Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 24.10.2007

VG Frankfurt: verordnung, gerichtshof der europäischen gemeinschaften, unternehmen, ablauf der frist, stadt, anwendungsbereich, restriktive auslegung, europäisches gemeinschaftsrecht, besitz

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Gericht:
VG Frankfurt 6.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 E 1037/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
1. Der Bescheid des Regierungspräsidiums D vom 01.03.2007 wird insoweit
aufgehoben, als darin der Beigeladenen zu 1) eine Linienverkehrsgenehmigung
erteilt und der Antrag der Klägerin abgelehnt wird.
Der Beklagte wird verpflichtet, den Antrag der Klägerin unter Beachtung
der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
2. Die Kosten des Verfahrens haben der Beklagte und die Beigeladene zu
1) jeweils zur Hälfte zu tragen.
3. Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der
jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erteilung einer Genehmigung für die Einrichtung
und den Betrieb eines Linienverkehrs mit Kraftfahrzeugen für das Linienbündel ...
das aus den 6 Buslinien MKK 50, MKK 51, MKK 52, MKK 53, MKK 55 und MKK 60 in
dem Gebiet zwischen G und H besteht.
Inhaberin der Genehmigung für dieses Linienbündel war bis zum 07.10.2007 die
Beigeladene zu 2).
Die Beigeladene zu 3) hatte die Verkehrsleistungen des Linienbündels zunächst
als gemeinwirtschaftlich zu erbringende Verkehrsleistung gemäß § 13 a PBefG
europaweit ausgeschrieben. Die Klägerin sowie die Beigeladenen zu 1) und zu 2)
gaben im Rahmen dieser Ausschreibung entsprechende Angebote ab, stellten
aber dann am 27.11.2006, am 23.8.2006 und am 27.10.2006 jeweils einen Antrag
auf Genehmigung für die eigenwirtschaftliche Durchführung des Linienverkehrs
gemäß § 13 PBefG.
Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens räumte das Regierungspräsidium D den
drei Antragstellern mit gleichlautenden Schreiben die Möglichkeit ein, bis zum
15.2.2007 eine weitergehende Ausgestaltung des Verkehrsangebotes
vorzunehmen. Weiterhin bat die Behörde um Mitteilung über die Qualität der
vorgesehenen Fahrzeuge und ob die Bereitschaft bestehe, einen Vertrag mit dem
lokalen Aufgabenträger, der Beigeladenen zu 3), im Hinblick auf bestimmte
Qualitätsmerkmale abzuschließen. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass nach
Ablauf der Frist eingehende Erklärungen bei der Entscheidung unberücksichtigt
bleiben würden.
Die Klägerin beantwortete dieses Schreiben innerhalb der gesetzten Frist nicht.
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Die Beigeladenen zu 1) und zu 2) legten fristgerecht eine aktuelle Ausgestaltung
des Verkehrsangebots vor und bejahten ihre generelle Bereitschaft zum Abschluss
des Vertrages mit dem lokalen Aufgabenträger. Hinsichtlich der Qualität der
Fahrzeuge verwies die Beigeladene zu 2) auf den bestehenden Fuhrpark, der
sukzessive erneuert würde, die Beigeladene zu 1) gab an, dass sie neue oder
neuwertig/gebrauchte Busse einsetzen werde.
Mit Bescheid vom 1.3.2007 wurde der Beigeladenen zu 1) die Genehmigung erteilt,
und zwar für den Zeitraum vom 8.10.2007 bis 7.10.2015; die Anträge der beiden
Konkurrenten, der Klägerin und der Beigeladenen zu 2), wurden abgelehnt.
Zur Begründung heißt es in dem Bescheid, dass von einer weiteren Prüfung des
Antrags der Klägerin wegen fehlender Genehmigungsfähigkeit abgesehen worden
sei; sie habe kein weiteres Angebot vorgelegt und auch die Finanzierung des
beantragten Linienverkehrs nicht dargelegt.
Von den beiden anderen Antragstellern würden die subjektiven
Genehmigungsvoraussetzungen hinsichtlich Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit
und fachlicher Eignung erfüllt. Das Angebot der Beigeladenen zu 1) sei in der
Gesamtbetrachtung jedoch als das eindeutig bessere zu bewerten.
Gegen den ihr am 6.3.2007 zugestellten Bescheid hat die Klägerin am 05.04.2007
Klage erhoben.
Sie trägt zur Begründung ihrer Klage vor, dass ihr Antrag in die
Auswahlentscheidung hätte einbezogen werden müssen, da bei ihr die subjektiven
Genehmigungsvoraussetzungen nach § 13 Abs. 1 PBefG gegeben seien und keiner
der Versagungsgründe nach § 13 Abs. 2 und 2 a PBefG vorliege.
Der von dem Beklagten genannte Versagungsgrund – Nichtvorlage der
geforderten Kalkulation sowie des erweiterten Angebots – finde keine Stütze im
Gesetz.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 01.03.2007 insoweit aufzuheben, als darin
der beigeladenen ... die Genehmigung erteilt worden ist und der Antrag der
Klägerin abgelehnt worden ist, sowie den Beklagten zu verpflichten, über den
Genehmigungsantrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts zu entscheiden.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte vertritt die Auffassung, der Antrag der Klägerin sei nicht
genehmigungsfähig gewesen. Da die Klägerin ihre Kalkulation nicht vorgelegt
habe, sei eine Beurteilung der Wirtschaftlichkeit als Gegenstand des öffentlichen
Verkehrsinteresses nicht möglich gewesen. Von den beiden genehmigungsfähigen
Anträgen lasse derjenige der Beigeladenen zu 1) die beste Verkehrsbedienung
erwarten, so dass ihr die Genehmigung zu erteilen gewesen sei.
Der auf dieser Grundlage getroffenen Auswahlentscheidung stehe auch nicht
Europäisches Gemeinschaftsrecht entgegen. Zwar sei die Beigeladene zu 1) im
Besitz einer Genehmigung zur Durchführung von Mietomnibusverkehr sowie
Ausflugsverkehr gewesen, dies stehe der Erteilung einer
Linienverkehrsgenehmigung nach § 13 PBefG jedoch nicht entgegen. Es treffe zwar
zu, dass nach Artikel 1 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69
des Rates die Mitgliedstaaten nur solche Unternehmen, deren Tätigkeit
ausschließlich auf den Betrieb von Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr beschränkt
ist, vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausnehmen können und § 13
PBefG nach dem Urteil des BVerwG vom 19.10.2006 eine solche Ausnahme
darstelle. Daraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass die Erteilung einer
eigenwirtschaftlichen Genehmigung nach § 13 PBefG nur solchen Unternehmen
erteilt werden dürfe, die ausschließlich im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr tätig
seien. Die für die Beigeladene zu 1) dargestellten Umstände träfen auch für den
Großteil der kleinunternehmerisch-mittelständisch geprägten
Busunternehmerlandschaft in Deutschland zu, so dass fast alle auf der Grundlage
des geltenden Personenbeförderungsgesetzes in Deutschland erteilten
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des geltenden Personenbeförderungsgesetzes in Deutschland erteilten
eigenwirtschaftlichen Genehmigungen rechtlich beanstandet werden müssten.
Gehe man von der wörtlichen Auslegung ab und auf den Sinn der Regelung der
EG-Verordnung ein, so wolle diese sicherstellen, dass gewährte Beihilfen im
Rechnungswesen des Verkehrsunternehmens transparent dargestellt und diese
Subventionen nicht von einem Bereich auf einen anderen transferiert würden. Im
vorliegenden Fall würden sich die eventuellen beihilferelevanten Tatbestände
jedoch ausschließlich auf die gesetzlichen Ausgleichsleistungen, die für bereits
erbrachte Verkehrsdienste für alle Verkehrsunternehmen nach gleichen Bedingen
und Berechnungsparametern bezahlt würden, beschränken und weitere
Mittelzuweisungen nicht erfolgen. Deshalb sei in der praktischen Auswirkung die
Zielsetzung der EG-Verordnung als gewahrt anzusehen.
Die Beigeladene zu 1) schließt sich den Ausführungen des Beklagten an und
vertieft diese.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist als Stufenklage im Sinne
des § 113 Abs. 4 VwGO zulässig (vgl. Kopp/Schenke, 13. Auflage, VwGO, 13.
Auflage, § 42 Rdnr. 48). Die im Hinblick auf die Anfechtung der der Beigeladenen
zu 1) erteilten Genehmigung erforderliche Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO
ist gegeben. Die Klägerin kann geltend machen, durch die Erteilung der
Genehmigung an die Beigeladene zu 1) in eigenen Rechten verletzt zu werden.
Der Schutz der öffentlichen Verkehrsinteressen in § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG enthält
ein Verbot der Doppelbedienung, welches die Erteilung einer Genehmigung an
einen Konkurrenten ausschließt, wenn der Verkehr bereits ausreichend bedient
wird oder von einem Mitbewerber bedient werden soll. § 13 Abs. 2 Nr. 2 PBefG
kommt daher eine drittschützende Wirkung zu (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.4.2000,
Az. 3 C 6/99).
Die Klage ist auch begründet.
Die Entscheidung des Regierungspräsidiums D, der Beigeladenen zu 1) unter
gleichzeitiger Ablehnung des Antrags der Klägerin die Genehmigung für die
Einrichtung und den Betrieb eines eigenwirtschaftlichen Linienverkehrs für das
Linienbündel ... zu erteilen, ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren
Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Der Beigeladenen zu 1) durfte eine
eigenwirtschaftliche Genehmigung auf der Grundlage des § 13 PBefG nicht erteilt
werden. Die Erteilung einer solchen Genehmigung an die Beigeladene zu 1)
verstößt gegen europarechtliche Vorschriften.
Gemäß § 8 Abs. 4 S. 1 PBefG sind Verkehrsleistungen im öffentlichen
Personennahverkehr eigenwirtschaftlich zu erbringen. Eigenwirtschaftlich sind
gemäß § 8 Abs. 4 S. 2 PBefG Verkehrsleistungen, deren Aufwand durch
Beförderungserlöse, Erträge aus gesetzlichen Ausgleichs- und
Erstattungsregelungen im Tarif- und Fahrplanbereich sowie durch sonstige
Unternehmenserträge im handelsrechtlichen Sinne gedeckt wird. Soweit eine
ausreichende Verkehrsbedienung auf eigenwirtschaftlicher Basis nicht möglich ist,
ist gemäß § 8 Abs. 4 S. 3 PBefG die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom
26.6.1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des
öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des
Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs in der jeweils geltenden Fassung
maßgebend. Damit korrespondierend regelt § 13 PBefG die Erteilung einer
eigenwirtschaftlichen Genehmigung, während § 13 a PBefG die Erteilung einer
Genehmigung zur Durchführung von gemeinwirtschaftlichen Verkehrsleistungen
auf der Grundlage der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 zum Gegenstand hat.
Gemäß Artikel 1 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 gilt die Verordnung für
Verkehrsunternehmen, die Verkehrsdienste auf dem Gebiet des Eisenbahn-,
Straßen- und Binnenschiffsverkehrs betreiben. Die Mitgliedstaaten können jedoch
gemäß Artikel 1 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Verordnung Unternehmen, deren
Tätigkeit ausschließlich auf den Betrieb von Stadt-, Vorort- und
Regionalverkehrsdiensten beschränkt ist, vom Anwendungsbereich dieser
Verordnung ausnehmen. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat in
seinem Urteil vom 24.7.2003 (Rs. C 33/05 ...) ausgeführt, dass diese Regelung
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seinem Urteil vom 24.7.2003 (Rs. C 33/05 ...) ausgeführt, dass diese Regelung
dahin auszulegen sei, dass einem Mitgliedstaat die Möglichkeit eröffnet werde,
diese Verordnung nicht zwingend auf den gesamten, auf öffentliche Zuschüsse
angewiesenen Betrieb von Liniendiensten im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr
anzuwenden, sondern ihre Anwendung auf die Fälle zu beschränken, in denen
andernfalls eine ausreichende Verkehrsbedienung nicht möglich sei. Diese
Möglichkeit, nur bestimmte Teilbereiche des Regionalverkehrs vom
Anwendungsbereich der Verordnung auszunehmen, gelte allerdings nur unter der
Voraussetzung, dass der Grundsatz der Rechtssicherheit gewahrt werde, was
wiederum voraussetze, dass in den nationalen Rechtsvorschriften klar festgelegt
sei, in welchem Umfang von dieser Ausnahmebefugnis Gebrauch gemacht werde.
Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.10.2006 (Az. 3 C
33/05) stellt die unterschiedliche Regelung der Genehmigung eigenwirtschaftlicher
und gemeinwirtschaftlicher Verkehrsleistungen in § 8 Abs. 4, §§ 13, 13 a PBefG
eine solche rechtssichere Teilbereichsausnahme von der Verordnung (EWG) Nr.
1191/69 dar.
Folglich können sich nur solche Unternehmen auf die in § 13 PBefG geregelte
Teilbereichsausnahme von der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 berufen, die auch
ausschließlich Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdienste betreiben. Der
nationale Gesetzgeber kann nur innerhalb des in der Verordnung eingeräumten
Rahmens eine Ausnahmeregelung treffen. Die deutsche Teilbereichsausnahme
kann wegen des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts nicht über die Grenzen
hinausgehen, welche die Ermächtigungsnorm in der unmittelbar wirksamen
Verordnung zieht (Lenz, "Genehmigung eigenwirtschaftlicher Verkehre im ÖPNV",
NJW 2007, 1181, 1183). Der Vorschrift des § 13 PBefG ist daher – sozusagen als
"ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzung" – die Einschränkung hinzuzufügen,
dass nur solchen Unternehmen eine eigenwirtschaftliche Genehmigung erteilt
werden kann, die ausschließlich Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr betreiben (so
auch VG Karlsruhe, Urteil vom 5.9.2006, Az. 5 K 1367/05; VG Gießen, Urteil vom
12.6.2007, Az. 6 E 49/06; KCW-GmbH, Gutachten vom 24.2.2004 "Zur
Anwendbarkeit der VO (EWG) Nr. 1191/69 in Deutschland", S. 15; Berschin/Fehling,
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2007, 263, 265).
Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass das Bundesverwaltungsgericht in
seiner Entscheidung vom 19.10.2006 nicht darauf eingegangen ist, dass die
Beteiligten jenes Verfahrens ihren Geschäftsbetrieb nicht allein auf die
Durchführung von Stadt-, Vorort- und Regionalverkehrsdiensten beschränkt
hätten. Gegenstand jenes Verfahrens war nicht die Frage nach der Reichweite der
Teilbereichsausnahme. Der Leitsatz des Urteils, wonach das
Genehmigungsverfahren für einen eigenwirtschaftlichen Linienverkehr nach § 13
PBefG nicht die Prüfung umfasst, ob die Finanzierung der Verkehrsleistung
teilweise durch eine gemeinschaftsrechtlich unzulässige Beihilfe erfolgen soll,
betrifft allein die Anwendbarkeit des EG-Beihilferechts in den Fällen, in denen die
VO (EWG) 1191/69 wegen des Gebrauchmachens von der Ausnahmemöglichkeit
nicht anwendbar ist (so zutreffend VG Gießen, a. a. O.).
Dem Beklagten und der Beigeladenen zu 1) kann auch nicht darin gefolgt werden,
dass nach Sinn und Zweck der Verordnung diese einschränkende Auslegung des §
13 PBefG nicht geboten sei. Der Beklage führt hierzu aus, dass der
Verordnungsgeber mit der Verordnung (EWG) 1191/69 habe sicherstellen wollen,
dass staatliche Beihilfen im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag nicht von einem
Bereich eines Verkehrsunternehmens auf einen anderen transferiert werden, um
so Wettbewerbsverzerrungen des Binnenmarktes zu vermeiden beziehungsweise
zu erschweren. Doch spricht gerade dies für eine restriktive Auslegung der den
Mitgliedstaaten eingeräumten Möglichkeit zur Ausnahmeregelung. Der
Verordnungsgeber wollte erkennbar allein den in der Regel auf öffentliche Mittel
angewiesenen regionalen Verkehrsbereich von der Anwendung der Verordnung
ausnehmen, der keinen relevanten Einfluss auf den Binnenmarkt besitzt. Nur in
diesem Bereich sollen nach der Verordnung zur Sicherung einer ausreichenden
Verkehrsbedienung die sogenannten Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes,
also Beförderungs-, Betriebs- und Tarifpflicht auferlegt werden können und so in
die unternehmerische Freiheit der Verkehrsunternehmen eingegriffen werden. Die
zum Ausgleich dieser Verpflichtung gewährten Zahlungen stellen gemäß der
Verordnung dann keine zu berücksichtigenden Beihilfen dar und sind mit dem
Gemeinsamen Markt vereinbar. Dem entspricht allein eine einschränkende
Auslegung der Möglichkeit zur Ausnahmeregelung für die nationalen Gesetzgeber.
Eine Interpretation des Artikel 1 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Verordnung entgegen
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Eine Interpretation des Artikel 1 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Verordnung entgegen
dem eindeutigen Wortlaut dahingehend, dass nicht nur Verkehrsunternehmen,
sondern auch Verkehrstätigkeiten vom Anwendungsbereich der Verordnung
ausgeschlossen werden könnten, würde dem oben genannten Zweck der
Verordnung zuwiderlaufen. Ein Transfer von für regionale Verkehrsleistungen
gewährten Zahlungen innerhalb eines Unternehmens auf Unternehmenszweige,
die nicht vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind, wäre
damit entgegen dem Sinn und Zweck der Verordnung nicht ausgeschlossen.
Soweit die Auffassung, nicht nur Unternehmen, sondern auch Verkehrsleistungen
könnten von der Anwendbarkeit der Verordnung ausgeschlossen werden, auf die ...
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes gestützt wird, kann dem nicht
gefolgt werden. Der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes lässt sich eine
solche Aussage nicht entnehmen. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner
Entscheidung lediglich festgestellt, dass ein Mitgliedstaat die Ausnahmebefugnis
für Liniendienste im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr auch eingeschränkt
anwenden darf, d. h. in der Ausnahmebestimmung nicht die genannten
Liniendienste insgesamt ausnehmen muss (sogenannte Teilbereichsausnahme).
Mit der auf eigenwirtschaftliche Verkehrsleistungen nach deutschem Recht
bezogenen Formulierung (Rdnr. 57) hat der Europäische Gerichtshof also
keinesfalls zum Ausdruck gebracht, dass bei der Ausnahmeoption auf die
Verkehrsleistung abzustellen ist, sondern lediglich festgestellt, dass diese auf die
Verkehrsleistung beschränkte Ausnahmemöglichkeit ein Minus gegenüber
Ausnahmeoptionen für das ganze Unternehmen darstellt (VG Karlsruhe, Urteil
vom 3.9.2006, 5 K 1367/05 m. w. N.).
Ganz im Gegenteil lässt sich dem bereits genannten Urteil des Europäischen
Gerichtshofes entnehmen, dass es Sinn und Zweck der EU-Verordnung entspricht,
die Möglichkeit zur Ausnahmeregelung restriktiv zu verstehen. Der Europäische
Gerichtshof hat in dieser Entscheidung deutlich gemacht, dass es dem Ziel der
Verordnung entspricht, von der eingeräumten Möglichkeit zur Ausnahmeregelung
in möglichst geringem Umfang Gebrauch zu machen. Die in der Bundesrepublik
mit der Änderung des Personenbeförderungsgesetzes zum 01.01.1996 erfolgte
Beschränkung der Ausnahmemöglichkeiten vom Anwendungsbereich der
Verordnung auf eigenwirtschaftliche Verkehrsleistungen durch Einführung des § 13
a PBefG wird vom Europäischen Gerichtshof ausdrücklich begrüßt. In der
Entscheidung vom 24.7.2003 heißt es, dass die deutschen Rechtsvorschriften
damit den Zielen dieser Verordnung näher gekommen seien (Rdnr. 56).
Auch aus der sich auf die VO (EWG) Nr. 1191/69 beziehenden VO (EWG) Nr.
1107/70 kann nichts für eine weite Auslegung der Ausnahmebestimmung
hergeleitet werden. In jener Verordnung ist in Artikel 3 Nr. 2 von
"Verkehrsunternehmen oder Verkehrstätigkeiten" die Rede, die vom
Anwendungsbereich der VO (EWG) Nr. 1191/69 ausgenommen sind. Aufgrund der
Möglichkeit der Mitgliedsländer zur Teilbereichsausnahme im Hinblick auf
verschiedene Verkehrstätigkeiten lässt diese Formulierung aber keine
entsprechenden Rückschlüsse zu. Während die Bundesrepublik den Teilbereich der
eigenwirtschaftlich erbrachten Verkehrstätigkeit vom Anwendungsbereich der
Verordnung ausgenommen hat, wird zum Beispiel in Österreich der vom
Anwendungsbereich auszunehmende Teilbereich auf jene Unternehmen
beschränkt, die ausschließlich im Stadt- und Vorortverkehr tätig sind, während im
Regionalverkehr die Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 anwendbar bleibt (Artikel 2 des
Privatbahnunterstützungsgesetzes). Die genannten Beschränkungen der
Ausnahmeoption auf bestimmte Verkehrsdienste stellen jedoch in beiden Fällen
ein Minus zu der von der Verordnung den Mitgliedsländern eingeräumten
Möglichkeit dar, alle Unternehmen, die ausschließlich Stadt- Vorort- und
Regionalverkehr betreiben, vom Anwendungsbereich der Verordnung
auszunehmen, und halten sich innerhalb dieses von der Verordnung
vorgegebenen Rahmens. Die VO (EWG) Nr. 1107/70 spricht daher ebenfalls nicht
für eine erweiternde Auslegung der Ausnahmeregelung der VO (EWG) Nr. 1191/69.
Bei der Frage nach den Grenzen der in § 13 PBefG geregelten
Teilbereichsausnahme von dem Anwendungsbereich der Verordnung ist daher der
eindeutige Wortlaut der Verordnung zugrunde zu legen, der entsprechend dem
Sinn und Zweck der Regelung die Ausnahmemöglichkeit auf jene Unternehmen
beschränkt, die ausschließlich im Stadt-, Vorort- und Regionalverkehr tätig sind.
Deshalb kann auch nicht – wie der Beklagte meint – darauf abgestellt werden, in
welchem Umfang im jeweiligen Einzelfall eventuell beihilferelevante Tatbestände
gegeben sind und ob in der praktischen Auswirkung jeweils die Zielsetzungen der
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gegeben sind und ob in der praktischen Auswirkung jeweils die Zielsetzungen der
EG-Verordnung gewahrt sind. Eine Genehmigung nach § 13 PBefG darf vielmehr
unabhängig von der Gestaltung des jeweiligen Einzelfalles nur solchen
Unternehmen erteilt werden, für die in der Verordnung eine Bereichsausnahme
vorgesehen ist, also jenen Unternehmen, die ausschließlich im Stadt-, Vorort- und
Regionalverkehr tätig sind.
Bei der Beigeladenen zu 1) handelt es sich nicht um ein solches Unternehmen.
Vielmehr war die Beigeladene zu 1), als ihr mit dem angefochtenen Bescheid des
Beklagten vom 1.3.2007 die Genehmigung zur Durchführung des Linienverkehrs
für das Linienbündel ... erteilt wurde, auch im Besitz einer Genehmigung zur
Durchführung von Mietomnibusverkehr sowie von Ausflugsverkehr. Der
Beigeladenen zu 1) hätte daher eine Genehmigung zur Durchführung von
Linienverkehr nur auf der Grundlage des § 13 a PBefG im Rahmen des dort
vorgesehenen Verfahrens erteilt werden dürfen. Die der Beigeladenen zu 1) nach §
13 PBefG erteilte Genehmigung vom 1.3.2007 ist rechtswidrig, sie verletzt die
Klägerin auch in ihren Rechten als Mitbewerberin und muss daher aufgehoben
werden.
Die Klage ist auch im Hinblick auf den Antrag der Klägerin auf Verpflichtung des
Beklagten, ihren Antrag auf Erteilung der Genehmigung unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden, begründet. Da der Bescheid
des Beklagten vom 1.3.2007 im beantragten Umfang aufzuheben war, wird der
Beklagte nun in der Sache neu zu entscheiden haben. Dabei wird er die
Rechtsauffassung des Gerichtes zu beachten haben, dass nur solche Antragsteller
bei der neu zu treffenden Auswahlentscheidung berücksichtigt werden können, die
zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 13 PBefG in Verbindung mit
Artikel 1 Abs. 1 Unterabsatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 119 1/69 erfüllen.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1), die einen eigenen Antrag gestellt hat,
haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen, da sie unterlegen sind
(§§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 159 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11 und 711 ZPO.
Die Berufung ist gemäß § 124 a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.