Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 29.09.2006

VG Frankfurt: hessen, öffentliche sicherheit, bayern, verfügung, aufschiebende wirkung, veranstaltung, eugh, werbung, beschränkung, vermarktung

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Gericht:
VG Frankfurt 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 G 3182/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
Art 49 EG, Art 12 Abs 1 GG, §
11 SOG HE, § 1 Abs 5
SportWettG HE 1998, § 1 Abs
1 SportWettG HE 1998
(Verfassungs- und Europarechtskonformität des
Sportwettenvermittlungsverbots)
Leitsatz
Einem Verbot des Vermittelns von Sportwetten stehen weder verfassungs- noch
europarechtliche Gründe entgegen.
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Antragsteller seinen Antrag
zurückgenommen hat.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf € 7.500,00 festgesetzt.
Gründe
Das Verfahren ist gemäß § 92 Abs. 1 VwGO analog einzustellen, soweit der
Antragsteller seinen die Gebührenentscheidung betreffenden Antrag
zurückgenommen hat.
Der im Übrigen aufrecht erhaltene Antrag des Antragstellers, die aufschiebende
Wirkung seines Widerspruchs vom 15.8.2006 gegen den Bescheid der
Antragsgegnerin vom 8.8.2006 betreffend Nr. 1 wieder herzustellen bzw.
betreffend Nr. 4 anzuordnen, ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung in dem Bescheid der Antragsgegnerin
vom 8.8.2006 genügt den Begründungsanforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Auf
S. 9 bis 11 des Bescheids hat die Antragsgegnerin ausführlich dargelegt, aus
welchen Gründen sie die Anordnung der sofortigen Vollziehung für geboten
erachtet. Damit ist dem Begründungserfordernis in vollem Umfang Rechnung
getragen worden. Gegen die Rechtmäßigkeit des Untersagungsbescheides der
Antragsgegnerin vom 08.08.2006 bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
Vorliegend überwiegt das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung die
durch die Verfügung berührten privaten Belange des Antragstellers. Weder
verfassungs- noch europarechtliche Gründe stehen dem entgegen. Es bedarf im
Rahmen dieses Eilverfahrens keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob die
Antragsgegnerin ihre Untersagungsverfügung zutreffend auf § 12 des
Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland vom 18.12.2003 gestützt hat.
Als Reaktion auf die diese Frage betreffende Anfrage des Berichterstatters vom
6.9.2006 hat die Antragsgegnerin ihre Untersagungsverfügung ergänzend auch
auf § 11 HSOG gegründet. Hierin liegt kein unzulässiger Austausch der
Befugnisnorm, sondern eine zulässige und sachgerechte Klarstellung. Dies gilt
umso mehr, als die Antragsgegnerin in ihrer Verfügung ohnehin auf Normen des
HSOG Bezug genommen hat.
Die Voraussetzungen für ein polizeiliches Einschreiten nach § 11 HSOG liegen nach
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Die Voraussetzungen für ein polizeiliches Einschreiten nach § 11 HSOG liegen nach
dem gegenwärtigen vorläufigen Sach- und Streitstand vor. Von der vom
Antragsteller ohne entsprechende Erlaubnis betriebenen gewerblichen Vermittlung
von Sportwetten geht eine i.S. des § 11 HSOG konkrete und gegenwärtige Gefahr
für die öffentliche Sicherheit und Ordnung aus, der es mit den Mitteln des
Polizeirechts zu begegnen gilt. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand ist
davon auszugehen, dass die rechtliche Bewertung der Antragsgegnerin, der
Antragsteller verstoße mit seiner Vermittlung von Sportwetten gegen § 284 StGB,
aller Voraussicht nach weder in dem vom Antragsteller angestrengten
Widerspruchs- noch in einem sich gegebenenfalls anschließenden Klageverfahren
ernsthaft erschüttert werden könnte. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem
Urteil vom 21.6.2006 (6 C 19/06) ausdrücklich klargestellt, dass das gewerbliche
Veranstalten von Sportwetten durch private Wettunternehmen und die Vermittlung
derartiger Wetten, die nicht vom Freistaat Bayern veranstaltet werden, nach
geltender Rechtslage in Bayern ordnungsrechtlich unterbunden werden dürfen, da
dem strafrechtlichen Glücksspielverbot des § 284 StGB zuwidergehandelt wird (vgl.
auch BVerwG, Urteil vom 28.3.2001 - 6 C 2.01, BVerwGE 114, 92 ff.).
Entsprechendes gilt für das Land Hessen. Der Antragsteller verstößt gegen § 284
StGB, da er nicht im Besitz einer Erlaubnis u.a. zum Veranstalten und Vermitteln
von Sportwetten ist.
In einem gleich gelagerten Fall, hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit
Beschluss vom 25.7.2006 (11 TG 1465/06; vgl. ferner Hess. VGH, Beschluss vom
14.09.2006 - 11 TG 1653/06) grundsätzlich ausgeführt:„Die in Nummern 1. und 2.
der Verfügung getroffenen Anordnungen finden ihre Rechtsgrundlage in § 11
HSOG. Eine mit ordnungsbehördlichen Mitteln abwendbare Gefahr für die
öffentliche Sicherheit liegt, wie die Behörde zu Recht angenommen hat, darin
begründet, dass der Antragsteller mit der Vermittlung von Sportwetten für die in
Österreich ansässige Firma W. den Straftatbestand gemäß § 284 Abs. 1 StGB
erfüllt, der neben dem öffentlichen Veranstalten oder Halten eines Glücksspiels
auch die Bereitstellung von Einrichtungen hierfür unter Strafe stellt.
Bei Oddset-Sportwetten der vom Antragsteller vermittelten Art handelt es sich um
Glücksspiel im Sinne von § 284 Abs. 1 StGB, weil hier über den Ausgang des
Wettbewerbs (Sieg, Niederlage, Unentschieden) hinaus das genaue Endergebnis
oder aber Einzelereignisse während des Wettkampfes getippt oder die
Gewinnquote durch ein Handicap gesteigert werden kann. Für ein solches
Glücksspiel werden, wenn dieses - wie im vorliegenden Fall - ohne Erlaubnis
betrieben wird, im Sinne der oben genannten Tatbestandsalternative des § 284
Abs. 1 StGB Einrichtungen zur Verfügung gestellt, wenn - wie hier - in einem
Wettbüro, in dem der Abschluss von Oddset-Sportwetten für einen ausländischen
Veranstalter vermittelt wird, Tische, Fachzeitschriften, Fernsehgeräte, Computer
o.ä. zur Information über das Sportgeschehen zur Verfügung gestellt werden. §
284 Abs. 1 StGB greift dabei ungeachtet des Umstandes ein, dass der
Antragsteller für seine Tätigkeit eine Erlaubnis der zuständigen Behörde wegen des
bestehenden staatlichen Sportwettenmonopols nach § 1 Abs. 1, Abs. 5
Spw/LottoG überhaupt nicht erhalten kann. Bereits die Verwirklichung des
Straftatbestandes nach § 284 Abs. 1 StGB stellt eine Störung der öffentlichen
Sicherheit im Sinne der polizeilichen Generalklausel nach § 11 HSOG dar,
unabhängig davon, ob die weiteren Voraussetzungen für die Strafbarkeit des
Antragstellers und die Bedingungen seiner Strafverfolgung gegeben sind (vgl. zum
Vorstehenden: Beschluss des Senats vom 27. Oktober 2004 - 11 TG 2096/04 -,
NVwZ 2005, 99 [101], mit weiteren Nachweisen). An der vorstehend dargestellten
Rechtsauffassung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der mit der
Beschwerde nochmals bekräftigten gegenteiligen Ansicht des Antragstellers fest.
Die Anwendung der Strafbestimmung gemäß § 284 Abs. 1 StGB zur Unterbindung
einer dem geltenden Monopol des Landes Hessen zur Veranstaltung von
Sportwetten widersprechenden gewerblichen Vermittlung von Oddset-Sportwetten
für einen ausländischen Veranstalter verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.
Insbesondere greift diese Rechtsanwendung nicht in einer mit Art. 12 Abs. 1 GG
unvereinbaren Weise in die Berufsfreiheit des Antragstellers ein. Zwar ist das in § 1
Abs. 1, Abs. 5 Spw/LottoG normierte staatliche Sportwettenmonopol - wie sich aus
den vom Bundesverfassungsgericht in seinem Grundsatzurteil vom 28. März 2006
- 1 BvR 1054/01 -, NJW 2006, 1261 ff. zum bayerischen Staatslotteriegesetz vom
29. April 1999 aufgestellten Grundsätzen ergibt - in seiner jetzigen Ausgestaltung
mit der Grundrechtsgewährleistung gemäß Artikel 12 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
Ungeachtet dessen sind die vorgenannten Regelungen mit Rücksicht auf die dem
Freisaat Bayern bzw. dem Bundesgesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht im
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Freisaat Bayern bzw. dem Bundesgesetzgeber vom Bundesverfassungsgericht im
oben genannten Urteil zur Herstellung eines verfassungskonformen Zustandes
eingeräumten entsprechenden Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2007 weiter
anwendbar. Nach den Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts im Urteil
vom 28. März 2006 ist das bayerische Staatslotteriegesetz vor dem Hintergrund
von § 284 StGB insoweit mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar, als es das
Veranstalten von Sportwetten dem Freistaat Bayern und deren Durchführung der
staatlichen Lotterieverwaltung oder von dieser konzessionierten Unternehmen
vorbehält, ohne zugleich hinreichende gesetzliche Regelungen zur materiellen und
strukturellen Sicherung der Erreichung der damit verfolgten Ziele zu schaffen,
insbesondere zur Ausrichtung des Angebots an der Begrenzung und Bekämpfung
von Wettsucht und problematischem Spielverhalten. Auch die - hier in Frage
stehende - Beschränkung der Vermittlung von Sportwetten sei deshalb nicht mit
Art. 12 Abs. 1 GG zu vereinbaren. Sowohl das Veranstalten als auch das
Vermitteln von Sportwetten erfülle - so das Bundesverfassungsgericht in dem
vorgenannten Urteil - die Merkmale der von Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten
Freiheit der Berufswahl. Bei diesen Tätigkeiten handele es sich nicht um solche, die
schon ihrem Wesen nach als verboten anzusehen seien, weil sie aufgrund ihrer
sozial- und gemeinschaftsschädlichen Auswirkungen schlechthin nicht am Schutz
durch das Grundrecht der Berufsfreiheit teilhaben könnten. Ebenso wenig handele
es sich beim Veranstalten und Vermitteln von Sportwetten um eine Betätigung,
die von vornherein nur der öffentlichen Hand zugänglich und ihr vorbehalten sei.
Der vorliegende Eingriff in die Freiheit der Berufswahl des gewerblichen Vermittlers
von Sportwetten sei angesichts der gegenwärtigen Ausgestaltung des Monopols in
Bayern verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt. Allerdings lägen dem in Bayern
bestehenden staatlichen Wettmonopol legitime Gemeinwohlsziele zu Grunde,
nämlich die Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht, der Schutz der Spieler vor
betrügerischen Machenschaften und vor irreführender Werbung sowie die Abwehr
von Gefahren aus der mit dem Wetten verbundenen Folge- und Begleitkriminalität.
Nach dem gegenwärtigen Stand der Forschung stehe fest, dass auch die
Beteiligung an Sportwetten krankhaftes Suchtverhalten nach sich ziehen könne.
Der Gesetzgeber dürfe dies - insbesondere auch im Hinblick auf den Jugendschutz
- zum Anlass für Maßnahmen der Gefahrenabwehr und Suchtprävention nehmen.
Rein fiskalische Interessen des Staates schieden dagegen als solche zur
Rechtfertigung der Errichtung eines Wettmonopols aus. Eine Abschöpfung von
Mitteln der aus Glücksspielen erzielten Einnahmen sei nur als Weg zur
Bekämpfung und als Konsequenz aus einem öffentlichen Monopolsystem
gerechtfertigt, nicht dagegen als selbstständiges Ziel.
Die Errichtung eines staatlichen Wettmonopols sei grundsätzlich als geeignetes
Mittel zur Erreichung dieser legitimen Ziele zu betrachten. Der Gesetzgeber habe
auch von der Erforderlichkeit eines Wettmonopols ausgehen dürfen. Zwar könne
Verbraucher- und Jugendschutz und die Vermeidung von Folge- und
Begleitkriminalität grundsätzlich auch durch die Normierung eines durch
Genehmigungsvorbehalte beschränkten und behördlich kontrollierten gewerblichen
Wettangebots privater Unternehmen realisiert werden. Angesichts seines weiten
Beurteilungsspielraums habe der Gesetzgeber jedoch davon ausgehen dürfen,
dass mit einem auf die Bekämpfung von Sucht und problematischem
Spielverhalten ausgerichteten Wettmonopol die von ihm angestrebten legitimen
Ziele effektiver erreicht werden könnten als im Wege einer Kontrolle privater
Wettunternehmen. Ungeachtet dessen stelle das in Bayern errichtete staatliche
Wettmonopol in seiner gegenwärtigen gesetzlichen und tatsächlichen
Ausgestaltung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Berufsfreiheit dar. Das im
Rahmen des Wettmonopols eröffnete Spielwettangebot Oddset sei nicht
konsequent am Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und Bekämpfung der
Wettsucht ausgerichtet. Weder das bayerische Staatslotteriegesetz noch der auch
in Bayern geltende Lotteriestaatsvertrag enthielten ausreichende Vorgaben für
eine Verwirklichung der dem Wettmonopol zu Grunde liegenden gewichtigen
Gemeinwohlbelange. Auch § 284 StGB enthalte keine inhaltlichen Vorgaben für die
Ausgestaltung des Wettangebots. Die bestehenden Vorschriften gewährleisteten
nicht hinreichend, dass das staatlich zur Verfügung gestellte Wettangebot
konsequent in den Dienst der Gemeinwohlbelange gestellt werde und dass
angesichts des bestehenden Spannungsverhältnisses ein Konflikt zwischen den
Gemeinwohlbelangen und dem fiskalischen Interesse des Staates an der Erzielung
größtmöglicher Einkünfte aus der in eigener Regie erfolgenden Veranstaltung und
Vermittlung von Sportwetten nicht zu deren Gunsten ausfalle. Das vorhandene
Regelungsdefizit spiegele sich in der zu beobachtenden Praxis der staatlichen
Oddset-Sportwetten wider. Die Veranstaltung dieser Wette verfolge erkennbar
auch fiskalische Zwecke und sei im Vertrieb, in der Werbung und in der Prävention
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auch fiskalische Zwecke und sei im Vertrieb, in der Werbung und in der Prävention
nicht auf die aktive und konsequente Bekämpfung des Suchtverhaltens
ausgerichtet. Das tatsächliche Erscheinungsbild entspreche vielmehr dem der
wirtschaftlich effektiven Vermarktung einer grundsätzlich unbedenklichen
Freizeitbeschäftigung. Der Ausschluss anderer als der vom Freistaat Bayern
veranstalteten Wetten sei nach Art. 12 Abs. 1 GG nur dann zu rechtfertigen, wenn
das Monopol rechtlich und faktisch an legitimen Zielen, insbesondere der
Suchtbekämpfung und Begrenzung der Wettleidenschaft ausgerichtet sei. Insofern
liefen die Anforderungen des deutschen Verfassungsrechts parallel zu den vom
Europäischen Gerichtshof, vor allem im Urteil vom 6. November 2003 ,
zum Gemeinschaftsrecht formulierten Vorgaben. Die Unvereinbarkeit des in
Bayern bestehenden staatlichen Wettmonopols mit Art. 12 Abs. 1 GG führe nicht
zur Nichtigkeit der angegriffenen Rechtslage. Ein verfassungsgemäßer Zustand
könne entweder durch eine konsequent am Ziel der Suchtbekämpfung orientierte
Ausgestaltung des Wettmonopols oder durch eine gesetzlich geregelte und
kontrollierte Zulassung privater Wettunternehmer hergestellt werden. Zu einer
entsprechenden Neuregelung und zu deren Umsetzung sei der Gesetzgeber
verfassungsrechtlich verpflichtet. Erforderlich seien Regelungen betreffend Art und
Zuschnitt der Sportwetten, Vorgaben zur Beschränkung der Vermarktung und der
Werbung auf die bloße Information über Wettmöglichkeiten, der Ausgestaltung der
Vertriebswege entsprechend den Anforderungen des Spieler- und Jugendschutzes
und der über ein bloßes Bereithalten von Informationsmaterial hinausgehenden
Aufklärung über Suchtgefahren. Für die Neuregelung, die sowohl durch den
Bundes- als auch durch den Landesgesetzgeber erfolgen könne, sei eine Frist bis
zum 31. Dezember 2007 angemessen. Während der Übergangszeit bis zu einer
gesetzlichen Neuregelung bleibe die bisherige Rechtslage mit der Maßgabe
anwendbar, dass der Freistaat Bayern unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz
zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der
Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung seines Monopols
andererseits herzustellen habe. Das gewerbliche Veranstalten von Wetten durch
private Wettunternehmen und die Vermittlung von Wetten, die nicht vom Freistaat
Bayern veranstaltet würden, dürften weiterhin als verboten angesehen und
ordnungsrechtlich unterbunden werden. Ob in der Übergangszeit eine Strafbarkeit
nach § 284 StGB gegeben sei, unterliege der Entscheidung der Strafgerichte. Auch
in der Übergangszeit müsse allerdings bereits damit begonnen werden, das
bestehende Wettmonopol konsequent an einer Bekämpfung der Wettsucht und
einer Begrenzung der Wettleidenschaft auszurichten. Der Staat dürfe die
Übergangszeit nicht zu einer expansiven Vermarktung von Wetten nutzen. Daher
seien bis zu einer Neuregelung die Erweiterung des Angebots staatlicher
Wettveranstaltung sowie eine Werbung, die über sachliche Informationen zur Art
und Weise der Wettmöglichkeit hinausgehend gezielt zum Wetten auffordere,
untersagt. Ferner habe die Staatliche Lotterieverwaltung umgehend aktiv über die
Gefahren des Wettens aufzuklären. In seinem nachfolgenden, die Rechtslage unter
Geltung des Sportwettenmonopols in Baden-Württemberg betreffenden Beschluss
vom 4. Juli 2006 - 1 BvR 138/05 - (URL:
http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20060704_1bvr013805.html) hat das
Bundesverfassungsgericht die an das Verbot privater Veranstaltung und
Vermittlung von Sportwetten während der Übergangsfrist bis zum 31. Dezember
2007 zu stellenden Anforderungen dahingehend präzisiert, dass die
Rechtmäßigkeit dieser auf § 284 StGB gestützten Verfügungen von dem
unverzüglichen Beginn einer konsequenten Ausrichtung des Sportwettenmonopols
an der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht
abhängig ist.
Die vorstehend dargestellten Grundsätze sind auf den in Hessen durch das
Spw/LottoG geprägten Rechtszustand in vollem Umfange zu übertragen. Das
Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 4. Juli 2006 die von ihm
im Urteil vom 28. März 2006 zu dem bayerischen Staatslotteriegesetz
entwickelten Maßstäbe auf Baden-Württemberg wegen der vergleichbaren
Ausgestaltung des staatlichen Sportwettmonopols im dortigen
Staatslotteriegesetz angewandt und folglich auch dem Land Baden-Württemberg
aufgegeben, bis 31. Dezember 2007 einen verfassungskonformen Zustand
herzustellen und ihm die Befugnis zur Unterbindung privater Veranstaltung und
Vermittlung von Sportwetten während dieser Übergangszeit eingeräumt. Da das
Spw/LottoG zu den Staatslotteriegesetzen in Bayern und Baden-Württemberg
hinsichtlich der Ausgestaltung des staatlichen Sportwettmonopols keine
substantiellen Unterschiede aufweist, sind die von dem Bundesverfassungsgericht
in seinen Entscheidungen vom 28. März und 4. Juli 2006 aufgestellten Grundsätze
auch bezüglich des staatlichen Wettmonopols in Hessen anzuwenden (für
auch bezüglich des staatlichen Wettmonopols in Hessen anzuwenden (für
Nordrhein-Westfalen ebenso: OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Juni
2006 - 4 B 961/06 -).Gemessen an diesen Maßstäben beinhaltet die
Untersagungs- und Schließungsverfügung der Antragsgegnerin vom 9. Juni 2006
keine mit Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbare Einschränkung der Berufsfreiheit des
Antragstellers. Die gegen ihn verfügten Maßnahmen sind von der auch der
Antragsgegnerin im Rahmen ihrer sachlichen und örtlichen Zuständigkeit als
Ordnungsbehörde zustehenden Befugnis gedeckt, die unerlaubte gewerbliche
Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten innerhalb der Übergangsfrist bis
zum 31. Dezember 2007 zu unterbinden. Den Anforderungen, die das
Bundesverfassungsgericht an die unverzügliche Herstellung eines Mindestmaßes
an Konsistenz zwischen den mit dem staatlichen Wettmonopol verfolgten Zielen
und seiner tatsächlichen Handhabung aufgestellt hat, ist in Hessen genügt. In
seinen von der Antragsgegnerin im vorliegenden Eilverfahren überreichten, jeweils
an das Hessische Ministerium des Innern und für Sport gerichteten
Stellungnahmen vom 23. Mai und 27. Juni 2006 hat die Lotterie-
Treuhandgesellschaft mbH Hessen ausgeführt, dass nach Ergehen der
Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006
umgehend Maßnahmen geplant und umgesetzt worden seien, um das von dem
Bundesverfassungsgericht beanstandete Defizit bei dem Vollzug des geltenden
staatlichen Sportwettmonopols zu beseitigen. Diese Maßnahmen bezögen sich
sowohl auf Art und Zuschnitt des Angebots wie auch auf die Vertriebs- und
Marketingmaßnahmen. Das zur Verfügung gestellte Angebot an Oddset-
Sportwetten sei zurückgefahren worden. Halbzeitwetten gebe es nicht mehr.
Planungen einer Oddset Live-Wette seien gestoppt worden. Erste
Vertriebsmaßnahmen seien umgesetzt worden, die den Vorgaben einer
Beschränkung der Vermarktung entsprächen. Die Teilnahme an Oddset-
Spielwetten sei künftig nur noch mit einer Kundenkarte zulässig. Die Registrierung
werde mit einer Schufa-Abfrage mit Altersverifizierung verbunden. Hierdurch werde
eine objektive Verfügbarkeitsbarriere aufgebaut und die Teilnahme von
Minderjährigen an den Wetten verhindert. Um die direkte Ansprache der für das
Produkt besonders offenen Kundengruppe der Stadionbesucher einzuschränken,
sei die Oddset-Bandenwerbung in den Fußballstadien, etwa bei Eintracht Frankfurt,
Kickers Offenbach, Darmstadt 98 und SV Wehen, ebenso storniert worden wie
Anzeigen in Stadionzeitungen, in den Internetauftritten der genannten Vereine und
in Lautsprecherdurchsagen. Mit der Einführung der Oddset-Kundenkarte würden
zudem die technischen Voraussetzungen einer Selbstsperre geschaffen. Der
Spielteilnehmer könne dann auch unterhalb des von Lotto Hessen vorgegebenen
Betrages Spiellimits festlegen, ab deren Erreichen er keine weiteren Einsätze
tätigen könne. Mit einer Prüfung, ob die Verkaufsstellendichte von Lotto Hessen
den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts entspreche, sei begonnen
worden. Zur Verkleinerung des Vertriebsnetzes sei bereits 68 Lotto-
Verkaufsstellen die Kündigung angekündigt worden. Um die Einhaltung der
Anforderungen der Einzelausgestaltung des Vertriebs am Ziel der
Suchtbekämpfung sicherzustellen, habe Lotto Hessen damit begonnen,
regelmäßige Testkäufe durchzuführen, bei denen die Einhaltung des
Jugendschutzes in den Lotto-Verkaufsstellen überprüft werde. Im Wiederholungsfall
eines Verstoßes gegen zwingende Bestimmungen des Jugendschutzes erfolge die
Kündigung des Verkaufsstellengeschäftsbesorgungsvertrages. Den vom
Bundesverfassungsgericht geäußerten Bedenken an dem Vertrieb von
Glücksspielen über das Internet werde durch das Projekt "Internet-Relaunch"
Rechnung getragen, das das Ziel verfolge, das Internetangebot am Ziel der
Begrenzung der Wettleidenschaft, der Bekämpfung der Wettsucht und des
Jugendschutzes auszurichten. Wesentliche Bestandteile dieser "Internet-Relaunch"
seien wiederum eine automatische Schufa-Abfrage des sich registrierenden
Spielteilnehmers, die eine Teilnahme von Minderjährigen ausschließe, und die
Einrichtung einer Selbstsperre für Kunden. Ein Vertrieb über "SMS" bzw. "Mobile
Gaming" werde im Gegensatz zum privaten Bereich nicht angeboten. Im Zuge der
den staatlichen Anbietern auferlegten Pflicht, die Werbung für die vertriebenen
Sportwetten auf eine Information und Aufklärung über die Möglichkeit zum Wetten
zu beschränken, habe Lotto Hessen die Distribution seiner Werbung ganz
erheblich eingeschränkt. Auf Fernseh-, Rundfunk- und Stadionwerbung werde
vollständig verzichtet. Um der Forderung des Bundesverfassungsgerichts zur
Verwirklichung einer angebotsimmanenten Aufklärung über die mit der Sportwette
verbundenen Suchtgefahren nachzukommen, habe Lotto Hessen als
Erstmaßnahme auf allen neuen Spielscheinen und Informationsbroschüren
Hinweise zur Suchtprävention und Informationen zu Anlaufstellen für
Suchtgefährdete aufgebracht. Die Aufklärung über Suchtgefahren habe Lotto
Hessen überdies in sein Schulungskonzept für Lotto-Verkaufsstellen integriert. Zur
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Hessen überdies in sein Schulungskonzept für Lotto-Verkaufsstellen integriert. Zur
weiteren Orientierung des Vertriebs und des Marketings an den Zielen des
Schutzes für Spieler und Jugendlicher werde in Zusammenarbeit mit dem
Paritätischen Wohlfahrtsverband ein Sozialkonzept erarbeitet, das die Beseitigung
der Folgen der Spielsucht zum Gegenstand habe. Der fertige Produktplan werde
bis Ende Juni 2006 vorliegen. Mit der Umsetzung des Präventionskonzeptes werde
unmittelbar danach begonnen. Parallel hierzu werde in Kooperation mit Lotto
Baden-Württemberg ein Sozialkonzept zur Suchtprävention erarbeitet.
Mit diesen Maßnahmen hat der staatliche Anbieter von Oddset-Sportwetten in
Hessen die ihm gegenwärtig möglichen Schritte eingeleitet, um das
fortbestehende staatliche Wettmonopol an den Erfordernissen einer effektiven
Vermeidung problematischen Spielverhaltens, insbesondere durch Minderjährige,
und der Suchtprävention auszurichten. Soweit von ihm bestimmte, derzeit noch
nicht oder nicht abschließbar zu realisierende Maßnahmen erst für die nahe
Zukunft angekündigt worden sind (Umprogrammierung des Internetauftritts,
Umsetzung des Suchtpräventionsprogramms) steht dies der Annahme nicht
entgegen, dass unverzüglich damit begonnen wurde, ein Mindestmaß an
Konsistenz zwischen der Handhabung des staatlichen Wettmonopols und den
hiermit verfolgten Zielen herzustellen. Der Vortrag des Antragstellers rechtfertigt
keine andere Beurteilung. Entgegen seiner Ansicht kann der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts insbesondere nicht entnommen werden, dass das
staatlich zur Verfügung gestellte Sportwettangebot künftig nicht mehr über das
Internet vertrieben werden darf. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht
lediglich die bisherige Ausgestaltung der Internetpräsentation für bedenklich
erachtet und hat gefordert, dass auch bei Beschreitung dieses Vertriebsweges
effektive Maßnahmen zur Abwehr der Suchtgefahren ergriffen werden müssen,
insbesondere etwa die Möglichkeit einer Selbstsperre für die Spieler (vgl. Urteil
vom 28. März 2003, Randnummern 139, 141,152).Nach alledem stellt sich die
angefochtene Untersagungsverfügung aus Sicht des nationalen Rechts als
rechtmäßig dar.“
Aus dem von der Antragsgegnerin in einer Vielzahl von gleich gelagerten
Verfahren vorgelegten aktuellen Schreiben der Lotterie-Treuhandgesellschaft mbH
Hessen vom 19.9.2006, das den Bevollmächtigten des Antragstellers bekannt ist,
ergibt sich in überzeugender Weise, dass der Oddset-Maßnahmenkatalog vom
10.4.2006 in den Folgemonaten konsequent umgesetzt worden ist. Dies ergibt
sich im Einzelnen anschaulich aus der detaillierten Dokumentation „Spielsucht und
Jugendschutz (Stand:19.9.2006)“, die insgesamt 132 Maßnahmen auflistet.
Es ist nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand auch nicht ersichtlich, dass
die von dem Antragsteller mit seinem Widerspruch angegriffene
Ordnungsverfügung mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaften nicht zu
vereinbaren wäre. Der Europäische Gerichtshof ( EuGH) hat wiederholt
entschieden, dass Rechtsvorschriften des nationalen Rechts, die geeignet sind, die
Tätigkeiten des Veranstalters von Glücksspielen, der in einem anderen
Mitgliedstaat ansässig ist und diese Dienstleistungen dort rechtmäßig erbringt, zu
unterbinden oder zu behindern, zu einer Beschränkung der Dienstleistungs- und
Niederlassungsfreiheit dieses Dienstleistenden führen können (vgl. HessVGH,
Beschluss vom 25.7.2006 - 11 TG 1465/06 - unter Verweis auf EuGH, Urteil vom
13. November 2003 - C-42/02 - , Randnummern 19, 20 und 25, vom 6.
November 2003 - C-243/01 - , Randnummern 44 ff., vom 21. Oktober
1999 - C-67/98 - , Randnummern 14 ff. und vom 21. September 1999 -
C-124/99 - , Randnummern 13 ff.). Der Hessische Verwaltungsgerichtshof
führt in der genannten Entscheidung weiter aus:„In dem vorerwähnten Urteil vom
6. November 2003 in der Rechtssache Gambelli (Randnummern 54 und 55) hat
der EuGH auch die hier in Frage stehende Vermittlungstätigkeit für einen in einem
anderen Mitgliedstaat ansässigen Anbieter von Sportwetten in den Schutzbereich
des Art. 49 EG-Vertrag einbezogen. Ein strafbewehrtes Verbot der Teilnahme an
Wetten, die in anderen Mitgliedstaaten als dem organisiert werden, in dessen
Gebiet der Wettende ansässig ist, stelle eine Beschränkung des freien
Dienstleistungsverkehrs dar. Das Gleiche gelte für das an Vermittler gerichtete
ebenfalls strafbewehrte Verbot, die Erbringung von Wettdienstleistungen bei
Sportereignissen, die von einem Leistungserbringer mit Sitz in einem anderen
Mitgliedstaat organisiert werden, zu erleichtern. Nach den vom EuGH in den oben
zitierten Entscheidungen aufgestellten Grundsätzen kann der durch das
strafbewehrte Verbot einer Vermittlung von Sportwetten bewirkte Eingriff in die
Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit nur auf Grund des Vorbehalts der
öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit in Art. 46 Abs. 1 des EG-
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öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit in Art. 46 Abs. 1 des EG-
Vertrages oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses (etwa
Verbraucherschutz, Betrugsvorbeugung, Vermeidung von Anreizen für die Bürger
zu überhöhten Ausgaben für das Spielen) gerechtfertigt sein. Der EuGH erkennt
hierbei grundsätzlich das Bedürfnis der Mitgliedstaaten an, die Veranstaltung von
Wetten und Glücksspielen aus Gründen des Gemeinwohls zu beschränken oder
sogar zu verbieten, und mit Hilfe der durch Lotterien und Wetten eingenommenen
Beträge im Allgemeininteresse liegende Vorhaben zu finanzieren. Zugleich hat er
den staatlichen Stellen der Mitgliedstaaten ein Ermessen zur Festlegung der
Erfordernisse zugebilligt, die sich aus dem Schutz der Verbraucher und der
Sozialordnung ergeben. Er fordert jedoch, dass die Beschränkungen geeignet sein
müssen, die Verwirklichung dieser Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie
kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen. Diese
Maßnahmen müssten tatsächlich dem Ziel dienen, die Gelegenheiten zum Spiel
zu vermindern. Die Finanzierung sozialer Aktivitäten durch Einnahmen aus
monopolisierten staatlichen Veranstaltungen oder mit Hilfe einer Abgabe auf die
Einnahmen aus genehmigten privaten Spielen dürfe nur eine erfreuliche
Nebenfolge, nicht aber der eigentliche Grund der betriebenen restriktiven Politik
sein. Ferner dürften die gesetzlichen Einschränkungen nicht über das
hinausgehen, was zur Erreichung der im Interesse der Allgemeinheit verfolgten
Ziele notwendig sei. Weiterhin dürften diese Regelungen nicht in diskriminierender
Weise angewendet werden (vgl. Urteile vom 21. Oktober 1999 ,
Randnummern 13 und 36, und vom 6. November 2003 ,
Randnummern 60, 62, 63 und 67). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu
überprüfen sei - so der EuGH - Sache der hierzu berufenen nationalen Gerichte.
Diese müssten sich überdies die Frage vorlegen, ob die die Teilnahme an dem
Sportwettenmarkt unterbindenden oder einschränkenden Vorschriften des
nationalen Rechts nicht über das hinausgingen, was zur Erreichung der mit ihnen
verfolgten Ziele notwendig sei (Urteil vom 6. November 2003 ,
Randnummer 70).“Der mit der vom Antragsteller angegriffenen
Untersagungsverfügung einhergehende Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit ist -
jedenfalls nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand - aus Gründen des
Allgemeinwohls gerechtfertigt und daher nicht gemeinschaftsrechtswidrig. Die
Kammer vermag der Ansicht des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in dem
zitierten Beschluss nicht zu folgen, dass das auf das geltende staatliche
Sportwettenmonopol gestützte Verbot der privaten Veranstaltung und Vermittlung
von Oddset-Sportwetten „in unzulässiger Weise“ in die gemeinschaftsrechtlich
verbürgte Dienstleistungsfreiheit des Wettanbieters und Wettenvermittlers
eingreift. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 28.3.2006
(NJW 2006, 1281) gegenüber dem Land Bayern ausdrücklich klargestellt, dass in
der bis zum 31.12.2007 währenden Übergangszeit bis zu einer Neuregelung des
Sportwettenrechts bereits damit begonnen werden müsse, das bestehende
Wettmonopol konsequent an einer Bekämpfung der Wettsucht und einer
Begrenzung der Wettleidenschaft auszurichten (Rdnr. 160). Der Staat dürfe die
Übergangszeit nicht zu einer expansiven Vermarktung von Wetten nutzen. Daher
seien bis zu einer Neuregelung die Erweiterung des Angebots staatlicher
Wettveranstaltungen sowie eine Werbung, die über sachliche Informationen zur Art
und Weise der Wettmöglichkeit hinausgehend gezielt zum Wetten auffordert,
„untersagt“ (Rdnr. 160). Ferner habe die staatliche Lotterieverwaltung umgehend
aktiv über die Gefahren des Wettens aufzuklären (Rdnr. 160). Zwar waren das Land
Hessen bzw. die Lotterietreuhandgesellschaft mbH Hessen nicht Beteiligte des
Verfahrens 1 BvR 1054/01 vor dem Bundesverfassungsgericht, so dass ihnen
gegenüber das Urteil vom 28.3.2006 keine unmittelbare rechtliche
Bindungswirkung entfaltet. Die Gesetzeskraft der Entscheidung (§ 31 Abs. 2
BVerfGG) betrifft allein die festgestellte Unvereinbarkeit des Gesetzes über die
vom Freistaat Bayern veranstalteten Lotterien und Wetten vom 29.4.1999 mit Art.
12 Abs. 1 GG. Gleichwohl gelten die zitierten Aussagen in dieser Entscheidung im
Ergebnis auch für das Land Hessen, zumal Gegenstand dieses Verfahrens auch
der Lotteriestaatsvertrag war, dem das Land Hessen beigetreten ist. Eine
Missachtung dieses Verbots durch die staatlichen Lotterieverwaltungen würde
ansonsten einen verfassungswidrigen Zustand zu Lasten privater Wettanbieter
heraufbeschwören bzw. fortsetzen.
Aus dem mit Schreiben der Lotterietreuhandgesellschaft mbH Hessen vom
19.9.2006 vorgelegten Maßnahmenkatalog ergibt sich in überzeugender Weise,
dass in Hessen seit Ergehen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom
28.3.2006 in umfangreichen Maße Schritte zur Bekämpfung der Spielsucht und zur
Durchsetzung des Jugendschutzes ergriffen worden sind. Diese werden jedenfalls
nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand den hohen Anforderungen des
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nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand den hohen Anforderungen des
EuGH an eine Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit im Bereich des
grenzüberschreitenden Sportwettenrechts gerecht. Der Ausschluß von
Wettanbietern aus anderen EU-Staaten sowie das Verbot der Vermittlung solcher
Wetten durch hessische Behörden stehen daher mit Gemeinschaftsrecht in
Einklang (ebenso BayVGH, Beschluss vom 3.8.2006 - 24 C 06.1365; VGH Baden-
Württemberg, Beschluss vom 28.7.2006 - 6 S 1987/05; OVG Bremen, Beschluss
vom 7.9.2006 - 1 B 273/06). Einer gemeinschaftsrechtlichen Übergangsfrist oder
einer - gemeinschaftsrechtswidrigen - temporären Aussetzung des Vorrangs der
Anwendung des Gemeinschaftsrechts (so aber OVG Münster, Beschluss vom
28.6.2006 - 4 B 961/06) bedarf es daher nicht.
Übt der Antragsteller somit sein Gewerbe ohne eine entsprechende behördliche
Erlaubnis aus bzw. ohne sich hierfür mit Erfolg auf gemeinschaftsrechtliche
Privilegierungen berufen zu können, so handelt er formell illegal. Ein solches
formell illegales Handeln berechtigt in der Regel die Antragsgegnerin als
Ordnungsbehörde zum polizeirechtlichen Einschreiten und zur Anordnung des
Sofortvollzugs einer entsprechenden Maßnahme. Da nach den nunmehr
gegebenen Umständen ein Festhalten am staatlichen Monopol für die
Durchführung von Sportwetten auch gemeinschaftsrechtlich zulässig sein dürfte,
sieht das Gericht sich nicht veranlasst, auf das vom Antragsteller angebotene
Austauschmittel näher einzugehen.
Im Hinblick auf die vorstehenden Ausführungen bedarf es auch keines näheren
Eingehens auf die Frage, ob sich der Antragsteller, sollte er nicht
Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates der EU sein, überhaupt auf die passive
Dienstleistungsfreiheit des Art. 49 EG zu berufen vermag (vgl. zum Streitstand nur
Müller-Graff in Streinz (Hrsg.), EUV/EGV, München 2003, Art. 49 EGV Rdnrn. 53
ff.).Gegen die Rechtmäßigkeit der Verfügung vom 8.8.2006 sind auch aus anderen
Gründen keine rechtlichen Bedenken zu erheben. Die dem Antragsteller unter Nr.
2 der Ordnungsverfügung gesetzte Frist von sieben Tagen zur Umsetzung der
unter Nr. 1 enthaltenen Untersagungsverfügung ist angemessen und ausreichend.
In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsteller in
Kenntnis der ungeklärten Rechtslage ohne behördliche Erlaubnis mit seiner
Vermittlungstätigkeit begonnen hat und folglich damit rechnen musste, diese
Tätigkeit rasch wieder beenden zu müssen (vgl. HessVGH, Beschluss vom
25.7.2006 - 11 TG 1465/06, S. 22 f.)Darüber hinaus begegnet nach dem
derzeitigen Sach- und Streitstand weder die unter Nr. 4 enthaltene
Zwangsgeldandrohung ernsthaften rechtlichen Bedenken. Die Kostenentscheidung
folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die Festsetzung
des Streitwerts folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 GKG. Die Kammer legt in
Ermangelung zuverlässiger Anhaltspunkte für die Bemessung des wirtschaftlichen
Interesses des Antragstellers am Ausgang des Rechtsstreites einen Betrag von
15.000 € für das Verfahren der Hauptsache zu Grunde. Dieser Wert ist mit
Rücksicht auf den vorläufigen Charakter des Eilverfahrens auf die Hälfte zu
vermindern (HessVGH, Beschluss vom 25.7.2006 - 11 TG 1465/06).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.