Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 13.01.2010

VG Frankfurt: anteil, erstellung, klagerücknahme, vollstreckung, informationstechnik, einzelrichter, sicherheitsleistung, finanzen, leiter, ergänzung

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Gericht:
VG Frankfurt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 K 1394/09.F
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 18 Abs 6 BGleiG, § 18 Abs 5
BGleiG
Anspruch auf fiktive Nachzeichnung bei Freistellung von
der dienstlichen Tätigkeit zu 50 v.H.
Leitsatz
Gleichstellungsbeauftragte; fiktive Nachzeichnung; Aufgabenbeschreibung
Tenor
Im Umfang der Klagerücknahme wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist Beamtin im Dienst der Beklagten. Bis zum 30.Juni 2008 versah sie
ihren Dienst beim Zollfandungsamt X als Sachbearbeiterin/Ermittlungsbeamtin im
Sachgebiet Informationsgewinnung. Auf diesem Dienstposten wurde sie am 22.
Dezember 2006 zur Zolloberinspektorin ernannt. Im Zeitraum vom 1. Juni 2006 bis
zum 30. Juni 2008 übte sie zugleich die Funktion der Gleichstellungsbeauftragten
aus. Sie war im Hinblick darauf mit einem Anteil von 50 v. H. der regelmäßigen
Arbeitszeit von 41 Wochenstunden von der Wahrnehmung ihrer originären
dienstlichen Aufgaben freigestellt. Seit dem 1. Juli 2008 ist die Klägerin beim
Zentrum für Informationsverarbeitung und Informationstechnik in X tätig.
Der Leiter des Zollfandungsamtes X erstellte für die Klägerin die letzte
Regelbeurteilung zum Beurteilungsstichtag 31. Januar 2007 (Beurteilungszeitraum
1. März 2006 bis 31. Januar 2007) am 15. Mai 2007. In der Beurteilung wird
nachrichtlich darauf hingewiesen, dass die Klägerin seit dem 1. Juni 2006 als
Gleichstellungsbeauftragte fungiert mit einer Freistellung von 50 %. Die
Beurteilung schließt mit der Gesamtwertung „entspricht den Anforderungen“. Für
den Beurteilungszeitraum 2. Januar 2007 bis 30. Juni 2008, dem Zeitpunkt des
Ausscheidens der Klägerin aus dem Zollfandungsamt X, erstellte die zuständige
Beurteilerin des Zollfandungsamtes am 18. November 2008 einen
Beurteilungsbeitrag, in dem ebenfalls auf den Umstand hingewiesen wird, dass die
Klägerin als Gleichstellungsbeauftragte beim Zollfandungsamt X tätig ist mit einer
Freistellung im Umfang von 50 %. Eine Gesamtwertung enthält der
Beurteilungsbeitrag nicht.
Die Klägerin begehrte bei ihrer neuen Dienststelle, ihr eine fiktive Nachzeichnung
gemäß § 18 Abs. 5 BGleiG sowie eine Aufgabenbeschreibung gemäß § 18 Abs. 6
BGleiG zukommen zu lassen. Die Dienststelle leitete dieses Begehren an das
Zollfandungsamt X weiter, welches das Begehren der Klägerin mit Bescheid vom
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Zollfandungsamt X weiter, welches das Begehren der Klägerin mit Bescheid vom
06. November 2008 ablehnte. Der Anteil der dienstlichen Tätigkeiten der Klägerin
sei auch unter Berücksichtigung der Freistellung nicht so gering gewesen, dass
eine sachgerechte Beurteilung dieser Tätigkeiten nicht möglich gewesen sei; eine
Beurteilung ihrer dienstlichen Leistungen sei mithin möglich gewesen. Darum
könne die Klägerin auch keine Aufgabenbeschreibung beanspruchen.
Die Klägerin erhob hiergegen am 21. November 2008 bei der Leitung des
Zollfandungsamtes X Widerspruch. Das Zollfandungsamt leitete den Widerspruch
sowie die Verwaltungsvorgänge an die Leitung des Zentrums für
Informationsverarbeitung und Informationstechnik weiter, da es sich für die
Entscheidung über den Widerspruch nicht mehr als zuständig ansah. Daraufhin
erhob die Klägerin Dienstaufsichtsbeschwerde, auf deren Grundlage das
Bundesministerium der Finanzen das Zollkriminalamt anwies, über den
Widerspruch der Klägerin zu entscheiden. In der Sache erachtete das Ministerium
zwar die Ausführungen im Bescheid vom 6. November 2008 zur fiktiven
Nachzeichnung als zutreffend; es wies das Zollkriminalamt jedoch an, der Klägerin
eine Aufgabenbeschreibung gemäß § 18 Abs. 6 BGleiG zukommen zu lassen.
Durch Widerspruchsbescheid vom 21. April 2009, zugestellt am 23. April 2009,
wies das Zollkriminalamt das Zollfandungsamt X an, für die Klägerin eine
Aufgabenbeschreibung für die Zeit ihrer amtlichen Tätigkeit als
Gleichstellungsbeauftragte des Zollfandungsamtes X zu erstellen. Im Übrigen wies
es den Widerspruch zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf die Ausführungen im
Widerspruchsbescheid (Bl. 9 ff. der Verwaltungsvorgänge – Beiakte I) Bezug
genommen.
Die Klägerin hat am 22. Mai 2009 Klage erhoben. Sie vertritt die Auffassung, einen
Anspruch auf eine fiktive Nachzeichnung für die Zeit ihrer Tätigkeit als
Gleichstellungsbeauftragte zu haben. Darüber hinaus begehrt sie eine erweiterte
Aufgabenbeschreibung gemäß § 18 Abs. 6 BGleiG. Wegen der Einzelheiten der
Begründung dieser Ansprüche wird auf die Schriftsätze der Klägerin Bezug
genommen.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheids des
Zollfahndungsamts X vom 6. November 2008 und des Widerspruchsbescheids des
Zollkriminalamts X vom 21. April 2009 zu verurteilen, für die Klägerin eine neue
Regelbeurteilung für den Zeitraum vom 1. März 2006 bis zum 31. Januar 2007 zu
erstellen und in dieser eine fiktive Nachzeichnung gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 und 2
Bundesgleichstellungsgesetz vorzunehmen;
2. die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Widerspruchsbescheids des
Zollkriminalamts X vom 21. April 2009 zu verurteilen, für die Klägerin eine neue
Aufgabenbeschreibung gemäß § 18 Abs. 6 BGleiG unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts zu erstellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf die Ausführungen in den angefochtenen
Bescheiden. Insbesondere bestätigt sie, dass der Beurteilungsbeitrag vom 18.
November 2008 bei der nächsten dienstlichen Beurteilung zum Stichtag 31. Januar
2010 berücksichtigt werde.
Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 2. November 2009 dem
Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Mehrere geheftete Verwaltungsvorgänge sowie die die Klägerin betreffende
Personalakte wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Zur
Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die genannten Unterlagen sowie
auf die Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Soweit die Klägerin ihr mit dem Antrag zu 1. verfolgtes Begehren neben der
Anfechtung der gegen sie erlassenen Bescheide dahingehend beschränkt hat, die
Beklagte nur noch zur Erstellung einer neuen Regelbeurteilung für den Zeitraum 1.
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Beklagte nur noch zur Erstellung einer neuen Regelbeurteilung für den Zeitraum 1.
März 2006 bis 31. Januar 2007 zu verurteilen, ist dies als konkludente
Klagerücknahme in Bezug auf das Begehren anzusehen, einen erneuten
Beurteilungsbeitrag für den Zeitraum 1. Februar 2007 bis 30. Juni 2008 zu
erstellen. Insoweit ist das Verfahren mit der Kostenfolge aus § 155 Abs. 2 VwGO
einzustellen. Im Übrigen hätte die Klage insoweit aber auch keinen Erfolg haben
können, da der Beurteilungsbeitrag keine eigenständige Sachentscheidung
darstellt, die mit einem verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelf selbständig
angefochten werden könnte. Vielmehr handelt es sich um eine unselbstständige
Verfahrenshandlung (§ 44a VwGO), da der Beurteilungsbeitrag Eingang in die noch
zu erstellende dienstliche Beurteilung für den Beurteilungsstichtag 31. Januar 2010
finden wird. Soweit sich die Klägerin gegen Aussagen des Beurteilungsbeitrags
wenden will, stehen ihr folglich die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die künftige
dienstliche Beurteilung zur Verfügung.
Der Antrag zu 1. ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig, hat
in der Sache jedoch keinen Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine fiktive
Nachzeichnung gemäß § 18 Abs. 5 BGleiG, sodass sich die angefochtenen
Bescheid insoweit als rechtmäßig erweisen und die Klägerin nicht in ihren Rechten
verletzen.
Zur Begründung kann weitgehend auf die Ausführungen in den angefochtenen
Bescheiden Bezug genommen und hier insoweit von einer weiteren Darstellung
der Entscheidungsgründe abgesehen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO); der
Einzelrichter teilt die rechtliche Einschätzung der Beklagten und folgt der im
Widerspruchsbescheid dargelegten Begründung. Es ist rechtlich nicht zu
beanstanden, wie die Beklagte bei der dienstlichen Beurteilung für eine teilweise
freigestellte Gleichstellungsbeauftragte die Notwendigkeit einer fiktiven
Nachzeichnung von den Erkenntnismöglichkeiten in Bezug auf die verbliebenen
dienstlichen Tätigkeiten abhängig zu machen und bei der Beurteilung der Frage,
ob der Anteil der dienstlichen Tätigkeiten so weit abgesunken ist, dass eine
sachgerechte Beurteilung dieser Tätigkeiten nicht mehr möglich erscheint, die
Grundsätze heranzuziehen, die in der Bundesverwaltung für die Berücksichtigung
von Freistellungen von Personalratsmitglieder gelten (Rundschreiben des
Bundesministeriums des Innern vom 12.03.2002; vgl. Widerspruchsbescheid,
Umdruck Seite 5). Zu Recht hat die Beklagte im Hinblick darauf festgestellt, dass
eine fiktive Nachzeichnung im Fall der Klägerin nicht in Betracht kommt, da sie
neben ihrer Freistellung ihre originären dienstlichen Tätigkeiten noch in einem
Umfang von mehr als 25 v. H. der Arbeitszeit ausübte. Es ist rechtlich nicht zu
beanstanden, wenn die Beklagte erst dann eine fiktive Nachzeichnung als geboten
erachtet, wenn der Anteil der verbliebenen dienstlichen Aufgaben weniger als 25 v.
H. beträgt. Der Umfang der der Klägerin verbliebenen originären Tätigkeiten (50 v.
H.) ermöglichte in jedem Fall eine sachgerechte Beurteilung.
Die in dem genannten Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern
aufgeführten Grundsätze konkretisieren in zulässiger Weise die Voraussetzungen
für die im Hinblick auf die Entlastung der Gleichstellungsbeauftragten nach § 18
Abs. 2 BGleiG zur Vermeidung von Benachteiligungen gebotene fiktive
Nachzeichnung (§ 18 Abs. 5 S. 1, 2 BGleiG). Die von der Klägerin in diesem
Verfahren hiergegen vorgebrachten Einwände überzeugen nicht. Im
Ausgangspunkt trifft es zwar zu, dass sich die Zielrichtung der Tätigkeit der
Gleichstellungsbeauftragten von derjenigen der Mitglieder der
Personalvertretungen oder anderer Interessenvertretungen der Beschäftigten
unterscheidet, da die Gleichstellungsbeauftragte der Personalverwaltung angehört
und jedenfalls nicht primär als Interessenvertreterin fungiert (§ 18 Abs. 1 BGleiG).
Darauf kommt es jedoch für die Notwendigkeit einer fiktiven Nachzeichnung im
Zusammenhang mit der Erstellung dienstlicher Beurteilungen nicht an.
Maßgebend kann hierfür nur sein, ob der Gleichstellungsbeauftragten Tätigkeiten
in einem Umfang verblieben sind, die eine sachgerechte Beurteilung unabhängig
von der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Gleichstellungsbeauftragte ermöglichen,
die ihrerseits nicht Gegenstand einer dienstlichen Beurteilung sein dürfen.
Folglich kann es allein auf den Umfang der Freistellung von der dienstlichen
Tätigkeit ankommen. Die fiktive Nachzeichnung soll nämlich eine Benachteiligung
der Gleichstellungsbeauftragten bei ihrer beruflichen Entwicklung verhindern (§ 18
Abs. 5 S. 1, 2 BGleiG), die dadurch eintreten könnte, dass infolge des Umfangs der
Freistellung eine sachgerechte dienstliche Beurteilung nicht mehr möglich
erscheint und die Gleichstellungsbeauftragte darum gegenüber den anderen
Beschäftigten nicht über zeitlich lückenlose dienstliche Beurteilungen verfügte.
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Beschäftigten nicht über zeitlich lückenlose dienstliche Beurteilungen verfügte.
Mithin ist eine fiktive Nachzeichnung nur dann geboten, wenn anders
Beurteilungslücken entstünden. Dies ist angesichts des Umfangs der der Klägerin
verbliebenen originären dienstlichen Tätigkeiten nicht der Fall; hinsichtlich dieser
Tätigkeiten ist die Erstellung einer sachgerechten dienstlichen Beurteilung
vielmehr möglich.
Es ist rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Beklagte eine fiktive Nachzeichnung
nur für geboten erachtet, wenn der Anteil der verbliebenen Dienstaufgaben
weniger als 25 v. H. der Arbeitszeit beträgt. Auch Dienstaufgaben in einem
solchermaßen begrenzten Umfang lassen hinreichend repräsentative
Qualifikationsfeststellungen zu. Im Bereich der Personalvertretungen fehlt es an
der für eine dienstliche Beurteilung notwendigen Repräsentativität grundsätzlich
erst dann, wenn der Umfang der noch verbliebenen Dienstaufgaben weniger als 15
v. H. einer Vollzeitstelle ausmacht (BAG, Urt. v. 19.03.2003, PersR 2004, 272, 273
ff.; Urt. v. 19.08.1992, PersR 1993, 85, 86). Dieser Maßstab kann auch für die
fiktive Nachzeichnung nach § 18 Abs. 5 entsprechend herangezogen werden, da
eine spezielle Regelung im BGleiG fehlt, ohne dass eine bewusste Regelungslücke
angenommen werden könnte, und die Interessenlage vergleichbar ist. Die Praxis
der Beklagten bleibt oberhalb dieser Grenze, sodass auch unter diesem
Gesichtspunkt rechtliche Bedenken nicht bestehen.
Auch das mit dem Antrag zu 2. verfolgte Begehren hat in der Sache keinen Erfolg.
Die Klägerin hat zwar gegenüber der Beklagten auf entsprechenden Antrag einen
Anspruch auf Erteilung einer Aufgabenbeschreibung (§ 18 Abs. 6 BGleiG). Diesen
Anspruch hat die Beklagte jedoch in Gestalt der Aufgabenbeschreibung erfüllt, die
das Zollfandungsamt X der Klägerin zuleitete. Es ist nicht einmal im Ansatz
ersichtlich, dass diese Aufgabenbeschreibung unvollständig oder fehlerhaft wäre.
Die Klägerin hat insoweit nur abstrakt vorgetragen, einen Anspruch auf eine
weitergehende Aufgabenbeschreibung zu haben. Sie hat hingegen in keiner Weise
substantiiert angegeben, welche Aufgaben, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit als
Gleichstellungsbeauftragte erfüllte, in der Aufgabenbeschreibung womöglich nicht
aufgeführt sind oder welche Aufgaben dort womöglich nur unzureichend
wiedergegeben werden. Entsprechende Angaben kann nur die Klägerin machen;
fehlen sie, ist für die Kammer keine Möglichkeit der Nachprüfung und auch kein
Anlass zu weiterer Klärung des Sachverhalts gegeben. Folglich besteht aber auch
kein Anlass, die Vollständigkeit und Richtigkeit der Aufgabenbeschreibung in
Zweifel zu ziehen.
Als unterliegende Beteiligte hat, soweit über das Begehren entschieden wird, die
Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.