Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 08.11.2007

VG Frankfurt: rechtsgeschäft unter lebenden, anleger, recht der europäischen union, unternehmen, begriff, virgin islands, zweiseitiger vertrag, kommissionär, bankgeschäft, aufenthalt

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 E 1855/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 S 2 Nr 4 KredWG, § 1
Abs 1a S 2 Nr 3 KredWG, § 14
Abs 1 FinDAG, § 14 Abs 2
FinDAG, § 44c Abs 1 KredWG
Verbot des Handelns mit Genussrechten
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 17.06.2004 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 09.05.2005 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Das Urteil ist gegen
Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig
erklärt.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist nach eigenen Angaben eine auf den British Virgin Islands ansässige
Gesellschaft.
Ihr Geschäftsmodell stellt sich ausweislich ihrer Prospektangaben im Wesentlichen
wie folgt dar: Die Klägerin bietet interessierten Anlegern Genussrechte an. Bei den
Genussrechten handelt es sich laut Verkaufsprospekt (dort S. 20) um
„schuldrechtliche Vermögensrechte, die für ihren Inhaber vom Datum der
Zustellung an einen Anspruch auf eine Beteiligung am Nettogenussrechtskapital
der Fondsgesellschaft in der Höhe beinhalten, die sich aus dem Verhältnis des
Wertes seines Genussrechts bzw. der Summe seiner Genussrechte zum
Gesamtwert aller zugeteilten Genussrechte errechnet“. Das von den Anlegern zur
Verfügung gestellte Genussrechtskapital wird von mehreren Portfoliomanagern
anteilig betreut, die das Kapital unter Einsatz von Terminmarktinstrumenten
anlegen. Dabei handelt es sich um Futures, Forwards, Optionen sowie andere
Termingeschäfte auf Finanzmittel, Währungen, Indizes, Metalle und sonstige
Rohstoffe (Art. 3 Nr. 2 der Genussrechtsbedingungen).
Die Genussrechte begründen „keine mitgliedschaftliche Beteiligung an der
Fondsgesellschaft und beinhalten keine Stimmrechte“ (Art. 4 Ziffer 3 der
Genussrechtsbedingungen). Über die zugeteilten Genussrechte wird von der
Administrationsgesellschaft ein Genussrechtsregister geführt (vgl. Art. 4 Nr. 5 der
Genussrechtsbedingungen). Der Wert der Genussrechte wird gemäß Artikel 7 der
Genussrechtsbedingungen einmal monatlich errechnet, indem der Gesamtwert
des Genussrechtskapitals durch die Anzahl der am jeweiligen Bewertungstag
insgesamt zugeteilten Genussrechte dividiert wird. Die Genussrechtsinhaber sind
berechtigt, jeweils monatlich die Rücknahme (Teilrücknahmen ab 500,00 €) ihrer
Genussrechte zu verlangen (vgl. vgl. Art. 9 der Genussrechtsbedingungen).
Zusammen mit dem vollen Zeichnungsbetrag ist vom Zeichner ein Agio in Höhe
von 5 % des Gesamtzeichnungsbetrages zu zahlen (zu den Kosten vgl.
Verkaufsprospekt, S. 23). Das Genusskapital wird mit dem Honorar für die
Direktion der Klägerin in Höhe von 0,5 % p.a. (mindestens 18.000,00 € p.a.)
belastet. Für die Portfoliomanager fällt monatlich eine „Managergebühr“ in Höhe
von maximal 3 % p.a. des Genussrechtskapitals an. Die Vergütung für die
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von maximal 3 % p.a. des Genussrechtskapitals an. Die Vergütung für die
Administrationsgesellschaft beträgt laut Verkaufsprospekt 0,25 % p.a. des
Nettogenussrechtskapitals, mindestens jedoch CHF 30.000,00 p.a.. Das
Genussrechtskapital kann zudem mit weiteren, in Artikel 10 der
Genussrechtsbedingungen genannten Kosten belastet werden.
Eine Haftung der Genussrechtsinhaber für Verbindlichkeiten der Fondsgesellschaft
sowie eine Nachschusspflicht der Genussrechtsinhaber sind ausgeschlossen (vgl.
Verkaufsprospekt S. 20 und 51).
Mit Bescheid vom 17.06.2004 untersagte die Beklagte der Klägerin unter Ziffer I,
gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz
-KWG), das Finanzkommissionsgeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG
im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer
Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, dadurch zu betreiben, dass sie
zielgerichtet und geschäftsmäßig an Personen mit Sitz oder gewöhnlichem
Aufenthalt in Deutschland zum Zwecke der Annahme von Geldern
(Genussrechtskapital) auf der Grundlage des Angebots A. Fonds herantritt und mit
den angenommenen Geldern Finanzinstrumente anschafft und veräußert.
Unter Ziffer II. des angegriffenen Bescheides untersagte die Beklagte der Klägerin
gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 KWG die Werbung für das Finanzkommissionsgeschäft
gegenüber Personen mit Sitz oder gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland.
Mit Ziffer III. des Bescheides gab die Beklagte der Klägerin gemäß § 37 Abs. 1 Satz
1 KWG auf das Finanzkommissionsgeschäft unverzüglich abzuwickeln, indem sie
die Genussrechtswerte derjenigen Personen mit Sitz oder gewöhnlichem
Aufenthalt in Deutschland, von denen sie Genussrechtskapital angenommen und
in Finanzinstrumenten investiert hat, zum Zeitpunkt des Zugang der Verfügung
errechnet und diese an die Berechtigten auszahlt.
Unter Ziffer IV. setzte die Beklagte für die Verfügungen zu Ziffer I ; II. und III.
gemäß § 14 Abs. 1 und 2 des Gesetzes über die Beklagte für
Finanzdienstleistungsaufsicht (Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz - FinDAG) in
Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe I der Verordnung über die Erhebung
von Gebühren und die Umlegung von Kosten nach dem
Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAGKostV) eine Gebühr von 5.000,00 €
fest.
Unter Ziffer V. gab die Beklagte der Klägerin schließlich gemäß § 44c Abs. 1 KWG
auf, der Beklagte innerhalb von vier Wochen ab Zugang der Verfügung folgende
Unterlagen zu übersenden:
a. eine Aufstellung, aus der sich alle Personen mit Sitz oder gewöhnlichem
Aufenthalt in Deutschland ergeben, von denen die Klägerin Genussrechtskapital
angenommen hat, sowie die jeweilige Höhe des gezahlten Betrages.
b. ...
c. eine Aufstellung, aus der sich die Genussrechtswerte der Personen zu a) im
Zeitpunkt des Zugang der Verfügung ergeben,
d. ...
e. Nachweise, die die Auskehrung der Genussrechtswerte zu b) an die
Berechtigten belegen.
f. Das hiergegen geführte Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg. Mit
Widerspruchsbescheid vom 09.05.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Auf die Begründung des Widerspruchsbescheides wird Bezug genommen. Die
Zustellung erfolgte am 11.05.2005.
Mit Schriftsatz vom 10.06.2005, dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
zugegangen am 10.06.2005, hat die Klägerin Klage erhoben. Die Klägerin betreibe
kein Finanzkommissionsgeschäft. Es sei insoweit auf die §§ 383 ff. HGB
abzustellen. Für die Annahme eines Kommissionsgeschäftes müssten die
Vermögensanlagen nicht für die Klägerin nicht als eigenes Geschäft, sondern im
Wege der Kommission als Geschäft für den einzelnen Anleger bzw.
Genussrechtsinhaber erworben werden. Es müssten einzelne Vermögensanlagen
einzelnen Anlegern zugeordnet werden. Keine dieser Voraussetzungen sei erfüllt.
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einzelnen Anlegern zugeordnet werden. Keine dieser Voraussetzungen sei erfüllt.
Die Klägerin habe im Wege der Eigenkapitalbeschaffung Genussrechte
ausgegeben. Das hieraus der Gesellschaft zufließende Genussrechtskapital sei
grundsätzlich Eigenkapital der Gesellschaft, welches dem Unternehmen durch die
Emission von Genussrechten zufließe. Genussrechte begründeten dabei
typischerweise nur Vermögensrechte, jedoch keine Mitgliedsrechte wie
Stimmrechte etc.. Gesetzliche Bestimmungen zur inhaltlichen Ausgestaltung der
Genussrechte bestünden nicht. Das betriebliche Vermögen und das
Genussrechtskapital der Klägerin sei nicht strikt voneinander getrennt. Vielmehr
seien sowohl das Genussrechtskapital als auch das sonstige Kapital der Klägerin
deren Eigenkapital, so dass es sich hier um eine Vermögensmasse, nämlich die
der Gesellschaft und nicht die der Genussrechtsinhaber auf der einen und der
Gesellschaft auf der anderen Seite handele. Der Genussrechtsinhaber erhalte
einen Genuss in Form einer Gewinnbeteiligung, denn wirtschaftlich stelle die zur
Verfügungstellung des Genussrechts einen Mittelzufluss für die Gesellschaft dar,
für die diese mittels des Genusses ein Entgelt gewähre. Das
Nettogenussrechtskapital bilde dabei lediglich die Berechnungsgrundlage für den
Genuss in Form eines Gewinnanteils. Zudem gehe die Klägerin alle Anlagen als
Eigengeschäft ein. Nur sie werde aus den Vermögensanlagen direkt verpflichtet
und berechtigt. Der Genussrechtsinhaber selbst werde nicht Inhaber der
Vermögenswerte. Ihm seien einzelne Vermögensanlagen nicht zuzuordnen. Die
Klägerin unterliege auch nicht den Weisungen des Genussrechtsinhabers. Gewinne
und Verluste träfen allein direkt nur die Klägerin, nicht jedoch den
Genussrechtsinhaber. Dieser profitiere nur indirekt von dem Erfolg der
Gesellschaft. Die Voraussetzung des Handelns für fremde Rechnungen lägen also
nicht vor. Gegen ein Finanzkommissionsgeschäft spreche auch die fehlende
Nachschusspflicht sowie die aufgrund der Beschränkung der Haftung auf
eingezahlte Beträge bzw. den Wert der Genussrechtsanteile nicht gegebene
Verlustbeteiligung. Das Genussrecht sei am generellen Verlust der Gesellschaft
beteiligt, nicht jedoch am Verlust einzelner Geschäfte. Zu einem anderen Ergebnis
könne man auch nicht über eine wirtschaftliche Betrachtungsweise gelangen.
Ferner betreibe die Klägerin kein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft im Inland nach
§ 32 KWG. Dies wird näher dargelegt, worauf Bezug genommen werden kann.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 17.06.2004 und den Widerspruchsbescheid
vom 09.05.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin betreibe das Finanzkommissionsgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2
Nr. 4 KWG. Sie betreibe die Anschaffung und Veräußerung von
Finanzinstrumenten. Das Genussrechtskapital werde in Derivaten angelegt. Mit der
Anlage des Genussrechtskapitals tätige die Klägerin im eigenen Namen
Anschaffungen und Veräußerungsgeschäfte.
Die Klägerin handele auch für fremde Rechnung, nämlich für Rechnung der
Anleger. Ein Handelns für fremde Rechnungen liege dann vor, wenn die materiellen
Vor- und Nachteile des Geschäfts über die Anschaffung und Veräußerung von
Finanzinstrumenten nicht dem Abschließenden sondern einem Anderen zugute
kommen oder zur Last fallen sollten, also bei wirtschaftlicher Betrachtung ein für
den Abschließenden fremdes Geschäft vorliege und sich die Tätigkeit als vergütete
Dienstleistung für die Anleger (den anderen) darstelle, denen die Partizipation am
Handelserfolg mit Finanzinstrumenten versprochen werde. Auch bei einer Anlage
von Eigenkapital in Finanzinstrumenten komme ein Handeln für fremde
Rechnungen in Betracht. Die Normen des KWG seien nicht eng auszulegen. Durch
die in den Vorschriften des KWG enthaltene Möglichkeit der Anpassung im Rahmen
der notwendigen Auslegung könne auf sich ändernde Produktgestaltungen des
Kapitalmarktes reagiert werden. Das KWG werde sinnentleert, wenn sich
Unternehmen allein durch die Ausgestaltung ihrer Geschäftsmodelle seinem
Erlaubnis- und Überwachungsregime entziehen könnten. Das im KWG erfasste
Finanzkommissionsgeschäft unterfalle nicht den Maßgaben des § 383 Abs. 1 HGB.
Die Unterschiede in der Zielsetzung der beiden Gesetze KWG und HGB seien zu
beachten. Andernfalls sei es möglich, sich durch entsprechende, den
Anlegerschutz verkürzende und damit risikoträchtigere - vertragliche
Ausgestaltungen, die nicht dem typischen handelsrechtlichen Bild der Kommission
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Ausgestaltungen, die nicht dem typischen handelsrechtlichen Bild der Kommission
entsprächen, der staatlichen Aufsicht zu entziehen. Es sei auch nicht erforderlich,
dass jeweils aufgrund eines konkreten bzw. individuellen Einzelauftrages gehandelt
werde oder eine einzelfallbezogene Weisungsbefugnis vertraglich eingeräumt sei.
Ausreichend sei vielmehr, wenn der Anschaffung und Veräußerung von
Finanzinstrumenten ein Vertragsverhältnis im Sinne eines
Rahmenauftragsverhältnisses zugrunde liege, jedenfalls dann, wenn zumindest
eine generelle Anlagestrategie vereinbart sei. Ferner sei nicht erforderlich, dass
das jeweilige Unternehmen als Mittler zwischen den Anlegern, für die es die
Finanzinstrumente anschaffe, und den Verkäufern dieser Finanzinstrumente stehe.
Der Tatbestand setze auch nicht voraus, dass die vom handelnden Unternehmen
angeschafften Finanzinstrumente an den Anleger übertragen werden. Auch im
Rahmen des § 383 ff. HGB sei nicht Voraussetzung, dass für jeden Erwerbsvorgang
ein Abwicklungsgeschäft vorgenommen werde. Das Kommissionsgut einer
Einkaufskommission könne vereinbarungsgemäß nach Erwerb durch den
Kommissionär sofort wieder Gegenstand einer Verkaufskommission sein, ohne
dass es zwischendurch zu einem Eigentumserwerb des Kommitenten komme.
Entsprechend sei ein Finanzkommissionsgeschäft auch dann gegeben, wenn die
Übertragung der Finanzinstrumente auf die Anleger ausgeschlossen sei und nur
eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten aus dem Handel in
Finanzinstrumenten stattfinde. Auch im Falle des dem Kommissionär gem. § 400
Abs. 1 HGB erlaubten Selbsteintritts fehle es an einem Ausführungsgeschäft und
schon insoweit an der Stellung eines Mittlers zwischen Anleger und jeweiligem
Verkäufer. Diese Auslegung entspreche auch der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 24.04.2002 (Az.: 6 C 2.02). Auch beim
früheren Tatbestand des Effektengeschäfts, wie er im KWG vor der 6. KWG-Novelle
enthalten gewesen sei, sei das Betreiben dieses Geschäfts nicht davon abhängig
zu machen gewesen, ob der Kunde nach Ablauf der Vertragsdauer einen Anspruch
auf Herausgabe seines Anteils an Wertpapieren oder nur einen Anspruch auf
Erstattung des Wertanteils gehabt habe.
Diese Auslegung des Finanzkommissionsgeschäfts stehe auch im Einklang mit der
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie. Dort seien im Anhang Abschnitt A Nr. 1 b die
Ausführung von Aufträgen für fremde Rechnung in Bezug auf den Abschnitt B
genannten Instrumente als Wertpapierdienstleistung aufgeführt. Die im Rahmen
einer vertraglichen Vereinbarung festgelegten Vorgaben seien - ebenso wie ein
konkreter Einzelauftrag - als Auftrag im Sinne der
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie zu qualifizieren. Eine Verengung auf konkrete
Einzelaufträge lasse sich schon nicht mit dem Befund vereinbaren, dass die
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie im Anhang Abschnitt A Nr. 2 jede für Dritte
erbrachte Dienstleistung, die sich als Handel mit einem der in Abschnitt B
genannten Instrumente für eigene Rechnung darstelle, als
Wertpapierdienstleistung definiere. Eine Eingrenzung im Hinblick auf die
Ausgestaltung des Auftrages sei der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie nicht zu
entnehmen. Die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie wolle vielmehr alle
Auftragsformen erfassen, die wirtschaftlich gesehen der in ihr enthaltenen
Umschreibung entsprechen. Die Aufträge seien darin zu sehen, dass der Anleger
der Klägerin sein Geld in der Erwartung und mit der Maßgabe zuleite, dass damit
gegebenenfalls wiederholt Finanzinstrumente angeschafft und wieder veräußert
würden und er so ein Vermögenszuwachs erfahre. Dem liege ein zweiseitiger
Vertrag zugrunde, der als Geschäftsbesorgungsvertrag anzusehen sei und
Dienstleistungscharakter habe, und zwar des Inhalts, dass dem Anleger durch die
Klägerin versprochen werde, seine mit den Geldern anderer Anleger gepoolten
Gehälter in Finanzinstrumenten anzulegen und ihn am Ergebnis der Anlage
teilhaben zu lassen.
Bei der Umsetzung der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie im Rahmen der 6. KWG-
Novelle sei im nunmehrigen Finanzkommissionsgeschäft zum einen der
Tatbestand der Abschlussvermittlung zum anderen der Tatbestand des
Effektengeschäfts aufgegangen. Auch Artikel 14 Abs. 4 S. 3 der
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie sei nicht zu entnehmen, dass Geschäfte, die
nicht in der Abwicklung von Einzelaufträgen bestehen, keine Dienstleistungen
seien.
Ferner sei zu beachten, dass die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie nicht eine
Vollharmonisierung innerhalb der EU-Mitgliedsstaaten, sondern nur eine
Mindestharmonisierung darstelle. Deshalb könne der einzelne Mitgliedsstaat über
die europarechtlichen Vorgaben hinausgehen und weitere Tätigkeiten im
Zusammenhang mit Finanzinstrumenten eine Erlaubnispflicht unterstellen, solang
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Zusammenhang mit Finanzinstrumenten eine Erlaubnispflicht unterstellen, solang
hierdurch nur die Durchführung des Notifizierungsverfahrens nicht beeinträchtigt
werde. Der einzelne Mitgliedsstaat sei insbesondere auch nicht verpflichtet, ein
bereits bestehendes Aufsichtsniveau herunterzufahren.
Mit der entsprechenden Auslegung werde auch die Grenze zum Eigenhandel für
andere nicht verwischt. Eigenhandel für andere im Sinne des § 1 Abs. 1 a Nr. 4
KWG werde erbracht, indem Finanzinstrumente aus den eigenen Beständen zu
Festpreisen an Kunden veräußert würden oder von Kunden erworben und in die
eigenen Bestände hereingenommen würden. In der Regel erfolge Anschaffung und
Veräußerung, um bestehende oder erwartete Unterschiede zwischen dem Kauf
und Verkaufspreis oder andere Preis- oder Zinsschwankungen auszunutzen. Dem
Finanzkommissionär, der für fremde Rechnung handele, komme es hingegen nicht
auf einen Kursgewinn an, sondern auf den mit dem Kunden vereinbarten
Provisionsertrag. Beim Eigenhandel für andere trage der Eigenhändler das
Preisrisiko, beim Finanzkommissionsgeschäft der Kunde.
Der Begriff für fremde Rechnung in § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG mache deutlich, dass
die unmittelbar rechtlichen und die wirtschaftlichen Folgen beim
Finanzkommissionsgeschäft auseinander fielen. Die unmittelbaren rechtlichen
Folgen des Anschaffungs- oder Veräußerungsgeschäfts träfen den
Finanzkommissionär. Der Anleger, für dessen Rechnung gehandelt werde, trage
demgegenüber die wirtschaftlichen Folgen. Rechtswirkungen ergäben sich für den
Anleger aus dem Anschaffungs- oder Veräußerungsgeschäft selbst gerade nicht.
Allein aus der Vereinbarung mit dem Finanzkommissionär ergäben sich
Rechtswirkungen für ihn.
Auch aus der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 21.04.2004 ergäbe sich, dass ein Finanzkommissionsgeschäft nicht nur dann
gegeben sein könne, wenn der Anleger Eigentümer der Finanzinstrumente werde,
in denen sein Kapital angelegt werde. Dies ergäbe sich aus dem 26.
Erwägungsgrund der Richtlinie.
Die Klägerin betreibe das Finanzkommissionsgeschäft auch „im Inland“. Dies wird
näher dargelegt, worauf Bezug genommen werden kann.
Mit der Klägerin sei ein Gebilde geschaffen worden, um sich dem
Schutzmechanismus des KWG zu Lasten der Anleger zu entziehen. Die
Tatbestände des KWG seien aber zum Schutz der Anleger in einer Weise
auszulegen, dass auch derartige Ausgestaltungen, die allein der Umgehung der
Erlaubnispflicht dienten, erfasst würden. Mit Bescheid vom 08.08.2001 sei Herrn XX
die Finanzportfolioverwaltung im Rahmen der A. Fonds GbR bzw. der B. Fonds GbR
untersagt worden. Die Anteile der Gesellschafter bzw. Anleger dieser
Gesellschaften seien in eine neue Gesellschaft, die A. Invest GbR bzw. die B. Invest
GbR überführt worden. Nachdem mit Bescheiden vom 03.07.2003 in diesen
Gesellschaften die Erbringung der Finanzportfolioverwaltung untersagt worden sei,
sei die in Rede stehende Geschäftstätigkeit in die Karibik verlagert worden.
Entscheidungsgründe
Die von der Klägerin erhobene Anfechtungsklage ist statthaft und auch im Übrigen
zulässig. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom
17.06.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom
09.05.2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
Zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist auf den Zeitpunkt der letzten
Behördenentscheidung, hier des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2005
abzustellen.
Mögliche Rechtsgrundlage für Ziffer I der streitbefangenen Verfügung der
Beklagten ist § 37 Abs. 1 KWG. Danach kann die Beklagte die sofortige Einstellung
des Geschäftsbetriebes und die unverzügliche Abwicklung dieser Geschäfte
gegenüber dem Unternehmen und den Mitgliedern seiner Organe anordnen, wenn
ohne die nach § 32 KWG erforderliche Erlaubnis Bankgeschäfte betrieben oder
Finanzdienstleistungen erbracht oder nach § 3 KWG verbotene Geschäfte
betrieben werden.
Diese Vorschrift bietet für die streitbefangene Verfügung keine Rechtsgrundlage,
da die Klägerin keine Bankgeschäfte betreibt, für die sie nach § 32 KWG einer
Erlaubnis bedarf. Die Klägerin betreibt kein Finanzkommissionsgeschäft i. S. v. § 1
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Erlaubnis bedarf. Die Klägerin betreibt kein Finanzkommissionsgeschäft i. S. v. § 1
Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG.
Bankgeschäfte sind nach § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG die Anschaffung und die
Veräußerung von Finanzinstrumenten in eigenem Namen für fremde Rechnung
(Finanzkommissionsgeschäft). Die derzeit geltende Fassung erhielt § 1 Abs. 1 S. 2
Nr. 4 KWG mit der 6. KWG Novelle (Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung von EG-
Richtlinien zur Harmonisierung bank- und wertpapieraufsichtlicher Vorschriften
vom 22.10.1997 (BGBl. I Seite 2518). Mit § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG wollte der
Gesetzgeber Anhang Abschnitt A Nr. 1 Buchstabe b) der
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 93/22/EWG vom 10.05.1993 (ABl. Nr. L 141,
Seite 27 vom 11.06.1993 zuletzt geändert durch Richtlinie 2002/87EG vom
16.12.2002 (ABl. L 35 vom 11.02.2003)) umsetzen. In der Bundestagsdrucksache
13/7142 Seite 63 heißt es insoweit: "Gemäß § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 in der geltenden
Fassung ist die Anschaffung und die Veräußerung von Wertpapieren und
Wertpapierderivaten für andere Bankgeschäft. Die Beschränkung auf Wertpapiere
und Wertpapierderivate entspricht nicht den EG - rechtlichen Anforderungen. Die
Vorschrift definiert nunmehr allgemein die kommissionsweise Anschaffung oder
Veräußerung von Finanzinstrumenten (§ 1 Abs. 11) als Bankgeschäft".
Der Begriff des Finanzkommissionsgeschäftes ersetzt den bisherigen Begriff des
"Effektengeschäfts", in dem die Beschränkung auf Wertpapiere und
Wertpapierderivate aufgegeben wird. Nunmehr erstreckt sich der Geschäftstyp auf
alle Finanzinstrumente i. S. d. § 11 Abs. 1 KWG (vgl. hierzu Beck/Samm, Gesetz
über das Kreditwesen (Stand: Juli 2005) § 1 Rdnr. 149; Boos/Fischer/Schulte -
Mattler - Kreditwesengesetz 2. Auflage 2004 § 1 Rdnr. 57).
Mit der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie, die der Rat auf der Grundlage des Art.
57 Abs. 2 EG zur Verwirklichung der gemeinschaftsrechtlich garantierten
Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit erlassen hat, erstrebt er eine
Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften über Aufnahme und Ausübung der
Tätigkeit als Wertpapierdienstleister. Gleichzeitig soll damit den Wertpapierfirmen
der Zugang zu den Märkten der anderen EG-Mitgliedsstaaten erleichtert werden
(vgl. hierzu Elster - Europäisches Kapitalmarktrecht Seite 214). Die Richtlinie
erstrebt eine Harmonisierung der nationalen Regelung über
Wertpapierdienstleistungen allerdings nur insoweit, als dies zur Gewährleistung der
gegenseitigen Anerkennung der Zulassung und der Aufsichtssysteme unbedingt
erforderlich ist, die die Erteilung einer einzigen Zulassung für die gesamte
Gemeinschaft und die Anwendung des Grundsatzes der Kontrolle durch den
Heimatstaat ermöglicht (3. Begründungserwägung zur
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie). Da die Wertpapierdienstleistungsrichtlinie die
Wertpapierdienstleistungen nur in Teilbereichen regelt, bleibt es dem jeweiligen
nationalen Gesetzgeber unbenommen, für den nationalen Bereich die
Bestimmungen der Richtlinien auch auf von ihr nicht erfasste weitere
Dienstleistungen zu erstrecken (EuGH, Urteil v. 21.11.2002 Slg 2002 I Seite 10797
- Testa und Lazzeri - WM 2003, 1115). Eine solche Ausweitung der Bestimmungen
der Richtlinie auf weitere Dienstleistungen ist jedoch nur zulässig, wenn aus der
Vorschrift selbst ersichtlich ist, dass sie keine Umsetzung der Richtlinie darstellt,
sondern dass autonomes nationales Recht gesetzt wurde (Jarass/Beljia NVwZ
2004, 1 (8)). Da vorliegend - wie sich aus der Regierungsbegründung ergibt - mit
der neuen Formulierung des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG Anhang Abschnitt A Nr. 1 b
der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie umgesetzt werden sollte, und der nationale
Gesetzgeber damit gerade nicht über die Richtlinie hinaus gehen wollte, stellt sich
die Frage, ob § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG und seine praktische Anwendung durch die
Beklagte den in der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Anforderungen an die
Umsetzung von Richtlinien und den Grundsätzen über die richtlinienkonforme
Auslegung genügt. Unter Hinweis auf die 3. Begründungserwägung zur
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie ist zunächst festzustellen, dass die Beachtung
der in der Richtlinie enthaltenen Definitionen erforderlich ist, um eine einheitliche
Anwendung der Richtlinie in allen Mitgliedsstaaten zu gewährleisten. Die mit der
Richtlinie eingeführte gegenseitige Anerkennung darf nur für die von der Richtlinie
erfassten Dienstleistungen gelten (vgl. insoweit EuGH, Urteil v. 21.11.2002 a. a.
O.).
Die gemeinschaftsrechtliche Definition im Anhang Abschnitt A Nr. 1 b der
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie enthält 3 Elemente. Nämlich:
a) die Ausführung von Aufträgen,
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b) ...
c) die eines oder mehrere der in Abschnitt B genannten Instrumente zum
Gegenstand haben,
d) ...
e) für fremde Rechnung.
f) Diese 3 Bestandteile des Begriffes sind von den Rechtsordnungen der
Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie zu übernehmen.
Der nationale Gesetzgeber hat den Begriff "Aufträge" nicht wörtlich übernommen,
was letztlich seine Ursache darin haben dürfte, dass der Auftrag nach nationalem
Recht eine unentgeltliche Geschäftsbesorgung darstellt (vgl. § 662 BGB), der
Gemeinschaftsgesetzgeber jedoch mit dem Auftrag eine entgeltliche
Geschäftsbesorgung gemeint hat. Im Hinblick hierauf lag es nahe, dass der
Gesetzgeber auch das in § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG a. F. geregelte
Effektengeschäft zurückgriff, worunter die Anschaffung und Veräußerung von
Wertpapieren für andere verstanden wurde, und diese Definition entsprechend den
Vorgaben der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie auf alle Finanzinstrumente i. S. d.
§ 1 Abs. 11 KWG erweitert hat. Dem gemäß verlangt die überwiegende Literatur für
den Tatbestand des Finanzkommissionsgeschäftes in § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG
das Vorliegen eines Kommissionsgeschäftes i. S. d. §§ 383 f. HGB (vgl. Dreher, ZIP
2004, 2161; Hammen, WM 2005, 813; Kümpel Bank- und Kapitalmarktrecht 3.
Auflage 2004 Seite 1507; Fock, ZBB 2004, 365; Fülbier in Boos/Fischer/Schulte-
Mattler - Kreditwesengesetz § 1 Rdnr. 57; Elster - Europäisches Kapitalmarktrecht
Seite 223; Reischauer/Kleinhans - KWG § 1 Rdnr. 85; Beck/Samm -
Kreditwesengesetz § 1 Rdnr. 156; Hanten, ZBB 2000 Seite 47; Wolf, Der Betrieb
2005 Seite 1723). Dem gegenüber vertritt die Beklagte eine erweiternde
Auslegung des Tatbestandes des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG im Wege einer
wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Die Beklagte sieht den Begriff des
Finanzkommissionsgeschäftes i. S. v. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG nicht nur dann
erfüllt, wenn ein Unternehmen auf einen konkreten Auftrag eines Kunden hin im
eigenen Namen für fremde Rechnung Finanzinstrumente anschafft oder veräußert,
sondern auch dann, wenn eine schuldrechtliche oder gesellschaftsrechtliche
Vertragskonstruktion gewählt wird, bei der ein Unternehmen von Anlegern Gelder
entgegennimmt und mit diesen Geldern Finanzinstrumente anschafft und
veräußert, wobei die Vorteile und Nachteile dieser Geschäfte sich nicht bei dem
Unternehmen, sondern unmittelbar bei den Anlegern auswirken, also bei
wirtschaftlicher Betrachtungsweise ein Handeln für fremde Rechnung vorweist (vgl.
hierzu Sahavi ZIP 2005, 929; ständige Rechtsprechung der früher zuständigen 9.
Kammer und des Hess. VGH; vgl. etwa Hess. VGH, Beschluss vom 27.08.2003 - 6
TG 1581/03; 26.04.2004 - 6 TG 3495/03).
Dieser erweiternden Auslegung im Wege der wirtschaftlichen Betrachtungsweise
vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Nach Ansicht der Kammer zwingt
vielmehr eine richtlinienkonforme Auslegung der Vorschrift des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr.
4 KWG zu einer Auslegung im Sinne der in der Literatur herrschenden Meinung
(vgl. insoweit auch Hammen a. a. O. und Wolf a. a. O.).
Richtlinien überlassen ausweislich Art. 249 Abs. 3 EG die Wahl der Form und der
Mittel den innerstaatlichen Stellen, was auf einen Freiraum bei der inhaltlichen
Ausgestaltung und der mitgliedsstaatlichen Bestimmungen und der Wahl der
Rechtsform hindeutet. Andererseits muss die Anwendung der Richtlinie vollständig
und mit hinreichender Klarheit und Genauigkeit gewährleistet sein. Der
Anwendungsbereich des Umsetzungsrechtes darf nicht hinter dem
Anwendungsbereich der Richtlinie zurückbleiben, darf aber jedenfalls dann - wenn
es wie hier um die gegenseitige Anerkennung geht - den Anwendungsbereich nicht
weiter abstecken als die Richtlinie selbst (vgl. hierzu EuGH, Urteil v. 21.11.2002 a.
a. O.; Jarass/Beljin NVwZ 2004 Seite 1 (8)). Darüber hinaus verlangt Art. 10 EG von
allen staatlichen Organen eine Auslegung des nationalen Rechtes mit Blick auf die
jeweils einschlägige Richtlinie (von Bogdandy in Grabitz/Hilf Das Recht der
Europäischen Union Art. 10 EGV Rdnr. 55 m. w. N. aus der Rechtsprechung). Das
heißt, das nationale Recht muss soweit wie möglich in Übereinstimmung mit den
Anforderungen des Gemeinschaftsrechtes ausgelegt werden.
Anhang Abschnitt A Nr. 1 b zur Wertpapierdienstleistungsrichtlinie lässt sich nach
Ansicht der Kammer bei einer Auslegung nach Historie, Systematik und Sinn und
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Ansicht der Kammer bei einer Auslegung nach Historie, Systematik und Sinn und
Zweck nur dahin verstehen, dass sie den Kommissionshandel ergreifen wollte.
Wie Hammen (WM 2005, 813) anhand der Materialien zur
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie nachgewiesen hat, hat der
Richtliniengesetzgeber mit dem Auftrag das Kommissionsgeschäft herkömmlicher
Prägung gemeint. Bei systematischer Betrachtung des Anwendungsbereiches der
Richtlinie ergibt sich, dass Abschnitt A des Anhangs zur
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 4 Geschäftstypen als
Wertpapierdienstleistungen erfassen wollte: Wertpapierfremdgeschäfte (Nr. 1),
Wertpapiereigengeschäfte (Nr. 2), Vermögensverwaltung (Nr. 3) und
Emissionsgeschäfte (Nr. 4). Bei den Wertpapierfremdgeschäften der Nr. 1
unterscheidet der Richtliniengeber zwischen der Annahme und Übermittlung - für
Rechnung von Anlegern - von Aufträgen, die sich auf die im Abschnitt B genannten
Instrumente beziehen und die Ausführung solcher Aufträge für fremde Rechnung.
Bei der ersten Variante handelt es sich um die reine Anlagevermittlung. Die zweite
Variante deckt den Bereich des Kommissionshandels ab, d. h. ein Handeln des
Wertpapierdienstleisters im eigenen Namen, jedoch für Rechnung eines Kunden
(vgl. Elster - Europäisches Kapitalmarktrecht Seite 323).
Dafür, dass mit dem Begriff des Auftrages nur der Kommissionshandel erfasst
werden sollte, spricht weiter Art. 14 Abs. 4 S. 3 der Richtlinie 93/22 EWG, der eine
rasche Abwicklung der Aufträge des Anlegers zum Ziel hat. Daraus folgt, dass die
Richtlinie die Aufträge im Sinne der Abwicklung einzelner Geschäfte mit
Wertpapieren als Durchlaufposten versteht, nicht aber das Verwahren und
Verwalten dieser Wertpapiere (Wolf a. a. O.). Bestätigt wird dieses Ergebnis durch
Art. 21 der Richtlinie 2004/39/EG vom 21.04.2004 über Märkte für
Finanzinstrumente (ABl L Nr. 145/1 vom 30.04.2004), die die
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 93/22/EWG ablöst. Danach müssen
Mitgliedsstaaten vorschreiben, dass Wertpapierfirmen bei der Ausführung von
Aufträgen unter Berücksichtigung des Kurses, der Kosten, der Schnelligkeit, der
Wahrscheinlichkeit der Ausführung und Abrechnung, des Umfanges, der Art und
aller sonstigen für die Auftragsausführung relevanten Aspekte alle angemessenen
Maßnahmen ergreifen, um das bestmögliche Ergebnis für den Kunden zu
erreichen. Auch diese Vorschrift gibt nur Sinn, wenn der Begriff des Auftrages im
Sinne der Abwicklung eines Kommissionsgeschäftes verstanden wird.
Da das Gericht keine Zweifel bei der Auslegung des Inhalts des
Gemeinschaftsrechtes in Gestalt von Anhang Abschnitt A 1 b der
Wertpapierdienstleistungsrichtlinie hat, erübrigt sich eine Vorlage an den
Europäischen Gerichtshof nach näherer Maßgabe von Art. 234 EG.
Ungeachtet der gemeinschaftsrechtlichen Bedenken gegen die weite Auslegung
des Begriffes des Finanzkommissionsgeschäftes durch die Beklagte hat das
Gericht auch nach nationalem Recht Bedenken gegen die Ausweitung des
Begriffes. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG spricht von der Anschaffung und der
Veräußerung von Finanzinstrumenten im eigenen Namen für fremde Rechnung.
Die Frage nach der Reichweite des Begriffes des Finanzgeschäftes ist aufgrund
einer Wertung aller Umstände des einzelnen Falles unter Berücksichtigung der
bankwirtschaftlichen Verkehrsauffassung zu entscheiden (vgl. hierzu BVerwG,
Urteil v. 27.03.1984 NJW 1985, 929). Diese geht - wie aus der einhelligen
Literaturauffassung ersichtlich wird - dahin, den Begriff des
Finanzkommissionsgeschäftes intern mit einem Kommissionsgeschäft i. S. d. §
383 Abs. 1 HGB gleich zu setzen. § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG spricht zudem von der
Anschaffung und der Veräußerung von Finanzinstrumenten. Bei den kollektiven
Anlagemodellen, die die Beklagte unter den Begriff des
Finanzkommissionsgeschäftes fassen will, fehlt es bereits an dem Tatbestand der
Anschaffung und Veräußerung von Finanzinstrumenten. Anschaffung ist
abgeleiteter entgeltlicher Erwerb zu Eigentum mittels Rechtsgeschäft unter
Lebenden (RGZ 31, 17, 18). Unter Veräußerung versteht man ein auf Übertragung
des Eigentums gerichtetes Rechtsgeschäft unter Lebenden (vgl. Beck/Samm, KWG
§ 1 Rdnr. 154). Die Anschaffung oder Veräußerung muss "kommissionsweise"
erfolgen (BT - Drucksache 13/7142 Seite 63). Da der Kommissionär in eigenem
Namen handelt, überträgt der Verkäufer das Eigentum an den Finanzinstrumenten
normalerweise an ihn. Der Erwerbsvorgang führt also zunächst dazu, dass der
Kommissionär das Eigentum erhält (Baumbach/Hopt, HGB § 383 Rdnr. 25). Darin
unterscheidet sich das Kommissionsgeschäft von der offenen Stellvertretung, bei
der der Vertretene unmittelbar Eigentum erwirbt. Der Kommissionär tritt aber als
Geschäftsbesorger für den Kommittenten auf. Er erwirbt das Eigentum für diesen,
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Geschäftsbesorger für den Kommittenten auf. Er erwirbt das Eigentum für diesen,
also auf fremde Rechnung. Er ist dem Kommittenten gegenüber deshalb auch
verpflichtet, das Eigentum weiter zu übertragen. Es ist allerdings auch möglich, die
Eigentumsübertragung im Wege des Durchgangserwerbs zu gestalten, wenn der
Verkäufer weis, dass der Kommissionär als Kommissionär handelt und deshalb das
Eigentum an wen es angeht überträgt (Baumbach Hopt a. a. O. § 383 Rdnr. 27).
Von einem Kommissionsgeschäft kann also nur dann die Rede sein, wenn das
jeweilige Dienstleistungsunternehmen als Mittler zwischen den Anlegern, für die sie
die Finanzinstrumente erwirbt und den Verkäufern dieser Finanzinstrumente steht.
Dies ist in den Fällen kollektiver Anlagemodelle offensichtlich nicht der Fall. Es gibt
kein Verfügungsgeschäft, kraft dessen die Anleger jemals Eigentümer der
Finanzinstrumente werden, in denen ihre Einlage angelegt wird. Der jeweilige
Verkäufer veräußert die Finanzinstrumente an das Unternehmen, das sie aber
nicht auf die Anleger weiter überträgt, sondern diese nur wirtschaftlich am
Geschäftsergebnis beteiligt.
Die Beklagte kann sich auch nicht etwa mit Erfolg darauf berufen, wie erstmals in
der mündlichen Verhandlung geschehen, der angegriffene Bescheid vom
17.06.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.05.2005 sei
deshalb rechtmäßig, da die Klägerin jedenfalls Finanzportfolioverwaltung betreibe.
Dem steht der eindeutige Regelungsgehalt des Bescheides entgegen. Der
Regelungsgehalt der Ziffer I des Bescheides vom 17.06.2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides geht eindeutig dahin, der Klägerin zu untersagen, das
Finanzkommissionsgeschäft zu betreiben, indem sie an Personen mit Sitz oder
gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland herantritt und mit den angenommenen
Geldern Finanzinstrumente anschafft und veräußert. Die Beklagte hat der Klägerin
also ein Bankgeschäft gem. § 1 Abs. 1 S. 2 KWG untersagt. Auch der
Widerspruchsbescheid vom 09.05.2005 geht ausschließlich auf das unerlaubte
Betreiben von Bankgeschäften in Form des Finanzkommissionsgeschäfts ein (S. 8,
9). Dieser Regelungsgehalt lässt sich nun aber auch nur an der hierfür
einschlägigen Norm des § 1 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 KWG messen. Der Regelungsgehalt
lässt sich hingegen nicht einfach dahingehend austauschen, dass die Untersagung
des Geschäftsbetriebes - liege ein Bankgeschäft nicht vor - aufgrund der Annahme
von Finanzdienstleistungen erfolge. Auch wenn die Abgrenzung in der Praxis zum
Teil nur schwer zu finden ist, so handelt es sich doch rechtlich gesehen um zu
trennende Bereiche. Bankgeschäfte sind in § 1 Abs. 1 KWG und
Finanzdienstleistungen in § 1 Abs. 1 a KWG abschließend aufgezählt. Durch diese
erschöpfende Aufzählung wollte der Gesetzgeber den Begriff des Bankgeschäfts
klar abgrenzen (vgl. Beschl. des Hess. VGH vom 14.02.2006, Az.: 6 TG 1447/05).
Die Finanzdienstleistungen sind demgegenüber nicht bloß ein Weniger, sondern
ein aliud. Die Frage, ob es vor dem Hintergrund der von der Beklagten zu
treffenden Ermessensentscheidung im Sinne des § 37 Abs. 1 KWG
rechtmäßigerweise möglich ist, die angefochtene Verfügung durch Auswechselung
des Verbotstatbestandes aufrechtzuerhalten, kann offen bleiben.
Da Ziffer I der streitgegenständlichen Verfügung rechtswidrig ist, erweisen sich
auch die Folgeregelungen unter Ziff. II - V der Verfügung als rechtswidrig.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m.
§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Sprungrevision wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche
Bedeutung hat (§ 134 Abs. 2 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die grundsätzliche
Bedeutung der Rechtssache ergibt sich daraus, dass die Reichweite des
Tatbestandes des Finanzkommissionsgeschäftes i. S. v. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4
KWG bisher höchstrichterlich nicht geklärt ist und die Klärung dieser Rechtsfrage
für eine Vielzahl von Fällen von Bedeutung ist, weil die Beklagte seit dem Jahr 2003
unter Berufung auf die sich aus § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 KWG ergebende
Genehmigungsbedürftigkeit gegen die Tätigkeit von Unternehmen einschreitet, die
außerhalb des Anwendungsbereiches des Investmentgesetzes kollektive
Anlagemodelle anbieten.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.