Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 17.01.2011

VG Frankfurt: vollzeitbeschäftigung, teilzeitbeschäftigung, personalakte, verfügung, notlage, vollstreckung, belastung, koma, unzumutbarkeit, unterhalt

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Gericht:
VG Frankfurt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 K 1342/10.F
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 85a Abs 3 BG HE
Übergang von Teilzeitbeschäftigung in
Vollzeitbeschäftigung und Berücksichtigung dienstlicher
Belange
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten
abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin steht im Beamtenverhältnis im Schuldienst des beklagten Landes; sie
versah ihren Dienst an der C-Schule in G. Mit Verfügung vom 21. März 2007
bewilligte das Staatliche Schulamt für den Hochtaunuskreis und den Wetteraukreis
ihr Teilzeitbeschäftigung mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit gemäß § 85a
Abs. 4 Nr. 1 Buchstabe a) HBG für den Zeitraum vom 1. August 2007 bis zum 31.
Juli 2012. Darüber hinaus bewilligte das Staatliche Schulamt der Klägerin durch
Verfügung vom 31. Oktober 2007, verlängert mit Verfügung vom 19. Februar
2009, auf ihren Antrag Elternzeit ohne Dienstbezüge bis zum 31. Juli 2010.
Infolge eines Schlaganfalls erkrankte die Klägerin dienstunfähig; ihr Mann teilte
dem Staatlichen Schulamt am 29. Dezember 2009 mit, seine Ehefrau liege im
künstlichen Koma. Nachdem er als vorläufiger Betreuer für die Klägerin bestellt
worden war, beantragte er mit Schreiben vom 4. Januar 2010 im Namen der
Klägerin die vorzeitige Beendigung der Elternzeit und die Aufhebung der
Ermäßigung der Arbeitszeit. Dies sei erforderlich, damit er die Betreuung der
Kinder unter entsprechender Reduzierung seiner Arbeitszeit übernehmen könne,
zugleich aber der Unterhalt der Familie gesichert sei.
Durch Bescheid vom 29. Januar 2010 (Bl. 292 der Personalakte) hob das Staatliche
Schulamt für den Hochtaunuskreis und Wetteraukreis die Bewilligung von Elternzeit
bis zum 31. Juli 2010 mit Ablauf des 31. Januar 2010 auf. Den Antrag auf
Aufhebung der Teilzeitbeschäftigung mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit
lehnte das Staatliche Schulamt ab. Eine Begründung findet sich in dem Bescheid
nicht.
Die Klägerin erhob gegen den Bescheid vom 29. Januar 2010 Widerspruch, den sie
durch Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. Februar 2010 begründete.
Bei der Entscheidung über die Rückkehr zur Vollzeitbeschäftigung wegen
Unzumutbarkeit der gewährten Teilzeitbeschäftigung komme der Veränderung der
familiären Verhältnisse besonderes Gewicht zu; hierbei seien jene Umstände
besonders zu berücksichtigen, die mit den Bewilligungsvoraussetzungen im
Zusammenhang stehen, insbesondere nachteilig veränderte
Einkommensumstände. Die Aufstockung der Arbeitszeit im Umfang der
Vollzeitbeschäftigung sei für die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Familie
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Vollzeitbeschäftigung sei für die Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Familie
unbedingt erforderlich.
Durch Widerspruchsbescheid vom 27. April 2010 (Bl. 318 ff. der Personalakte) wies
das Staatliche Schulamt für den Hochtaunuskreis und den Wetteraukreis den
Widerspruch zurück. Die Klägerin könne sich nicht auf eine Notlage berufen,
aufgrund derer die Schlussfolgerung berechtigt wäre, ihr sei die Aufrechterhaltung
der Teilzeitbeschäftigung nicht mehr zuzumuten. Zwar habe ihr Ehemann
glaubhaft und nachvollziehbar die Ausgaben der Familie dargestellt, woraus sich
eine monatlich finanzielle Belastung von ca. 3.550,-- € ergebe. Dieser Belastung
seien aber die zu erzielenden Einkommen entgegen zu halten, die sich in Bezug
auf die Klägerin bei einer Fortsetzung der Teilzeitbeschäftigung auf einen
Nettobetrag von ca. 1.600,-- € bis 2.100,-- € monatlich beliefen. Hinzu komme das
Einkommen des Ehemanns der Klägerin. Im Hinblick auf diese finanziellen
Umstände sei dem Ehemann der Klägerin eine teilweise Arbeitszeitreduzierung
ohne Gefährdung des Unterhalts der Familie möglich, so dass auch die
Kinderbetreuung gewährleistet sei. Darüber hinaus stünden einer nachträglichen
Änderung der Teilzeitbeschäftigung aber auch dienstliche Belange entgegen, da
die Klägerin dienstunfähig erkrankt sei und ihren Dienst auch in absehbarer Zeit
nicht werde aufnehmen können. Der Widerspruchsbescheid wurde den
Bevollmächtigten der Klägerin am 30. April 2010 zugestellt.
Die Klägerin hat am 31. Mai 2010, einem Montag, Klage erhoben. Zur Begründung
vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Wegen der Einzelheiten
ihres Vorbringens wird auf die Klageschrift sowie den Schriftsatz vom 17.9.2010
Bezug genommen.
Die Klägerin beantragt,
das beklagte Land unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des
Staatlichen Schulamts für den Hochtaunuskreis und den Wetteraukreis vom 29.
Januar 2010 und des Widerspruchsbescheids derselben Behörde vom 27. April
2010 zu verpflichten, die Klägerin in Vollzeit zu beschäftigen.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung vertieft es die Ausführungen im Widerspruchsbescheid.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter allein
einverstanden erklärt und auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
verzichtet.
Die die Klägerin betreffende Personalakte liegt vor und ist Grundlage der
Entscheidung. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die
Personalakte sowie die Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten,
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis mit den Beteiligten entscheidet der Berichterstatter allein (§ 87a
Abs. 2, 3 VwGO) und im schriftlichen Verfahren (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen
nachträglichen Übergang von der ihr bewilligten Teilzeitbeschäftigung zur
Vollzeitbeschäftigung nach § 85a Abs. 3 S. 2 HBG; die angefochtenen Bescheide
sind vielmehr rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Zur Begründung kann vollinhaltlich auf die zutreffenden Ausführungen zur
Begründung des Widerspruchsbescheids, insbesondere Seite 3 des
Widerspruchsbescheids, Bezug genommen und hier insoweit von einer weiteren
Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO), da
der Berichterstatter diesen Ausführungen folgt.
Es fehlt bereits an einer gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzung für den Übergang
zur Vollzeitbeschäftigung. Der Klägerin ist zuzumuten, die Teilzeitbeschäftigung im
bisherigen Umfang aufrechtzuerhalten; unter diesen Umständen kommt aber ein
Übergang zur Vollzeitbeschäftigung nicht in Betracht (§ 85a Abs. 3 S. 2 HBG).
Zwar ist für die Beurteilung der Zumutbarkeit insbesondere maßgebend, ob sich
durch geänderte Umstände die Familie bzw. der Beamte, die Beamtin in einer
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durch geänderte Umstände die Familie bzw. der Beamte, die Beamtin in einer
finanziellen Notlage befindet, die einen Übergang zur Vollzeitbeschäftigung
gebietet. Eine solche Notlage kann hier jedoch nicht festgestellt werden. Dies hat
das Staatliche Schulamt im Widerspruchsbescheid hinreichend ausgeführt, wobei
es die Darlegungen des Ehemanns der Klägerin zur finanziellen Situation der
Familie vollumfänglich zugrunde gelegt und berücksichtigt hat. Die Erwägungen
des Staatlichen Schulamts sind rechtlich nicht beanstanden. Auf dieser Grundlage
erscheint die finanzielle Situation der Familien nach einer Arbeitsreduzierung des
Ehemanns der Klägerin zwar angespannt, aber nicht unzumutbar.
Darüber hinaus stehen dem Übergang zur Vollzeitbeschäftigung aber auch, wie
das Staatliche Schulamt im Widerspruchsbescheid zu Recht ausgeführt hat,
dienstliche Belange entgegen. Dienstliche Belange stehen einem Übergang zur
Vollzeitbeschäftigung jedenfalls dann entgegen, wenn die Beamtin – wie hier die
Klägerin – dienstunfähig erkrankt ist und deshalb keinen Dienst leistet (von
Roetteken in HBR I § 85a HBG Rdnr. 135 m. w. N.). Im Ausgangspunkt trifft die
Erwägung der Klägerin zwar zu, dass es für eine Entscheidung nach § 85a Abs. 3 S.
2HBG maßgebend auf die finanzielle Zumutbarkeit für die teilzeitbeschäftigte
Beamtin ankommt. Zu berücksichtigen sind aber auch die Belange des
Dienstherrn, die insbesondere darin bestehen, eine entsprechende Dienstleistung
des Beamten, der Beamtin im Fall des Übergangs zur Vollzeitbeschäftigung zu
erhalten. Kann es indes infolge Krankheit von vornherein gar nicht zu einer
entsprechenden Dienstleitung kommen, kann im Hinblick auf die dienstlichen
Belange eine Aufstockung der Arbeitszeit auf Vollzeitbeschäftigung nicht gewährt
werden.
Als unterliegende Beteiligte hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs.
1 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich (§ 124, § 124a VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.