Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 12.01.2011

VG Frankfurt: subjektives recht, lieferung, kaufvertrag, erwerb, behörde, anfang, datum, käufer, rechtsnatur, zuwendung

1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Gericht:
VG Frankfurt 1. Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 K 2064/10.F
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 3 Abs 1 GG, § 3 Abs 3 ITFG
Umweltprämie
Leitsatz
§ 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Investitions- und Tilgungsfonds" (BGBl I 2009, 417)
sieht Haushaltsmittel zur Förderung der Anschaffung umweltfreundlicher Personenkraftwagen vor, wenn diese in der
Zeit vom 14. Januar 2009 bis 31. Dezember 2009 gekauft worden sind.
Ist das Kaufangebot vor dem 14.01.2009 die Annahme aber erst nach dem 14.01.2009 erfolgt, so steht dies der
Förderung nicht entgegen, weil der Kasufvertrag erst nach dem Stichtag zustande kam.
Tenor
1. Der Bescheid vom 11.07.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 21.07.2010 werden aufgehoben. Die
Beklagte wird verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen
Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn die Klägerin nicht zuvor Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klage richtet sich gegen die Ablehnung der Gewährung einer Umweltprämie.
Die Klägerin beantragte bei der Beklagten am 07.04.2009 eine Umweltprämie nach den Richtlinien des
Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen. Die
Klägerin legte zum Nachweis der Anschaffung eines förderfähigen Neuwagens eine verbindliche Bestellung vor,
die vom 06.11.2008 datiert.
Mit Bescheid vom 11.07.2009 lehnte die Beklagte die Gewährung der Umweltprämie mit der Begründung ab,
dass die verbindliche Bestellung nicht vorgelegt worden sei. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie legte
die Rechnung vom 17.04.2009 vor, aus der sich allerdings ebenfalls das Auftragsdatum 6.11.2008 ergibt. Mit
Widerspruchsbescheid vom 21.07.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In den Gründen ist ausgeführt,
zwar habe die Klägerin die verbindliche Bestellung vorgelegt, diese stamme entgegen den Vorgaben der Nr. 4.3
der Richtlinie aber aus der Zeit vor dem 14.01.2009. Deshalb sei die Anschaffung nicht förderfähig.
Am 19.08.2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie trägt vor, dass die verbindliche Bestellung vom 06.11.2008
auf die „Verkaufsbedingungen für Volkswagen-Automobile“ Bezug nehme. Diese sähen in Nr. I 1 vor, dass der
Käufer nur drei Wochen lang an die verbindliche Bestellung gebunden und der Kaufvertrag geschlossen sei, wenn
der Verkäufer die Annahme der Bestellung schriftlich bestätige oder die Lieferung ausführe. Eine schriftliche
Bestätigung habe es im vorliegenden Fall zu keinem Zeitpunkt gegeben. Die Lieferung sei ausweislich der
Rechnung am 17.04.2009 erfolgt. Anfang April 2009 sei ihr seitens des Autohauses die baldige Lieferung
signalisiert worden. Diese Mitteilung des Autohauses sei als neues Angebot zu werten, das sie habe annehmen
müssen, um einen Vertragsschluss zu bewirken. Die Klägerin beruft sich ferner auf einen Schriftwechsel mit der
Beklagten. Mit Schreiben vom 02.04.2009 hatte sie sich an die Beklagte gewandt, um zu klären, ob sie die
Umweltprämie erhalten könne, wenn die Bestellung des Neuwagens vom 06.11.2008 stamme. Mit Schreiben
vom 27.04.2009 teilte ihr die Beklagte mit, für die Gewährung der Prämie sei das Datum der Rechnung des
Autohändlers maßgebend. Das Datum der Bestellung müsse nicht angegeben werden.
Die Klägerin beantragt,
den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 11.07.2009 und den Widerspruchsbescheid vom 21.07.2010
aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine Umweltprämie in Höhe von 2.500,00 EUR zu
bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte trägt vor, nach der Richtlinie dürfe der Erwerb des Neufahrzeugs nicht vor dem 14.01.2009 erfolgt
sein. Im vorliegenden Fall sei der Erwerb aber ausweislich der verbindlichen Bestellung am 06.11.2008 erfolgt.
Auch die Rechnung vom 17.04.2009 beziehe sich auf dieses Auftragsdatum.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 03.12.2010 auf den Berichterstatter als Einzelrichter
übertragen. Das Gericht hat einen Hefter Behördenakten beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen
Verhandlung gemacht.
11
12
13
14
15
16
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin
in ihren Rechten. Das Gericht kann die Beklagte jedoch nicht dazu verpflichten, den begehrten
Bewilligungsbescheid zu erlassen, weil die Sache noch nicht spruchreif ist. Es kann nur festgestellt werden, dass
die Ermessenserwägungen der Beklagten im Hinblick auf die Anschaffung des Neuwagens fehlerhaft sind. Im
Hinblick auf das Altfahrzeug hat die Beklagte jedoch noch keine Ermessenserwägungen angestellt. Diese können
auch durch das Gericht nicht ersetzt werden.
Die Beklagte bewilligt die Umweltprämie allein aufgrund des Titels 697 01 der Anlage zu § 3 des Gesetzes zur
Errichtung eines Sondervermögens „Investitions- und Tilgungsfonds“ (Art. 6 des Gesetzes zur Sicherung von
Beschäftigung und Stabilität in Deutschland vom 02.03.2009 – BGBl I 416, 417) und der dazu ergangenen
Richtlinie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie zur Förderung des Absatzes von
Personenkraftwagen (im Folgenden: RL). Das genannte Gesetz sieht vor, dass eine Umweltprämie in Höhe von
2.500,00 EUR gewährt werden kann, wenn ein näher definiertes Altfahrzeug verschrottet und gleichzeitig ein
umweltfreundlicher Neu- oder Jahreswagen gekauft oder geleast und zugelassen wird. Die Einzelheiten sollten
durch eine Richtlinie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie geregelt werden. Dem ist das
Ministerium durch die Richtlinie vom 20.02.2009 (BAnz 2009, 835, 1056) nachgekommen. Diese Richtlinie wurde
unter dem 17.03.2009 erstmals geändert (BAnz 2009, 1114) und zuletzt mit Änderung vom 26.06.2009 in die
endgültige Fassung gebracht
(http://www.bafa.de/bafa/de/wirtschaftsfoerderung/umweltpraemie/dokumente/foederrichtlinie_umweltpraemie.pdf
[18.03.2010] ). Der Entwurf der ersten Version lag dem Bundeskabinett am 27.01.2009 zur Beschlussfassung
vor. Dieser Entwurf wurde noch am selben Tag nebst einem Antragsformular auf der Homepage der Beklagten
bekanntgemacht. Die im vorliegenden Fall relevanten Regelungen waren von Anfang an enthalten und wurden im
weiteren Verlauf auch nicht geändert.
Weder durch das Gesetz selbst noch durch die Richtlinie werden subjektive Rechte auf die Umweltprämie
begründet. Das Gesetz sieht nämlich nur vor, dass und unter welchen Bedingungen Haushaltsmittel ausgegeben
werden dürfen. Die Richtlinie soll nur die Einzelheiten der Förder festlegen, also ebenfalls nur die
Bedingungen, unter denen Haushaltsmittel ausgegeben werden . Sie haben deshalb nur eine
behördeninterne Bindungswirkung und stellen ihrer Rechtsnatur nach Verwaltungsvorschriften dar. Ein
gesetzlicher Anspruch auf die Zuwendung besteht deshalb nicht, was die Richtlinie in Nr. 1.2 auch ausdrücklich
klarstellt.
Die Klägerin hat jedoch einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung (§ 40 VwVfG). Die Beklagte darf in
dem ihr gesetzten gesetzlichen Rahmen insbesondere keine Entscheidung treffen, die andere Rechtsvorschriften
verletzt, auf deren Beachtung die Klägerin ein subjektives Recht hat. Das einzige Recht, das hier in Betracht
kommt, ist das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1 GG). Das Gericht ist deshalb darauf
beschränkt, die angefochtenen Bescheide unter zwei Aspekten einer Rechtskontrolle zu unterziehen: Zunächst
ist zu prüfen, ob die Behörde bei der Entscheidung über die Gewährung von Zuwendungen das
Gleichbehandlungsgebot beachtet hat, also in allen Fällen die gleichen Kriterien zugrundelegt und auch im
Einzelfall davon nicht abweicht (BVerwG, Urt. v. 08.04.1997 – 3 C 6/95 –, BVerwGE 104, 220). Wenn die Behörde
die Zuschüsse stets nach den gleichen Kriterien bewilligt, kommt eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots
nicht in Betracht. Zweitens ist zu prüfen, ob die maßgeblichen Kriterien, nach denen die Behörde die
Entscheidung trifft, mit dem ebenfalls aus Art. 3 GG folgenden Willkürverbot vereinbar sind. Eine Verletzung des
Willkürverbotes liegt nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich
vertretbar sind und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen (BVerfG
Urt. v. 08.07.1997 – 1 BvR 1934/93 –, BVerfGE 96, 198 TZ 49). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die
maßgeblichen Kriterien mit dem das Ermessen eröffnenden Gesetz oder mit höherrangigem Recht nicht
vereinbar sind.
Das genannte Gesetz sieht in § 3 Abs. 3 vor, dass eine Umweltprämie in Höhe von 2.500,00 EUR nur gewährt
werden kann, wenn u. a. und Zulassung des Neuwagens in der Zeit vom 14.01.2009 bis zum 31.12.2009
getätigt werden. Der Kauf eines Neuwagens ist also dann nicht förderfähig, wenn er vor dem 14.01.2009 erfolgt
ist. Die Richtlinie regelt in Nr. 4.3, dass der und die Zulassung des Fahrzeugs zwischen dem 14.01.2009
und dem 31.12.2009 erfolgt sein muss. Damit weicht sie von dem Gesetz nur insofern ab, dass sie statt des
Kaufvertrages auf den Erwerb abstellt, worunter man den dinglichen Erwerb verstehen könnte. Indessen wäre
eine solche Deutung gesetzeswidrig und daher nicht maßgeblich. Sie entspricht auch nicht der behördlichen
Praxis, was sich daran zeigt, dass es der Behörde weder auf die Übereignung durch Übergabe des Fahrzeugs
ankommt noch ein eventueller Eigentumsvorbehalt zur Sicherung der Finanzierung eine Rolle spielt. Der
Beklagten steht es auch nicht frei, die Anschaffung neuer PKW dann von der Förderung auszuschließen, wenn das
Kauf- oder Verkaufsangebot bereits vor dem 14.01.2009 abgegeben worden ist, die Annahme aber erst ab
diesem Stichtag erfolgte. Denn das Gesetz sieht vor, alle Anschaffungen von PKW zu fördern, für die der
Kaufvertrag ab dem 14.01.2009 geschlossen worden ist. Der Kaufvertrag kommt aber nicht schon durch das
Angebot, sondern erst durch die Annahmeerklärung zustande. Es kommt also allein darauf an, ob der
Kaufvertrag vor oder nach dem 14.01.2009 geschlossen wurde.
Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zwar schon vor dem maßgeblichen Stichtag eine verbindliche Bestellung
getätigt. Dabei handelt es sich jedoch noch nicht um einen Kaufvertrag, sondern nur um ein verbindliches
Angebot. Der Vertrag kommt erst mit dessen Annahme durch den Verkäufer zustande, wobei allerdings
grundsätzlich auch eine konkludente Annahme in Frage kommt. Im vorliegenden Fall bezieht sich die
Angebotserklärung aber ausdrücklich auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verkäufers, in denen klar
geregelt ist, dass der Vertrag erst dadurch zustande kommen soll, dass der Verkäufer das Angebot entweder
ausdrücklich schriftlich annimmt oder aber die Lieferung ausführt. In beiden Fällen kommt der Vertrag aber auch
nur dann zustande, wenn zum Zeitpunkt der schriftlichen Annahme oder der Lieferung das Angebot noch
wirksam ist. Insoweit sehen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aber vor, dass das Angebot nur drei Wochen
lang verbindlich sein soll. Ist somit innerhalb dieses Zeitraums keine Annahme und keine Lieferung erfolgt, so ist
die Angebotserklärung nicht mehr wirksam. Spätere Erklärungen des Verkäufers müssen deshalb als neues
Angebot betrachtet werden, das nur dann zu einem Kaufvertrag führt, wenn es vom Käufer explizit oder
konkludent angenommen wird. Ein neues Angebot kann möglicherweise in der Mitteilung an die Klägerin Anfang
April 2009 gesehen werden, dass das Fahrzeug jetzt lieferbar ist. Angenommen wurde dieses Angebot jedenfalls
später, also nicht vor dem 14.01.2009.
17
18
An dieser rechtlichen Würdigung ändert sich auch nichts dadurch, dass die Klägerin am 07.04.2009 einen Antrag
auf die Umweltprämie gestellt und dabei angegeben hat, Kaufdatum sei der 14.01.2009. Selbst wenn dieser
Antrag im Zusammenwirken mit dem Autohaus gestellt worden sein sollte und deshalb konkludent die Annahme
des Angebots enthält, erfolgte dies jedenfalls nach dem 13.01.2009 und damit innerhalb des Förderzeitraums.
Auf die offensichtlich fehlerhafte Mitteilung der Beklagten in dem Schreiben vom 27.04.2009 kommt es nicht
weiter an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit
beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die
Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 S. 1 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte ausgewählt und dokumentiert.
Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch die obersten Bundesgerichte erfolgt.