Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 17.06.2002

VG Frankfurt: besoldung, bindungswirkung, berechtigung, nichterfüllung, vollstreckung, ermessen, konkretisierung, mindestbetrag, gewährleistung, eingrenzung

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Gericht:
VG Frankfurt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 E 1852/01(V)
Dokumenttyp:
Entscheidung
Quelle:
Normen:
Art 33 Abs 5 GG, Art 100 Abs
1 GG, § 1 Abs 2 Nr 3 BBesG, §
2 Abs 1 BBesG
(Besoldung; Familienzuschlag; Entscheidung durch
Fachgerichte)
Leitsatz
Über die Zuerkennung der dritten Stufe des Familienzuschlags nach Maßgabe der
Anforderungen des BVerfG zur Mindesthöhe der familienbezogenen
Gehaltsbestandteile ab dem dritten Kind können die Fachgerichte unmittelbar ohne
eine Vorlage nach Art.100 Abs.1 GG entscheiden.
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21.02.2000 und ihres
Widerspruchsbescheides vom 29.03.2001 verurteilt, dem Kläger 817,00 Euro netto
für die Jahre 2000 und 2001 nebst 4 % Zinsen seit dem 02.05.2001 zu zahlen und
für die Zeit ab dem Jahr 2002 sicherzustellen, dass dem Kläger für das dritte Kind
für die Dauer einer Berechtigung zum Bezug der dritten Stufe des
Familienzuschlags jährlich ein Gesamtbetrag als Familienzuschlag (dritte Stufe)
netto gewährt wird, der 115 % des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs
entsprechend dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.11.1998 - 2
BvL 26/91 u. a. -, Gründe zu C.III.3, entspricht.
Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung und die Revision werden zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Höhe des dem Kläger für sein drittes Kind zu
zahlenden Familienzuschlags ab dem Jahr 2000. Der Kläger steht als mittelbarer
Bundesbeamter im Dienst der Beklagten und hat drei Kinder, für die er
Familienzuschlag nach Maßgabe des BBesG erhält. Mit Wirkung zum 1. Januar
2000 wurde der Familienzuschlag, der dem Kläger für drei Kinder zusteht, um
monatlich 200,- DM brutto erhöht (Art. 9 § 2 Besoldungs- und
Versorgungsanpassungsgesetz 1999). Mit Wirkung zum 1. Januar 2001 beträgt der
Erhöhungsbetrag aufgrund einer Fortschreibung monatlich 203,60 DM brutto.
Mit Schreiben vom 10. Februar 2000 beanstandete der Kläger bei der Beklagten
die Höhe des Familienzuschlags für sein drittes Kind, da der Betrag nicht den
Anforderungen des BVerfG entspreche. Mit Bescheid vom 21. Februar 2000 (Bl. 4
d. A.) wies die Beklagte die Einwände des Klägers zurück, da sich die Besoldung
nach den gesetzlichen Vorschriften richte und diese eine höhere Besoldung nicht
zuließen. Am 9. März 2000 erhob der Kläger Widerspruch und machte geltend, der
Familienzuschlag für sein drittes Kind müsse monatlich zu einem Nettobetrag von
115 % des Sozialhilfesatzes führen. Dem genügten die Zahlungen der Beklagten
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115 % des Sozialhilfesatzes führen. Dem genügten die Zahlungen der Beklagten
nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2001 (Bl. 5-7 d. A.) wies der
Präsident der Beklagten den Widerspruch zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde
dem Kläger am 5. April 2001 zugestellt.
Am 2. Mai 2001 hat der Kläger Klage erhoben und verfolgt sein Begehren weiter,
für sein drittes Kind einen monatlichen Familienzuschlag in Höhe eines
Nettobetrages zu erhalten, der mindestens 115 % des durchschnittlichen
Sozialhilfebedarfs eines Kindes erreicht. Zur Begründung bezieht er sich auf den
Beschluss des BVerfG vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 u. a..
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21.02.2000 und ihres
Widerspruchsbescheides vom 29.03.2001 zu verurteilen, dem Kläger für das Jahr
2000 412,98 € netto und das Jahr 2001 404,02 € netto nebst 4 % Zinsen seit dem
2.05.2001 als weiteren Familienzuschlag für das dritte Kind zu zahlen und die
Beklagte zu verpflichten, für die Zeit ab dem Jahr 2002 sicherzustellen, dass dem
Kläger für das dritte Kind für die Dauer einer Berechtigung zum Bezug der dritten
Stufe des Familienzuschlags jährlich ein Gesamtbetrag als Familienzuschlag (dritte
Stufe) netto gewährt wird, der 115 % des sozialhilferechtlichen Grundbedarfs
entsprechend dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 24.11.1998 - 2
BvL 26/91 u.a. , Gründe zu C.III.3, entspricht.
Die Beklage beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie sieht sich an der Erfüllung der Klageforderung durch die gesetzlichen
Bestimmungen zur Höhe des Familienzuschlags für das dritte Kind gehindert.
Ein Heftstreifen Verwaltungsvorgänge der Beklagten hat vorgelegen. Auf seinen
Inhalt und den der Gerichtsakten wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Entscheidung ergeht im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist zulässig. Dies gilt im Hinblick auf § 259 ZPO auch, soweit der Kläger
die Verpflichtung der Beklagten zur künftigen Leistungsgewährung nach Maßgabe
der Ausführungen des BVerfG in seinem Beschluss vom 24. November 1998
begehrt. Eine nähere Eingrenzung des Klagebegehrens, insbesondere die Angabe
konkreter Zahlbeträge kann nicht gefordert werden, da der Kläger sie im Hinblick
auf die künftige Entwicklung der Einkommen wie der Steuergesetzgebung nicht
leisten kann. Seinem Begehren kann ausreichend durch die Verurteilung der
Beklagten dem Grunde nach entsprochen werden, da dann künftig nur noch
Berechnungsfragen zu klären sein werden. Sie bereiten den Beteiligten jedoch
offenkundig keine Schwierigkeiten, da auch im Gerichtsverfahren über die Höhe
der dem Kläger unter Zugrundelegung seines Rechtsstandpunkts zustehenden
Zahlbeträge keine Meinungsverschiedenheiten bestehen noch bestanden haben.
Die Klage hat Erfolg, da dem Kläger ein Anspruch darauf zusteht, für sein drittes
Kind einen jährlichen Familienzuschlag zu erhalten, der netto mindestens 115 %
des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs eines Kindes erreicht. Dies ergibt sich
unmittelbar aus Art. 33 Abs. 5 GG, der nach der Rechtsprechung des BVerfG ein
grundrechtsgleiches Recht gewährt und damit über die objektivrechtliche
Gewährleistung hinaus ein subjektives, einklagbares Recht begründet (BVerfG, B.
v. 15.12.1976 - 2 BvR 841/73 - E 43, 154, 166 f.). In Konkretisierung dieser
Verfassungsbestimmung hat das BVerfG zuletzt in seinem Beschluss vom 24.
November 1998 (2 BvL 26/91 u. a. - BVerfGE 99, 300 ff.) darauf erkannt, dass
einem Beamten unmittelbar aus Art. 33 Abs. 5 GG ein Anspruch darauf zusteht,
dass ihm sein Dienstherr für sein drittes und jedes weitere Kind einen
Familienzuschlag zusätzlich zur sonstigen Besoldung gewährt, der jährlich einen
Nettobetrag in Höhe von 115 % des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs eines
Kindes erreicht, wobei sich die Modalitäten der Berechnung des durchschnittlichen
Sozialhilfebedarfs aus den Gründen des bereits genannten Beschlusses zu C.III.3
ergeben (BVerfGE 99, 300, 321 f.). Diesen Anspruch des Klägers hat die Beklagte
in den Jahren 2000 und 2001 nicht in vollem Umfang erfüllt, sondern im Umfang
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in den Jahren 2000 und 2001 nicht in vollem Umfang erfüllt, sondern im Umfang
der Klageforderung zu wenig Familienzuschlag für das dritte Kind des Klägers
gezahlt. Dies ist im Ansatz zwischen den Beteiligten unstreitig, wie sich nicht
zuletzt aus der Berechnung der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 9.7.2001 (Bl.
28 f. d. A.) und der insoweit widerspruchslos akzeptierten Berechnung des Klägers
im Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 15.3.2002 (Bl. 40 ff. d. A.) ergibt.
Der Klageforderung steht § 2 Abs. 1 BBesG nicht entgegen. Diese Vorschrift wird
zwar gemeinhin auch im Hinblick auf § 2 Abs. 2 BBesG so ausgelegt, dass
Besoldungsansprüche, zu denen nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BBesG auch die
Familienzuschläge gehören, nur in der Höhe bestehen und ggf. eingeklagt werden
können, wie sie sich unmittelbar aus den besoldungsrechtlichen Vorschriften selbst
ergeben. Seinem Wortlaut nach erfasst § 2 Abs. 1 BBesG jedoch jede gesetzliche
Regelung, so sie einen Besoldungsanspruch in einer bestimmten Höhe begründet.
Als eine derartige gesetzliche Regelung muss auch Art. 33 Abs. 5 GG angesehen
werden, zumindest seit der Auslegung dieser Bestimmung durch das BVerfG in
seinem Beschluss vom 24. November 1998. Dort wird Art. 33 Abs. 5 GG nicht ein
allgemeiner Anspruch auf amtsangemessene Alimentation entnommen, den der
Gesetzgeber im Rahmen seines Ermessens zu konkretisieren habe. Vielmehr legt
das BVerfG Art. 33 Abs. 5 GG dahin aus, dass Beamte unmittelbar von
Verfassungs wegen einen individuellen Anspruch darauf haben, für ihr drittes und
jedes weitere Kind einen Familienzuschlag zu erhalten, der netto jährlich
mindestens 115 % des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs eines Kindes erreicht.
In Ausfüllung dieser Vorgaben stehen die Dienstherren lediglich vor der Aufgabe,
einerseits den durchschnittlichen Sozialhilfebedarf zu errechnen, andererseits den
Mindestbetrag von 115 % als zahlungspflichtigen Nettobetrag jährlich zu
gewähren. Ein Ermessen steht insoweit weder dem einzelnen Dienstherrn noch
dem Gesetzgeber zu, da er allenfalls die Zahlung von Leistungen oberhalb dieses
Mindestniveaus vorsehen kann, dieses Niveau jedoch nicht unterschreiten darf.
Somit erfüllt Art. 33 Abs. 5 GG in der Auslegung des BVerfG alle Anforderungen,
die aus rechtsstaatlicher Sicht unter Berücksichtigung der sich aus dem
Gewaltenteilungsgrundsatz ergebenden Anforderungen an eine hinreichend
bestimmte gesetzliche Regelung zur Gewährung von Besoldungsleistungen i. S. d.
§ 2 Abs. 1 BBesG zu stellen sind. Die engere Auslegung dieser Bestimmung durch
die Beklagte verfehlt die verfassungsrechtlichen Vorgaben und lässt Art. 33 Abs. 5
GG für die Alltagspraxis leer laufen.
Die Kammer sieht sich in ihrer Auslegung bestätigt durch die Ausführungen des
BVerfG in dem bereits genannten Beschluss vom 24. November 1998. Einerseits
bindet diese Entscheidung bereits nach § 31 Abs. 1 BVerfGG alle
Verfassungsorgane in Bund und Ländern, deren Behörden und Gerichte. Diese
Bindungswirkung bezieht sich auch auf die konkret vorgenommene Auslegung von
Art. 33 Abs. 5 GG und die darin begründeten individuellen Ansprüche (vgl. auch
BVerfG, B. v. 15.12.1976 a.a.O.). Zudem hat das BVerfG in seinem Beschluss vom
24. November 1998 in Ziffer 2 des Tenors (BVerfGE 99, 300, 304) - nicht zuletzt im
Hinblick auf die wiederholte Nichterfüllung früherer Entscheidungen zur Höhe des
mindestens zu gewährenden Familienzuschlags - gestützt auf § 35 BVerfGG eine
Vollstreckungsanordnung getroffen. Danach haben Besoldungsempfänger ab dem
1.1.2000 für das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind Anspruch auf
familienbezogene Gehaltsbestandteile in Höhe von 115 % des durchschnittlichen
sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes, der sich nach Maßgabe der
Gründe dieses Beschlusses zu C.III.3 errechnet. Damit gibt das BVerfG eindeutig
und mit Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG für alle öffentlichen Stellen zu
erkennen, dass jedem Beamten ein individueller Anspruch auf entsprechende
familienbezogene Gehaltsbestandteile zusteht, hier also entsprechend der
gegenwärtigen Struktur des Besoldungsrechts ein Anspruch auf einen
Familienzuschlag ab der dritten Stufe in der genannten Mindesthöhe. Dieser
Anspruch kann auch eingeklagt werden, so er unerfüllt bleibt, wobei es völlig
gleichgültig ist, ob die Nichterfüllung vom Gesetzgeber oder vom Dienstherrn zu
verantworten ist. In den Gründen des Beschlusses zu dieser
Vollstreckungsanordnung heißt es unter E. ausdrücklich, dass die Fachgerichte
befugt sind, familienbezogene Gehaltsbestandteile nach Maßgabe der Ziffer 2 des
Beschlusstenors zuzusprechen (BVerfGE 99, 300, 332). Dieser Befugnis entspricht
im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG zugleich eine Pflicht der Fachgerichte,
begründeten Klageforderungen zum Erfolg zu verhelfen. Dazu bedarf es keiner -
erneuten - Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das BVerfG. Zwar setzt sich ein
Fachgericht wie hier die Kammer mit der Zuerkennung von familienbezogenen
Gehaltsansprüchen über die Vorschriften des BBesG hinaus in einen gewissen
Widerspruch zu den für die konkrete Leistungsbemessung maßgeblichen
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Widerspruch zu den für die konkrete Leistungsbemessung maßgeblichen
Einzelbestimmungen. Anderseits erfüllt ein Fachgericht auf diese Weise jedoch den
vorrangigen Anspruch des Beamten aus Art. 33 Abs. 5 GG. Daher kommt der
Vollstreckungsanordnung des BVerfG in erster Linie die Aufgabe zu, den Vorrang
des sich unmittelbar aus dem GG ergebenden Anspruchs vor den
Detailregelungen des einfachen Besoldungsrechts jedenfalls im Bereich der
Gewährung familienbezogener Gehaltsbestandteile verbindlich nicht nur für die
Verfassungsorgane, sondern auch für die Behörden und Gerichte festzulegen.
Damit wird zugleich ein Beitrag zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art.
19 Abs. 4 S. 1 GG geleistet, da die Fachgerichte aufgrund der vom BVerfG
vorgegebenen Maßstäbe unmittelbar durchentscheiden können, ohne zuvor eine
Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG zu beschließen und deren Ergebnis abzuwarten.
Dem entspricht weiter die in den Gründen unter E. festgestellte unmittelbare
Leistungspflicht der Dienstherren ab dem 1.1.2000. Das BVerfG führt aus, ab
diesem Zeitpunkt seien die Dienstherren zur Zahlung der familienbezogenen
Gehaltsbestandteile in der erforderlichen Mindesthöhe verpflichtet, wenn auch
unter der Voraussetzung, dass der Gesetzgeber seinen Verpflichtungen zur
Anpassung der Rechtslage nicht ausreichend nachkommt. Dabei handelt es sich
nur noch um eine sachliche Anspruchsvoraussetzung. Ist sie erfüllt, setzt
unmittelbar gründend auf Art. 33 Abs. 5 GG die Leistungspflicht der Dienstherren
ein, der ein entsprechender Leistungsanspruch des einzelnen Beamten gegenüber
steht. Insoweit hat der nachfolgende Hinweis auf die Befugnis der Fachgerichte,
diese Ansprüche im Weigerungsfall zuzuerkennen, nur eine abrundende, der
Klarstellung dienende Funktion. Der Hinweis war jedoch nötig, weil der Gesetzgeber
in früheren Jahren und jetzt erneut seine vom BVerfG festgestellte Pflicht zur
Gewährung angemessener familienbezogener Gehaltsbestandteile nicht erfüllt und
damit die Bindungswirkung der Entscheidungen des BVerfG unbeachtet gelassen
hat. Sie zu erzwingen ist Aufgabe einer Vollstreckungsanordnung, wie sie § 35
BVerfGG vorsieht (BVerfG 99, 300, 313 f.). Daher kann Ziffer 2 des
Beschlusstenors vom 24. November 1998 nur dahin ausgelegt werden, dass
jedenfalls ab dem 1.1.2000 über die Höhe der familienbezogenen
Gehaltsbestandteile ab dem dritten Kind aufwärts unmittelbar von
Verwaltungsgerichten entschieden werden kann, soweit dabei lediglich die
Grundsätze des Beschlusses des BVerfG vom 24. November 1998 anzuwenden
sind.
Nach alledem bedarf es ungeachtet der dem Klagebegehren nicht
entsprechenden Vorschriften im BBesG zur Höhe des Familienzuschlags für das
dritte Kind des Klägers keiner erneuten Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG an das
BVerfG. Den besoldungsrechtlichen Detailbestimmungen zur Höhe des
Familienzuschlags kommt keine Sperrwirkung in dem Sinne zu, dass die
Gewährung höherer Beträge zwingend ausgeschlossen wäre. Ein solches Verbot
enthält das BBesG nicht, da es allenfalls im Wege der Auslegung § 2 BBesG
entnommen werden kann. Einer solchen Auslegung steht jedoch das Gebot der
verfassungskonformen Auslegung einfachen Gesetzesrechts entgegen. Dieses
Gebot erzwingt diejenige Auslegung einer Vorschrift, die zur Vermeidung der
Verfassungswidrigkeit und damit auch einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG führt.
Die Höhe des Differenzbetrages ist zwischen den Beteiligten unstreitig, die
Maßstäbe des BVerfG in seinem Beschluss vom 24. November 1998 zugrunde
gelegt. Der Einwand im Widerspruchsbescheid, auf die Klageforderung müsse sich
der Kläger auch allgemeine Kindergelderhöhungen, steuerrechtliche Regelungen
oder weitere Maßnahmen zur Entlastung von Familien anrechnen lassen, kann
nicht durchgreifen. Die Beklagte hat zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise
vorgerechnet, welche Entlastungen finanzieller Art dem Kläger insoweit in den
Jahren 2000 und 2001 tatsächlich zuteil geworden sind und inwieweit diese
Leistungen außerhalb der Bemessung des durchschnittlichen Sozialbedarfs eines
Kindes liegen. Statt dessen rechnet der Schriftsatz der Beklagten vom 9.7.2001 -
ohne Widerspruch des Klägers - vor, welche Differenzbeträge dem Kläger nach
Maßgabe der Kriterien des BVerfG zustehen, um den Familienzuschlag die
erforderliche Nettohöhe von 115 % des durchschnittlichen Sozialhilfebedarfs eines
Kindes erreichen zu lassen. Dem folgt die Kammer, und zwar auch für das Jahr
2001, da hier die vom Kläger vorgenommene Berechnung des Differenzbetrages
von der Beklagten als rechnerisch richtig akzeptiert wurde, so dass kein Anlass zu
weiteren Nachforschungen besteht.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung von § 291, §
288 Abs. 1 S. 2 BGB. Rechtshängigkeitszinsen werden nicht einmal vom Ansatz
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288 Abs. 1 S. 2 BGB. Rechtshängigkeitszinsen werden nicht einmal vom Ansatz
her von § 3 Abs. 6 BBesG erfasst, da die Regelung nur Verzugszinsen im engeren
Sinne erfasst. Die Rechtshängigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Klage bestimmt
sich - anders als im Zivilprozess - aufgrund des § 81 Abs. 1 VwGO nach dem Tag
der Klageeinreichung, da damit die Klage auch erhoben ist, ohne dass es dazu
noch der Zustellung an die Beklagte bedarf.
Da die Beklagte unterliegt, hat sie nach § 154 Abs. 1 VwGO die Verfahrenskosten
zu tragen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708
Nr. 11, § 711 ZPO. Die Verurteilung zur Zahlung ist nicht für vorläufig vollstreckbar
zu erklären, da der zwangsweisen Erfüllung der Klageforderung die Aufhebung der
angefochtenen Bescheide vorausgehen muss. Insoweit hindert jedoch § 167 Abs. 2
VwGO daran, das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären, so dass die
akzessorische Verurteilung zur Zahlung dieses Schicksal teilt.
Berufung und Revision sind zuzulassen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung
aufweist (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 132 Abs. 2 Nr. 1, § 134 Abs. 2 S. 1 VwGO). Die
Modalitäten zur Umsetzung des Beschlusses des BVerfG vom 24. November 1998
sind noch ungeklärt. Eine obergerichtliche Entscheidung kann hier die erforderliche
Rechtssicherheit herstellen. Zudem haben beide Beteiligten an der Zulassung der
Sprungrevision ausdrücklich Interesse bekundet.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.