Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 26.02.2003
VG Frankfurt: besondere härte, vorläufiger rechtsschutz, kennzeichen, sozialhilfe, eigentum, glaubhaftmachung, besitz, wahrscheinlichkeit, fahrzeug, marke
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Gericht:
VG Frankfurt 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 G 642/03
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 11 Abs 1 BSHG
Besitz eines Kraftfahrzeugs und Gewährung von Sozialhilfe
Leitsatz
Die Behauptung eines Sozialhilfeempfängers, das auf ihn zugelassene Kraftfahrzeug
stehe nicht in seinem Eigentum, kann nur nach sorgfältiger Prüfung im Einzelfall für
glaubhaft erachtet werden.
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Gründe
Der am 13.03.2003 gestellte Antrag,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der
Antragstellerin Hilfe zum Lebensunterhalt zu bewilligen,
hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung
eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen
werden, wenn diese Regelung zur Abwendung drohender Gewalt oder aus anderen
Gründen notwendig erscheint. Dabei sind der Grund der Eilbedürftigkeit
(Anordnungsgrund) und die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend
gemachten Anspruchs (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3
VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO.
Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht
glaubhaft gemacht. Ob die Antragstellerin einen Anspruch auf Leistungen der
Sozialhilfe hat, hängt nach § 11 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz - BSHG - von ihren
Einkünften und ihrem Vermögen ab.
Zwar reicht üblicherweise die Erklärung eines Hilfebedürftigen, dass er über keine
Einkünfte und kein Vermögen verfüge, um seine Mittellosigkeit anzunehmen.
Anders ist es hingegen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die
wirtschaftlichen Verhältnisse tatsächlich von den Angaben des Hilfebedürftigen
abweichen. Dann obliegt es dem Hilfebedürftigen, diese Anhaltspunkte zu
entkräften. Dies hat die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren nicht mit Erfolg
vermocht. Zweifel an der Hilfsbedürftigkeit der Antragstellerin gründen sich auf
den Umstand, dass auf die Antragstellerin einen PKW der Marke Ford Fiesta 1.8 DI-
Turbo des Baujahres 2001 mit dem amtlichen Kennzeichen ... zugelassen ist,
welches einen Händlereinkaufswert von mindestens 6.900,-- € besitzt.
Grundsätzlich handelt es sich bei einem Kraftfahrzeug um zu verwertendes und
einzusetzendes Vermögen (vgl. OVG Hamburg, Beschluss vom 18.01.1993 - FEVS
43, 286 (290). Dass die Verwertung des Kraftfahrzeuges für die Antragstellerin
eine besondere Härte im Sinne des § 88 Abs. 3 BSHG darstellen könnte, ist schon
im Hinblick auf den verkörperten Wert nicht ersichtlich.
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Die Antragstellerin hat zwar hinsichtlich des Fahrzeuges mit dem amtlichen
Kennzeichen ... vorgetragen, dass dieses nicht ihr gehöre, sondern im Eigentum
ihrer Mutter stehe, welche auch die Versicherung und die Kraftfahrzeugsteuer
bezahle, um ihr - der Antragstellerin - auf diese Weise eine Hilfestellung zu geben.
Dies hat die Antragstellerin indessen nicht glaubhaft gemacht. Eine
Glaubhaftmachung setzt die Darlegung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit
der behaupteten Tatsachen und des sich daraus ergebenden Anspruches voraus
(vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 26.08.1994 - VBlBW 1995, 149;
OVG Schleswig, Beschluss vom 17.02.1993 - NVwZ 1993, 702; Finkelnburg/Jank,
Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage, Rdnr. 338),
wobei eine Tatsache dann überwiegend wahrscheinlich ist, wenn die für ihr
Vorliegen sprechenden Gründe gegenüber den Gesichtspunkten, die zu Zweifeln
Anlass geben, eindeutig das Übergewicht haben.
Eine solche überwiegende Wahrscheinlichkeit der Darstellung der Antragstellerin
hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse an dem Kraftfahrzeug mit dem amtlichen
Kennzeichen ... vermag das beschließende Gericht nicht zu erkennen. Zunächst ist
es für die Kammer eine geläufige Erfahrung aus einer Vielzahl von Verfahren, die
Sozialhilfeempfänger im Zusammenhang mit der Unterhaltung von
Kraftfahrzeugen betreiben, dass durch die Darstellung der Sozialhilfeempfänger
selbst und/oder entsprechende Gefälligkeitshandlungen oder -bescheinigungen
Dritter das Fahrzeug seiner sozialhilferechtlichen Relevanz gleichsam enthoben
werden soll. Daraus lässt sich zwar nicht ein allgemein gültiger Erfahrungssatz
hinsichtlich der Bewertung solcher Handlungen bzw. der Äußerungen Dritter im
Zusammenhang mit der Frage der Zuordnung eines Kraftfahrzeuges bei
Sozialhilfeempfängern ableiten, aber unter dem Gesichtspunkt der
Glaubhaftmachung bedarf es jeweils einer besonders sorgfältigen Würdigung und
Plausibilitätsprüfung des Einzelfalles. Diese ergibt hier nach dem vorliegenden
Erkenntnisstand, dass sich die Sachverhaltsdarstellung der Antragstellerin als
nicht überwiegend wahrscheinlich erweist.
Dass das Kraftfahrzeug bei - nach der Darstellung der Antragstellerin -
unverändertem Eigentum ihrer Mutter, die auch die laufenden Kosten wie
Versicherung und KfZ-Steuer getragen habe, deswegen auf die Antragstellerin
umgemeldet wurde, damit eventuell anfallende "Strafzettel" dieser direkt
zugestellt werden könnten, vermag nicht zu überzeugen. Ausweislich der
Antragsschrift darf die Antragstellerin das Fahrzeug "noch" nutzen, um Arbeit zu
suchen und stellt lediglich eine Hilfeleistung ihrer Mutter dar, bis sie selbst auf die
Beine kommt.
Mit einer solchen, von der Antragstellerin beschriebenen vorübergehenden
Hilfestellung ihrer Mutter ist eine Ummeldung des streitbefangenen
Kraftfahrzeuges aus den behaupteten "praktischen Gründen (Zustellung von
Strafzetteln usw.)" nicht plausibel, da mit den bei der Ummeldung und der
Anfertigung neuer KfZ-Kennzeichen anfallenden Kosten ohne weiteres mehrere
"Strafzettel" hätten beglichen werden können. In dieses Bild fehlender Plausibilität
"passt" schließlich der Umstand, dass die Antragstellerin die Kraftfahrzeugsteuer
für das auf sie zugelassene Kraftfahrzeug von ihrem Konto überwies, obwohl doch
nach ihren Angaben Versicherung und KfZ-Steuer ausschließlich von ihrer Mutter
gezahlt wurden. Zwar hat die Antragstellerin vorgetragen, dass ihre Mutter ihr den
Betrag für die KfZ-Steuer zuvor in bar gegeben habe. Auch solche behaupteten
finanziellen Mehrfachtransaktionen, wo es nahegelegen hätte, dass die Mutter der
Antragstellerin die Überweisung der Kraftfahrzeugsteuer von ihrem Konto tätigt,
sind wenig plausibel.
Als unterliegende Beteiligte hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu
tragen, § 154 Abs. 1 VwGO, wobei Gerichtskosten nicht erhoben werden, § 188
Satz 2 VwGO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.