Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 12.01.2011

VG Frankfurt: auflösende bedingung, rücknahme, widerruf, rechtswidrigkeit, rechtsnatur, unverzüglich, stadt, rente, anfang, unterlassen

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 K 1931/10.F
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 3 GG, § 5 SteinkohleFinG, §
48 VwVfG, § 154 Abs 1 VwGO
Rücknahme von Dauerverwaltungsakten
Leitsatz
Ein begünstigender Dauerverwaltungsakt, mit dem laufende Geldleistungen nach
Maßgabe eines Haushaltstitels und von Richtlinien oberster Bundesbehörden (hier:
Anpassungsgeld) bewilligt werden, wird nicht dadurch nachträglich rechtswidrig, dass
der Begünstigte gewisse Zuwendungsbedingungen der Richtlinie (hier: nicht mehr als
geringfügiger Zuverdienst) nachträglich nicht erfüllt, denn die Richtlinien sind ihrer
Rechtsnatur nach bloße Verwaltungsvorschriften, denen keine rechtliche Außenwirkung
zukommt.
Die Einhaltung der Zuwendungsbedingungen muss vielmehr durch geeignete
Nebenbestimmungen in dem Bewilligungsbescheid sichergestellt werden.
Tenor
1. Der Bescheid vom 21.04.2010 und der Widerspruchsbescheid vom 12.07.2010
werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Die Hinzuziehung des
Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten
abwenden, wenn der Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger bezieht ausweislich der Behördenakte seit dem 01.09.2006
Anpassungsgeld nach den Richtlinien des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie über die Gewährung von Anpassungsgeld an Arbeitnehmer des
Steinkohlenbergbaus vom 25.10.2005 (- RL - BAnz Nr. 218 v. 18.11.2005). In Nr.
5.7 RL ist geregelt, dass die Zahlung des Anpassungsgeldes für den Zeitraum
entfällt, in dem der Empfänger eine mehr als geringfügige Beschäftigung
aufnimmt. Nach Nr. 7.2 verpflichtet sich der Anpassungsgeldempfänger, der
Bewilligungsstelle unaufgefordert und unverzüglich alle Umstände mitzuteilen, die
den Anspruch auf Anpassungsgeld ausschließen oder mindern oder in sonstiger
Weise beeinflussen, insbesondere wenn er – Nr. 7.2.7 – eine Beschäftigung
aufnimmt. Die Mitteilung muss Angaben über die Art der Beschäftigung bzw.
Tätigkeit und die Höhe seines Einkommens enthalten. In dem Antrag auf
Gewährung von Anpassungsgeld verpflichtete sich der Kläger zur Rückzahlung von
Leistungen, sofern der Bescheid widerrufen wird, weil er unrichtige Angaben
gemacht oder er den ihm nach den Richtlinien obliegenden Verpflichtungen nicht
nachgekommen ist. Der vorläufige Bewilligungsbescheid vom 27.10.2006 enthält
die Klausel, dass die Entscheidung widerrufen werden kann, wenn und soweit der
Adressat die ihm nach den Richtlinien obliegenden Verpflichtungen nicht
nachkommt. Der endgültige Bescheid vom 26.02.2007 enthält die Klausel, dass
bisher erteilte Bescheide weiterhin gelten, soweit sich aus diesem Bescheid nichts
anderes ergibt.
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Im Juni 2007 wurde der Beklagten durch eine Mitteilung der Knappschaft Bahn See
bekannt, dass der Kläger seit dem 01.03.2007 eine geringfügige Beschäftigung bei
dem Transportunternehmen X in A-Stadt aufgenommen hatte. Nach
entsprechender Aufforderung legte der Kläger darauf eine Erklärung vor, wonach
er keine weitere Beschäftigungen ausübe und eine Erklärung seines Arbeitgebers,
wonach er weniger als 15 Stunden pro Woche arbeite und sein monatliches
Einkommen 400 EUR nicht übersteige. Die Beklagte teilte dem Kläger darauf mit
Schreiben vom 19.07.2007 mit, dass sich an der Höhe des Anpassungsgeldes
nichts ändere und Änderungen der Höhe des erzielten Einkommens umgehend
mitzuteilen seien, damit eine erneute Überprüfung vorgenommen werden könne.
Im Februar 2010 erhielt die Beklagte durch das Hauptzollamt A-Stadt Kenntnis
davon, dass der Kläger in einigen Monaten mehr als 400 EUR bei dem
Transportunternehmen verdient hat. Es handelt sich im Einzelnen um folgende
Einkommen:
Darauf erließ die Beklagte nach zuvor erfolgter Anhörung unter dem 21.04.2010
einen „Teilrücknahme- und Rückzahlungsbescheid“, mit dem Sie den
Bewilligungsbescheid für die aus der Tabelle ersichtlichen Monate widerrief und den
auf diesen Zeitraum entfallenden Anpassungsgeldbetrag in Höhe von 16.778,70
EUR zuzüglich Zinsen zurückforderte. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies
die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.07.2010 zurück. Am 06.08.2010
hat der Kläger Klage erhoben.
Der Kläger hält den Bescheid für rechtswidrig. Eine Rücknahme des
Bewilligungsbescheides komme nicht in Betracht, weil dieser nicht rechtswidrig sei.
Der Widerruf nach § 49 VwVfG scheitere daran, dass der Bescheid keine
Nebenbestimmungen enthalte. Insoweit verweist der Kläger auf ein Urteil der
Kammer vom 10.10.2007 (1 E 1657/07). Die Pflicht zur Anzeige einer mehr als
geringfügigen Beschäftigung habe er nicht verletzt, weil er einer solchen
Beschäftigung zu keinem Zeitpunkt nachgegangen sei. Im Übrigen bestreitet er, in
den fraglichen Monaten mehr als 400,00 EUR verdient zu haben. Die Beklagte
ziehe nämlich nur aus dem Umstand, dass der Kläger in manchen Monaten mehr
als acht Kurierfahrten durchgeführt habe, den Schluss, dass er in diesen Monaten
mehr als 400,00 EUR verdient haben müsse. Tatsächlich habe er aber in jedem
Monat nur 400,00 EUR erhalten. Zwar habe er in manchen Monaten mehr Fahrten
gemacht, als vergütet worden seien, dafür aber in anderen Monaten weniger
Fahrten durchgeführt als der Pauschale von 400,00 EUR entspreche. Im
Jahresdurchschnitt seien im Monat nicht mehr als acht Fahrten durchschnittlich
durchgeführt worden, so dass sich bei einer Vergütung von 50,00 EUR pro Tour
auch nicht mehr als 400 EUR monatlich im Durchschnitt ergebe. Die Beklagte
berufe sich auf die Tourenzettel, die aber nur die Arbeitszeit belegten und nicht
das Einkommen. Der Kläger sei zwar möglicherweise viel zu gering entlohnt
worden. Das ändere aber nichts an seinem tatsächlichen Einkommen. Die
Beklagte könne sich auch nicht auf den Lohnsteuerprüfungsbericht des
Finanzamtes A-Stadt berufen, aus dem sich bloß ergebe, dass Arbeitnehmer
beschäftigt worden seien, die mehr erhalten hätten, als angegeben und gemeldet
worden sei. Es gebe aber keinen Beleg dafür, dass sich diese Aussage auf ihn
beziehe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 21.04.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 12.07.2010
aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Gründe der angefochtenen Bescheide und das Ergebnis ihrer
Ermittlungen, wobei § 48 VwVfG die maßgebliche Rechtsgrundlage sei. Sie ist der
Auffassung, dass es bei der Beurteilung der Geringfügigkeit eines
Beschäftigungsverhältnisses nach § 8 Abs. 1 und 2 SGB IV auf eine monatliche
Betrachtung ankomme. Entscheidend sei insoweit der je Monat erworbene
Lohnanspruch, nicht der Zeitpunkt, zu dem dieser zur Auszahlung gekommen sei.
Es komme deshalb weder auf eine aufs Jahr bezogene Durchschnittsbetrachtung
an noch darauf, ob der Kläger in einigen Monaten weniger als acht Touren
durchgeführt habe. Im Übrigen habe der Lohnsteuerprüfungsbericht ergeben, dass
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durchgeführt habe. Im Übrigen habe der Lohnsteuerprüfungsbericht ergeben, dass
die insgesamt für die Fa. X geleisteten Fahrstunden, die ausschließlich von 400
EUR-Kräften durchgeführt worden seien, rechnerisch zu Stundenlöhnen von 1,14
EUR bzw. 1,28 EUR / 1,51 EUR bis zu 4,57 EUR führen würden. Der Inhaber habe
eingeräumt, dass höhere Löhne gezahlt worden seien und das Finanzamt habe
sich mit der Firma auf einen Stundenlohn von 6,00 EUR verständigt. Dieser Betrag
sei deshalb auch im Falle des Klägers zugrundezulegen.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 03.12.2010 auf den
Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Das Gericht hat neben der
Gerichtsakte einen Hefter Behördenakten zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide sind
rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Es kann dahingestellt
bleiben, ob der angefochtene Bescheid, wofür die Wortwahl spricht, einen
(teilweisen) Widerruf zum Gegenstand hat oder, wofür die im
Widerspruchsbescheid in Anspruch genommene Ermächtigungsgrundlage (§ 48
VwVfG) spricht, eine Rücknahme. Denn weder sind die gesetzlichen
Voraussetzungen einer Rücknahme (§ 48 VwVfG), noch die eines Widerrufs (§ 49
VwVfG) gegeben.
Die Rücknahme scheitert daran, dass der ursprüngliche Bewilligungsbescheid nicht
rechtswidrig ist. Insbesondere ist er nicht etwa deshalb rechtswidrig, weil er keine
Nebenbestimmung enthält, die sicherstellt, dass die Bewilligung für
Anpassungsgeldbeträge entfällt, die für Zeiträume mehr als geringfügiger
Beschäftigung ausgezahlt worden sind, weil der Begünstigte es unterlassen hat,
seinen entsprechenden Anzeigepflichten unverzüglich nachzukommen. Obwohl
dies ohne weiteres durch eine entsprechende auflösende Bedingung hätte
sichergestellt werden können, enthält der Bewilligungsbescheid eine solche
Bedingung nur hinsichtlich der Übernahme von Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträgen, nicht aber hinsichtlich des Anpassungsgeldes.
Indessen war die Beklagte rechtlich nicht verpflichtet, eine solche
Nebenbestimmung vorzusehen. Es gibt keine gesetzlichen Bestimmungen, die die
Bedingungen festlegen würden, unter denen das Anpassungsgeld zu gewähren ist.
Zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides gab es hierzu nur einen
Titel im Bundeshaushalt 2006 (0902 698 12 – 253) und die Richtlinien des
Bundesministeriums für Wirtschaft. Der Bundeshaushaltsplan enthält nur eine
Ermächtigung zur Mittelverwendung, die sehr allgemein gefasst ist und
insbesondere keine Vorgaben hinsichtlich der Möglichkeit eines Zuverdienstes
enthält. Er bestimmt insoweit nur, dass das Nähere durch Richtlinien des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zu regeln ist. Bei den
Richtlinien handelt es sich ihrer Rechtsnatur nach um Verwaltungsvorschriften, die
keinerlei rechtliche Außenwirkung haben, also weder Rechte noch Pflichten
begründen. An dieser Situation hat sich auch nichts durch das Inkrafttreten des
Steinkohlefinanzierungsgesetzes vom 20.12.2007 (BGBl I 2007, 3086) geändert.
Dieses Gesetz enthält in § 5 ebenfalls nur eine Ermächtigung zur Gewährung von
Anpassungsgeld, wobei die näheren Bedingungen den Erläuterungen im
Bundeshaushaltsplan entsprechen. In § 1 Abs. 4 ist ausdrücklich geregelt, dass
durch dieses Gesetz keine Ansprüche auf Zuschusszahlungen begründet werden.
Die Beklagte ist deshalb rechtlich nur an den Gleichbehandlungsgrundsatz
gebunden. Es ist gerichtsbekannt, dass der zugunsten des Klägers erlassene
Bewilligungsbescheid der ständigen Behördenpraxis entspricht. Das Fehlen einer
auflösenden Bedingung für den Fall, dass der Begünstigte mehr als 400 EUR
monatlich verdient oder dies nicht mitteilt, stellt keine gleichheitswidrige
Privilegierung gerade des Klägers dar, sondern ist sämtlichen Bescheiden eigen,
die die Beklagte je zur Bewilligung von Anpassungsgeld erlassen hat.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte mit dieser Behördenpraxis die
Vorgaben der Richtlinie angemessen umsetzt. Denn da es sich dabei um interne
Verwaltungsvorschriften handelt, die - solange keine Ungleichbehandlung
stattfindet - keine rechtliche Außenwirkung haben, kann eine Abweichung der
Behörde von den Vorgaben der Richtlinie den Bescheid nicht rechtswidrig machen.
Der Bewilligungsbescheid ist auch nicht, wie der Hessische Verwaltungsgerichtshof
in einem vergleichbaren Fall gemeint hat, nachträglich für jene Monate
rechtswidrig geworden, in denen der Kläger möglicherweise mehr als 400 EUR dazu
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rechtswidrig geworden, in denen der Kläger möglicherweise mehr als 400 EUR dazu
verdient hat (vgl. HessVGH, Urteil v. 11.09.2009 – 10 A 2019/08 –). Dem liegt die
Auffassung zugrunde, eine Rücknahme nach § 48 VwVfG komme zumindest bei
Verwaltungsakten mit Dauerwirkung nicht nur dann in Betracht, wenn der
Verwaltungsakt zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig gewesen ist, sondern
auch dann, wenn er nachträglich rechtswidrig geworden ist. Das zitierte Urteil des
HessVGH enthält keine inhaltliche Begründung für diese Auffassung, sondern
beschränkt sich insoweit auf ein bloßes Zitat eines Urteil des
Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahre 1982 (BVerwG, Urt. v. 28.06.1982 – 6 C
92.78 –, BVerwGE 66, 65). Dieses Urteil ist jedoch für den vorliegenden Fall nicht
einschlägig. Es ging dort nämlich um einen Fall aus dem
Beamtenversorgungsrecht, wobei ein Bescheid über die Festsetzung der
Versorgungsbezüge deshalb von Anfang an rechtswidrig war, weil die
Festsetzungsbehörde Rentenanwartschaften des betroffenen Beamten nicht
berücksichtigt hatte, die fünf Jahre nach Festsetzung der Versorgungsbezüge zu
zusätzlichen Rentenbezügen geführt haben. Das Bundesverwaltungsgericht spricht
in dem Urteil zwar davon, durch die spätere Bewilligung der Rente sei der
Versorgungsfestsetzungsbescheid nachträglich rechtswidrig geworden. Indessen
war dies nicht erst nachträglich, sondern schon zum Zeitpunkt seines Erlasses der
Fall, weil schon zu diesem Zeitpunkt feststand, dass der Beamte in einem
zukünftigen Zeitpunkt, auf den sich der Bescheid erstrecken sollte, eine Rente
erhalten würde, die bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge ab dem Zeitpunkt
ihres Bezugs hätte berücksichtigt werden müssen. Allein der Umstand, dass die
Versorgungsfestsetzungsbehörde von den besagten Rentenanwartschaften nichts
wusste, ändert an der Rechtswidrigkeit des Festsetzungsbescheides von Anfang an
nichts.
Im Übrigen kommt die nachträglich eintretende Rechtswidrigkeit eines
Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung überhaupt nur dann in Betracht, wenn durch
eine Änderung der Rechts- oder Sachlage zu einem künftigen Zeitpunkt der
Bescheid in Widerspruch zum geltenden Recht gerät (Vgl. BVerwG, Urt. v.
29.11.1979 – 3 C 103/79 –, BVerwGE 59, 148; juris TZ 78). Das ist im vorliegenden
Fall jedoch nicht gegeben. Es gibt hier nämlich keine Rechtsnormen, die regeln,
dass das Anpassungsgeld eingestellt, gemindert oder ausgesetzt werden muss,
wenn ein Zuverdienst von mehr als 400,00 EUR pro Monat erfolgt. Dies ist nur in
den genannten Richtlinien geregelt, bei denen es sich ihrer Rechtsnatur nach um
bloß intern wirkende Verwaltungsvorschriften handelt, denen keinerlei rechtliche
Außenwirkung zukommt. Von der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides
wäre deshalb nur dann auszugehen, wenn die Beklagte es hier nur ausnahmsweise
und entgegen ihrer ständigen Verwaltungspraxis unterlassen hätte, durch eine
entsprechende auflösende Bedingung sicherzustellen, dass der auf dem Bescheid
beruhende Anspruch auf das Anpassungsgeld entfällt, wenn der Kläger ein mehr
als geringfügiges monatliches Zusatzeinkommen generiert. An einer solchen
Nebenbestimmung fehlt es aber, wie bereits erwähnt, in allen
Anpassungsgeldbescheiden der Beklagten, so dass keine Rede davon sein kann,
dass der Kläger hier gleichheitswidrig begünstigt worden ist.
Aus den beiden vorgenannten Gründen sind im vorliegenden Fall nicht nur das
erwähnte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht einschlägig, sondern auch
alle anderen Entscheidungen, in denen das Bundesverwaltungsgericht sich mit der
Anwendung des § 48 VwVfG auf den Fall einer nachträglich eingetretenen
Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts befasst hat (BVerwG, Urt. v. 16.11.1989 –
2 C 43.87 –, BVerwGE 84, 111 = DVBl 1990, 304; Urt. v. 22.09.1993 – 2 C 34.91 –,
DVBl 1994, 115; Urt. v. 28.10.2004 – 2 C 13/03 –, NVwZ-RR 2005, 341). Ob die
dazu entwickelte Dogmatik (kritisch dazu: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl., § 48 Rn
33 m.w.N.) überzeugend ist oder nicht im Widerspruch zum Wortlaut des § 49 Abs.
2 Nr. 3 und 4 VwVfG steht und im Übrigen auch gänzlich überflüssig ist, weil dem
Anliegen, das sich dahinter verbirgt, mit geeigneten Nebenbestimmungen
Rechnung getragen werden kann, braucht deshalb hier nicht weiter erörtert zu
werden.
Die Bewilligung des Anpassungsgeldes auch für die hier streitgegenständlichen
Zeiträume konnte auch nicht durch den angegriffenen Bescheid widerrufen
werden. Insbesondere bietet der in dem Bescheid in Anspruch genommene § 49
Abs. 2 Nr. 3 VwVfG keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage. Denn § 49 Abs. 2
VwVfG gestattet den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden
Verwaltungsaktes nur mit Wirkung für die Zukunft, nicht mit Wirkung für die
Vergangenheit. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beklagte den Bescheid für
einen entsprechenden zukünftigen Zeitraum widerrufen kann, so dass per saldo
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einen entsprechenden zukünftigen Zeitraum widerrufen kann, so dass per saldo
das Ziel erreicht wird, welches die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid
verfolgt. Dafür könnte die Klausel sprechen, wonach die Aufnahme einer
Beschäftigung unverzüglich mitzuteilen und in diesem Zusammenhang darauf
hingewiesen wird, dass eine Beschäftigung den Anspruch auf Anpassungsgeld
mindern kann. Rückwirkend und mit der Folge des Erstattungsanspruchs nach §
49a VwVfG ist dies jedenfalls nicht möglich.
Der Widerruf kann auch nicht auf § 49 Abs. 3 VwVfG gestützt werden. Diese Norm
erlaubt zwar auch den rückwirkenden Widerruf, aber nur für den Fall, dass eine
Geldleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt wird oder hierfür
Voraussetzung ist und das Geld nicht zweckentsprechend verwendet oder eine
Auflage nicht erfüllt wird, an die die zweckgerichtete Zuwendung gekoppelt ist.
Diese Ermächtigungsgrundlage kann auf das Anpassungsgeld keine Anwendung
finden, weil diese Subvention allein der Unterhaltssicherung ehemaliger
Arbeitnehmer des Steinkohlenbergbaus dient. Die Begünstigten sind nicht
verpflichtet, das Geld für einen bestimmten Zweck einzusetzen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war wegen der Abweichung von dem Urteil des HessVGH v.
11.09.2009 – 10 A 2019/08 – zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).
BESCHLUSS
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 16.778,70 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3
GKG).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.