Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 28.08.2007

VG Frankfurt: aufschiebende wirkung, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, widerruf, öffentliches interesse, schutzwürdiges interesse, vollziehung, ausschluss, eingriff, rücknahme

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 G 1702/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 29 BörsG, § 80 Abs 5 VwGO,
§ 80 Abs 2 Nr 4 VwGO, § 80
Abs 3 VwGO
Ausschluss eines zugelassenen Skontrenführers aus der
Skontrenführung
Tenor
Die Anträge werden abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen zu 3) und 4) hat die Antragstellerin zu tragen. Die Beigeladenen zu
1), 2), 5) und 6) tragen ihre Kosten selbst.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 150.000,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin und die Beigeladenen sind Skontroführer (§ 26 BörsG) an der
Frankfurter Wertpapierbörse. Zum 1.7.2005 wurden sämtliche Skontren an der
Frankfurter Wertpapierbörse neu verteilt. Dies führte in der Vergangenheit zu einer
Reihe von Rechtsstreitigkeiten. Im Wesentlichen wandte sich seinerzeit die
Skontroführerin R. Wertpapierhandelsbank AG gegen die Neuverteilung, weil ihr
keine Skontren mehr zugeteilt worden waren.
Mit Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 27.9.2006 (Az 6 N
1388/05) wurden Teile der am 20.1.2005 vom Börsenrat beschlossenen und am
1.2.2005 in Kraft gesetzten Börsenordnung der Frankfurter Wertpapierbörse für
unwirksam erklärt.
Mit Urteil vom 7.12.2006 hat das Verwaltungsgericht Frankfurt Bescheide der
Frankfurter Wertpapierbörse vom 20.5.2005 über die Neuverteilung der Skontren
aufgehoben (Az 1 E 1101/06).
Am 1.2.2007 hat die Frankfurter Wertpapierbörse neue Zuteilungsbescheide
erlassen. Die Zuteilungen erfolgten zum einen bis zum 30.4.2007 und zum
anderen für die Zeit vom 1.5.2007 bis zum 31.10.2009. Der R.
Wertpapierhandelsbank AG wurden dabei wiederum keine Skontren zugeteilt.
Dies führte zu einem weiteren Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt.
Mit Gerichtsbeschluss vom 5.3.2007 (Az 1 G 5756/06) wurde die aufschiebende
Wirkung der Widersprüche der R. Wertpapierhandelsbank AG gegen die
Skontrenzuteilungsbescheide vom 1.2.2007 hinsichtlich des Zeitraums Februar bis
April 2007 mit Wirkung ab dem 26.3.2007 wiederhergestellt. Zur Begründung hieß
es in dem Beschluss, die Zuteilungsbescheide seien offensichtlich rechtswidrig.
Der vollständige Ausschluss eines zugelassenen Skontroführers von der
Skontroführung durch Nichtzuteilung von Skontren sei der Sache nach ein
Berufsverbot, das einen Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts der
Berufswahl darstelle. Solange die Institution des Präsenzhandels aufrechterhalten
bleibe und es folglich Skontroführer bedürfe (§ 25 BörsG), handele es sich um
einen in den Schutzbereich des Art 12 Abs 1 GG fallenden Beruf, dessen Ausübung
nur nach Maßgabe der materiellen Erfordernisse der Stufenlehre des
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nur nach Maßgabe der materiellen Erfordernisse der Stufenlehre des
Bundesverfassungsgerichts beschränkt oder untersagt werden dürfe. Im
vorliegenden Fall bezwecke die Ausschlussregelung nicht die Sicherstellung einer
Mindestqualität, sondern die Sicherstellung einer Höchstqualität der
Preisfeststellung. Deshalb solle nicht jeder Skontroführer, der schon allein durch
die Zulassung nach § 26 BörsG seine hinreichende Befähigung zu diesem Beruf
nachgewiesen habe, tatsächlich mit Skontren handeln dürfen, sondern nur die
Besten, also nur jene, die besonders hohe Qualitätsmerkmale erfüllten. Das ganze
Verteilungssystem solle dazu dienen, um die Abläufe an der Börse zu vereinfachen
und eine optimale Bildung und Verteilung von Skontrengruppen zu ermöglichen.
Eine derartige Bestenauslese komme als subjektives Berufszulassungskriterium
nur insoweit in Betracht, als es um den Zugang zu einem knappen, nicht weiter
vermehrbaren Gut gehe, wie etwa um den Zugang zu der beschränkten Zahl von
Studienplätzen an einer Hochschule. Die hier streitgegenständliche
Ausschlussregelung diene aber nicht der Lösung eines unvermeidbaren
Kapazitätsproblems, sondern nur der Optimierung der Abläufe an der
Präsenzbörse und damit der Optimierung der Wettbewerbsfähigkeit des
Frankfurter Finanzplatzes überhaupt. Da diese Zielsetzung die Einschränkung der
Berufswahl nach der Stufentheorie des Bundesverfassungsgerichts nicht zu
rechtfertigen vermöge, stelle sie eine Verletzung des Grundrechts der
Berufsfreiheit dar. Diese verfassungswidrige Verteilungsregel der
vorangegangenen Börsenordnung werde in § 39m Abs. 2 BörsO n.F.
fortgeschrieben, weshalb die Regelung rechtswidrig und unwirksam sei.
Mit Beschluss vom 21.3.2007 hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof unter
anderem die Beschwerde der Frankfurter Wertpapierbörse zurückgewiesen (Az 6
TG 540/07). Das Verwaltungsgericht habe die angefochtenen Zuteilungsbescheide
vom 1.2.2007 im Ergebnis auch zutreffend als offensichtlich rechtswidrig
angesehen. Die Börsenordnung in der anzuwendenden Fassung weise eine neue
Verteilungsregelung auf, die - ohne dass der Senat des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs bereits zu einer Überprüfung der Rechtmäßigkeit dieser
Regelung berufen wäre - bereits ab dem 1.2.2007 hätte angewandt werden
können. Insoweit dürfe hier nicht auf eine Notkompetenz der Geschäftsführung
ausgewichen werden.
Mit Bescheiden der Frankfurter Wertpapierbörse vom 23.3.2007 wurden Skontren
wiederum neu verteilt, und zwar auf der Grundlage der mit Wirkung vom 26.3.2007
in Kraft tretenden geänderten Fassung der Börsenordnung.
In dem an die Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens gerichteten Bescheid
wurde ihr nur noch ein Teil der in der vorangegangenen Zeit zugewiesenen Aktien-
Skontren zugeteilt. Die Zuteilung wurde bis zum 25.9.2009 befristet. Der
Zuteilungsbescheid vom 1.2.2007 wurde widerrufen. Die sofortige Vollziehung
wurde angeordnet. Der Antragstellerin seien gemäß § 39g Abs 1 BörsO zunächst 2
Prozent des Jahresgesamtorderbuchumsatzes zuzuteilen und sodann gemäß ihrer
Leistung weitere 14,33 Prozent des Jahresgesamtorderbuchumsatzes. Dies führe
zur Zuteilung von insgesamt 16,33 Prozent des Jahrsgesamtorderbuchumsatzes.
Der Zuteilungsbescheid vom 1.2.2007 werde gestützt auf §§ 49 Abs 2, 50 HVwVfG
widerrufen. Dabei werde das Ziel verfolgt, einen Stillstand des Parketthandels zu
verhindern.
In weiteren Bescheiden wurden auch andere zugelassene Skontroführer -
insbesondere die Beigeladenen- an der Verteilung der Aktien-Skontren beteiligt.
Die Antragstellerin hat gegen den ihr gegenüber erlassenen Zuteilungsbescheid
und gegen weitere Zuteilungsbescheide Widerspruch eingelegt. Am 20.6.2007 hat
sie den vorliegenden gerichtlichen Eilantrag gestellt. Bis zum 25.3.2007 seien der
Antragstellerin insgesamt 172 Aktienwerte des amtlichen und geregelten Marktes
zur Skontroführung zugewiesen gewesen, seit der neuen Zuteilung verblieben ihr
ab dem 26.3.2007 nur noch 19 Aktienwerte. Damit seien der Antragstellerin von
einem auf den anderen Tag 153 Aktien-Skontren verlorengegangen. Der damit
verbundene Eingriff in die wirtschaftliche Existenz der Antragstellerin wirke sich
außerordentlich nachteilig auf ihren gesamten Geschäftsbetrieb und die
bestehenden Arbeitsverhältnisse aus, da die Skontroführung nach wie vor ihr
Kerngeschäft darstelle. Insofern werde voraussichtlich eine Reduzierung des
Personalbestandes unabwendbar, zumal die neue Skontrenzuteilung in den
nächsten 12 Monaten zu Ertragseinbußen in Höhe von bis zu 50 % führen werde.
Die Antragstellerin habe derzeit 85 Mitarbeiter und das Personal könne aufgrund
gesetzlicher Kündigungsfristen nicht kurzfristig abgebaut werden. Außerdem sei
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gesetzlicher Kündigungsfristen nicht kurzfristig abgebaut werden. Außerdem sei
mit hohen Abfindungsansprüchen zu rechnen. Die Regelungen der §§ 39 c bis 39 l
BörsO a.F. seien rechtmäßig gewesen und hätten nicht aufgehoben bzw. ersetzt
werden müssen. Die Regelungen hätten auch zu keinem Berufsverbot geführt, da
die Einschätzung des Verwaltungsgerichts Frankfurt, hier komme ein Eingriff in den
Schutzbereich des Art 12 GG in Betracht, offensichtlich fehlerhaft sei. Es habe sich
lediglich um Regelungen der Berufsausübung gehandelt, die schon dann
verfassungsrechtlich gerechtfertigt seien, wenn sie durch vernünftige Erwägungen
des Gemeinwohls legitimiert werden könnten. Die (bisherigen)
Verteilungsregelungen für die Aktien-Skontren dienten dem Schutz eines wichtigen
Gemeinschaftsguts, nämlich der Sicherung der Funktionsfähigkeit des
Kapitalmarktes. Dies habe nicht zuletzt durch eine Bestenauslese erreicht werden
sollen. Insofern sei es sachgerecht, wenn einzelnen Skontroführer-Antragstellern
mehrere Aktien-Skontren zugeteilt würden, während andere keine Skontren
erhielten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin aus dem
Zusammenschluss von elf ehemaligen Kursmaklern entstanden sei und dass
hierfür durch die Gesetzeslage ein Vertrauenstatbestand gesetzt worden sei, der
im Nachhinein nicht einfach durch eine gerichtliche Neuverteilungsentscheidung
enttäuscht werden dürfe. Der Gedanke des Besitzstandsschutzes werde auch von
der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich anerkannt,
wonach die für die Durchführung einer Aufgabe getätigten Investitionen nicht ohne
Not entwertet werden dürften. Wenn eine Skontroführergesellschaft die sachlichen
und personellen Ressourcen von mehreren ehemaligen Kursmaklern
zusammenfasse und jahrelang große Skontren führe, sei es angemessen, dies
auch weiterhin zu berücksichtigen. Da sich das Verwaltungsgericht Frankfurt zu
alledem noch gar nicht abschließend zu der Rechtmäßigkeit der früheren
Regelungen der Börsenordnung geäußert habe, hätte die Antragsgegnerin unter
den gegebenen Umständen noch nicht eine Änderung der Börsenordnung
herbeiführen, die vorangegangenen Bescheide widerrufen und eine Neuzuteilung
der Aktien-Skontren vornehmen müssen bzw dürfen. Schließlich bedeute der
Widerruf der Aktien-Skontren für die Antragstellerin eine Verletzung ihres
Grundrechts aus Art 14 Abs 1 GG, weil eine Reduzierung der Skontren von
ursprünglich 172 auf nunmehr lediglich 19 einen derart erheblichen und
existenzbedrohenden Eingriff in den bestandsgeschützten Gewerbebetrieb
darstelle, der in keinem Fall hingenommen werden müsse.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Ziffer 5 des Bescheides
vom 23.3.2007 (Widerruf der Skontren-Zuteilung für die Zeit vom 1.5.2007 bis
zum 31.10.2009) wiederherzustellen und die aufschiebende Wirkung der
Widersprüche gegen die an die Beigeladenen zu 1-6 gerichteten Bescheide vom
23.3.2007 wiederherzustellen;
sowie (mit Schriftsatz vom 24.8.2007) hinsichtlich des Zuteilungsbescheides
vom 1.2.2007, soweit darin Aktien-Skontren für die Zeit vom 1.5.2007 bis zum
31.10.2009 zugeteilt worden sind, die sofortige Vollziehung nach § 80 a Abs 3
VwGO anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin sei der Widerruf des gegenüber der
Antragstellerin ergangenen Zuteilungsbescheides vom 1.2.2007 in der Fassung
des Änderungsbescheides vom 6.2.2007 auf der Grundlage der §§ 50, 49 Abs 2 Nr.
4 HVwVfG zu Recht erfolgt. Der Bescheid vom Februar 2007 sei ein
begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden sei.
Mit dem Widerruf sei dem Drittwiderspruch abgeholfen worden. Im Übrigen habe
die Antragsgegnerin mit dem Widerruf der Änderung der Börsenordnung durch
Beschluss des Börsenrats vom 20.3.2007, die am 26.3.2007 in Kraft getreten ist,
Rechnung getragen. Nach § 39 g Abs 1 der Börsenordnung in der ab 26.3.2007
geltenden Fassung erhalte jeder zugelassene Skontroführer auf Antrag
Skontrengruppen mit einer Gesamtgröße von 2 % des
Jahresgesamtorderbuchumsatzes. Aufgrund dieser neuen Verteilungskriterien
habe sich der Kreis der Berechtigten erweitert und der Antragstellerin hätten nur
noch die im Bescheid vom 23.3.2007 genannten Skontren rechtmäßigerweise
zugeteilt werden können. Maßgeblich für den Widerruf sei die Erwägung gewesen,
einen Stillstand des Parketthandels vor dem Hintergrund der gerichtlichen
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einen Stillstand des Parketthandels vor dem Hintergrund der gerichtlichen
Entscheidungen abzuwenden. Jedenfalls stelle der Widerruf der vormals zugeteilten
Skontren keinen Eingriff in Art 14 GG dar. Der verfassungsrechtliche
Eigentumsschutz greife nicht bei solchen öffentlichrechtlichen Positionen, bei
denen zu der einseitigen Gewährung des Staates keine den Eigentumsschutz
rechtfertigende Leistung des Einzelnen hinzutrete. Insofern seien weder die
Umgestaltungen der Börsenordnung noch der hierauf zurückzuführende Widerruf
der Zuteilung der für den Zeitraum ab dem 1.5.2007 ursprünglich zugeteilten
Aktienskontren verfassungsrechtlich bedenklich.
Die Beigeladenen zu 3) und 4) vertreten in einer Stellungnahme ihres
gemeinsamen Bevollmächtigten die Auffassung, der Eilantrag könne keinen Erfolg
haben. Die Aufhebung der Skontrenzuteilungen vom Februar 2007 sei zu Recht
erfolgt. Es sei darum gegangen, den Präsenzhandel an der Frankfurter
Wertpapierbörse aufrechtzuerhalten. Es habe kein zwingendes Erfordernis zur
Rücksichtnahme auf ein besonderes Vertrauen der Antragstellerin in den Bestand
der Skontrenzuteilung gegeben. Der Antragstellerin sei bekannt gewesen, dass die
Skontrenzuteilung bereits seit 2005 gerichtlich angegriffen war und
durchgreifenden rechtlichen Bedenken unterlag. Zudem sei die Antragstellerin
derzeit in keiner Weise von der Skontroführung ausgeschlossen, sie halte im
Gegenteil auch heute noch mit einem Marktanteil von 16,33 % den mit Abstand
größten Anteil am Orderbuchumsatz.
Die Beigeladenen zu 3) und 4) beantragen,
den Antrag abzulehnen.
Die Beigeladene zu 6) trägt ebenfalls vor, die Aufhebung der Zuteilungsbescheide
sei rechtmäßig. Rechtsgrundlage hierfür sei jedoch § 48 HVwVfG, da die
vorangegangene Verteilung der Skontren rechtswidrig gewesen sei. Die Tätigkeit
als Skontroführer stelle einen eigenständigen Beruf im Sinne des Art 12 GG dar.
Im Übrigen sei zu bedenken, dass ein Skontroführer, der nur eine geringe Anzahl
von Preisfeststellungen vornehmen könne, bereits gar nicht die Chance habe, zu
beweisen, dass er auch bei einer Belastung mit einer größeren Anzahl von
Preisfeststellungen in der Lage wäre, eine gute Leistung zu erbringen, die zu einer
Zuteilung weiterer Aktien-Skontren führen könnte. Einen konkreten Antrag hat die
Beigeladene zu 6) nicht gestellt.
II.
Der Antrag gemäß § 80 Abs 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung des Widerspruchs gegen Ziffer 5 des Bescheides vom 23.3.2007 (Widerruf
der Skontren-Zuteilung für die Zeit vom 1.5.2007 bis zum 31.10.2009) und der
Widersprüche gegen die an die Beigeladenen zu 1-6 gerichteten Bescheide vom
23.3.2007 ist statthaft. Den Widersprüchen kommt zunächst keine aufschiebende
Wirkung zu, da von der Frankfurter Wertpapierbörse die sofortige Vollziehung
gemäß § 80 Abs 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet worden war.
Der Antrag ist aber nicht begründet. Nach der im gerichtlichen Eilverfahren
durchzuführenden summarischen Überprüfung der Sach- und Rechtslage erweisen
sich die angefochtene Aufhebung der Zuteilungsentscheidung vom Februar 2007
und die angefochtenen aktuellen Zuteilungen der Skontren auf der Grundlage der
Börsenordnung in der Fassung vom 26.3.2007 als offensichtlich rechtmäßig. Unter
diesen Umständen ist ein schutzwürdiges Interesse der Antragstellerin, von der
Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben, im Hinblick auf das überwiegende
Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht anzuerkennen.
Dem besonderen Begründungserfordernis des § 80 Abs 3 VwGO hat die
Antragstellerin Genüge getan. Hierzu wurde in ausführlicher Weise ausgeführt, an
der sofortigen Vollziehung bestehe ein besonderes und überragendes öffentliches
Interesse, um den Präsenzhandel in Aktien an der Frankfurter Wertpapierbörse
aufrechtzuerhalten.
Soweit mit dem Bescheid vom 23.3.2007 gegenüber der Antragstellerin der an sie
gerichtete Zuteilungsbescheid vom Februar 2007 aufgehoben wird, geht die
Antragsgegnerin davon aus, es handele sich hierbei um einen Widerruf, und die
Maßnahme wird auf § 49 Abs 2 und auf § 50 HVwVfG gestützt. Dies wäre
zutreffend, wenn es sich bei der Zuteilung vom Februar 2007 um einen
rechtmäßigen Verwaltungsakt gehandelt hätte.
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Das Gericht geht jedoch davon aus, dass die Zuteilung vom Februar 2007
rechtswidrig gewesen ist. Unter diesen Umständen hat die Aufhebung im Wege der
Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes gemäß § 48 Abs 1 HVwVfG
(iVm § 50 HVwVfG) zu erfolgen. Das Gericht deutet den Widerruf deshalb in eine
Rücknahme um. In § 47 Abs 1 HVwVfG ist eine solche Umdeutung vorgesehen. Es
bestehen keine Zweifel, dass auch eine Aufhebung in der Form der Rücknahme
der erkennbaren Absicht der Antragsgegnerin entspricht, dass die Rücknahme auf
das gleiche Ziel wie ein Widerruf gerichtet ist und in dieser Weise rechtmäßig hätte
ergehen können.
Weiteren besonderen Einschränkungen unterliegt die Rücknahme nicht, da hier ein
Fall des § 50 HVwVfG vorliegt. Die Zuteilung vom Februar 2007 ist von dritter Seite
angefochten worden und es ist deshalb zu ihrer Aufhebung gekommen.
Die Kammer ist bereits in ihrem Beschluss vom 5.3.2007 (Az 1 G 5756/07), der
den Verteilungszeitraum vom Februar 2007 bis zum 30.4.2007 zum Gegenstand
hatte, zu dem Ergebnis gelangt, dass die damaligen Zuteilungsbescheide
offensichtlich rechtswidrig waren, soweit sie - im Ergebnis - zum vollständigen
Ausschluss einzelner zugelassener Skontroführer von der Skontroführung durch
Nichtzuteilung von Skontren führten. Die entsprechende Regelung in der
seinerzeitigen Börsenordnung biete keine Rechtsgrundlage für die damals
getroffenen Zuteilungen, weil die Satzungsregelung wegen Verletzung
höherrangigen Rechts ungültig sei und daher bei der Inzidentkontrolle darauf
gestützter Verwaltungsakte nicht herangezogen werden könne. Der vollständige
Ausschluss zugelassener Skontroführer unter den gegebenen Umständen sei der
Sache nach ein Berufsverbot, das einen Eingriff in den Schutzbereich des
Grundrechts der Berufswahl darstelle (Art 12 Abs 1 GG). Diese Auffassung hat die
Kammer in dem Beschluss vom 5.3.2007 im Einzelnen begründet und es wird
insoweit auf diese Ausführungen Bezug genommen.
Die Kammer hält weiterhin an dieser Auffassung fest, soweit es in dem
vorliegenden Verfahren um den Verteilungszeitraum vom 1.5.2007 bis zum
31.10.2009 geht. Auch für diesen Zeitraum war -ursprünglich- der Ausschluss
einzelner Skontroführer auf der Grundlage der Börsenordnung in der Fassung vom
1.2.2007 (§ 39 g Abs 2) vorgesehen und beschieden. So ist auch dies wegen
Verstoßes gegen Art 12 Abs 1 GG als rechtswidrig zu beurteilen. Die Kammer
hatte in dem Beschluss vom 5.3.2007 schon darauf hingewiesen, dass der
Rechtswidrigkeit des Ausschlusses für den Zeitraum von Februar bis April 2007
nicht entgegengehalten werden könne, es handele sich nur um einen kurzen
Zeitraum, da doch die Ausschlussregelung auch ab Mai 2007 fortgeführt werde
und auch weiter ihre Konsequenzen trage.
An dieser Beurteilung vermag das aktuelle Vorbringen der Antragstellerin nichts zu
ändern. Die Antragstellerin hat auf deutliche Auswirkungen für sie hingewiesen,
etwa auf eine Einschränkung ihres Tätigkeitsfeldes durch Verringerung des
Marktanteils und auf Umsatzeinbußen. Es seien in der Vergangenheit beachtliche
Investitionen in personeller und technischer Hinsicht getätigt worden.
Die Argumentation des Gerichts hinsichtlich der rechtlichen Bedeutung des
völligen Ausschlusses einzelner Skontroführer kann dadurch im Ergebnis jedoch
nicht entkräftet werden. Nicht zuletzt ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass
gemäß § 29 BörsG die Verteilung einzelner Skontren (immer) befristet zu erfolgen
hat (und zwar längstens für die Dauer von 5 Jahren). Diese gesetzliche Vorgabe
haben alle betroffenen Wirtschaftteilnehmer zu beachten, sie müssen sich darauf
einstellen. Außerdem kann nicht ausgeschlossen werden, dass (z.B. neu
getroffene) Regelungen und Maßnahmen nach rechtlicher (z.B. gerichtlicher)
Überprüfung keinen Bestand haben und es wiederum zu einer Abänderung
kommen muss.
Die Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin, die zu der
Aufhebungsentscheidung (und der nachfolgenden Neuverteilung der Skontren)
geführt haben, sind im vorliegenden Verfahren rechtlich nicht zu beanstanden. Die
Antragsgegnerin fand sich in der Situation, dass das Verwaltungsgericht Frankfurt
in seinem Beschluss vom 5.3.2007 die Zuteilung der Skontren in der Weise, dass
einzelne Skontroführer hiervon ausgeschlossen blieben, für offensichtlich
rechtswidrig befunden hatte und mit Wirkung ab dem 26.3.2007 die aufschiebende
Wirkung von Widersprüchen wiederhergestellt hatte. Nachdem der Hessische
Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 21.3.2007 die Beschwerde der
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Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 21.3.2007 die Beschwerde der
Antragsgegnerin zurückgewiesen hatte, verblieb der Antragsgegnerin, wenn sie
den betroffenen Parketthandel über den 25.3.2007 hinaus aufrechterhalten wollte
nur die Möglichkeit, eine Änderung herbeizuführen. Diese Konsequenz hat die
Antragsgegnerin in vertretbarer Weise gezogen.
Vor dem Hintergrund, dass das Gericht die Zuteilung der Aktien-Skontren im
Bescheid vom Februar 2007 unter vollständigem Ausschluss einzelner
Skontroführer für den Zeitraum von Februar bis April 2007 für offensichtlich
rechtswidrig gehalten hat und nunmehr für den Zeitraum von Mai 2007 bis
September 2009 ebenfalls für rechtswidrig hält, kann dem in dem Schriftsatz vom
25.8.2007 von der Antragstellerin ergänzend gestellten Antrag, die sofortige
Vollziehung der entsprechenden Regelung gemäß § 80 a Abs 3 VwGO anzuordnen,
kein Erfolg beschieden sein. Soweit der Zuteilungsbescheid vom 1.2.2007 in
seinem Inhalt offensichtlich rechtswidrig ist, kommt eine gerichtliche Anordnung
der sofortigen Vollziehung nicht in Betracht.
Da die Antragstellerin mit ihrem Begehren insgesamt unterlegen ist, hat sie die
Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs 1 VwGO), und zwar einschließlich der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 3) und 4). Diese Beigeladenen
haben im Verfahren konkrete Anträge gestellt und es entspricht deshalb der
Billigkeit, die Erstattung ihrer Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen (§ 162 Abs 3
VwGO). Die übrigen Beigeladenen haben keine konkreten Anträge gestellt, bei
ihnen entstandene Kosten sind daher nicht erstattungsfähig.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52, 53 GKG. Die konkrete Anfrage des
Gerichts nach dem in Frage stehenden Gewinnausfall hat die Antragstellerin nicht
wirklich beantwortet. Das Gericht würdigt die hierzu ergangenen Angaben der
Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 24.8.2007, Blatt 13, in der Weise, dass es
um einen Betrag von etwa 300.000,- € gehen würde, der im Eilverfahren zu
halbieren wäre.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.