Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 09.01.2003

VG Frankfurt: öffentliche sicherheit, aufschiebende wirkung, aufnahme einer erwerbstätigkeit, ausweisung, illegale einreise, besondere härte, öffentliches interesse, privates interesse, ausländer

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 G 5213/02
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 46 Nr 2 AuslG, § 12 AuslGDV
Ausweisung wegen illegaler Einreise zum Zwecke der
Arbeitsaufnahme
Leitsatz
Ausweisung
illegale Beschäftigung
Tenor
1. Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs
vom 02.12.2002 gegen die Ausweisungsverfügung des Antragsgegners vom
30.11.2002 wiederherzustellen bzw. anzuordnen, wird abgelehnt.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.000,- € festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist bulgarischer Staatsangehöriger.
Er reiste ausweislich der Eintragung in seinem Nationalpass am 23.11.2002 in die
Bundesrepublik Deutschland ein.
Anlässlich einer polizeilichen Kontrolle am 29.11.2002 in Maintal wurde der
Antragsteller gemeinsam mit zwei weiteren bulgarischen Staatsangehörigen in
einer, einer Cousine des Antragstellers gehörenden Wohnung bei der Vornahme
von Bauarbeiten angetroffen. Nach den Feststellungen der Polizei war die
Wohnung teilweise entkernt (in Bad und Flur war der Boden herausgerissen, an den
Wänden war kein Putz, in einigen Räumen waren die elektrischen Leitungen
entfernt, im Bad stand nur noch eine provisorische Toilette). Die drei bulgarischen
Staatsangehörigen waren in Arbeitskleidung. Im Rahmen der
Beschuldigtenvernehmung und der ausländerrechtlichen Anhörung machte der
Antragsteller keine Angaben.
Mit Verfügung vom 30.11.2002 wies der Antragsgegner den Antragsteller für
unbefristete Dauer aus der Bundesrepublik Deutschland aus, stellte fest, dass er
zur Ausreise verpflichtet ist, setzte dem Antragsteller eine Ausreisfrist bis zum
02.12.2002 und drohte ihm die Abschiebung nach Bulgarien an. Zur Begründung
der auf § 45 Abs. 1 i. V. m. § 46 Nr. 2 AuslG gestützten Ausweisungsverfügung ist
ausgeführt, der Antragsteller sei bei Renovierungsarbeiten angetroffen worden und
sei damit einer Tätigkeit nachgegangen, für die ein Entgelt üblich sei.
Entsprechend § 11 Abs. 1 Nr. 2 DVAuslG müssten Ausländer, die einer
Erwerbstätigkeit nachgehen wollten, jedoch vor der Einreise in die Bundesrepublik
Deutschland eine Aufenthaltsgenehmigung in Form eines Visums einholen. Da der
Antragsteller nicht über ein solches Visum verfüge, halte er sich unerlaubt in der
Bundesrepublik Deutschland auf. Die vorsätzlich begangene Straftat rechtfertige
die Ausweisung des Antragstellers. Bei einem weiteren Aufenthalt des
Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland bestehe die Gefahr, dass er
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Antragstellers in der Bundesrepublik Deutschland bestehe die Gefahr, dass er
weiterhin gegen Bestimmungen der Bundesrepublik Deutschland verstoße. Eine
Abwägung des öffentlichen Interesses mit dem privaten Interesse des
Antragstellers ergebe, dass das öffentliche Interesse vorrangig sei, zumal der
Antragsteller über keinerlei schützenswerte Bindungen im Bundesgebiet
Deutschland verfüge. Die mit der Ausweisung verbundenen Nachteile stellten für
den Antragsteller auch keine besondere Härte dar. Schließlich sei die Ausweisung
auch aus generalpräventiven Gründen notwendig. Sie solle andren Ausländern
zum Bewusstsein bringen, dass Straffälligkeiten im Bundesgebiet entsprechende
ausländerrechtliche Maßnahmen nach sich zögen.
Zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung führt der
Antragsgegner aus, es bestehe ein erhebliches öffentliches Interesse an der
sofortigen Ausreise von sich illegal im Bundesgebiet aufhaltenden Ausländern. Die
öffentliche Sicherheit und Ordnung werde bei einem weiteren Verbleib in der
Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die Fortsetzung des illegalen
Aufenthalts stark gefährdet. Aus generalpräventiven Gründen sei durch die
sofortige Ergreifung ausländerrechtlichen Maßnahmen auch anderen
ausländischen Staatsangehörigen in besonderer Weise die ausländerrechtlichen
Konsequenzen eines illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet zu Bewusstsein zu
bringen.
Der Antragsteller legte mit Schreiben vom 02.12.2002 Widerspruch ein, über den
bisher nicht entschieden wurde.
Mit Antrag vom 02.12.2002 begehrt der Antragsteller einstweiligen Rechtschutz. Er
vertritt die Auffassung, die Ausweisungsverfügung sei rechtswidrig. Der
Antragsteller habe keine Erwerbstätigkeit im Sinne von § 12 Abs. 1 DVAuslG
ausgeübt. Er habe die fragliche Wohnung, in der er angetroffen worden sei,
gemeinsam mit seiner Cousine und zwei weiteren bulgarischen Staatsangehörigen
umfangreich renoviert. Insoweit habe es sich doch lediglich um einen rein
familiären Freundschafts- und Gefälligkeitsdienst gehandelt. Die Zahlung eines
Lohnes oder Entgeltes sei nicht vereinbart worden und auch nicht erfolgt. Für
derartige familiäre Gefälligkeiten würde weder in Bulgarien noch in Deutschland
eine Gegenleistung erbracht. Auch der Umfang der durchgeführten
Renovierungsarbeiten schließe nicht aus, dass es sich um reine
Gefälligkeitsarbeiten gehandelt habe.
Darüber hinaus habe er weder wiederholt noch in erheblichem Umfang gegen
Rechtsvorschriften verstoßen, so dass auch insoweit die Ausweisungsverfügung in
§§ 45, 46 AuslG keine Rechtsgrundlage finde. Schließlich sei zu berücksichtigen,
dass der Antragsteller, der seiner Cousine bei der Renovierung der von ihr neu
erworbenen Wohnung geholfen habe, zu keinem Zeitpunkt vorgehabt habe, seine
Arbeitskraft anderweitig gegen Entgelt anzubieten. Insofern liege nur ein
vereinzelter geringfügiger Rechtsverstoß vor. Im übrigen sei auch nicht zu
besorgen, dass der Antragsteller in Zukunft ähnliche Arbeiten an anderem Ort für
andere Personen vornehmen werde. Insoweit sei eine Gefahr für die öffentliche
Sicherheit und Ordnung nicht zu befürchten. Schließlich sei die
Ausweisungsverfügung auch ermessensfehlerhaft, weil der Antragsgegner in die
Verfügung nicht eingestellt habe, dass der Antragsteller lediglich eine
verwandtschaftliche Hilfestellung habe leisten wollen und ihm nicht bewusst
gewesen sei, dass er gegen Vorschriften der Bundesrepublik Deutschland
verstoße.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 02.12.2002
gegen die Ausweisungsverfügung des Antragsgegners vom 30.11.2002
wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er nimmt Bezug auf den Inhalt der ergangenen Verfügung und weist ergänzend
darauf hin, eine Arbeitstätigkeit liege stets dann vor, wenn eine unselbständige
Tätigkeit vorgenommen werde, für die ein Entgelt üblich sei. Dies sei vorliegend zu
bejahen, zumal die Arbeiten bereits im Hinblick auf ihren Umfang nicht als
Gefälligkeit betrachtet werden könnten. Als Cousin sei der Antragsteller im übrigen
auch nicht vom Erfordernis der Arbeitserlaubnis befreit. Befreit seien lediglich der
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auch nicht vom Erfordernis der Arbeitserlaubnis befreit. Befreit seien lediglich der
Ehegatte sowie Verwandte und Verschwägerte 1. Grades, die in häuslicher
Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber lebten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie den Inhalt der vorgelegten Behördenvorgänge (1 Hefter)
Bezug genommen.
II. Der nach § 80 Abs. 5 VwGO statthaft und auch im übrigen zulässige Antrag ist
nicht begründet. Die Ausweisungsverfügung des Antragsgegners vom 30.11.2002
ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten. Das durch
die offensichtliche Rechtmäßigkeit der Verfügung begründete öffentliche Interesse
an der sofortigen Ausreise des Antragstellers überwiegt auch sein privates
Interesse an einem weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland.
Rechtsgrundlage für die streitbefangene Ausweisungsverfügung ist § 45 Abs. 1 i. V.
m. § 46 Nr. 2 AuslG. Danach kann ein Ausländer ausgewiesen werden, wenn sein
Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche
Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt, insbesondere wenn er
einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften
begangen hat. Die Vorschrift ist dahin zu verstehen, dass ein Rechtsverstoß nur
dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt oder geringfügig ist, also andererseits
immer beachtlich ist, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig oder geringfügig,
aber nicht vereinzelt ist. Vorliegend hat der Antragteller in zweifacher Hinsicht
gegen Rechtsvorschriften der Bundesrepublik Deutschland verstoßen. Zum einen
hat der Antragsteller gegen die Einreisebestimmungen der Bundesrepublik
Deutschland verstoßen, indem er wie bei der polizeiliche Kontrolle am 29.11.2002
festgestellt und vom Antragsteller nicht bestritten wurde, bauliche
Renovierungsarbeiten in einer Wohnung vorgenommen hat. Denn zum Zwecke der
Arbeitstätigkeit hätte der Antragsteller nur nach vorheriger Einholung einer
Aufenthaltsgenehmigung in der Form des Sichtvermerkes einreisen dürfen. Der
Antragsteller durfte zwar als Tourist aus Bulgarien ohne die vorherige Einholung
einer Aufenthaltsgenehmigung in der Form eines Visums in die Bundesrepublik
Deutschland einreisen, nicht jedoch zum Zwecke der Aufnahme einer
Erwerbstätigkeit. Dies folgt aus § 11 Abs. 1 Nr. 5 DVAuslG wonach dann, wenn der
Ausländer im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit ausüben will, ein Visum der
vorherigen Zustimmung der Ausländerbehörde bedarf. § 12 DVAuslG bestimmt
den Begriff der Erwerbstätigkeit dahin, dass darunter jede unselbständige Tätigkeit
fällt, für die ein Entgelt üblich ist. Wenn der Antragsteller - wie von ihm eingeräumt
wird - mindestens eine Woche bauliche Renovierungsarbeiten vorgenommen hat,
hat er damit eine unselbständige Tätigkeit ausgeübt, für die ein Entgelt üblich ist.
Demgegenüber kann der Antragsteller nicht mit Erfolg entgegenhalten, er habe für
seine Cousine lediglich eine aus der verwandtschaftlichen Beziehung heraus
begründete Gefälligkeitsleistung erbringen wollen, für die weder ein Entgelt
vereinbart noch gezahlt worden sei. Abgesehen davon, dass die umfangreichen
baulichen Renovierungsarbeiten für die Dauer von mindestens einer Woche den
Rahmen einer bloßen Gefälligkeit überschreiten, reicht es für die Annahme einer
Erwerbstätigkeit entgegen der Ansicht des Antragstellers aus, dass der Ausländer
eine Tätigkeit ausführt, für die ein Entgelt üblich ist. Das für die vom Antragsteller
vorgenommen baulichen Renovierungsarbeiten ein Entgelt üblich ist, steht außer
Frage. Darauf, ob tatsächlich ein Entgelt gezahlt wurde oder aus welchen Gründen
kein Entgelt gezahlt wurde, kommt es nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des
§ 12 DVAuslG nicht an.
Darüber hinaus hätte der Antragsteller nach § 284 i. V. m. § 285 SGB III für die
Arbeitsaufnahme einer Arbeitserlaubnis bedurft. Der Antragsteller als Cousin der
Eigentümerin der Wohnung gehört nicht zu den nach § 9 Nr. 1
Arbeitsgenehmigungsverordnung i. V. m. § 5 Abs. 2 des
Betriebsverfassungsgesetzes genannten Personenkreis.
Der Verstoß des Antragstellers gegen die Einreisebestimmungen der
Bundesrepublik Deutschland ist auch nicht lediglich geringfügig. Durch die illegale
Einreise zum Zwecke der Arbeitsaufnahme werden die Interessen der
Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt.
Auch die getroffene Ermessensentscheidung über die Ausweisung des
Antragsteller ist rechtlich nicht zu beanstanden. Eine derartige Entscheidung
erfordert eine sachgerechte Abwägung der öffentlichen Interessen an einer
Ausreise des Ausländers mit dem Interesse des Ausländers an einem weiteren
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Ausreise des Ausländers mit dem Interesse des Ausländers an einem weiteren
Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Es ist nicht zu beanstanden, dass
der Antragsgegner die Ausweisung insbesondere auf generalpräventive Gründe
gestützt hat. Im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss eine
derartige Ausweisung eine angemessene generalpräventive Wirkung erwarten
lassen. Dies ist der Fall, wenn nach der Lebenserfahrung damit gerechnet werden
kann, dass sich andere Ausländer mit Rücksicht auf eine kontinuierliche
Ausweisungspraxis ordnungsgemäß verhalten. Erforderlich ist, dass es Ausländer
gibt, die sich in einer mit dem Betroffenen vergleichbaren Situation befinden und
durch dessen Ausweisung von gleichen oder ähnlichen Handlung abhalten lassen.
Es entspricht der Lebenserfahrung, dass sich ein konsequentes Vorgehen der
Ausländerbehörde gegenüber Ausländern, die im Rahmen eines
Touristenaufenthaltes eine Arbeitstätigkeit aufnehmen, bei dem betroffenen
Personenkreis herumspricht und andere Ausländer von der Begehung ähnlicher
Einreise- und Arbeitserlaubnisverstößen nach dem gleichen Muster abhält.
Relevante Gesichtspunkte, die einen weiteren Aufenthalt des Antragstellers in der
Bundesrepublik Deutschland erfordern, sind nicht ersichtlich geworden.
Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung, die knapp aber formgerecht ist, ist
rechtlich nicht zu beanstanden. Schützenswerte Interessen des Antragstellers an
einem weiteren Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland sind weder glaubhaft
gemacht noch anderweitig ersichtlich.
Auch die Abschiebungsandrohung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Der
Antragsteller ist nach § 42 Abs. 1 AuslG zur Ausreise verpflichtet, da mit der
Ausweisung die Befreiung vom Erfordernis der Aufenthaltsgenehmigung entfallen
ist (§ 44 Abs. 5 AuslG). Die Ausreisepflicht ist nach § 42 Abs. 2 Nr. 2 AuslG auch
vollziehbar. Die gesetzte Ausreisefrist erscheint angemessen, um dem
Antragsteller die Ordnung seiner persönlichen Angelegenheiten zu ermöglichen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen, da er unterlegen ist (§
154 Abs. 1 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.