Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 06.07.2006

VG Frankfurt: bewährung, luftverkehr, gefährdung, untreue, hessen, unternehmen, verwaltungsverfahren, vollstreckung, luftfahrt, straftat

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Gericht:
VG Frankfurt 12.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 E 3035/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
Art 84 Abs 1 GG, Art 85 Abs 1
GG, Art 87d Abs 2 GG, § 16
Abs 3 S 2 LuftSiG, § 7 Abs 1 Nr
4 LuftSiG
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Der am ....1964 in A geborene Kläger ist von Beruf Kaufmann. Er ist in zweiter Ehe
verheiratet. Aus seiner ersten Ehe hat er Kinder im Alter von 12 und 13 Jahren,
welche bei der Kindesmutter aufwachsen.
Er verfügt über die Privatpilotlizenzen A und E. Unter dem 15.07.2005 beantragte
er beim P als L die Überprüfung seiner Zuverlässigkeit gem. § 7
Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG).
Bereits am 28.06.2005 hatte das Amtsgericht A den Kläger wegen zwei Fällen von
Betruges, 52 Fällen der Untreue und 41 Fällen der Urkundenfälschung zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt
wurde. Diese Verurteilung ist seit dem 28.06.2005 rechtskräftig. In der Zeit von
Mai 1997 bis März 2000 hatte der Kläger in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer
der B GmbH und der Cs GmbH in A insgesamt 46 Firmenschecks für private
Zwecke ausgestellt und diese entweder weitergereicht oder selbst eingelöst, so
dass das Firmenkonto der B GmbH mit insgesamt 851.319,82 DM und das
Firmenkonto der Cs GmbH mit 345.501,13 DM belastet wurden. Insgesamt weitere
50.000,00 DM hob der Kläger zu privaten Zwecken vom Firmenkonto der B GmbH
ab und schädigte das Unternehmen um weitere 9.981,30 DM durch zwei
Überweisungen. 575.000,00 DM überwies der Kläger am 16.02.1998 vom
Firmenkonto an die D GmbH für eine Beratung bei einem Bauprojekt, obwohl eine
Beratungsleistung in diesem Umfang nicht erfolgt war. Aus dem
Überweisungsbetrag flossen dem Kläger wiederum erhebliche Leistungen zu.
Damit die veruntreuten Gelder bei einer im Jahr 2000 angesetzten Sonderprüfung
nicht auffielen, erstellte der Kläger unter Verwendung eines Scanners, eines
Bildbearbeitungsprogrammes und eines Farbdruckers vorgetäuschte Rechnungen
unter Bezugnahme auf tatsächliche Projekte der B GmbH und der Cs GmbH. Diese
Rechnungen versah der Kläger zur Vervollkommnung der Täuschung mit eigenen
handschriftlichen Notizen oder einer gefälschten Unterschrift und brachte diese in
die Buchhaltung der geschädigten Unternehmen ein.
Ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfes der Untreue (Az.: X) wurde
gem. § 154 Abs. 1 StPO eingestellt.
Unter dem 14.08.2005 schrieb der Kläger dem Polizeipräsidium im Rahmen der
ihm gewährten Äußerungsmöglichkeit, er bereue diese Taten aufrichtig und
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ihm gewährten Äußerungsmöglichkeit, er bereue diese Taten aufrichtig und
versuche den entstandenen Schaden soweit wie möglich wieder gut zu machen,
weshalb die Freiheitsstrafe auch zur Bewährung ausgesetzt worden sei. Er sei
erfolgreich als Geschäftsführer einer Projektentwicklungsfirma tätig, sei nicht
drogenabhängig, rauche nicht und trinke nur selten Alkohol; eine Bedrohung für
die Luftfahrt gehe vom ihm nicht aus.
Mit Bescheid vom 17.08.2005 versagte das P dem Kläger den begehrten
Ausspruch seiner luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4
LuftSiG. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus, es bestünden Zweifel an
der Zuverlässigkeit des Klägers, weil dieser über einen Zeitraum von mehreren
Jahren in massiver Form gegen die Rechtsordnung alleine deshalb verstoßen habe,
um sich geldwerte Vorteile zur Finanzierung seines gehobenen Lebensstiles zu
verschaffen, so dass der Schluss nahe liege, dass der Kläger nicht gewillt oder
nicht in der Lage sei, die Rechtsordnung anzuerkennen, womit seine charakterliche
Eignung in Frage stehe.
Gegen den am 31.08.2005 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 15.09.2005
Klage erhoben. Zu deren Begründung trägt er vor, es bestünden Bedenken gegen
die Wirksamkeit der gesetzlichen Anordnung der Überprüfung der Zuverlässigkeit
von Luftfahrern und weist auf einen Beschluss des VG Braunschweig (Az.: 2 B
247/05) vom 03.11.2005 hin, mit dem der Eilantrag eines Luftfahrers, dessen
Zuverlässigkeit verneint worden war, unter anderem mit der Begründung
stattgegeben worden war, es bestünden Zweifel, ob das Gesetz zur Neuregelung
von Luftsicherheitsaufgaben vom 11.01.2005, mit dem die
Zuverlässigkeitsüberprüfung von Privatpiloten gem. § 7 LuftSiG eingeführt worden
war, formell ordnungsgemäß zustande gekommen sei.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheides vom 17.08.2005 ihm die Zuverlässigkeit
gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 LuftSiG zur erteilen;
hilfsweise die Behörde zur Neubescheidung unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte wiederholt und vertieft im Wesentlichen die Gründe des
angefochtenen Bescheides. Insofern wird auf die Klageerwiderung vom 10.11.2005
Bezug genommen.
Ergänzend weist er darauf hin, dass es ihm nicht zustehe, das
Luftsicherheitsgesetz aus verfassungsrechtlichen Bedenken heraus zu verwerfen.
Auch das VG Braunschweig habe in dem vom Kläger genannten Beschluss die
verfassungsrechtliche Frage der Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes offen
gelassen.
Unter dem 03.12.2005 hat der Kläger gegenüber dem R erklärt, dass er die ihm
erteilen Luftfahrerscheine derzeit ruhen lasse, weil ihm derzeit der Nachweis der
Zuverlässigkeit nicht möglich sei.
Entscheidungsgründe
An Stelle der Kammer entscheidet gem. § 87 a Abs. 2 und 3 VwGO der
Berichterstatter, weil die Beteiligten sich damit einverstanden erklärt haben. Die
Entscheidung ergeht gem. § 101 Abs. 2 ohne mündliche Verhandlung, weil auch
hiermit die Beteiligten einverstanden sind.
Das mit dem Hauptantrag verfolgte klägerische Begehren ist dahingehend zu
verstehen, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 17.08.2005 zu
verpflichten, dem Kläger die Zuverlässigkeit gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 LuftSiG zu
bescheinigen.
Die so verstandene Klage ist zulässig. Insbesondere hat das Begehren des Klägers
sich nicht dadurch erledigt, dass er seine Luftfahrerscheine gegenüber dem R
ruhen lässt. Das Ruhen seiner Befugnis, Luftfahrzeuge zu führen, hat sein
Interesse am Ausspruch seiner Zuverlässigkeit gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 LuftVG nicht
beseitigt, da im Fall seines Obsiegens das Ruhen seiner Luftfahrerscheine wohl
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beseitigt, da im Fall seines Obsiegens das Ruhen seiner Luftfahrerscheine wohl
endet und er von diesen wieder Gebrauch machen kann.
Sonstige Zweifel an der Zulässigkeit bestehen nicht.
In der Sache bleibt der Klage der Erfolg versagt.
Der Kläger kann von dem Beklagten nicht beanspruchen, ihm seine
luftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 LuftSiG zu
bescheinigen. Die erforderliche Zuverlässigkeit i. S. v. § 7 LuftSiG kann auch das
Gericht nicht feststellen. Gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 LuftSiG hat die
Luftsicherheitsbehörde, das ist gem. § 2 Abs. 2 der Verordnung zur Bestimmung
von luftverkehrsrechtlichen Zuständigkeiten vom 30. Oktober 2001 in Hessen das
P, die Zuverlässigkeit von Luftfahrern i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1 LuftSiG i. V. m. § 1
Abs. 2 Nr. 1 bis 3 und 5 des LuftVG und entsprechender Flugschüler zu überprüfen.
Vor Inkrafttreten des LuftSiG war eine solche Überprüfung von Sportpiloten - zu
denen der Kläger gehört - nicht vorgesehen.
Verfassungsrechtliche Bedenken an dieser Neuregelung bestehen nicht.
Das LuftSiG ist ordnungsgemäß zu Stande gekommen. Es ist am 18.06.2004 vom
Deutschen Bundestag verabschiedet worden. Die fehlende Zustimmung des
Bundesrates ist unerheblich, weil das LuftSiG nicht zustimmungsbedürftig gewesen
ist.
Gem. Art. 87 d Abs. 2 GG bedarf es der Zustimmung des Bundesrates, wenn
durch Bundesgesetz Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung den Ländern als
Auftragsverwaltung übertragen werden. Das LuftSiG überträgt den Ländern keine
neuen Aufgaben der Luftverkehrsverwaltung. Die Luftsicherheitsaufgaben, zu
denen auch die Überprüfung der Zuverlässigkeit der Luftfahrer gehört, oblagen
bislang schon nach dem LuftVG den Ländern. Die Aufgaben der
Luftsicherheitsbehörden werden in § 2 des LuftSiG umschrieben. Hiernach hat die
Luftsicherheitsbehörde die Aufgabe, Angriffe auf die Sicherheit des Luftverkehrs,
insbesondere Flugzeugentführungen, Sabotageakte und terroristischen Anschläge,
abzuwehren, Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach § 7 LuftSiG durchzuführen,
Luftsicherheitspläne zuzulassen und Sicherungsmaßnahmen der
Flugplatzbetreiber und der Luftfahrtunternehmen anzuordnen und die Einhaltung
zu überwachen. Gem. § 31 Abs. 2 Nr. 19 des LuftVG in der bis zum 14.01.2005
geltenden Fassung waren den Ländern bereits die Aufgabe des Schutzes vor
Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehres (§§ 29 c, 29 d) als
Auftragsangelegenheit zugewiesen. Die Erweiterung des luftsicherheitsrechtlichen
Instrumentariums wie beispielsweise die Erstreckung der
Zuverlässigkeitsüberprüfung auf alle Luftfahrer vermag die
Zustimmungsbedürftigkeit nach Art. 87 d Abs. 2 GG nicht erneut auszulösen, da
bereits die gesamte Aufgabe der Abwehr von Angriffen auf die Sicherheit des
Luftverkehrs gem. § 31 Abs. 2 Nr. 19 LuftVG alte Fassung auf die Länder
übertragen worden war.
Der Auffassung des Bundesrates, die Zuständigkeitsregelung in § 16 Abs. 3 S. 2
des LuftSiG, nach der Aufgaben der Luftsicherheitsbehörden, die grundsätzlich
gem. § 16 Abs. 2 von den Ländern im Auftrage des Bundes ausgeführt werden, in
bundeseigener Verwaltung ausgeführt werden, wenn dies zur Gewährung der
bundeseinheitlichen Durchführung der Sicherheitsmaßnahmen erforderlich ist, löse
ebenfalls die Zustimmungsbedürftigkeit aus, weil auch die Entziehung von
Aufgaben ein Fall des Art. 87 d Abs. 2 GG sei, vermag das Gericht sich nicht
anzuschließen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom
28.01.1998 (2 BvF 3/92, BVerfGE 97, 198 bis 228) ausdrücklich zu der
entsprechenden Vorgängervorschrift des § 31 Abs. 2 Nr. 19 LuftVG entschieden,
dass eine verfassungsrechtliche Kompetenzregelung, nach der bestimmte
Angelegenheit primär in bundeseigener Verwaltung geführt werden, jedoch nach
gesetzgeberischer Entscheidung auch den Ländern zur Auftragsverwaltung
übertragen werden können, einer Wiederherstellung der verfassungsrechtlichen
Ausgangslage - bundeseigene Verwaltung - nicht entgegen steht. Art. 87 d Abs. 2
GG soll die Länder vor der Übernahme von Verwaltungsaufgaben, die nach der
Kompetenzordnung des Grundgesetzes dem Bund obliegen, schützen, sie aber
nicht davor bewahren, dass ihnen solche Aufgaben wieder entzogen werden. Die
Aufgaben der bundeseigenen Verwaltung sind gerade nicht den Ländern
vorbehalten. Insofern ist es verfassungsrechtlich auch unerheblich, dass § 16 Abs.
3 S. 2 des LuftSiG im Unterschied zur Regelung in § 31 Abs. 2 Nr. 19 des LuftVG a.
F. einen Antrag des Landes für eine Rückübertragung der Aufgaben auf den Bund
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F. einen Antrag des Landes für eine Rückübertragung der Aufgaben auf den Bund
nicht vorsieht.
Die Ansicht des Bundesrates, aus § 84 Abs. 1 GG folge die
Zustimmungspflichtigkeit des LuftSiG (BT - DrS.15/3587), vermag das Gericht
bereits im Ansatz nicht nachzuvollziehen. Art. 84 Abs. 1 GG sieht vor, dass die
Länder die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren regeln, wenn
sie Bundesgesetze als eigene Angelegenheiten ausführen, soweit nicht
Bundesgesetze mit Zustimmung des Bundesrates etwas anderes bestimmen.
Das LuftSiG wird gem. § 16 Abs. 2 des LuftSiG durch die Länder nicht als eigene
Angelegenheit ausgeführt, sondern als Auftragsangelegenheit. Die
Auftragsverwaltung ist ein eigener Verwaltungstyp innerhalb des achten
Abschnittes des Grundgesetzes. Der Unterschied zur Ausführung der
Bundesgesetze als eigene Angelegenheit i. S. v. Art. 84 GG liegt in den
Möglichkeiten der Einflussnahme durch den Bund. Werden die Länder im Auftrage
des Bundes tätig, so kann der Bund zum Beispiel durch Weisungen intensiv auf die
Länder einwirken.
Das LuftSiG ist schließlich auch nicht gem. Art. 85 Abs. 1 GG
zustimmungsbedürftig gewesen. Im Bereich der Auftragsverwaltung bedarf es
einer Zustimmung des Bundesrates, wenn ein Bundesgesetz in die gem. Art. 85
Abs. 1 GG den Ländern zustehende Befugnis, die Behörden einzurichten, eingreift.
In diese Befugnis der Länder greift das LuftSiG nicht ein. Das LuftSiG verpflichtet
die Länder nicht, für den Vollzug der Luftsicherheitsaufgaben eine neue Behörde
zu errichten. Er spricht lediglich davon, dass die Luftsicherheitsaufgaben durch die
Luftsicherheitsbehörde wahrzunehmen sind (§ 2 LuftSiG). Die Länder werden
hierdurch aber nicht verpflichtet, eine neue Behörde zu errichten, sondern sie
können ebenso vorhandene Behörden als Luftsicherheitsbehörden bestimmen.
Der Begriff der Luftsicherheitsbehörde im LuftSiG hat lediglich die Funktion, die
Behörde zu bezeichnen, die die Aufgaben der Luftsicherheit wahrnimmt. Welche
Behörde das ist, bleibt den Ländern überlassen. Die Einrichtung der Behörde, ihre
Ausgestaltung und innere Organisation wird ebenso wenig vom
Bundesgesetzgeber durch das LuftSiG geregelt. Gleiches gilt schließlich für die
Festlegung des behördlichen Aufgabenkreises. Den Ländern steht es frei, die
Aufgaben der Luftsicherheit auf verschiedene Behörden zu verteilen. Diese sind
dann jeweils Luftsicherheitsbehörden. Das LuftSiG schließt eine solche
Aufgabenverteilung nicht aus. Es schreibt den Ländern nicht vor, dass es nur eine
Luftsicherheitsbehörde geben darf. Diese zeigt insbesondere § 16 Abs. 3 LuftSiG,
der den Bereich der zwingenden und fakultativen bundeseigenen Verwaltung
bestimmt. Gem. § 16 Abs. 3 S. 1 LuftSiG wird die Zulassung von
Luftsicherheitsplänen gem. § 9 Abs. 1 LuftSiG einschließlich der Überwachung der
darin dargestellten Sicherungsmaßnahme durch das Luftfahrtbundesamt in
bundeseigener Verwaltung ausgeführt. Auch das Luftfahrtbundesamt ist, da es
Aufgaben der Luftsicherheit wahrnimmt, damit Luftsicherheitsbehörde i. S. v. § 2
LuftSiG. Eine Konzentration der Aufgaben der Luftsicherheitsbehörden bei einer
Behörde sieht das Gesetz also gerade nicht vor.
Die durch das LuftSiG erfolgende Zuweisung von Aufgaben und Befugnissen, die
zum Teil über die Befugnisse der Luftfahrtbehörden nach dem LuftVG a. F. hinaus
gehen, kann die Zustimmungsbedürftigkeit nicht auslösen. Die
Aufgabenzuweisung berührt nicht die durch Art. 85 Abs. 1 GG geschützte
Organisationsgewalt der Länder (vgl. BVerfGE 10, 20, 49; 14, 197, 219 f.; 55, 274,
319; 75, 108, 150, 152; 105, 313, 331). Nur die Regelung der
Behördenorganisation bleibt gem. Art. 85 Abs. 1 GG den Ländern vorbehalten.
Regelungen über das Verwaltungsverfahren bedürfen bei der Auftragsverwaltung
nach Art. 85 GG nicht der Zustimmung des Bundesrates.
In materieller Hinsicht begegnet die durch das LuftSiG eingeführte
Zuverlässigkeitsüberprüfung auch für Privatpiloten - zu denen der Kläger gehört -
keine Bedenken. Die Zuverlässigkeitsüberprüfung von Freizeitpiloten ist allein am
Maßstab der durch Art. 2 Abs. 1 GG verbürgten allgemeinen Handlungsfreiheit und
nicht an der Berufsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG zu messen. Die allgemeine
Handlungsfreiheit findet ihre Grenzen in der verfassungsmäßigen Ordnung und
damit in der Rechtsordnung, zu der auch das LuftSiG gehört. Eine
unverhältnismäßige Einschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit im
Verhältnis zu der mit der Zuverlässigkeitsüberprüfung nach dem LuftSiG
verfolgten Abwehr von Gefahren und Angriffen auf die Sicherheit des Luftverkehres
vermag das Gericht nicht zu erkennen. Durch die Erstreckung der
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vermag das Gericht nicht zu erkennen. Durch die Erstreckung der
Zuverlässigkeitsüberprüfung auf Privatpiloten will der Gesetzgeber bestehende
Sicherheitslücken schließen. Die Sicherheit des Luftverkehrs soll umfassend
geschützt werden. Hierzu hat es der Gesetzgeber für erforderlich angesehen, auch
alle Luftfahrer i. S. d. § 4 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 und 5 des LuftVG
zu überprüfen, um auch einen besseren Schutz auf Kleinflughäfen und der
allgemeinen Luftfahrt zu gewährleisten. Diese gesetzgeberische Bewertung ist von
Rechts wegen nicht zu beanstanden. Die Bedrohungslage durch ein Kleinflugzeug
am 05.01.2003 in Frankfurt am Main hat gezeigt, dass auch von Privatpiloten eine
Gefährdung ausgehen kann. Der Schutz vor Angriffen auf die Sicherheit des
Luftverkehrs wiegt besonders schwer. Zum einen ist der Rang der geschützten
Rechtsgüter, nämlich Leib und Leben von Menschen sehr hoch, zum anderen ist
der für diese Rechtsgüter möglicherweise eintretende Schaden besonders
folgenschwer. Insofern ist die gesetzgeberische Bewertung, dem Schutz des
Luftverkehrs Vorrang vor der Teilnahme von unzuverlässigen Privatpiloten am
Luftverkehr einzuräumen, nicht unverhältnismäßig. So hat auch das
Bundesverwaltungsgericht (Urteil v. 11.11.2004 - 3 C 8.04 - BVerwGE 122, 182)
keine Bedenken, die Zuverlässigkeit von Personen, die in nicht allgemein
zugänglichen Bereichen von Verkehrsflughäfen tätig werden, zu überprüfen. Die
gesetzgeberische Wertung, die Tätigkeit eines Privatpiloten hinsichtlich der
Gefährdung, die von ihm für den Luftverkehr ausgeht, derjenigen des im nicht
allgemein zugänglichen Bereich eines Verkehrsflughafen Beschäftigten
gleichzustellen, „kann schwerlich als im gesetzgeberischen Ausgleich von
staatlicher Schutzpflicht und Freiheit der Entfaltung des Einzelnen verfehlt
bezeichnet werden“ (OVG Nordrhein Westfalen, Beschl. v. 27.03.2006 - 20 B
1985/05).
Das Gericht kann nicht feststellen, dass der Kläger zuverlässig im Sinne von § 7
Abs. 1 Luftsicherheitsgesetz ist. Nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts zu § 29 d LuftVG a. F., der durch § 7 LuftSiG zum
01.01.2005 abgelöst worden ist, ist nur derjenige zuverlässig, der die Gewähr dafür
bietet, dass er die ihm obliegenden Pflichten zum Schutz vor Angriffen auf die
Sicherheit des Luftverkehrs insbesondere vor Flugzeugentführungen und
Sabotageakten jederzeit in vollem Umfang erfüllen wird. Wegen des gerade beim
Luftverkehr besonders hohen Gefährdungspotentials und der Hochrangigkeit der
zu schützenden Rechtsgüter sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Die
Zuverlässigkeit ist bereits dann zu verneinen, wenn auch nur geringe Zweifel
bestehen (BVerwG, Urt. v. 15.07.2004 - 3 C 33/03 - DÖV 2005, 118-121; Urt. v.
11.11.2004 - 3 C 8/04 m. w. N.). Zentraler Bezugspunkt der Überprüfung der
Zuverlässigkeit ist, ob Grund zu der Annahme besteht, dass beim Überprüften
aktuell oder künftig ein Verstoß gerade gegen die Anforderungen zur Wahrung der
Sicherheit des Luftverkehrs zu befürchten ist. Dabei ist für die maßgebliche
Gefahrenlage von Bedeutung, dass der Angriff auf die Sicherheit des Luftverkehrs
nicht unmittelbar von dem Überprüften selbst ausgehen muss. Eine Gefährdung
kann ebenso dadurch eintreten, dass ein Luftfahrer seine Kenntnisse von
Betriebsabläufen und Sicherheitsmaßnahmen an Außenstehende Dritte weitergibt,
oder diesen den Zutritt zum Flughafen ermöglicht (BVerwG, Urt. v. 15.07.2004, a.
a. O.). Der von dem Beklagten angeführte Regelvermutungstatbestand für das
Fehlen der luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 der
Luftverkehrszuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung vom 08.10.2001 kann zur
Beurteilung dieser Frage allerdings nicht herangezogen werden. Die
Regelvermutungen in § 5 Abs. 2
Luftverkehrszuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung sind nach dem Urteil des
Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.11.2004 (3 C 8/04) unwirksam, weil insoweit
keine gesetzliche Verordnungsermächtigung bestehe; Regelvermutungen über die
Zuverlässigkeit seien ebenso wie sonstige Beweislastregeln Teil des materiellen
Rechts und als solche nicht von der einschlägigen Verordnungsermächtigung in §
32 Abs. 2 b LuftVG erfasst. Dem schließt sich das erkennende Gericht an. Die in §
5 Abs. 2 Luftverkehrszuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung genannten
Tatbestände sind nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom
11.11.2004 auch nicht geeignet, eine tatsächliche Vermutung für das Fehlen der
luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit oder generelle Zweifel an der
Zuverlässigkeit des Betroffenen, die von diesem widerlegt werden müssten, zu
begründen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem genannten Urteil hierzu
ausgeführt:
„Das folgt aus dem sehr weiten Rahmen den der Verordnungsgeber in § 5 Abs. 2
Luftverkehrszuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung gezogen hat. So soll nach
Ziff. 1 die Verurteilung wegen jeder beliebigen Straftat in einen Zeitraum von 10
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Ziff. 1 die Verurteilung wegen jeder beliebigen Straftat in einen Zeitraum von 10
Jahren regelmäßig zur Verneinung der luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit
führen, obwohl auf der Hand liegt, dass viele Straftaten keine Beziehung zur
Gefährdung der Luftverkehrssicherheit haben. Auch verfassungsfeindliche
Bestrebungen, auf die Ziff. 2 abstellt, sind nicht ohne weiteres mit
Gewaltbereitschaft verbunden, wie sie typischerweise für Anschläge auf den
Luftverkehr vonnöten ist. Richtig ist lediglich, dass Straftaten des Betroffenen
ebenso wie eine Verstrickung in verfassungsfeindliche Bestrebungen Anlass
geben, die luftverkehrsrechtliche Zuverlässigkeit in Frage zu stellen und im
Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung des Einzelfalles feststellen, ob sich aus
solchen Vorgängen Bedenken ergeben, der Betroffene könne aus eigenem Antrieb
oder aufgrund fremder Manipulation die Sicherheit des Luftverkehrs
beeinträchtigen. Dabei ist das Gewicht der in § 5 Abs. 2
Luftverkehrszuverlässigkeitsüberprüfungsverordnung angesprochenen
Verfehlungen und ihre indizielle Aussagekraft ebenso in den Blick zu nehmen wie
den Betroffenen entlastende oder möglicherweise sogar in ein gutes Licht
stellende Vorgänge.“
Dem folgt das erkennende Gericht. Bei der anzustellenden Prognoseentscheidung
ist maßgeblich auf die Würdigung aller Einzelfallumstände abzustellen. Dabei ist
zugunsten des Klägers zu berücksichtigen, dass die den strafrechtlichen
Entscheidungen zugrunde liegenden Taten keinen unmittelbaren Bezug zur
Luftverkehrssicherheit haben. Die Vielzahl der Straftaten, die der Kläger über
mehrere Jahre hinweg beging, und seine Tatmotive begründen jedoch hinreichende
Zweifel, ob er den Anforderungen zur Wahrung der Sicherheit des Luftverkehrs
stets gerecht wird. Denn sie dokumentieren einen Hang zur Missachtung der
Rechtsordnung. Der Kläger hat nach den Feststellungen des Amtsgerichts A in
dessen rechtskräftig gewordenem Urteil vom 28.06.2005 (X) in den Jahren von
1997 bis 2001 95 nachgewiesene Straftaten begangen, nämlich 2 Fälle des
Betruges, 52 Fälle der Untreue und 41 Fälle der Urkundenfälschung. Auch das
Amtsgericht A wertete die Anzahl der Taten als „ungeheuer groß“. Auch der
Schaden, den der Kläger bei den Firmen B GmbH und C GmbH verursachte, ist
erheblich. Er beträgt 1.831.802,25 DM. Die große Anzahl der Taten, die erhebliche
Schadenshöhe und das Tatmotiv zeigen eine gleichgültige Grundeinstellung des
Klägers gegenüber fremden Vermögen und der diese schützenden
Strafvorschriften. So hat der Kläger die Taten nach der Anklageschrift der
Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht E vom 20.06.2005, die sich in der
beigezogenen Akte des Beklagten befindet, deshalb begangen, um seinen
Lebensstil, der weit über seinen Verhältnissen lag, zu finanzieren. Die veruntreuten
Gelder verwandt der Kläger zum Großteil für Autos, Motorräder, sein Hobby, das
Fliegen und die Renovierung seines Elternhauses. Der Kläger ist also alleine schon
zur Befriedigung luxuriöser Bedürfnisse bereit, die Rechtsordnung zu verletzen und
Straftaten in erheblichem Umfang immer wieder zu begehen. Diese
Charaktereigenschaft des Klägers kann sich auch auf die Sicherheit des
Luftverkehrs auswirken. Zwar dürfte es ausgeschlossen sein, dass der Kläger
selbst Angriffe auf die Sicherheit des Luftverkehrs, die in der Regel mit hoher
Gewaltbereitschaft verbunden sind, ausüben wird. Nicht auszuschließen ist jedoch,
dass der Kläger Kenntnisse von Betriebsabläufen und Sicherheitsmaßnahmen, die
er als erlaubnispflichtiger Luftfahrer im Sinne des § 4 LuftVG erfahren hat, an
Außenstehende weiter gibt. Die Vielzahl an Vermögensdelikten lassen befürchten,
dass er seine Pflichten zum Schutz der Sicherheit des Luftverkehrs verletzen
könnte, wenn ihm materielle Vorteile angeboten werden. Der Kläger betreibt
weiterhin sein kostenintensives Hobby, die Fliegerei. Für das Gericht ist insofern
nicht ersichtlich, wie er dieses bei einem monatlichen derzeitigen Einkommen von
nur 1700 - 1800 Euro netto (Urt. des AG A vom 28.06.2005) und bei zwei
unterhaltspflichtigen Kindern von derzeit 12 und 13 Jahren finanziert. Zudem hat
der Kläger nach den eigenen Angaben noch ca. 600.000 DM als Schadensersatz
zu leisten. Der Kläger ist aufgrund dieser Situation in besonderem Maße anfällig für
ihm gebotene materielle Zuwendungen. Die hierdurch begründeten Zweifel an
seiner luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit hat der Kläger nicht zu zerstreuen
vermocht. Ihm ist es nicht gelungen glaubhaft darzulegen, inwiefern er sich
ernsthaft mit seinen Straftaten auseinander gesetzt hat, ob er deren Ursachen
erkannt hat und wie er in Zukunft bei Konflikten zwischen seinen persönlichen
kostspieligen Bedürfnissen und der Rechtsordnung fähig ist, sich für letztere zu
entscheiden. Der bloße Zeitablauf seit der letzten Tat wie auch das Bemühen des
Klägers um Schadenswiedergutmachung genügen daher nicht. Die Beurteilung
des Amtsgerichtes A in dessen Urteil vom 28.06.2005, der Kläger werde sich
schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die
Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen, die zur Aussetzung
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Einwirkung des Strafvollzuges keine Straftaten mehr begehen, die zur Aussetzung
der Freiheitsstrafe zur Bewährung geführt hat, bindet das erkennende Gericht
nicht. Der Maßstab der strafgerichtlichen Entscheidung nach § 56 StGB ist ein
anderer als der der luftverkehrsrechtlichen Zuverlässigkeit. Wie bereits oben
ausgeführt genügen wegen des besonders hohen Gefährdungspotentials und der
Hochrangigkeit der zu schützenden Rechtsgüter bereits geringe Zweifel an der
Zuverlässigkeit des Betroffenen. Es genügt daher zum einen ein geringerer Grad
an Wahrscheinlichkeit und zum anderen braucht anders als bei der
Strafaussetzung zur Bewährung nicht eine erneute Straftat zu befürchten sein,
sondern es genügt ein bloßer Verstoß gegen die Anforderungen der Sicherheit des
Luftverkehrs.
Die Kosten des Verfahrens hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO der Kläger zu tragen, da
er unterliegt.
Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils beruht auf § 167 VwGO
i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.