Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 29.10.2009

VG Frankfurt: prüfer, verfügung, bayern, bankenaufsicht, sonderprüfung, verdacht, behörde, anforderung, genossenschaftsverband, kreditgeschäft

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 K 4182/08.F
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 44 Abs 1 S 2 KredWG, § 39
VwVfG, § 40 VwVfG
Bankenaufsichtliche Geschäftsprüfung bei kleinen
Genossenschaftsbanken
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten
abwenden, wenn die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Genossenschaftsbank in Bayern. Nach Auswertung der
Berichte des Genossenschaftsverbandes Bayern über die Prüfung der Klägerin in
den Jahren 2005 und 2006 beschloss die Beklagte die Durchführung einer
Geschäftsprüfung durch die Deutsche Bundesbank. Mit Verfügung vom 23.08.2007
ordnete sie gegenüber der Klägerin unter Berufung auf § 44 Abs. 1 Satz 2 KWG die
Prüfung des Geschäftsbetriebes der Klägerin an, die sich auf die
Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsorganisation beziehen sollte, insbesondere auf
die Aufbau- und Ablauforganisation des Kreditgeschäfts sowie der Prozesse zur
Identifizierung, Beurteilung, Steuerung, Überwachung und die Kommunikation der
Risiken zwecks Feststellung, ob die Klägerin über ein geeignetes internes
Kontrollverfahren verfügt. Weiterhin sollte geprüft werden, ob die tatsächliche
Handhabung des Kreditgeschäfts den formalen Organisationsvorgaben entspricht.
Für den Fall, dass Mängel der Organisation festgestellt werden sollten, sollte die
Prüfung sich weiterhin darauf beziehen, ob die Klägerin bereits Maßnahmen zur
Beseitigung dieser Mängel eingeleitet hatte und ob diese Maßnahmen geeignet
sind, die Mängel auszuräumen.
In den Gründen der Verfügung ist ausgeführt, nach den Feststellungen im
Prüfbericht 2005 verfüge die Klägerin im geprüften Zeitraum zwar grundsätzlich
über eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation i. S. d. § 25a Abs. 1 S. 3 Nr. 1
bis 3 KWG. Im Jahresabschlussbericht 2005 seien aber Mängel in den Bereichen
Limitsystem, Aufbau- und Ablauforganisation sowie „Einhaltung der MaK und MaH“
festgestellt worden seien. Mängel seien weiterhin hinsichtlich der Kreditgewährung
bzw. Kreditweiterverarbeitung festgestellt worden. Die Werthaltigkeit von
Sicherheiten sei nicht systematisch turnusmäßig bzw. risikoorientiert überprüft
worden. Weitere Mängel seien im Bereich „Rating“ aufgetreten. Nur 39,8% des
Kundenkreditvolumens sei einem Rating unterzogen worden. Die Prüfer hätten
eine Verbesserung der Organisation im Kreditgeschäft für den Bereich „Rating“
angeregt. Die Klägerin habe zur Steuerung der Adressenausfallrisiken im
Kreditgeschäft „Limite für Blankoanteile“ festgelegt, die für Steuerungszwecke
ungeeignet seien.
Zwar hätten die Prüfer festgestellt, dass diese Mängel nach Abschluss der Prüfung
weitgehend beseitigt worden seien. Im Jahresabschlussbericht 2006 hätten die
Prüfer jedoch noch immer Mängel zu der zu geringen Ratingquote, zur
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Prüfer jedoch noch immer Mängel zu der zu geringen Ratingquote, zur
regelmäßigen Überprüfung der Sicherheiten und zur Beleihungswertermittlung
festgestellt. Das Verfahren zur Steuerung und Beurteilung der Ausfallrisiken sei
noch nicht in einer Arbeitsanweisung geregelt gewesen.
Die Verfügung nimmt weiterhin Bezug auf ein Aufsichtsgespräch am 07.02.2007,
in dessen Verlauf der Vorstand der Klägerin mehrere der von den Prüfern
gemachten Verbesserungsvorschläge für überflüssig und unsinnig erklärt sowie
vom Genossenschaftsverband Bayern als auch von der Beklagten als ihren
„natürlichen Feinden“ gesprochen habe sowie von „Potemkin’schen Akten und
Schränken“ ausschließlich für Aufsichtszwecke. Es sei deshalb erforderlich, eine
Prüfung des Geschäftsbetriebes vorzunehmen, um festzustellen, ob dieser
umfänglich ordnungsgemäß organisiert sei und ob geeignete und wirksame
Maßnahmen zur Beseitigung der in der Vergangenheit festgestellten Mängel
ergriffen worden seien sowie welche bankaufsichtsrechtlichen Maßnahmen
ergriffen werden müssten, sofern eine gesetzeskonforme Geschäftsorganisation
nicht gegeben sein sollte. Weiter heißt es auf Seite 7: „Im Übrigen sind Prüfungen
nach § 44 Absatz 1 Satz 2 KWG ein Instrument der Bankenaufsicht, das seit der
KWG-Novelle von 1976 ohne besonderen Anlass ... bei allen Instituten
routinemäßig angewandt wird.“
Den gegen diese Prüfungsanordnung erhobenen Widerspruch, mit dem die
Klägerin im Wesentlichen die Verfassungswidrigkeit des § 44 Abs. 1 Satz 2 KWG
geltend machte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2008,
zugestellt am 13.11.2008, zurück. Im Widerspruchsbescheid ist ergänzend
ausgeführt, auch der Prüfbericht 2007 weise aus, dass noch nicht alle für 2005
festgestellten Mängel beseitigt seien. Zwar habe die Klägerin mitgeteilt, dass diese
Feststellungen bestritten würden und sie sich mit rechtlichen Mitteln dagegen
wehren wolle. Diese Meinungsverschiedenheiten seien jedoch ein weiterer Anlass,
der eine Sonderprüfung erforderlich mache. Die Prüfungsanordnung sei auch nicht
ermessensfehlerhaft, zumal sie auch ohne besonderen Anlass zulässig „wäre“, da
die Klägerin noch nie durch die Beklagte geprüft worden sei.
Am Montag, den 15.12.2008 hat die Klägerin Klage erhoben.
Sie trägt vor, die angefochtene Anordnung habe keine Routineprüfung zum
Gegenstand, für die es möglicherweise keines besonderen Anlasses bedürfe,
sondern eine Sonderprüfung, die durch bestimmte Gründe veranlasst sein müsse.
Die insoweit geltend gemachten Gründe seien jedoch nicht hinreichend, um eine
Sonderprüfung zu veranlassen. Die Verfügung sei deshalb ermessensfehlerhaft.
Eine Sonderprüfung sei schon deshalb nicht veranlasst, weil die Klägerin als
Mitglied eines genossenschaftlichen Prüfungsverbandes einer kontinuierlichen und
völlig ausreichenden „Betreuungsdauerprüfung“ unterliege. Dass diese
Dauerüberprüfung ausreichen sei, werde durch § 26 Abs. 1 S. 4 KWG bestätigt,
wonach als eingetragene Genossenschaften geführte Banken ihren jährlichen
Prüfbericht nur auf besondere Anforderung bei der Beklagten oder der Deutschen
Bundesbank zur laufenden Überwachung einzureichen hätten und nicht, wie alle
übrigen Institute, ohne besondere Aufforderung.
Die Prüfung sei auch deshalb nicht veranlasst, weil die Klägerin der
Sicherungseinrichtung des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und
Raiffeisenbanken e.V. angehöre, die eine vollständige Ausfallsicherung
gewährleiste, so dass etwaige Mängel in der Geschäftsorganisation selbst dann für
den Finanzmarkt und die Kunden ohne Folgen blieben, wenn diese zur
Zahlungsunfähigkeit oder zum Zusammenbruch der Genossenschaftsbank führen
sollte.
Die Sonderprüfung sei schließlich auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil es sich bei
der Klägerin um eine sehr kleine Bank handele, die neben den beiden
Vorstandsmitgliedern nur fünf Mitarbeiter beschäftige und 2008 über eine
durchschnittliche Bilanzsumme von nur 48,5 Mio. EUR verfügt habe. Sie rangiere
damit, was ihre Größe und damit auch das von ihr ausgehende Risiko ausgehe,
ausweislich der BVR-Liste auf Platz 1.178 von 1.254 Banken. Ihr örtlich begrenzter
Kundenkreis sei sehr gering. Es fehle ihr also an jeglicher Systemrelevanz. Dies
habe die Beklagte bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt und damit ihre
Prüfungsressourcen fehl allokiert.
Der Prüfungsbericht des Genossenschaftsverbandes Bayern für 2005 enthalte
einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk. Das zeige, dass es zu
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einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk. Das zeige, dass es zu
Einwendungen oder Beanstandungen nicht gekommen sei. Dazu habe auch kein
Anlass bestanden, weil sich die Ertragslage der Klägerin seit Jahren außerordentlich
und überdurchschnittlich gut darstelle, so dass kein Anlass zur Sorge bestehe.
Soweit in dem Prüfbericht als auch in dem Vermerk über seine Auswertung durch
die Deutsche Bundesbank noch Verbesserungsmöglichkeiten aufgezeigt würden,
handele es sich um Prüferempfehlungen, deren Beachtung im Ermessen der
Klägerin stünde und deren Nichtbeachtung aufsichtsrechtlich irrelevant sei und
keinen Anlass zu einer Geschäftsprüfung biete. Nichts anderes ergebe sich aus
dem Prüfbericht 2006. Soweit sich die Beklagte auf die Feststellungen im
Prüfbericht 2007 beziehe, sei dies schon deshalb unzulässig, weil dieser Prüfbericht
mit gezielten Unwahrheiten gespickt sei, so dass sich die Klägerin hiergegen in
einem Rechtsstreit gegen den Prüfungsverband Bayern zur Wehr gesetzt habe.
Dass die Klägerin deshalb den Prüfungsverband habe verlassen müssen, gehe die
Beklagte nichts an. Der von ihr vorgelegte Prüfbericht 2008, erstellt von der
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft C., weise keinerlei Kritikpunkte mehr auf, werde
aber von der Beklagten ignoriert.
Auch der Inhalt des Aufsichtsgesprächs, das die Vorstände der Klägerin am
07.02.2007 mit Mitarbeitern der Deutschen Bundesbank und der Beklagten
geführt hätten, biete keinen Anlass für eine Sonderprüfung. Abgesehen davon,
dass dieses Gespräch gänzlich überflüssig gewesen sei, treffe es nicht zu, dass die
Vorstände Anlass für die Vermutung gegeben hätten, dass die unstreitig
vorhandenen Arbeitsanweisungen in der Bank in der täglichen Praxis nicht
beachtet würden. Sie hätten nur die Sinnhaftigkeit der zahlreichen Anforderungen
an die Dokumentation der Geschäftsorganisation in Frage stellen wollen. Das von
den Bediensteten der Deutschen Bundesbank und der Beklagten über das
Aufsichtsgespräch gefertigte Protokoll sei der Klägerin nie nur Abstimmung und
Genehmigung vorgelegt worden. Die darin dokumentierten Äußerungen werden
bestritten. Im Übrigen sei es, wenn man das Protokoll als wahr unterstelle, eine
unangemessene Sanktion, darauf die Prüfungsanordnung zu stützen. Eine
formlose Missbilligung hätte ausgereicht. Der Beklagten stehe eine „Straf- und
Gesinnungsprüfung“ nicht zu.
Die Beklagte habe schließlich auch ihr Auswahlermessen hinsichtlich der
einzusetzenden Aufsichtsmittel nicht ausgeübt, bzw. die getroffene Auswahl nicht
begründet. Das KWG stelle ihr neben der Geschäftsprüfung nach § 44 Abs. 1 Satz
2 KWG eine Reihe anderer Aufsichtsmittel zur Verfügung, deren Anwendung zu
einem milderen Eingriff in die Belange der Klägerin geführt hätte.
Die Prüfungsanordnung sei auch deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte
ihr Ermessen bei der Auswahl des Prüfers nicht ausgeübt, bzw. die Auswahl der
Deutschen Bundesbank nicht begründet habe. Es hätte berücksichtigt werden
müssen, dass zwei Vertreter der Deutschen Bundesbank bei dem fraglichen
Aufsichtsgespräch anwesend gewesen seien und durch ihre inkriminierenden
Behauptungen den Anlass für die Prüfung gegeben hätten, so dass
Voreingenommenheit der Deutschen Bundesbank zu befürchten sei. Die Prüfung
durch einen anderen Genossenschaftsverband bzw. ein
Wirtschaftsprüfungsunternehmen sei möglicherweise auch kostengünstiger
gewesen. Dazu habe die Beklagte aber keinerlei Feststellungen getroffen. Der
Bescheid sei auch insoweit fehlerhaft, als er weder zur Dauer der Prüfung noch zur
Zahl der einzusetzenden Prüfer Regelungen treffe und es damit der Deutschen
Bundesbank überlasse, in welcher Höhe Prüfungskosten produziert würden, die sie,
die Klägerin, letztlich zu tragen habe.
Die angeordnete Prüfung sei auch untauglich, um festzustellen, ob die
vorhandenen Arbeitsanweisungen tatsächlich befolgt würden oder nicht. Das
könne man an den Akten nicht erkennen. Das Prüfungsziel könne allenfalls
dadurch erreicht werden, dass die Mitarbeiter der Bank bei ihrem täglichen
Arbeitsverhalten heimlich beobachtet werden.
Die Prüfungsanordnung könne auch nicht durch einen Austausch der Begründung
dahingehend gehalten werden, dass die Prüfung nicht aus besonderem Anlass,
sondern als Routineprüfung durchgeführt werden solle. Denn dann erweise sich die
Anordnung deshalb als willkürlich, weil die Beklagte über keinen Plan verfüge, aus
dem hervorgehe, wann welche Bank geprüft werde und ob die Klägerin gerade jetzt
„dran sei“. Sofern eine etwaige Präferenz damit begründet werde, dass die
Deutsche Bundesbank die Klägerin der eher schlechteren Risikogruppe C oder C1
zugeordnet habe, werde die Richtigkeit dieser Zuordnung bestritten.
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Die Klägerin beantragt,
die Prüfungsanordnung der Beklagten vom 23.08.2007 in der Fassung des
Widerspruchs- und Gebührenbescheides vom 06.11.2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, die Prüfung sei aufgrund der Äußerungen der
Geschäftsleiter beim Aufsichtsgespräch am 07.02.2007 und wegen der in den
Prüfberichten 2005, 2006 und 2007 festgestellten Mängel angeordnet worden. Die
Prüfung „wäre“ jedoch ebenso als Routineprüfung ohne besonderen Anlass
gerechtfertigt gewesen. Die Feststellungen in den Prüfberichten ziehe sie nicht in
Zweifel.
Sie ist der Auffassung, dass ihre Befugnis zur Durchführung eigener
Geschäftsprüfungen weder durch die Jahresprüfungen des
Genossenschaftsverbandes noch durch die geringe Größe der betroffenen Bank
eingeschränkt werde. Die Jahresprüfungsberichte 2005 bis 2007 wiesen zwar
jeweils einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk auf. Daraus folge aber
nicht, dass keine aufsichtsrechtlich relevanten Mängel festgestellt worden seien.
Tatsächlich hätten die Prüfer teilweise erhebliche Mängel festgestellt. Dass der
Prüfungsbericht 2007 deshalb nicht von der Beklagten beachtet werden dürfe, weil
die Klägerin sich dagegen gerichtlich zur Wehr gesetzt habe, sei grob unsachlich.
Soweit die Klägerin bestreite, dass in dem Aufsichtsgespräch die Bemerkungen
gefallen seien, auf die die Prüfungsanordnung gestützt werde, müsse sie sich
entgegenhalten lassen, dass die Bediensteten der Beklagten und der Deutschen
Bundesbank den diesbezüglichen Vermerk zeitnah und übereinstimmend verfasst
hätten. Die Äußerungen hätten den Verdacht erweckt, dass die Prüfer bewusst
durch Vorlage von nur zu diesem Zweck erstellten und ansonsten im Schrank
verschlossenen Arbeitsanweisungen getäuscht worden seien. Das habe die
Prüfungsanordnung veranlasst. Die Prüfung sei auch tauglich, weil die Chance
bestehe, anhand der Durchsicht der bei der Bank vorhandenen Unterlagen zu
überprüfen, ob die Arbeitsanweisungen im Einzelfall beachtet würden oder nicht.
Es gehe der Beklagten darum, den Sachverhalt aufzuklären und nicht darum, die
Geschäftsleiter der Klägerin zu sanktionieren. Gegen den Vorwurf, sie habe bei der
Beauftragung der Deutschen Bundesbank zur Durchführung der Prüfung ihr
Auswahlermessen unterschritten, wendet sie ein, dass für bankgeschäftliche
Prüfungen nach § 7 Abs. 1 S. 3 KWG die Bundesbank zuständig sei. Selbst wenn
man angesichts dessen von einem Auswahlermessen ausgehen wollte, sei es
zweckmäßig gewesen, die Bundesbank zu beauftragen, weil deren Prüfer sehr
erfahren seien und die Prüfung durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft deutlich
teurer gekommen wäre. Eine Voreingenommenheit der Deutschen Bundesbank
sei nicht zu befürchten, weil keine Identität zwischen den Personen bestünde, die
an dem Aufsichtsgespräch teilgenommen hätten und jenen, die die Prüfung
durchführten. Eine genaue Festlegung der Prüfungszeit, der Zahl der Prüfer oder
der Prüfungskosten sei nicht möglich, weil dies vom Verlauf der Prüfung abhänge.
Ein milderes Mittel komme nicht in Betracht, weil alle anderen Aufsichtsmittel, die
das KWG zur Verfügung stelle, im Hinblick auf den hier erforderlichen
Klärungsbedarf untunlich oder ungeeignet seien.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten
Schriftsätze sowie den Inhalt des Widerspruchsbescheides Bezug genommen.
Das Gericht hat neben der Gerichtsakte die Akten des Eilverfahrens 1 G 2729/07
sowie vier Hefter Behördenakten und die Prüfberichte des
Genossenschaftsverbandes Bayern 2006 und 2007 zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind
rechtmäßig. Die Beklagte durfte die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit des
Geschäftsbetriebes der Klägerin in dem erfolgten Umfang anordnen.
Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
Die Anordnung beruht auf der Ermächtigungsgrundlage des § 44 Abs. 1 Satz 2
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Die Anordnung beruht auf der Ermächtigungsgrundlage des § 44 Abs. 1 Satz 2
KWG. Danach kann die Beklagte, auch ohne besonderen Anlass, u. a. bei
Kreditinstituten Prüfungen vornehmen und die Durchführung der Prüfungen der
Deutschen Bundesbank übertragen. Diese Norm begegnet keinen
verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der
Gesetzgeber, wie die Klägerin im Vorverfahren geltend gemacht hat, den
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt hätte. Das folgt schon daraus, dass
das Gesetz für die Prüfungen keinen starren Rahmen im Hinblick auf Häufigkeit,
Gegenstand und Intensität vorgibt, sondern der Beklagten insoweit einen
Ermessensspielraum einräumt, der in dem Wörtchen „kann“ zum Ausdruck
kommt. Dadurch hat der Gesetzgeber die Möglichkeit der Beachtung der
Verhältnismäßigkeit und damit auch die Pflicht zu deren Beachtung auf die
ermächtigte Behörde übertragen. Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des
Eingriffs ist damit keine Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes mehr,
sondern eine Frage der Verfassungsmäßigkeit der behördlichen
Einzelfallentscheidung.
§ 44 Abs. 1 S. 2 KWG regelt, dass die Beklagte „auch ohne besonderen Anlass“
Prüfungen vornehmen kann. Daraus folgt nicht, dass die konkrete
Prüfungsanordnung nicht weiter begründet werden müsste oder dass sich die
konkrete Entscheidung, eine Prüfung durchzuführen, gerichtlich nicht weiter
überprüfen ließe. Auch wenn keine konkreten Umstände vorliegen, die eine
Prüfung veranlassen können, darf die Anordnung derselben nicht willkürlich
erfolgen. Willkür wird in diesem Fall dadurch vermieden, dass die Beklagte die
Prüfung im Rahmen einer Routine anordnet. Von einer Routine kann gesprochen
werden, wenn es eine auf konkreten Regeln beruhende Verwaltungspraxis gibt, die
sicherstellt, dass bei der Auswahl der zu prüfenden Institute der Gleichheitssatz
gewahrt wird. Die Regeln müssen also sicherstellen, dass grundsätzlich alle
Institute geprüft werden und dass die Reihenfolge nach im Voraus festliegenden
Kriterien erfolgt, die sicherlich nicht allzu eng, aber sachgerecht sein müssen.
Ordnet die Beklagte eine Prüfung an, ohne dass bestimmte Gründe dafür Anlass
geben, dann muss sie in den Gründen der Anordnung darlegen, dass solche
Regeln bestehen und sich die konkrete Prüfungsanordnung unter diese Regeln
subsumieren lässt. Beruht die Anordnung dagegen auf einem bestimmten Anlass,
kommt es auf die Verwaltungspraxis zu den Routineprüfungen nicht an. In diesem
Fall muss aus der Begründung vielmehr hervorgehen, um welche Umstände es
sich handelt. Die darauf basierende Ermessensentscheidung ist in diesem Fall nur
dann rechtmäßig, wenn die zum Anlass der Prüfung genommenen Umstände
tatsächlich vorliegen und wenn sie die Anordnung einer Sonder- oder
Anlassprüfung im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu
rechtfertigen geeignet sind. Je nach der Begründung, die die Beklagte für ihre
Anordnung wählt, unterscheidet sich das Programm, anhand dessen das Gericht
die Rechtmäßigkeit zu überprüfen hat. Entscheidet sich die Beklagte im Rahmen
ihres Ermessens für eine Anlassprüfung, so hat das Gericht zu prüfen, ob
hinreichende Gründe für eine Anlassprüfung vorliegen. Sofern dies nicht der Fall
ist, muss es die Anordnung aufheben, auch wenn sie sich möglicherweise als
Routineprüfung rechtfertigen ließe. Denn das Gericht ist nicht befugt, das
Ermessen der Behörde durch eigenes Ermessen zu ersetzen. Die Behörde hat es
freilich auch in der Hand, ihre Anordnung sowohl als Anlassprüfung als auch als
Routineprüfung zu rechtfertigen. Nur dann muss das Gericht die
Prüfungsanordnung unter beiden Aspekten prüfen.
Im vorliegenden Fall hat die Beklagte, insbesondere auch auf ausdrückliche
Nachfrage des Gerichts, mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die
streitgegenständliche Anordnung zwar auch als Routineprüfung gerechtfertigt
werden , dass sie aber eine derartige Begründung gerade nicht vornimmt,
sondern die Prüfung darauf stützt, dass besondere Umstände dazu Anlass
gegeben haben. Das Gericht ist deshalb darauf beschränkt, nachzuprüfen, ob die
insoweit geltend gemachten Umstände die Anordnung einer anlassbezogenen
Geschäftsprüfung tatsächlich rechtfertigen oder nicht.
Soweit sich die Beklagte in der angefochtenen Anordnung und in dem
Widerspruchsbescheid sowie auch in ihrer Klageerwiderung sehr ausführlich mit
den aus ihrer Sicht in den Prüfungsberichten 2005 bis 2006 enthaltenen Mängeln
auseinandersetzt und in diesen Mängeln einen ausreichenden Anlass für eine
Geschäftsprüfung sieht, vermag das Gericht dies nicht nachzuvollziehen. Die
Beklagte hat selbst bekundet, dass sie an der Richtigkeit und Vollständigkeit der
Prüfungsberichte keine Zweifel hegt. Sie ist also davon überzeugt, dass die in den
besagten Prüfberichten genannten Mängel tatsächlich vorliegen. Es ist deshalb
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besagten Prüfberichten genannten Mängel tatsächlich vorliegen. Es ist deshalb
nicht zu erkennen, inwiefern die Prüfberichte insoweit noch Anlass für eine eigene
Geschäftsprüfung geben sollen. Es gibt keinen Anlass, sich Kenntnis über
Umstände zu verschaffen, die man schon kennt.
Anlass zu einer eigenen Prüfung bietet dagegen der im Widerspruchsbescheid
ergänzend angeführte Prüfbericht 2007, und zwar gerade deshalb, weil die darin
getroffenen Feststellungen von der Klägerin bestritten werden. Das ist ein
hinreichender Anlass für die Beklagte, sich selbst ein Bild zu machen.
Ein weiterer Anlass zu einer Geschäftsprüfung ergibt sich daraus, dass zum einen
in den Jahresprüfberichten festgestellt worden ist, dass die erforderlichen
Arbeitsanweisungen dokumentiert sind, andererseits aber die Vorstandsmitglieder
in dem Aufsichtsgespräch am 07.02.2007 bekundet haben sollen, der
Genossenschaftsverband Bayern und die Beklagte seien die „natürlichen Feinde“
der Klägerin und es handele sich bei den schriftlichen Dokumentationen um
„Potemkin’sche Akten und Schränke“, die nur zu Zwecken der Aufsicht
vorgehalten würden. Eine solche Äußerung von Bankvorständen ist geeignet, den
Verdacht zu stützen, dass in der tatsächlichen Praxis nicht nach den
dokumentierten Arbeitsanweisungen verfahren werde, wobei es gänzlich
unerheblich ist, ob die betreffenden Bemerkungen innerhalb des eigentlichen
Aufsichtsgesprächs, davor oder danach oder in gänzlich anderer Situation gefallen
sind. Diesem Verdacht kann im Wege einer Geschäftsprüfung nachgegangen
werden. Die Geschäftsprüfung vor Ort ist auch geeignet, den fraglichen
Sachverhalt aufzuklären, weil die Arbeitsanweisungen mit den schriftlichen
Unterlagen zu den einzelnen Bankgeschäften abgeglichen werden können und sich
daraus durchaus die Möglichkeit einer Abweichung der Praxis von der Vorgabe
ergeben kann.
Der Bericht über den Verlauf des Aufsichtsgesprächs, den die
Behördenbediensteten angefertigt haben, rechtfertigt eine entsprechende
Anlassprüfung auch dann, wenn die darin enthaltenen Behauptungen falsch sein
sollten. Deshalb muss das Gericht dem Wahrheitsgehalt nicht weiter nachgehen.
Denn allein die Tatsache, dass der Bericht in der Welt ist und die entsprechende
Vermutung stützt, rechtfertigt die Nachprüfung, ob die Vermutung berechtigt ist
oder nicht. Sollten die Aussagen der Behördenbediensteten über die angeblichen
Äußerungen zu den „natürlichen Feinden“ und den „Potemkin’schen Akten und
Schränken“ nicht der Wahrheit entsprechen, würde es sich bei diesen Aussagen
um Verleumdungen handeln, die einen Straftatbestand (§ 187 StGB) und den
Tatbestand einer unerlaubten Handlung (§ 824 BGB) erfüllen. Für einen Schaden,
der dem Verleumdeten daraus entsteht – ein solcher Schaden kann auch in den
Kosten einer dadurch provozierten Anlassprüfung bestehen –, könnten die
Bediensteten entweder persönlich oder/und ihre Dienstherrn (Art. 34 GG) haftbar
gemacht werden. Die Rechtmäßigkeit der Anlassprüfung bleibt davon aber
unberührt.
Die Prüfungsanordnung ist auch mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip vereinbar.
Weder der Umstand, dass es sich bei der Klägerin um eine Genossenschaftsbank
handelt, noch der Umstand, dass es sich um eine sehr kleine Bank handelt, oder
der, dass sie einer Sicherungseinrichtung angehört, die für einen eventuellen
Ausfall der Bank problemlos aufkommen kann, noch die Summe dieser
Eigenschaften verbieten es, eine anlassbezogene Geschäftsprüfung vorzunehmen.
Das Gesetz kennt insoweit keine Privilegierungsregeln. Etwas anderes ergibt sich
auch nicht aus § 26 Abs. 1 Satz 4 KWG, wonach die Abschlussprüfer von
Kreditinstituten, die einem genossenschaftlichen Prüfungsverband angehören oder
durch die Prüfstelle eines Sparkassen- und Giroverbandes geprüft werden, im
Gegensatz zu den Abschlussprüfern anderer Kreditinstitute den
Jahresprüfungsbericht nicht unverzüglich nach Beendigung der Prüfung der
Beklagten und der Deutschen Bundesbank vorzulegen haben, sondern nur auf
Anforderung und auch nur der Deutschen Bundesbank. Abgesehen davon, dass
die Sinnhaftigkeit dieser Bevorzugung in der Literatur durchaus in Frage gestellt
wird (Boos/Fischer/Schulte-Mattler, KWG, 3. Auf. 2008 § 26 Rn 57), geht sie
jedenfalls nicht über das hinaus, was in § 26 Abs. 1 Satz 4 KWG geregelt ist. Sie
impliziert insbesondere keine weitergehende Privilegierung dahin, von Prüfungen
nach § 44 Abs. 1 Satz 2 KWG verschont zu bleiben. Das private Prüfungsrecht des
Genossenschaftsverbandes verdrängt das Prüfungsrecht der Beklagten
grundsätzlich nicht.
Auch kleine und nicht systemrelevante Banken unterliegen dem Prüfungsrecht der
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Auch kleine und nicht systemrelevante Banken unterliegen dem Prüfungsrecht der
Beklagten. Das Gesetz kennt insoweit keine Ausnahmen. Auch nicht-
systemrelevante Banken können durch ihr Verhalten Verbraucherinteressen
gefährden. Deshalb gibt es auch keinen Grund, die Bankenaufsicht, der diese
Banken unterliegen, irgendwie einzuschränken. Es darf auch nicht außer Betracht
bleiben, dass es nicht nur kleine und für sich allein auch systemirrelevante
Bank gibt, sondern deren viele. Würde man die Bankenaufsicht über alle diese
Institute mindern, so gäbe es einen kompletten Sektor des Kreditwesens, der
gleichsam im Schatten der Bankenaufsicht läge, obwohl er in seiner Gesamtheit
durchaus auch ein Gefahrenpotential birgt, der ein staatliches Aufsichtsregime
rechtfertigen kann. Es darf in diesem Zusammenhang auch nicht unberücksichtigt
bleiben, dass der Gesetzgeber dadurch, dass er mit der 6. KWG-Novelle 1997 auch
die Finanzdienstleistungsinstitute unter Aufsicht gestellt hat, deutlich gezeigt hat,
dass er auch kleinere und nicht systemrelevante Akteure der staatlichen Aufsicht
unterstellen will. Dass die Zugehörigkeit zu einem Einlagensicherungsfonds der
umfassenden Ausübung der Bankenaufsicht nicht entgegensteht, folgt schon
daraus, dass alle Banken einem solchen Fonds angehören und es der
Gesetzgeber offenbar dennoch für geboten erachtet hat, alle Banken der
Bankenaufsicht nach dem KWG zu unterwerfen.
Das Arsenal der anderen Aufsichtsinstrumente des KWG stellt kein milderes, aber
gleich effizientes Mittel zur Verfügung, um den Sachverhalt zu klären. Die
Einforderung, Entgegennahme und Kenntnisnahme der nach § 25 KWG
vorzulegenden Monatsausweise und weiterer Angaben sowie der nach § 26 KWG
vorzulegenden Jahresabschlüsse und Prüfungsberichte und die Anforderung von
Auskünften und Unterlagen nach § 44 Abs. 1 Satz 1 KWG würde keinen Aufschluss
versprechen, weil das Wesen „Potemkin’scher Akten und Schränken“ ja gerade
darin besteht, eine saubere Aktenlage herzustellen, die aber nicht der Wirklichkeit
entspricht. Die Bestimmung bestimmter Inhalte der Jahresabschlussprüfung nach
§ 30 KWG ist schon deshalb kein gleich effizientes Mittel, weil es der Beklagten
nicht zugemutet werden kann, erst den nächsten Jahresprüfbericht abzuwarten,
um den äußerst schwerwiegenden Verdacht einer massiven Täuschung
aufzuklären.
Der Prüfungsgegenstand ist hinreichend eindeutig bestimmt. Die Prüfung soll die
Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsorganisation des Kreditgeschäftes gemäß § 25a
Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 KWG umfassen, also das in dieser Norm näher beschriebene
angemessene Risikomanagement, und ob die tatsächliche Handhabung des
Kreditgeschäfts den formalen Organisationsvorgaben entspricht.
Die Beauftragung der Deutschen Bundesbank unter Absehung von Erwägungen,
ob nicht stattdessen andere Institutionen mit der Prüfung beauftragt werden
sollten, entspricht dem Gesetz. Die Prüfung hat nicht nur, aber auch das
Risikosteuerungsverfahren der Klägerin zum Gegenstand. Prüfungen zur
Beurteilung der Risikosteuerungsverfahren fallen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 und 3 KWG
in die Zuständigkeit der Deutschen Bundesbank, ohne dass es insoweit noch ein
Auswahlermessen der Beklagten gäbe.
Der Umstand, dass die angefochtene Anordnung keinerlei Regelungen über die
Prüfungsdauer und die Zahl der Prüfer trifft, noch sonst wie einen bestimmten
Kostenrahmen festsetzt, steht ihrer Rechtmäßigkeit nicht entgegen. Derartige
Regelungen muss eine Prüfungsanordnung nämlich nicht enthalten. Es gibt keine
gesetzliche Regelung, die das fordert. Es wäre auch nicht sachgerecht, weil der
Prüfungsaufwand in zeitlicher und personeller Hinsicht von den jeweils vorliegenden
Prüfungsverhältnissen abhängt, die im Vorhinein unbekannt sind, also etwa von
der Aufbereitung der Unterlagen durch die Klägerin und der
Kooperationsbereitschaft ihres Personals während der Prüfung. Für die Klägerin
entsteht daraus kein Schaden. Sie kann die Unangemessenheit der Prüfungsdauer
oder des Personaleinsatzes im Rahmen der Anfechtung des Kostenbescheides
geltend machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Berufungszulassungsgründe des § 124
Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 S. 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.