Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 20.01.2011

VG Frankfurt: schüler, oberstufe, gleichstellung, hessen, zeugnis, versetzung, besuch, mittelstufe, gleichbehandlung, gerichtsakte

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Gericht:
VG Frankfurt 5.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 K 2040/10.F
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 60 Pr/SekIBiGPrV HE, § 39
Pr/SekIBiGPrV HE
keine mittlere Reife nach Abschluss von G8
Leitsatz
mittlere Reife; G8/G9
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger besuchte bis zur Jahrgangsstufe 9 das C-Gymnasium in D-Stadt. Er
absolvierte den verkürzten gymnasialen Bildungsgang (G8) und erhielt nach
Abschluss der 9. Klasse ein Zeugnis vom ….07.2010, wonach er in die
Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe versetzt ist. Zudem erhielt er ein
Beiblatt zu diesem Zeugnis, wonach er die Sekundarstufe I im verkürzten
gymnasialen Bildungsgang erfolgreich absolviert und die curricularen
Voraussetzungen für die Gleichstellung mit dem mittleren Abschluss erreicht
habe, der in Übereinstimmung mit den Beschlüssen der Kultusministerkonferenz
nach dem erfolgreichen Besuch der folgenden aufsteigenden Jahrgangsstufe
zuerkannt werde.
Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 10.05.2010 beantragte der Kläger
beim Staatlichen Schulamt für den Landkreis Groß-Gerau und den Main-Taunus-
Kreis, ihm ein Zeugnis über den Erwerb des mittleren Abschlusses
(Realschulabschluss) auszuhändigen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die
Schüler im verkürzten gymnasialen Bildungsgang (G8) den Schülern des
herkömmlichen gymnasialen Bildungsgangs (G9) gleichzustellen seien, die nach
der 10. Jahrgangsstufe den mittleren Abschluss verliehen bekämen. Die G8-
Schüler würden hinsichtlich des Ausbildungsstandes und des Ausbildungslevels
das Gleiche leisten wie die G9-Schüler. Würde ihnen der mittlere Abschluss nicht
zuerkannt, verletze dies den Gleichheitssatz des Grundgesetzes.
Mit Schreiben des Staatlichen Schulamtes vom 20.05.2010 wurde der Antrag
abgelehnt. Nach § 60 der Verordnung zur Ausgestaltung der Bildungsgänge und
Schulformen der Grundstufe (Primarstufe) und der Mittelstufe (Sekundarstufe I)
und der Abschlussprüfung in der Mittelstufe in der Fassung vom 11.11.2009
(VOBGM) müsse für die Zuerkennung des mittleren Abschlusses die
Jahrgangsstufe 10 beendet sein. Dies habe sich durch die zwischenzeitliche
Einführung des gymnasialen Bildungsganges in acht Jahren nicht geändert. Der
Gesetzgeber habe bewusst darauf verzichtet, die Jahrgangsstufen insofern
anzupassen. Auch nach der Beschlusslage der Kultusministerkonferenz seien für
den mittleren Bildungsabschluss zehn Schuljahre verpflichtend.
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Den mit Schreiben vom 21.06.2010 eingelegten Widerspruch wies das Staatliche
Schulamt mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2010 zurück. Zur Begründung
wurde wie im Ausgangsbescheid auf die geltende Rechtslage verwiesen. In der
Zuerkennung des mittleren Abschlusses nur ein G9-Schüler nach der 10.
Jahrgangsstufe liege keine Ungleichbehandlung, weil der mittlere Abschluss
grundsätzlich erst nach zehn Schuljahren zuerkannt werde, unabhängig von der
Aufnahme in die Einführungsphase der gymnasialen Ober-stufe. Diese zehn
Schuljahre hätten G9-Schüler bei der Versetzung in die Einführungs-phase der
Oberstufe absolviert, nicht jedoch G8-Schüler. Beide Gruppen seien deshalb
hinsichtlich der Grundvoraussetzungen von zehn Schulbesuchsjahren für die
Erteilung des mittleren Abschlusses nicht gleich.
Am 17.08.2010 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung ergänzt er seinen
Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren. Die G8- und die G9-Schüler durchliefen
eine niveau-gleiche Ausbildung und würden die gleiche Berechtigung, die
Zulassung zum Besuch der gymnasialen Oberstufe, erreichen, ihnen müsste
deshalb mit der Zuerkennung des mittleren Abschlusses auch der gleiche
Abschluss gewährt werden. Andernfalls sei der Gleichheitsgrundsatz verletzt.
Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz vom 20.09.2010
Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 20.05.2010
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2010 zu verpflichten, dass
Jahreszeugnis/Abgangszeugnis des Schuljahres 2009/2010 mit dem Vermerk
„Gleichstellung mit dem mittleren Abschluss/Realschulabschluss“ zu versehen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist er auf § 39 Abs. 2 i. V. m. § 60 VOBGM, wonach der
mittlere Abschluss im verkürzten gymnasialen Bildungsgang erst nach der
Zulassung zur Quali-fikationsphase der gymnasialen Oberstufe verliehen werden
könne; dies sei erst nach dem erfolgreichen Absolvieren der Jahrgangsstufe 10 der
Fall. Diese Regelung setzte den Beschluss der Kultusministerkonferenz um,
wonach der mittlere Abschluss erst nach der 10. Jahrgangsstufe verliehen werden
könne. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Schriftsatz vom
29.09.2010 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach– und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge (1 Hefter Akten des
Staatlichen Schulamtes) haben vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren,
weil die Beteiligten sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§
101 Abs. 2 VwGO).
Die zulässige Klage ist nicht begründet, weil dem Kläger kein Anspruch auf
Zuerkennung des mittleren Abschlusses (Realschulabschluss) zusteht und er
deshalb auch kein entsprechendes Jahreszeugnis/Abgangszeugnis erhalten kann
(§ 113 Abs. 1 Satz 1, Absatz 5 Satz 1 VwGO).
Dies schließt die in Hessen geltende Rechtslage aus. Nach § 60 Abs. 1 VOBGM
wird der mittlere Abschluss am Ende der Jahrgangsstufe 10 erteilt. In
Übereinstimmung hiermit wird das Zeugnis von Schülern, die die Jahrgangsstufe 5-
10 des Gymnasialzweiges absolviert haben, mit der Versetzung in die
Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe dem mittleren Abschluss
gleichgestellt (§ 39 Abs. 2 Satz 1 VOBGM). Eine Gleichstellung mit dem mittleren
Abschluss erfolgt bei Schülern, die den verkürzten gymnasialen Bildungsgang
(Jahrgangsstufen 5-9) absolviert haben, mit der Zulassung zur Qualifikationsphase
der gymnasialen Oberstufe (§ 39 Abs. 2 Satz 2 VOBGM), weil diese Schüler dann
ebenfalls zehn Schuljahre besucht haben.
Diese Rechtslage verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere
verstößt sie nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Schüler,
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verstößt sie nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes. Schüler,
die den gymnasialen Bildungsgang absolvieren, erwerben den mittleren Abschluss
Gleichstellung
dem mittleren Abschluss, der seit jeher erst am Ende der 10. Jahrgangsstufe
erteilt wird. Dies ist in allen Bundesländern so und entspricht der ständigen
Beschlusslage der Kultusministerkonferenz. Es ist aus Gründen der
Gleichbehandlung nicht geboten, diese Gleichstellung mit dem mittleren Abschluss
für G8-Schüler bereits nach dem 9. Schuljahr vorzunehmen. Denn neben dem
erreichten Ausbildungsstand ist bei dem mittleren Abschluss, mit dem Schüler aus
der gymnasialen Laufbahn gleichgestellt werden, eben auch die zeitliche
Komponente von Bedeutung; der mittlere Abschluss wird aber seit jeher erst am
Ende der 10. Jahrgangsstufe erreicht. Es ist schließlich nachvollziehbar, dass
Hessen sich an die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz hält, denn es ist nicht
sinnvoll, wenn Abschlüsse und Berechtigungen in verschiedenen Bundesländern
auseinander fallen und z. B. ein mittlerer Abschluss aus Hessen in allen anderen
Bundesländern nicht anerkannt würde.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterliegt (§ 154 Abs.
1 VwGO). Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung
beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.