Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 17.08.2004

VG Frankfurt: gesetzlicher vertreter, gesellschaft mit beschränkter haftung, gewerbesteuer, geschäftsführer, grobe fahrlässigkeit, steuerberater, stadt, verfügung, vollziehung, härte

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Gericht:
VG Frankfurt 10.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 E 2076/02
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festgesetzten Kosten
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung
(GmbH), die seit 1999 nicht mehr werbend tätig ist. Gegen die GmbH macht die
Beklagte Gewerbesteuerforderungen geltend und nahm dem Antragsteller mit
"Steuerhaftungsbescheid und Zahlungsaufforderung" vom 15.11.2001 unter
Berufung auf § 191 i.V.m. § 69 Abgabenordnung (AO) persönlich als
Geschäftsführer der GmbH in Anspruch. In dem Bescheid heißt es u.a.:
Abgabeart
ZeitraumBetrag
Gewerbesteuer
1995
55.819,-- DM
Zinsen zur Gewerbesteuer 1995
14.204,-- DM
Gewerbesteuer
1996
33.379,-- DM
Zinsen zur Gewerbesteuer 1996
3.330,-- DM
Gewerbesteuer
1997
33.759,-- DM
Zinsen zur Gewerbesteuer 1997
1.352,-- DM
Gewerbesteuer
1998
29.353,-- DM
Zinsen zur Gewerbesteuer 1998
2.490,-- DM
Zinsen zur Gewerbesteuer 1999
37.620,-- DM
Zinsen zur Gewerbesteuer 1999
940,-- DM
Gesamtbetrag
212.246,-- DM
Den Bescheid begründete sie wie folgt: Der Kläger sei nach dem Handelsregister
Geschäftsführer der GmbH und damit deren gesetzlicher Vertreter. Als solcher
hätte er alle Pflichten zu erfüllen, die der Gesellschaft oblägen. Insbesondere
gehörten zu diesen Pflichten die Bereitstellung der Mittel der Erfüllung der
steuerlichen Ansprüche und die Abgabe von Steuererklärungen. Diesen Pflichten
sei er nicht nachgekommen, weil er keine Angaben darüber gemacht habe, warum
die fälligen Steuern und steuerlichen Nebenleistungen nicht beglichen worden
seien. Die Beklagte gehe daher von ihrer Benachteilung (gegenüber der Tilgung
der Verbindlichkeiten anderer Gläubiger) aus.
Dagegen richtete sich der Widerspruch des Klägers vom 05.12.2001: Die
gesetzlichen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme des Geschäftsführers
seien nicht gegeben, weil er als Geschäftsführer weder vorsätzlich noch fahrlässig
seine ihm auferlegten Pflichten verletzt habe. Er habe der Beklagten bereits vor
geraumer Zeit angeboten, die rückständigen Steuern nach der Beendigung des
Schadensersatzprozesses gegen seinen ehemaligen Steuerberater unverzüglich
zu tilgen. Dieser sei infolge einer Fristversäumnis dafür verantwortlich, dass die
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zu tilgen. Dieser sei infolge einer Fristversäumnis dafür verantwortlich, dass die
Gesellschaft derart hohe Gewerbesteuerschulden habe. Die Gesellschaft verfüge
gegenwärtig über keine Mittel, die Steuern sofort zu tilgen. Das Verhalten des
Klägers stelle weder eine vorsätzliche noch eine grob fahrlässige Pflichtverletzung
des Geschäftsführers dar, zumal er den Rechtsstreit aus privaten Mitteln führe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2000 wies der Magistrat der Beklagten den
Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Behörde aus: Der
gesetzliche Vertreter einer GmbH hafte persönlich für Steuerschulden der
Gesellschaft, wenn durch eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Verletzung der
ihm nach den §§ 34, 35 AO obliegenden Verpflichtungen Steueransprüche nicht
erfüllt werden (§ 69 AO). Als Geschäftsführer der GmbH sei der Kläger der
gesetzliche Vertreter (§ 35 GmbH-Gesetz). Als solcher vertrete er die Gesellschaft
gerichtlich und außergerichtlich und habe deren gesetzliche Verpflichtungen zu
erfüllen (§ 34 AO). Dazu gehöre es auch, die Steuern und steuerlichen
Nebenleistungen zu entrichten. Der Kläger habe während des gesamten
Verfahrens keine Angaben über die der Gesellschaft zur Verfügung stehenden
Mittel bzw. Begleichung von Verbindlichkeiten gemacht. Insbesondere seien auch
die angeforderten Bilanzen, die Gewinn- und Verlustrechnungen, die Kassenbücher
und die Bankauszüge nicht vorgelegt worden. Aus dem Schreiben des
Steuerberaters vom 14.02.2000 ergebe sich, dass der Gesellschaft nicht
unerhebliche Steuererstattungen aus geänderten Umsatzsteuerbescheiden
zugeflossen seien; es bestehe somit nicht die Möglichkeit, dass die Steuerschuld
aufgrund der Zahlungsschwierigkeiten der Gesellschaft nicht mindestens anteilig
hätte getilgt werden können. Zudem habe der Steuerberater gegenüber der
Beklagten fernmündlich erklärt, dass die Steuerrückstände beim Finanzamt
Offenbach-Stadt vollständig getilgt worden seien. Ferner ist in dem
Widerspruchsbescheid ausgeführt: Die der GmbH zur Verfügung stehenden Mittel
müssten mindestens aus 192.149,-- DM Körperschaftssteuern nebst 14.426,-- DM
Zinsen und 13.356,47 DM Solidaritätszuschlag bestanden haben, aller Voraussicht
nach jedoch erheblich mehr. Ebenso müsse davon ausgegangen werden, dass
auch die Lohnsteuer vollständig an das Finanzamt G. abgeführt worden sei. Die
Beklagte gehe folglich von einer Benachteiligung gegenüber der Tilgung der
Verbindlichkeiten anderer Gläubiger aus. Die Benachteiligung sei in der nicht
entrichteten Gewerbesteuer als auch der Zinsen hierzu zu sehen. Zwar liege die
objektive Beweislast für eine nicht anteilige, sondern nachteilige Befriedigung bei
der Beklagten, bei der Feststellung des Haftungsumfangs habe der
Geschäftsführer aber mitzuwirken. Die Pflichtversicherung des Klägers, die
Gewerbesteuer (als auch die Zinsen hierzu) nicht zu entrichten, sei ursächlich für
den der Beklagten zugefügten Schaden. Die Pflichtverletzung habe der Kläger
auch schuldhaft, d. h. grob fahrlässig herbeigeführt. Grobe Fahrlässigkeit liege vor,
wenn die nach den Umständen verkehrsübliche Sorgfalt in ungewöhnlich
schwerem Maße verletzt werde. Der Geschäftsführer der GmbH sei, wenn seine
bisherigen Kenntnisse berufliche Erfahrungen nicht ausreichten, verpflichtet, sich
über die ihm obliegenden gesetzlichen Pflichten auch steuerlicher Art zu
informieren, denn die ordnungsgemäße Beachtung der gesetzlichen Vorschriften
müsste von jedem kaufmännischen Leiter eines Gewerbebetriebes verlangt
werden. Es bestehe die Pflicht, Mittel zur Bezahlung von Steuerschulden
zurückzuhalten. Noch nicht fällige, sowie streitige Verbindlichkeiten seien ggf.
durch Hinterlegung zu sichern. Auch gehöre die anteilige Befriedigung aller
Gläubiger zu den elementaren Pflichten jedes Geschäftsführers. Der
Geschäftsführer einer GmbH handele bei Nichtzahlung zum Fälligkeitszeitpunkt im
Vertrauen auf eine Tilgung des Rückstandes aus später zufließenden Mitteln grob
fahrlässig; die Beklagte beruft sich dabei auf eine Entscheidung des
Bundesfinanzhofs, Bundessteuerblatt (BStBl. 1988 II S. 1769). Damit sei der
Haftungstatbestand des § 69 AO wegen grob fahrlässigen Handelns erfüllt.
Weiter wird in dem Bescheid argumentiert: Auch die Inanspruchnahme des Klägers
nach § 191 Abs. 1 AO begegne keinen Bedenken. Der Erlass eines
Haftungsbescheides könne bei Uneinbringlichkeit der Schuld nur unter ganz
außergewöhnlichen Umständen ermessensfehlerhaft sein. Solche
außergewöhnlichen Umstände seien nicht vorgetragen und auch nicht sonst wie
ersichtlich. Die Steuer sei gegenwärtig bei der Gesellschaft nicht zu erlangen, denn
der Kläger führe selbst aus, dass die Firma über keine Mittel, die Steuern sofort zu
tilgen, verfüge. Er habe die Tilgung des Rückstandes durch die Gesellschaft erst
dann in Aussicht gestellt, wenn der anhängige Schadensersatzprozess gegen den
ehemaligen Steuerberater der Gesellschaft erfolgreich enden werde. Werde der
Prozess verloren, könne die Realisierung durch die Gesellschaft - nach den
Ausführungen des Klägers - nicht erfolgen. Nicht zuletzt wegen der ungewissen
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Ausführungen des Klägers - nicht erfolgen. Nicht zuletzt wegen der ungewissen
Realisierung der Steuerschulden sei der Erlass des Haftungsbescheides
ermessensfehlerfrei, zumal der Kläger die Steuerschuldnerin, erfolgreich im
Ausgang des Schadensersatzprozesses, in Regress nehmen könne. Es sei auch
ermessensgerecht, den Haftungsanspruch ausschließlich gegen den Kläger als
Haftungsschuldner geltend zu machen. Bei dem weiteren in Betracht kommenden
Haftungsschuldner sei die Haftung nicht zweifelsfrei gegeben. Dieser zweifele an,
als Geschäftsführer der Steuerschuldnerin bestellt gewesen zu sein, die Geschäfte
der Gesellschaft aber nie tatsächlich geführt zu haben. So sei auch in der
gesamten Korrespondenz mit der Antragsgegnerin immer nur der Kläger als
Vertreter der Gesellschaft aufgetreten. Zudem erachte es die Beklagte im
Rahmen der pflichtgemäßen Ermessensausübung für vertretbar, den
Haftungsanspruch nur gegen den Kläger geltend zu machen, weil bei ihm aufgrund
seiner Vermögensverhältnisse die Möglichkeit bestehe, den Anspruch zeitnah
realisieren zu können. Bei dem weiteren möglichen Haftungsschuldner bestünde
eine ungünstigere Prognose darüber, ob der Haftungsanspruch ohne weiteres
erfüllt werden könne. Zumindest seien hierfür aber aufwendige Maßnahmen
erforderlich. Die Sicherung des Steueranspruchs gebiete es aber, vorrangig nur
solche Maßnahmen zu ergreifen, die innerhalb angemessener Frist zum Erfolg
führten.
Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 02.05.2002 zugestellt
(Postzustellungsurkunde). Mit am 03.06.2002, einem Montag, eingegangenem
Schriftsatz hat der Kläger Klage erhoben, er verweist auf seinen mit Schreiben
vom 6.11.2002 an die Behörde mit dem Antrag auf Aufhebung der
Vollstreckungsmaßnahmen, weil die Vollstreckung unbillig sei und eine
unzumutbare Härte ihm gegenüber darstelle und auf seinen
Schadensersatzprozess gegen den früheren Steuerberater der Gesellschaft und
argumentiert: Der Prozess habe gute Erfolgsaussichten, weil das Finanzamt
Offenbach-Stadt in einer schriftlichen Stellungnahme das Verschulden des
früheren Steuerberaters eindeutig festgestellt habe. Er habe angeboten,
Ansprüche aus diesem Rechtsstreit abzutreten. Den Antrag auf
Vollstreckungsschutz hinsichtlich der bei der Kreissparkasse G. vorgenommenen
Kontenpfändung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.11.2002 ab: Der
Pflichtige müsse Umstände dartun und beweisen (eine Glaubhaftmachung genüge
nicht), die den Vollzug der Vollstreckungsmaßnahmen als so außergewöhnlich hart
erscheinen ließen, dass bei voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des
Gläubigers der Eingriff dem allgemeinen Rechtsgefühl widerspreche und letztlich
untragbar erscheine. Nur ganz besondere Ausnahmefälle (z. B. Gefahr für Leben
und Gesundheit) könnten im Rahmen des Vollstreckungsschutzes erheblich sein.
In seinem Antrag habe der Kläger ausgeführt, dass die Pfändung für die
Kreissparkasse Anlass gewesen sei, Kredite vorzeitig zurückzufordern. Der Kläger
habe aber nicht dargelegt, welche von ihm behaupteten schwerwiegenden
wirtschaftlichen Folgen durch die Rückforderung der Kredite bei einem
Fortbestehen der Pfändungsverfügung unvermeidlich seien.
Seinen mit Schriftsatz vom 09.12.2002 bei Gericht gestellten Antrag auf
Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Haftungsbescheid
lehnte das Gericht mit Beschluss vom 17.11.2003 (10 G 5334/ 02) ab. Zur
Begründung führt es aus: "Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
angegriffenen Haftungsbescheides bestehen jedoch nicht. Der Antragsteller hat
seine Geschäftsführerpflichten (§ 34 AO) grob fahrlässig verletzt und haftet daher
(§ 69 AO). So obliegt dem Geschäftsführer die Pflicht sich in jeder Phase der
werbenden Tätigkeit der Gesellschaft in angemessener Weise einen Überblick über
den gegenwärtigen Status der Gesellschaft zu verschaffen und einer möglichen
Gefährdung der Interessen der Gesellschafter und der öffentlichen Interessen
entgegenzuwirken. Dazu gehört auch die Aufklärung darüber, ob die steuerlichen
Pflichten noch erfüllt werden können. Falls dies nicht der Fall ist, sind gegenüber
den Steuerbehörden die entsprechenden Erklärungen abzugeben, damit diese in
der Lage sind, ihr weiteres Vorgehen zu "kalkulieren". Dies hat der Antragsteller
ersichtlich auch nach seinen eigenen Angaben nicht getan, jedenfalls soweit es
sich um die Gewerbesteuerverpflichtung gegenüber der Antragsgegnerin handelt.
Der Antragsteller hat offenbar mit den weiteren Steuerbehörden (Finanzamt
Offenbach-Stadt und G.) Regelungen über die steuerlichen Verpflichtungen
herbeiführen können, die Antragsgegnerin jedoch nicht weiter informiert. Jedenfalls
ist sie - nach ihrer von dem Antragsteller nicht widersprochenen Darstellung - nicht
in die Lage versetzt worden, angemessen zu reagieren.
Auch der im gerichtlichen Eilverfahren vorgetragenen Argumente und vorgelegten
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Auch der im gerichtlichen Eilverfahren vorgetragenen Argumente und vorgelegten
Unterlagen rechtfertigen nicht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der
Anfechtungsklage gegen den Haftungsbescheid. Bereits nach dem eigenen
Vortrag des Antragstellers ist höchst zweifelhaft, ob die von ihm erstrebte Wirkung,
nämlich ein Verhalten der Kreissparkasse G., durch den Vollstreckungsschutz,
infolge eines positiven Beschlusses im vorliegenden Eilverfahren, herbeigeführt
werden kann. Jedenfalls fehlt es an der Glaubhaftmachung einer hinreichenden
Wahrscheinlichkeit, dass und in welcher Weise die Kreissparkasse ihr Verhalten
bezüglich der vorzeitigzurückgeforderten Kredite verändern werde. Um die
Kontenpfändung selbst, einzig diese Maßnahme könnte durch eine gerichtliche
Anordnung vorläufig gestoppt werden, geht es dem Antragsteller offensichtlich
nicht, wie aus seinem Antragsschreiben an die Antragsgegnerin vom 26.11.2002
zu entnehmen ist, denn danach befindet sich auf den gepfändeten Konten bei der
Kreissparkasse G. keine Guthaben.
Andere Gesichtspunkte, die für die Annahme der Voraussetzungen einer unbilligen
Härte sprechen oder eine solche des besonderen Pfändungsschutzes im
Vollstreckungsverfahren, sind weder vorgetragen noch sonst wie ersichtlich. Dazu
gehört auch das Argument, dass der Antragsgegnerin Mittel zuflössen, die ihr nur
formal nicht aber materiell zuständen, weil die hohe Gewerbesteuerschuld nur
durch das Verschulden des Steuerberaters entstanden sei. Sollte sich die
Rechtslage im Nachhinein, vor allem nach dem Prozess gegen den früheren
Steuerberater des Antragstellers, anders darstellen, und die Voraussetzungen im
übrigen vorliegen, besteht immer noch die Möglichkeit einer Rückabwicklung der
zuvor gezahlten Steuern gegenüber der Antragsgegnerin." Die Beschwerde des
Klägers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts wies der Hessische
Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 20.08.2003 - 5 TG 358/03 - als
unbegründet zurück.
Zur Begründung führte der Gerichtshof aus: "Nach der im Eilverfahren gebotenen
summarischen Prüfung der von dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren
vorgetragenen Gründe hat auch der Senat - wie das Verwaltungsgericht - keine die
Aussetzung nach der im gerichtlichen Aussetzungsverfahren des § 80 Abs. 5
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - entsprechend anzuwendenden Vorschrift
des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO rechtfertigenden ernstlichen Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des angegriffenen Steuerhaftungsbescheid der Antragsgegnerin
vom 15. November 2001. Der Antragsteller war als Geschäftsführer einer GmbH,
die seit 1999 nicht mehr werbend tätig ist, Träger der in § 34 Abs. 1
Abgabeordnung - AO - geregelten Pflicht, da er als gesetzlicher Vertreter (§ 35
Abs. 1 GmbH) die steuerlichen Pflichten der Druckerei Johannes Gab GmbH zu
erfüllen, insbesondere dafür zu sorgen hatte, dass die Steuern aus den Mitteln
entrichtet werden, die er verwaltete (§ 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Diese Pflicht des
Geschäftsführers besteht nicht erst mit Fälligkeit der Steuerschuld . Der
gesetzliche Vertreter ist vielmehr verpflichtet, bereits vor Fälligkeit der Steuern die
Mittel des Steuerschuldners so zu verwalten, dass dieser zur pünktlichen Zahlung
erst später fällig werdender Steuerschulden in der Lage ist. Eine Pflichtverletzung
liegt deshalb nur dann vor, wenn er sich durch Vorwegbefriedigung anderer
Gläubiger oder in sonstiger Weise vorsätzlich oder fahrlässig außer Stande setzt,
eine bereits entstandene, aber erst künftig fällig werdende Steuerforderung im
Zeitpunkt der Fälligkeit zu tilgen (BVerwG; Urteil vom 09.12.1988 - 8 C 13/87 -, NJW
1989, 1873).Das Verwaltungsgericht hat überzeugend ausgeführt, dass der
Antragsteller insoweit seine Pflichten gegenüber der Antragsgegnerin als
Steuergläubigerin grob fahrlässig verletzt hat und daher nach § 69 AO für die
Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis haftet. Insofern verweist der Senat im
Wesentlichen auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts, denen
er folgt (§ 122 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Dies gilt auch für die übrigen von dem
Bevollmächtigten des Antragstellers gegen den Haftungsbescheid vorgetragenen
Einwände. Diese greifen nicht durch. So hat der Antragsteller nicht überzeugend
dargelegt, so dass es ihm, im Gegensatz zu den abgeschlossenen Vergleichen mit
den Finanzämtern Offenbach-Stadt und G., nicht ebenfalls möglich gewesen wäre,
jedenfalls ein Teil der Gewerbesteuerschuld gegenüber der Antragsgegnerin zu
begleichen. Der Antragsteller hat während des gesamten Verfahrens keine
Angaben darüber gemacht , wie die der Gesellschaft zur Verfügung stehenden
Mittel zur Begleichung ihrer Verbindlichkeiten verwendet wurden. Aus dem
Schreiben des Steuerberaters Palige vom 14. Februar 2000 an den Rechtsanwalt
Knüttel-Krantz ergibt sich, dass der Gesellschaft nicht unerhebliche
Steuererstattungen aus geänderten Umsatzsteuerbescheiden zugeflossen sind.
Bei unzureichenden Mitteln, die nicht zur gleichzeitigen Bezahlung aller fälligen
Schulden ausreichen, besteht die Verpflichtung, die fälligen Steuern etwa in
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Schulden ausreichen, besteht die Verpflichtung, die fälligen Steuern etwa in
gleicher Weise zu bezahlen wie die Forderungen anderer Gläubiger befriedigt
werden (Grundsatz der anteiligen Tilgung der Steuerschulden, vgl. Klein,
Abgabenordnung, 8. Auflage, § 69 Rdnr. 23, m. w. N.). Soweit mit der der
Gesellschaft zurückerstatteten Körperschaftssteuer nebst Zinsen und
Solidaritätszuschlag andere Gläubiger befriedigt wurden, muss nach
summarischer Prüfung von einer Benachteiligung der Antragsgegnerin
ausgegangen werden. Bereits das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf
hingewiesen, dass der Antragsteller die Antragsgegnerin nicht über die Einigung
mit den anderen Steuerbehörden (Finanzämter Offenbach-Stadt und G.) informiert
hat. Dadurch wurde die Antragsgegnerin nicht in die Lage versetzt, angemessen
zu reagieren und rechtzeitig ihre Ansprüche geltend zu machen. Insbesondere im
Hinblick auf die voraussehbaren Zahlungsschwierigkeiten der GmbH wäre der
Antragsteller verpflichtet gewesen, die Antragsgegnerin rechtzeitig zu informieren.
Wann und in welcher Höhe eine anteilige Befriedigung der Antragsgegnerin
möglich war, muss im Hauptsacheverfahren weiter aufgeklärt werden. Die
Darlegung des Bevollmächtigten des Antragstellers, dass ab dem Jahr 1997 keine
Möglichkeit bestanden habe, Rückstellungen zu bilden, ist unerheblich, da die
Steuerschulden teilweise bereits aus den Jahren 1995 und 1996 stammen. Der
Antragsteller hat der Feststellung der Antragsgegnerin nicht widersprochen, dass
die GmbH zur Verfügung stehenden Mitteln mindestens aus 192.149,-- DM
(entspricht 98.243,86 €) Körperschaftssteuern nebst 14.426,-- DM (entspricht
7.375,87 €) Zinsen und 13.356,47 DM (entspricht 6.829,03 €) Solidaritätszuschlag
bestanden haben. Es ist insofern nicht nachvollziehbar, wenn der Bevollmächtigte
des Antragstellers darlegt, dass die Gewerbesteuerschuld der GmbH gegenüber
der Antragsgegnerin auch dann nicht erfüllt worden wäre, wenn er die
Antragsgegnerin unverzüglich davon unterrichtet hätte, dass die GmbH
voraussichtlich nicht mehr in der Lage sein werde, ihre künftigen
Gewerbesteuerschulden vollständig auszugleichen. Die Antragsgegnerin hat mit
der Inanspruchnahme des Antragstellers als Haftungsschuldner auch das ihr
insoweit durch § 191 Abs. 1 Satz 1 AO eingeräumte Ermessen nicht verletzt.
Es fehlt auch an der von dem Antragsteller geltend gemachten unbilligen Härte im
Sinne des § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Eine unbillige Härte ist nur anzunehmen, wenn
durch die sofortige Vollziehung für den Betroffenen Nachteile entstehen, die über
die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer wieder gut zu
machen sind, insbesondere wenn die wirtschaftliche Existenz des
Abgabepflichtigen gefährdet wäre (Bay. VGH, Beschluss vom 25.01.1988 - 6 CS
87. 03857 -, BayVBl. 1988, 727; OVG Bremen, Beschluss vom 12.03.1985 - 1 B
6/85 -, DVBl. 19p8, 182; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.03.1994 -15
B 3022/93 -, NVwZ-RR 1994, 617). Der Antragsteller hat nicht geltend gemacht,
dass der persönliche Billigkeitsgrund gerade in der Vollziehung des
Abgabenbescheides selbst bzw. der sofortigen Zahlung liegt. Vielmehr macht er
geltend, dass seine Kreditwürdigkeit durch eine weitere Vollziehung des
Haftungsbescheides dauerhaft zerstört werde. So habe die Kreissparkasse G. die
Pfändung der Antragsgegnerin zum Anlass genommen, ihm gewährte Kredite
vorzeitig zurückzufordern. Der Antragsteller hat allerdings nicht dargelegt, dass er
hierdurch in seiner wirtschaftlichen Existenz ernsthaft gefährdet wird. Im Übrigen
steht die behauptete Gefährdung seiner Kreditwürdigkeit lediglich in mittelbarem
Zusammenhang mit der Vollziehung des angefochtenen Haftungsbescheides.
Auch hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass es an der
Glaubhaftmachung einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit fehlt, dass und in
welcher Weise die Kreissparkasse ihr Verhalten bezüglich der vorzeitig
zurückgeforderten Kredite im Falle eines positiven Beschlusses im vorliegenden
Eilverfahren verändern würde.
Zur Begründung der Klage führte der Kläger aus: Soweit die Beklagte wegen des
Gewerbesteuerrückstandes und der Zinsen für das Jahr 1995 in Anspruch
genommen hat sei der Haftungsbescheid der Beklagten ermessensfehlerhaft. Der
Beklagten sei bekannt, dass keine Gewerbesteuer für das Jahr 1995 angefallen
wäre, wenn der Steuerberater gegen die Verlustfeststellung des Finanzamtes
Offenbach - Stadt Einspruch eingelegt hätte und der tatsächliche Verlust der
GmbH berücksichtigt worden wäre. Die Beklagte nehme den Kläger aufgrund des
nur formell bestandskräftigen, aber materiell unrichtigen
Gewerbesteuerbescheides für das Jahr 1995 in Anspruch um Gewerbesteuer zu
erhalten, die ihr an sich aber nicht zustehe.
Der Kläger beantragt,
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den Haftungsbescheid der Beklagten vom 15.11. 2001 und den
Widerspruchsbescheid vom 30.04.2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung beruft sie sich auf die angegriffenen Bescheide. Im Übrigen führt
sie aus: Die Beklagte habe den Kläger zu Recht in die Haftung genommen, weil er
seine Geschäftsführerpflicht grob fahrlässig verletzt habe und daher hafte (§§ 34,
69 AO). Die Beklagte habe dies zutreffenderweise in ihren mit der Klage
angegriffenen Bescheiden ausgeführt. Gründe, die an der Rechtmäßigkeit zweifeln
ließen, seien nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich . Daher werde ergänzend
auf die Ausführungen des Gerichts und des HessVGH im Antragsverfahren (10 G
5334/02 bzw. 5 TG 358/03) verwiesen.
Soweit der Kläger nunmehr vortrage, die Steuerrückstände seien nicht aus Mitteln
der GmbH, sondern auch privaten Mitteln geleistet worden, sei dies zwar nach § 48
AO zulässig, jedoch könne er daraus nicht ableiten, dass eine Beeinträchtigung der
Beklagten nicht eingetreten sei, denn schließlich sei es bei einer Leistung eines
Dritten zur Erfüllung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis für das
Interesse des Steuergläubigers, hier der Beklagten, ohne Bedeutung, wer diese
Leistung bewirke (Tipke/Kruse, § 48 AO, Anm. 1), sondern ausschließlich, dass sie
gegenüber der Landesfinanzverwaltung bewirkt worden sei, gegenüber der
städtischen Finanzverwaltung jedoch gerade nicht.
Die Behördenakten der Beklagten (Bl. 1 bis 95) und die Akten des gerichtlichen
Eilverfahrens (10 G 5334/02) haben vorgelegen und sind zum Gegenstand der
mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 22.01.2004 auf den
Einzelrichter übertragen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet, weil die angegriffenen Bescheide nicht
rechtswidrig sind und der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1
VwGO).
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird wegen der Einzelheiten auf die
zutreffenden Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid bzw. deren erläuternden
Ergänzungen in der Klageerwiderung verwiesen; auch das Klagevorbringen
rechtfertigt keine andere Entscheidung in der Sache, wie sich aus den zutreffenden
Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 11.08.2004 ergibt (§ 117 Abs. 5
VwGO).
Da der Kläger unterlegen ist, hat er die Verfahrenskosten zu tragen (§ 154 Abs. 1
VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten und die
Vollstreckungsabwehrbefugnis sind nach § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11 und
711 ZPO geboten.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.