Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 02.11.1989

VG Frankfurt: haltestelle, grundstück, körperliche unversehrtheit, anfechtungsklage, wohnhaus, verwaltungsakt, eingriff, grundeigentum, fahren, zone

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 E 1807/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 41 Abs 2 Nr 4 StVO, § 45
Abs 3 S 1 StVO
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger ist Miteigentümer und Bewohner des Hausgrundstückes X-Straße 76 in
Frankfurt am Main - S.. Mit der vorliegenden Klage wendet er sich gegen die
Errichtung einer Bushaltestelle für die Buslinie 47 auf der Grenze der beiden
Grundstücke Y-Straße 76 und 78. Im August 2003 befand eine Befahrung der
damals noch in Planung befindlichen Buslinie 47 im Bereich Sachsenhausen statt,
die dem Zweck diente, die zum Dezember 2004 einzurichtenden
Haltestellenstandorte festzulegen. An dieser Befahrung nahmen Vertreter des
Ordnungsamtes und des Straßenbauamtes der Beklagten, der Polizei sowie der
Lokalen Nahverkehrsgesellschaft traffiq - ein städtisches Unternehmen - statt.
Aufgrund der Befahrung wurden neun Haltestellenstandorte festgelegt, unter
anderem im X-Straße vor dem Hausgrundstück Nr. 70 die Haltestelle „J-Weg“.
Dieser Standort liegt gegenüber der Einmündung des J-Weges, in dem sich auch
eine Seniorenwohnanlage befindet. Das Hausgrundstück X-Straße Nr. 70 ist
Wohnsitz des damaligen chilenischen Honorarkonsuls Sch.. Das betreffende
Gebiet ist als verkehrsberuhigte Zone ausgestaltet. Am 08.12.2004 richtete die
Straßenverkehrsbehörde der Beklagten die Bushaltestelle vor dem Grundstück X-
Straße Nr. 70 ein. Am 12.12.2004 erfolgte die Inbetriebnahme der Buslinie 47.
Dabei fahren die Busse die jeweiligen Haltestellen im 20-Minuten-Takt an, und zwar
Montags - Freitags ab 04.26 Uhr, Samstags ab 06.26 Uhr und Sonntags ab 07.26
Uhr jeweils bis 0.56 Uhr. Nachdem seitens der Polizei und des Konsuls
Sicherheitsbedenken gegen den Standort der Haltestelle geltend gemacht
wurden, verlegte die Straßenverkehrsbehörde der Beklagten am 06.01.2005 die
Haltestelle ca. 40 m nach Süden vor das Hausgrundstück Nr. 72. Auch dieses
Grundstück steht im Besitz des Herrn Sch.. Nachdem bei der
Straßenverkehrsbehörde der Beklagten Beschwerden über diesen Standort
eingingen, wobei insbesondere die schmale Fahrbahnbreite bemängelt wurde,
führte die Beklagte am 19.01.2005 erneut einen Ortstermin durch. In der Folge
verlegte die Straßenverkehrsbehörde der Beklagten am 08.03.2005 die
Bushaltestelle erneut, und zwar diesmal vor die Grundstücke X-Straße 76 und 78.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 11.04.2005 erhob der Kläger
Einwendungen gegen den neuen Standort der Haltestelle. Dabei führte er aus, die
für die erste Verlegung angegebenen Sicherheitsgründe seien nicht
nachvollziehbar. Die Verlegung der Bushaltestelle an ihren jetzigen Standort sei
rechtswidrig, da der Kläger hierdurch in seinen subjektiven Rechten verletzt werde.
Aufgrund der von der Bushaltestelle ausgehenden erheblichen Geräusch- und
Lärmbelästigungen erleide sein Grundstück eine erhebliche Wertminderung.
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Lärmbelästigungen erleide sein Grundstück eine erhebliche Wertminderung.
Außerdem sei die Nutzung des Gebäudes zu Wohn- und Arbeitszwecken durch den
Busbetrieb erheblich beeinträchtigt. Schließlich seien Parkplätze vor dem Anwesen
des Klägers weggefallen, so dass er nunmehr weite Wege zurücklegen müsse, um
zu seinem Wohnhaus zu gelangen. Die Beklagte lehnte jedoch eine erneute
Verlegung der Bushaltestelle ab. Der Kläger hat daraufhin am 07.06.2005 die
vorliegende Klage erhoben.
Der Kläger vertritt die Auffassung, er habe einen Anspruch auf Beseitigung der vor
seinem und dem Nachbargrundstück eingerichteten Bushaltestelle. Durch die
zweite Verlegung der Haltestelle habe sich ihre Erschließungswirkung,
insbesondere für die Bewohner der Seniorenwohnanlage verschlechtert. Aufgrund
der von der Bushaltestelle ausgehenden Lärmbelästigung sei ihm ein
konzentriertes Arbeiten zu Hause nicht mehr möglich. Auch könne er nachts nicht
bei geöffnetem Fenster schlafen. Weiterhin würden durch die Fahrgäste häufig
Abfälle in seinen Vorgarten geworfen werden. Durch die von ihm geschilderten
Auswirkungen der Bushaltestelle auf sein Wohngrundstück werde er in seinem
Eigentumsrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG verletzt. Somit sei die von der
Straßenbehörde der Beklagten getroffene Entscheidung ermessensfehlerhaft und
deshalb aufzuheben.
Der Kläger beantragt,
die mit Zeichen 224 zu § 41 Abs. 2 Nr. 4 StVO verfügte Einrichtung der
Bushaltestelle zwischen den Hausgrundstücken X-Straße 76 und 78 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte vertritt die Auffassung, die Neufestlegung des Standortes der
Bushaltestelle sei ermessensgerecht erfolgt. Für die letztendlich getroffene Wahl
des Standortes habe gesprochen, dass der X-Straße in Busfahrtrichtung - wie
unstreitig ist - erst ab dem Haus Nr. 76 eine Fahrbahnverbreiterung auf 7,50 m
und eine Gehwegverbreiterung auf 3,50 m aufweise; demgegenüber betrage die
Gehwegbreite in Höhe der Grundstücksgrenze der Anwesen X-Straße 70 und 72
lediglich ca. 1,60 m. Nur an dem jetzigen Standort sei auch eine
Haltestellenmöblierung (Sitzbank/Wartehalle) sowie ein behindertengerechter
Ausbau durch Anhebung der Bordsteine auf Höhe der Buseinstiege möglich. Ein
solcher behindertengerechter Ausbau sei nach Abschluss des Gerichtsverfahrens
auch geplant, wodurch die durch das Absenken der Busse entstehenden
Geräusche nicht mehr auftreten würden. Um die Lärmbelästigung für die
Anwohner möglichst gering zu halten, habe man den Buslinienbetreiber
angewiesen, die Busse nur auf Verlangen eines Fahrgastes abzusenken sowie an
den Haltestellen nur dann zu halten, wenn dies von einem Fahrgast gewünscht
werde. Von der Beklagten geprüfte Alternativstandorte erschienen als nicht
geeignet, zumal die Bushaltestelle vor den Grundstücken 76 und 78 von den
Fahrgästen gut angenommen werde.
Das Gericht hat die den Vorgang betreffenden Behördenunterlagen (ein
Aktenordner) beigezogen und sie zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig.
Die Klage ist als Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) statthaft. Mit einer
Anfechtungsklage kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrt werden.
Der Kläger wendet sich gegen die vor seinem Hausgrundstück befindliche
Bushaltestelle. Die Einrichtung einer Bushaltestelle erfolgt
straßenverkehrsrechtlich durch die Anbringung des Verkehrszeichen 224 zu § 41
Abs. 2 Nr. 4 StVO (Haltestelle). Bei diesem Verkehrszeichen handelt es sich um
einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung (§ 35 HVwVfG). Das
Verkehrszeichen enthält nicht nur einen Hinweis auf die Haltestelle sondern
vielmehr ein Ge- und Verbot, so dass es sich um ein Vorschriftzeichen handelt. Die
Festlegung einer Haltestelle für Straßenbahnen oder Linienbusse durch das
genannte Verkehrszeichen bewirkt eine Reihe verbindlicher Regelungen für das
Verhalten im Straßenverkehr. So ist nach § 12 Abs. 3 Nr. 4 StVO das Parken bis zu
je 15 m vor und hinter Haltestellen, die mit dem Zeichen 224 gekennzeichnet sind,
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je 15 m vor und hinter Haltestellen, die mit dem Zeichen 224 gekennzeichnet sind,
verboten. Die besonderen Verhaltensvorschriften zum Überholen von und
Vorbeifahren an öffentlichen Verkehrsmitteln und Schulbussen knüpfen gem. § 20
Abs. 1 StVO ebenfalls an die mit diesem Verkehrszeichen versehenen Haltestellen
an. Nach § 14 Abs. 3 Nr. 1 der Verordnung über den Betrieb von
Kraftfahrtunternehmen im Personenverkehr (BOKraft) dürfen Fahrgäste im
Linienverkehr die Fahrzeuge nur an Haltestellen betreten und verlassen. Da der
streitgegenständliche Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger nicht in
Bestandskraft erwachsen ist, weil der Kläger gegen den am 08.03.2005 erlassenen
Verwaltungsakt am 07.06.2005 Klage erhoben hat, ist die Anfechtungsklage die
statthafte Klageart (so auch VG Regensburg, Urteil v. 05.08.1999, Az.: RN 9 K
98.1280, veröffentlicht in Juris).Der Durchführung eines Vorverfahrens vor
Erhebung der Klage hat es nicht bedurft (§ 68 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 16 a
Abs. 1 HAG VwGO und Nr. 12.1 der Anlage).Die Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO)
ergibt sich daraus, dass es nicht offensichtlich und eindeutig ist, dass dem Kläger
ein Recht auf Aufhebung des Verkehrszeichens 224 zu § 41 Abs. 2 Nr. 4 StVO nicht
zustehen kann. Zwar ist § 45 Abs. 3 S. 1 StVO, der die Verkehrsbehörde
ermächtigt, darüber zu bestimmen, wo und welche Verkehrszeichen anzubringen
und zu entfernen sind, grundsätzlich auf den Schutz der Allgemeinheit und nicht
auf die Wahrung der Interessen Einzelner gerichtet. Nur soweit durch eine
derartige Maßnahme gewichtige rechtlich geschützte Individualinteressen berührt
werden, insbesondere etwa ein Eingriff in die durch Art. 14 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs.
2 geschützten Rechtsgüter in Betracht kommt, hat der Einzelne einen Anspruch
auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde darüber, ob eine bestimmte
verkehrsrechtliche Anordnung getroffen wird oder nicht (BVerfG, B. v. 03.07.1986 -
7 B 141.85 -, NJW 1987, 1096; Henschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Auflage, § 45
StVO Rn. 28 a m. w. N.). Da im vorliegenden Fall nicht von vornherein
ausgeschlossen werden kann, dass der Kläger durch die vor seinem Anwesen
eingerichtete Bushaltestelle in seinem Eigentumsrecht in nicht hinnehmbarer
Weise beeinträchtigt wird, ist somit eine Klagebefugnis gegeben. Die Klage ist
jedoch nicht begründet.
Die Allgemeinverfügung vom 08.03.2005 ist nicht rechtswidrig und verletzt den
Kläger dadurch nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die
Zuständigkeit der Oberbürgermeisterin der Beklagten als Straßenverkehrsbehörde
für den Erlass des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt aus § 44 Abs. 1 StVO i.
V. m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 a der Verordnung zur Bestimmung von
straßenverkehrsrechtlichen Zuständigkeiten vom 23.01.2001 (GVBl. I S. 90).
Ermächtigungsgrundlage für die straßenverkehrsrechtliche Einrichtung der
Bushaltestelle ist § 45 Abs. 3 S. 1 StVO. Danach bestimmt die
Straßenverkehrsbehörde, wo und welche Verkehrszeichen anzubringen und zu
entfernen sind. Damit wird der Verkehrsbehörde ein Ermessen eingeräumt, bei
dessen Ausübung sie die durch die Maßnahme berührten öffentlichen und privaten
Belange gegeneinander abzuwägen hat. Die von der Beklagten getroffene
Ermessensentscheidung ist rechtlich nicht zu beanstanden; sie lässt keine
Ermessensfehler i.S.d. § 114 S. 1 VwGO erkennen. Die Beklagte hat ihr Ermessen
fehlerfrei ausgeübt, da sie alle wesentlichen Umstände des Einzelfalles
berücksichtigt hat und nicht erkennbar wird, dass sie sich bei ihrer Entscheidung
von unsachlichen Erwägungen zu Lasten des Klägers hat leiten lassen. Die
Beklagte hat die letztendlich erfolgte Festlegung des Standortes der Bushaltestelle
vor die Anwesen X-Straße Nr. 76/78 damit begründet, dass der X-Straße ab dem
Grundstück Nr. 76 eine wesentliche Verbreiterung der Fahrbahn und des Gehwegs
aufweist. Es bedarf keiner näheren Ausführung, dass dieser Gesichtspunkt bei der
Standortbestimmung eine wesentliche Rolle spielt. Aufgrund der größeren
Fahrbahnbreite kann der nachfolgende Verkehr besser an dem haltenden Bus
vorbei fahren, so dass Verkehrsstockungen eher vermieden werden können.
Gewichtiger ist allerdings die Tatsache, dass aufgrund des um ca. 2 m breiteren
Gehwegs die Sicherheit für wartende Fahrgäste und die übrigen Fußgänger im
Haltestellenbereich wesentlich erhöht wird. Hierdurch wird auch den Anforderungen
des § 32 Abs. 1 BOKraft Rechnung getragen, wonach bei der Bestimmung über die
Anbringung der Haltestellenzeichen nach § 45 Abs. 3 StVO dem genehmigten
Fahrplan entsprechend den Erfordernissen des Betriebs und des Verkehrs
Rechnung zu tragen ist, so dass die Leichtigkeit und Sicherheit des Verkehrs einen
maßgeblichen öffentlichen Abwägungsgesichtspunkt darstellt. Darüber hinaus
lässt sich am jetzigen Standort der Haltestelle ohne weiteres eine Möblierung
(Wartehäuschen und Sitzgelegenheiten) verwirklichen. Schließlich hat die Beklagte
vorgetragen, dass nur an diesem Standort aufgrund des dort zur Verfügung
stehenden Platzes ein behindertengerechter Ausbau der Haltestelle möglich sei,
was von dem Kläger übrigens nicht in Abrede gestellt wurde.
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Es ist auch nicht erkennbar, dass sich die Beklagte bei ihrer Festlegung auf den
derzeitigen Standort der Bushaltestelle von unsachlichen Erwägungen hat leiten
lassen. Soweit der Kläger vorbringt, die erste Verlegung der Bushaltestelle von
dem Grundstück X-Straße Nr. 70 sei bei objektiver Betrachtungsweise nicht zu
rechtfertigen, sondern beruhe ausschließlich auf unsachlichen Erwägungen, kann
das Gericht dem nicht folgen. Die Verlegung des ursprünglichen Standortes vor
dem Grundstück X-Straße Nr. 70 erfolgte aus Sicherheitsbedenken, die der
damalige Honorarkonsul Sch. dem Polizeipräsidium Frankfurt am Main mitteilte
und die vom Polizeipräsidium geteilt wurden. Diese Sicherheitsbedenken ergaben
sich daraus, dass in dem von Herrn Sch. privat genutzten Gebäude Empfänge
gegeben werden, an denen auch Personen teilnehmen, denen polizeilicher
Personenschutz gewährt wird bzw. bei denen ein erweiterter Personenschutz mit
Standposten vor dem Anwesen erfolgt. Die Überwachung eines Gebäudes wird
jedoch dadurch erschwert, wenn sich unmittelbar vor der Grundstückseinfahrt eine
Bushaltestelle befindet. Nicht nur dass es für das polizeiliche Einsatzfahrzeug
schwerer sein wird, versetzt vor der Einfahrt einen Standplatz zu finden; die
Kontrollaufgabe wird vor allem durch den an einer Bushaltestelle stattfindenden
Publikumsverkehr beeinträchtigt. Soweit das Polizeipräsidium bei der im August
2003 stattgefundenen Befahrung den ursprünglichen Haltestellenstandort nicht
beanstandet hatte, erfolgte dies insbesondere aus verkehrspolizeilicher Sicht und
ohne Berücksichtigung der Sicherheitsbedenken. Die Behauptung des Klägers,
Herr Sch. habe die Bushaltestelle nicht vor seinem Grundstück haben wollen und
deshalb seine Beziehungen zum Polizeipräsidium und der Stadt Frankfurt am Main
eingesetzt, findet keine Bestätigung in den dem Gericht vorliegenden Unterlagen.
Gegen eine solche Annahme spricht vielmehr, dass bei der ersten Verlegung der
Bushaltestelle im Januar 2005 auch der neue Standort vor einem im Besitz des
Herrn Sch. befindlichen Grundstückes, nämlich dem X-Straße Nr. 72 lag, und
dieser Standort im Einvernehmen mit dem Verwalter des Herrn Sch. festgelegt
worden war.
Soweit der Kläger geltend macht, gegen den neuen Standort spreche, dass der
Fußweg für die Bewohner der im J-Weg befindlichen Seniorenwohnanlage zur
Haltestelle weiter sei, musste die Beklagte dies bei ihrer im Verhältnis zum Kläger
zu treffenden Ermessensentscheidung nicht berücksichtigen, da insoweit eine
Beeinträchtigung des Klägers in eigenen Rechten nicht gegeben sein kann.
Entsprechendes gilt hinsichtlich des Wegfalls von Parkplätzen vor dem Anwesen
des Klägers, da ein Anspruch auf Beibehaltung des Gemeingebrauchs nicht
besteht (§ 14 S. 2 HStrG).Die Beklagte hat bei ihrer Entscheidung für den jetzigen
Standort der Bushaltestelle auch nicht die Grenzen des ihr zustehenden
Ermessens überschritten. Die getroffene Entscheidung verstößt nicht gegen
höherrangiges Recht, insbesondere gegen Grundrechte des Klägers. Der Kläger
wird durch die Anordnung der Bushaltestelle vor seinem Hausgrundstück nicht in
seinem durch Art. 14 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich geschützten Grundeigentum
verletzt. Es ist zwar in der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass
Lärmbeeinträchtigungen - zum Beispiel durch Straßenverkehr - einen Eingriff in
das Grundeigentum darstellen können (BVerwG, BVerwGE 56, 110, 132 und 59,
253, 267). Dies setzt aber voraus, dass die Geräuschbelästigung das Grundstück
enteignungsgleich, d. h. schwer und unerträglich trifft, so dass eine nach der
Gebietsart angemessene Nutzung des Eigentums, also ein Wohnen ohne
Beeinträchtigung der Gesundheit nicht mehr möglich ist. Einer bloßen
Beeinträchtigung der Grundstücksnutzung kommt keine enteignende Wirkung zu
(VGH Kassel, NJW 86, 2781, 2782). Derartige schwere Beeinträchtigungen sind
vom Kläger weder dargelegt noch sonst erkennbar. Die Kammer hat aufgrund ihrer
allgemeinen Lebenserfahrung keine Zweifel daran, dass von der Bushaltestelle
nachteilige Auswirkungen auf das Hausgrundstück des Klägers ausgehen,
insbesondere Lärmbeeinträchtigungen durch den an- und abfahrenden Linienbus
sowie die wartenden, bzw. ein- und aussteigenden Fahrgäste. Dies rechtfertigt
jedoch nicht die Annahme, ein Wohnen ohne Beeinträchtigung der Gesundheit sei
auf dem klägerischen Grundstück nicht mehr möglich. Denn die
Lärmbelästigungen treten hauptsächlich nur in der kurzen Zeitspanne auf, in
denen die Busse an der Haltestelle halten. Ein solcher Haltevorgang dauert nach
den Angaben der Beklagten max. 20 Sekunden. Hinzu kommt, dass der Bus an
der Haltestelle vorbei fährt, wenn dort kein Fahrgast aus- oder einsteigen will. Auch
ist zu berücksichtigen, dass die Buslinie 47 in einem 20-Minuten-Takt verkehrt, so
dass die Haltestelle lediglich dreimal in einer Stunde angefahren wird; da die
Bushaltestelle werktags von 04.26 Uhr bis 0.56 Uhr angefahren wird, ergibt sich
demnach eine Gesamtdauer von ca. 30 Minuten pro Tag in der die
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demnach eine Gesamtdauer von ca. 30 Minuten pro Tag in der die
Lärmbeeinträchtigungen durch den Busverkehr auftreten. Dies allein macht
deutlich, dass nicht davon ausgegangen werden kann, das Haus des Klägers sei
als Wohnhaus nicht mehr nutzbar, zumal das Grundstück in einer
verkehrsberuhigten Zone liegt, so dass der allgemeine Verkehrslärm ohnehin
reduziert sein dürfte.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht aufgrund der beruflichen Situation des
Klägers geboten, der einen Großteil seiner beruflichen Tätigkeit zu Hause ausübt.
Denn für die Abgrenzung, ob ein bebautes Grundstück durch Lärmbelästigungen
enteignungsgleich betroffen ist, kommt es auf die objektive Nutzungsmöglichkeit
an, so dass eine besondere Lärmempfindlichkeit des derzeitigen Eigentümers bei
der Grenzziehung keine Berücksichtigung finden kann (Hess. VGH, a. a. O.; BGH,
NJW 1984, 1242). Aus diesen Erwägungen ergibt sich zugleich, dass hier auch kein
Eingriff in das Grundrecht des Klägers auf körperliche Unversehrtheit vorliegt. Der
Schutzbereich des Art. 2 Abs. 2 GG reicht, soweit Lärmeinwirkungen von einem
Wohnhaus abgewehrt werden sollen, nicht weiter als der verfassungsrechtliche
Schutz des Grundeigentums, weil der durch Art. 14 Abs. 1 GG garantierte
Eigentumsschutz die Nutzung des bebauten Grundstücks als Wohnraum und
damit die personenbezogenen Rechtsgüter mit umfasst (BVerwG, NJW 1980,
2368). Schließlich ist die Maßnahme auch nicht unverhältnismäßig im eigentlichen
Sinne (Unangemessenheit der Maßnahme), so dass kein Verstoß gegen das in
Art. 20 Abs. 3 GG normierte Rechtsstaatsgebot gegeben ist. Es ist nicht zu
beanstanden, wenn die Beklagte in Abwägung der öffentlichen Interessen an der
Beibehaltung des jetzigen Standortes der Bushaltestelle und dem privaten
Interesse des Klägers an deren Beseitigung, sich zu Gunsten der öffentlichen
Interessen ausgesprochen hat. Die Festlegung einer Bushaltestelle im X-Straße
dient der Aufrechterhaltung eines funktionierenden öffentlichen
Personennahverkehrs. Der jetzige Standort der Haltestelle wurde erst nach einer
zweifachen Überprüfung der Sachlage gewählt, weil er aus der Sicht der Beklagten
besser geeignet ist als die beiden zuvor gewählten Standorte. Die Beklagte hält
weiterhin an diesem Standort fest, weil die im Laufe dieses Verfahrens überprüften
Alternativstandorte sich nicht als ebenso geeignet erwiesen hätten. Diese Aussage
bedarf keiner gerichtlichen Überprüfung, da für das vorliegende Verfahren allein
entscheidend ist, ob die von der Beklagten getroffene Entscheidung, die
Haltestelle vor den Anwesen X-Straße Nr. 76 und Nr. 78 einzurichten,
ermessensfehlerhaft ist. Dies ist jedoch - wie ausgeführt - nicht der Fall. Nach
alledem hat der Kläger im Interesse der Aufrechterhaltung eines funktionierenden
öffentlichen Personennahverkehrs die mit dem bestimmungsgemäßen Betrieb der
Haltestelle einhergehenden Beeinträchtigungen hinzunehmen. Soweit der
Vorgarten des Klägers durch Abfälle der Fahrgäste verschmutzt wird, entspricht
dies gerade nicht einem bestimmungsgemäßen Gebrauch der Bushaltestelle. Die
Beklagte ist jedoch gehalten, diesem Fehlverhalten der Fahrgäste durch das
Aufstellen von Abfallbehältern und ggf. Hinweisschildern entgegen zu wirken. Der
Kläger hat als unterliegender Beteiligter die Kosten des Verfahrens zu tragen (§
154 Abs. 1 VwGO).Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des
Urteils beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 S. 1 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.