Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 10.08.2004

VG Frankfurt: serbien und montenegro, kosovo, politische verfolgung, anerkennung, bundesamt, behandlung, form, trauma, vollstreckung, anhörung

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 E 1668/04.A
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 53 Abs 6 AuslG
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der noch
festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin ist Staatsangehörige Serbien und Montenegros. Sie stammt aus dem
Kosovo und ist albanische Volkszugehörige. Sie ist Muslima. Sie reiste nach
eigenen Angaben im Dezember 1998 ein und stellte unter dem 23.09.2003 einen
Antrag gemäß § 51 Abs. 1 AuslG und § 53 AuslG. Zur Begründung gab sie neben
allgemeinen Angaben zur Situation in ihrem Heimatland an, dass sie seit ihrer
Flucht in die Bundesrepublik Deutschland in ständiger ambulanter fachärztlicher
und therapeutischer Behandlung bzw. Betreuung sei. Die Behandlung sei
unbedingt in der Bundesrepublik Deutschland weiter fortzuführen. Zur Vorlage
kam eine ärztliche Bescheinigung des Frankfurter Arbeitskreis Trauma und Exil
vom 21.05.2002 (Bl. 56, 57 der Behördenakte), worauf Bezug genommen wird.
Im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge am 13.11.2003 gab sie im wesentlichen folgendes an:
Sie sei wegen des Krieges aus der Bundesrepublik Jugoslawien ausgereist. Die
Erlebnisse im Kosovo hinderten sie an einer Rückkehr. Es gehe ihr gesundheitlich
nicht so gut. Sie gehe seit 2 Jahren in Deutschland zu einem Psychiater. In ihrer
Heimat gebe es keine Arbeit und sie hätten kein Haus. Zwei Schwestern ihres
Ehemannes, die im Kosovo lebten, hätten ihr über die Lage dort erzählt.
Rückkehrer erhielten keine Unterstützung. Sie lebten noch immer unter Zelten.
Sie habe ständig unter großer Angst gelebt. Sie habe allein mit ihrer Mutter gelebt.
Sie hätten jeden Tag gehört, dass es da und dort Vergewaltigungen gegeben habe
und Menschen getötet worden seien. Auf ihrer Flucht habe sie einen toten
Kommilitonen entdeckt. Auch andere Leichen habe sie gesehen. Darunter hätten
sich auch massakrierte Kinder befunden.
Im Nachgang zur Anhörung kam zur Vorlage eine ärztliche Bescheinigung des
Frankfurter Arbeitskreis Trauma und Exil vom 27.11.2003 (Bl. 75, 76 der
Behördenakte), worauf Bezug genommen werden kann. Ferner kam zur Vorlage
ein "nervenärztliches Attest" von Frau Stefan vom 08.12.2003 (Bl. 77 der
Behördenakte).
Mit Bescheid vom 12.03.2004 lehnte das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte ab,
stellte das Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und das
Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 des AuslG fest und drohte
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Nichtvorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 des AuslG fest und drohte
der Klägerin die Abschiebung nach Serbien und Montenegro an. Auf die
Begründung des Bescheides wird Bezug genommen. Der Bescheid wurde per
Einschreiben am 17.03.2004 zur Post gegeben.
Mit Schriftsatz vom 05.04.2004, dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
zugegangen am 05.04.2004, einem Montag, hat die Klägerin Klage erhoben mit
der sie ihr Begehren weiter verfolgt. Neben allgemeinen Ausführungen zur
Situation der Klägerin im Heimatland erfolgt kein Vortrag betreffend die
Erkrankung der Klägerin.
Die Klägerin beantragt:
1. unter Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 12.03.2004, zugestellt
am 22.03.2004, diese zu verpflichten, die Klägerin als Asylberechtigte
anzuerkennen;
2. Festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 51 Abs. 1 AuslG sowie
Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte
Behördenakte Bezug genommen. Ferner wird Bezug genommen zu den
hinzugezogenen Gerichtsakten 1 E 661/04.A(1), 1 E 1744/03.AO(3) sowie 1 E
3656/03.AO(V).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid des Bundesamtes für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 12.03.2004 ist rechtmäßig und
verletzt die Klägerin deshalb nicht in ihren Rechten.
Die Klägerin kann sich aufgrund ihrer Einreise aus einem sicheren Drittstaat i. S. v.
Art. 16 Abs. 2 S. 1 GG, § 26 a Abs. 2 AsylVfG nicht auf Art. 16 a Abs. 1 GG berufen.
Sie ist aus ihrer Heimat kommend 1998 mit einem Pkw eingereist.
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat auch zurecht
festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG nicht vorliegen. Für
albanische Volkszugehörige besteht im Kosovo eine inländische Fluchtalternative
im Sinne einer hinreichenden Sicherheit vor Verfolgung. Die Bundesrepublik
Jugoslawien bzw. der Staat Serbien und Montenegro hat auf dem Territorium des
Kosovo keine effektive Gebietsgewalt, die eine politische Verfolgung der dort
lebenden Bevölkerung ermöglichen könnte. Durch die Präsens der KFOR-Truppen
ist auch auf absehbare Zeit ausgeschlossen, dass Serbien und Montenegro auf
militärischem Weg die effektive Gebietsherrschaft im Kosovo wieder erlangen
könnte. Das erkennende Gericht folgt i. ü. der Rechtsprechung des 7. Senats des
Hessischen VGH (exemplarisch: Beschluss vom 26.02.2003 - 7 UE 847/01.A).
Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hat aber auch
zurecht festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 53 AuslG und hier
insbesondere des § 53 Abs. 6 AuslG nicht vorliegen. Das erkennende Gericht kann
Zweifel, ob die vorgelegten Atteste betreffend die Erkrankung der Klägerin
wissenschaftliche Mindestanforderungen erfüllen offen lassen, obwohl es hieran
erhebliche Zweifel hegt, denn jedenfalls ergibt sich kein Abschiebungshindernis i.
S. d. § 53 Abs. 6 S. 1 AuslG, weil posttraumatische Belastungsstörungen in
Serbien und Montenegro einschließlich Kosovo angemessen behandelt werden
können. Das erkennende Gericht folgt in seiner Bewertung dem Urteil des 7.
Senats des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 17.02.2004, 7 UE 1915/02.A.
Diese Bewertung wird dadurch gestützt, dass mit der Auskunft des Deutschen
Verbindungsbüros im Kosovo an das VG Osnabrück vom 16.04.2004 eindeutig
erscheint, dass jedenfalls nunmehr eine als hinreichend zu bewertende
Basisversorgung sowohl medikamentös als auch in Form einer
psychotherapeutischen Betreuung im Kosovo existiert und auch finanziell
zugänglich erscheint. Insbesondere in den Mental Health Care Center in sieben
größeren Städten werden Personen, die an psychischen Problemen leiden
ambulant und kostenfrei behandelt. In diesen Zentren werden eine einfache Form
der Psychotherapie, der Arbeitstherapie und andere nicht medikamentöse
Behandlungsformen für psychisch Kranke angeboten. Hinzu kommen eine Anzahl
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Behandlungsformen für psychisch Kranke angeboten. Hinzu kommen eine Anzahl
von Nichtregierungsorganisationen, die psychisch Kranke und durch belastende
Kriegsereignisse traumatisierte Personen beraten und medizinisch/psychologisch
behandeln. Die Behandlung und Beratung erfolgt kostenfrei und die Wartezeit für
einen ersten Behandlungstermin beträgt zwischen vier und sechs Wochen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die Gerichtsgebührenfreiheit beruht auf § 87 b AsylVfG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.