit
tatsächlich vorgelegen haben sollten. So wie der Kläger in der Lage war, zwei
ärztliche Atteste zu den bei ihm bestehenden Krankheiten vorzulegen, wäre er
auch in der Lage gewesen, einen näheren Zusammenhang zwischen den
Erkrankungen, ihrem Verlauf und der Behinderung näher darzulegen. Es handelt
sich um Tatsachen und Umstände, die allein in seiner Sphäre liegen und folglich
gemäß § 26 Abs. 2 S. 1, 2 HVwVfG von ihm vorzutragen waren und auch
vorgetragen werden konnten. Aus diesem Grunde kommt auch die Einholung
eines medizinischen Sachverständigengutachtens im gerichtlichen Verfahren nicht
in Betracht, weil es nur dazu führen könnte, nach Erlass des
Widerspruchsbescheides eine Änderung der Sachlage zugunsten des Klägers zu
belegen. Darauf könnte es nur ankommen, wenn der Widerspruchsbescheid
fehlerhaft wäre.
Daher fehlt es hier schon an einem begründeten Antrag i. S. d. Ziff. IV.8 S. 6 der
Integrationsrichtlinien, sodass die Auffassung des Beklagten, dieser Teil der
Richtlinien sei hier nicht einschlägig, im Ergebnis richtig ist. Jedenfalls kann nicht
jeder Antrag auf eine bestimmte dienstliche Verwendung, den ein
schwerbehinderter Mensch stellt, als begründeter Antrag i. S. d. Richtlinien
eingestuft werden, da die tatbestandsmäßige Einschränkung in diesem Fall
keinerlei Bedeutung mehr hätte.
Sonstige Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Fürsorgepflicht (§ 92 Abs. 1
HBG) gibt dem Kläger keine Rechte, die über die vorstehend dargelegten Rechte
aus dem Schwerbehindertenrecht hinausgehen. Da die Umsetzung mit Wirkung
zum Januar 2004 rechtlich nicht beanstanden ist, können sich aus dieser
Maßnahme ebenfalls keine Folgewirkungen für die Ermessensausübung ergeben.
Für die Annahme, der Kläger werde aufgrund seiner Behinderung benachteiligt,
fehlt es schon an Anhaltspunkten.
Die angefochtenen Bescheide sind auch nicht im Hinblick auf die Nichtbeteiligung
der Schwerbehindertenvertretung rechtswidrig. Unterstellt man, vor der Ablehnung
des Versetzungsantrags sei eine solche Anhörung nach § 95 Abs. 2 S. 1 SGB IX
geboten gewesen, so könnte dies nur zu einem Vollzugshindernis nach § 95 Abs. 2
S. 2 SGB IX führen. Die Rechtswidrigkeitsfolge könnte jedoch aus einem derartigen
Beteiligungsmangel nicht hergeleitet werden. Allenfalls wäre denkbar, dass die
Nichtbeteiligung der Schwerbehindertenvertretung zu einem Ermessenfehler
geführt hat, weil bestimmte Aspekte des Schwerbehindertenschutzes nicht
angemessen in das Verfahren eingeführt wurden. Genau dies ist hier jedoch, wie
oben bereits ausgeführt, nicht der Fall gewesen. Im Übrigen ist die
Schwerbehindertenvertretung an den Erwägungen zur Auswahl des Klägers für die
Tätigkeit in der Servicestelle Recht am 16. Dezember 2003 beteiligt worden.
Da das beklagte Land unterlegen ist, hat es nach § 154 Abs. 1 VwGO die
Verfahrenskosten zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe für die
Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich (§§ 124a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. 2 Nr.
3 oder Nr. 4 VwGO). Die vorliegende Entscheidung betrifft einen Sachverhalt, der
nicht vergleichbar ist mit dem Sachverhalt des der in der mündlichen Verhandlung
überreichte Beschlusses des BVerwG vom 19. August 2004 (1 WDS-VR 5. 04 -
juris). Dort wurde einer Beschäftigten die laufbahngemäße Tätigkeit entzogen. Hier
wurde der Kläger laufbahngemäß beschäftigt, wenn auch nicht in seinem
bisherigen Arbeitsgebiet.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.