Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 14.07.2004

VG Frankfurt: hessen, stadt, zuwendung, magistrat, freiwillige leistung, geeignete stelle, verfügung, hauptsache, rechtsgrundlage, berechtigung

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Gericht:
VG Frankfurt 2.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 G 1113/04 (1)
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 6 InsOAG HE, § 305 InsO
(Kein Anspruch auf Beratungsstellen durch die Einführung
der Verbraucherinsolvenz)
Leitsatz
1. Die Einführung der Verbraucherinsolvenz und mit ihr die Regelungen in § 305 Abs. 1
Ziffer 1 InsO haben eine Verpflichtung der Länder zur Gewährung von Zuwendungen für
solche Schuldnerberatungsstellen nicht begründet.
2. Das Land Hessen hat durch die Regelungen des Hessischen Ausführungsgesetz zur
InsO keine Garantenstellung im Sinne einer staatlichen Schutzpflicht zur Schaffung,
Vorhaltung und Förderung von Schuldnerberatungsstellen übernommen.
3. Eine staatliche Schutzpflicht für den Zugang zum Schuldbereinigungsverfahren nach
§ 304 ff InsO mit dem Inhalt, dass auch und gerade vorhandene Beratungsstellen freier
Träger weiterhin eine staatliche Förderung zu erhalten haben, ist zumindest solange
nicht ersichtlich, als jedem Schuldner die Gelegenheit offen steht, sich an geeignete
Personen im Sinne von § 305 InsO zu wenden, um das vorgeschriebene Verfahren
durchzuführen.
4. Wenn der Haushaltsgesetzgeber aufgrund der Notwendigkeit zur
Haushaltskonsolidierung sich im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens zu
Kürzungen entschließt, so greift er nicht in einen rechtlich geschützten Bereich des
Antragstellers ein, sondern lediglich in dessen wirtschaftliche Erwartungen.
5. Die Notwendigkeiten des Haushaltsgebers, die Handlungsfähigkeit des Staates
gegenüber dem unvermeidlichen oder politisch gezielt gewollten Wandel der
Lebensverhältnisse zu sichern, eröffnet ihm die Möglichkeit, die Rechtsordnung zu
ändern, Konjunkturpolitik, Sozialpolitik oder Gesellschaftspolitik zu betreiben (BVerfG,
Beschluss v. 22.03.1983 - 2 BvR 475/78 -, BVerfGE 63, 343,357; HessVGH, Beschluss v.
27.05.2004 - 6 TG 709/04 - ).
6. Das Land Hessen hat sich aufgrund des ihm zustehenden weiten Ermessens auch
dazu entschließen dürfen, die Förderung der streitgegenständlichen Beratungsstellen
zu beenden.
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 66.468,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller betreibt eine nach dem Hessischen Ausführungsgesetz zur
InsO (AGInsO) anerkannte Schuldnerberatungsstelle. Sie wird ausschließlich
öffentlich gefördert und erhält hierzu Mittel der Stadt Frankfurt am Main für die
Sozialberatung von Schuldnern nach dem BSHG und erhielt bis zum Jahr 2003
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Sozialberatung von Schuldnern nach dem BSHG und erhielt bis zum Jahr 2003
auch eine Landesförderung für die Insolvenzberatung nach § 305 InsO
(Projektförderung).
Im Dezember 2000 schloss er hierzu mit der Stadt Frankfurt am Main einen
"Zuwendungsvertrag". Gegenstand der Vereinbarung ist die Sicherstellung der
Beratung im Rahmen der §§ 8 und 17 BSHG und die Wahrnehmung der Aufgaben
der bescheinigenden Stelle im außergerichtlichen Vergleichsverfahren nach den §§
305 ff InsO. Seine Zuständigkeit erstreckt sich auf den Einzugsbereich der
Sozialrathäuser Gallus, Höchst und Bockenheim. Im "Rahmen der Subsidiarität"
übernimmt er alle Aufgaben, die den gesetzlichen Auftrag nach dem BSHG und
der InsO umschreibt. Die Beratung hat kostenfrei zu erfolgen. Der Magistrat der
Stadt Frankfurt am Main verpflichtete sich, die ihm im Rahmen des
Zuwendungsbescheides des Hessischen Landesamtes für Versorgung und
Soziales bewilligten Fördermittel anteilig dem Antragsteller zur Verfügung zu
stellen. Mit dem Zuschuss sind alle anfallenden Personalausgaben, Sachmittel und
Verwaltungskosten berücksichtigt. Der Zuwendungsvertrag enthält den Hinweis,
"die Bewilligung und Auszahlung des Förderbetrages begründet keinen Anspruch
auf Förderung in den Folgejahren, da über die Bereitstellung von Haushaltsmitteln
bei der Beratung der entsprechenden Haushaltspläne zu entscheiden ist". Der
Zuwendungsvertrag ist jährlich verlängert worden, zuletzt bis zum 31.12.2003.
Das Hessische Ausführungsgesetz zur Insolvenzordnung sah in der bis Dezember
2003 gültigen Fassung des § 6 AGInsO vor, dass das Land Hessen "den
Beratungsstellen nach Maßgabe des Haushaltsplans und unter Berücksichtigung
ihrer Einnahmen die für die Personal- und Sachkosten erforderlichen Mittel als
Zuwendung i.S.d. §§ 23 und 44 LHO zur Verfügung" zu stellen hatte. Nach den
hierzu ergangenen "vorläufigen Richtlinien für die Förderung von
Schuldnerberatungsstellen i.S.d. Insolvenzordnung vom 06.09.1999" hatte der
Antragsteller gemäß Ziffer 4.1 den Antrag auf Zuwendung beim Magistrat der
Stadt Frankfurt am Main einzureichen. Dieser hatte nach Ziffer 4.3 der vorläufigen
Richtlinie die Landesmittel beim Landesamt für Versorgung und Soziales zu
beantragen. Nach Ziffer 5.1 wurde die Zuwendung durch den Magistrat der
kreisfreien Stadt "bewilligt und ausgezahlt". § 6 AGInsO ist durch das
Zukunftssicherungsgesetz vom 18.12.2003 ( GVBl. I 2003, 513ff) komplett
gestrichen worden. Die vorläufige Richtlinie ist mit Erlass vom 10.12.2003 mit
Ablauf des 31.12.2003 aufgehoben worden.
Bis zum Jahr 2003 beantragte die Stadt Frankfurt am Main für die drei anerkannten
Schuldnerberatungsstellen in ihrem Stadtgebiet beim Land Hessen den Zuschuss
nach § 6 AGInsO i. H. v. 199.403,82 Euro und teilte dem Antragsteller die ihr vom
Land Hessen bewilligte Zuwendung anteilig i. H. v. 66.468,00 Euro zu. Bereits im
Zuwendungsbescheid des Hessischen Landesamtes für Versorgung und Soziales
vom 05.04.2002 wies das Land Hessen den Magistrat der Stadt Frankfurt am Main
darauf hin, dass aufgrund der notwendigen Konsolidierung des Landeshaushaltes
im Jahre 2003 im Zuwendungsbereich Einschnitte nicht ausgeschlossen werden
und Zuwendungen im bisherigen Umfang nicht mehr gewährt werden könnten und
bat, dies bei den Planungen zu berücksichtigen. Auch der Zuwendungsbescheid
vom 28.07.2003, mit dem das nunmehr zuständige Regierungspräsidium Gießen
die Zuwendungen für das Jahr 2003 bewilligte, enthielt einen entsprechenden
Hinweis.
Mit Schreiben des Hessischen Sozialministeriums vom 23.09.2003 wurde sowohl
die Stadt Frankfurt am Main als auch der Antragsteller selbst daraufhin gewiesen,
dass aufgrund der notwendigen Haushaltskonsolidierung "das Projekt
Schuldnerberatungsstelle ab 2004 nicht mehr mit Landesmitteln gefördert" werde
und es wurde dringend empfohlen, sämtliche Bindungen aus rechtlichen
Verpflichtungen auf eine Lösung hin zu untersuchen.
Wie in den Jahren zuvor reichte der Antragsteller seinen Antrag auf Zuwendung für
das Jahr 2004 im November 2003 bei der Stadt Frankfurt am Main ein. Mit
Bescheid vom 11.02.2004 lehnte der Antragsgegner die Förderung der
Schuldnerberatungsstellen mit der Begründung ab, nach Ziffer 0.2 der vorläufigen
Richtlinien für die Förderung von Schuldnerberatungsstellen bestehe kein
Rechtsanspruch auf die Zuweisung von Landesmitteln, da sie nach Maßgabe des
Landeshaushaltes erfolge. Im Haushalt 2004 seien von der Landesregierung keine
Mittel mehr zur Förderung der Beratungsstellen bereit gestellt worden.
Mit am 08.03.2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seiner
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Mit am 08.03.2004 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz seiner
Bevollmächtigten hat der Antragsteller einen einstweiligen Rechtsschutzantrag
gestellt. Er ist der Ansicht, das Land sei weiterhin verpflichtet, die
Schuldnerberatungsstellen zu fördern, da ein unmittelbarer subjektiv-öffentlicher
Anspruch auf eine Beratertätigkeit im Sinne des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO bestehe
und dieser nur von geeigneten Stellen kostenfrei geleistet werden könne, was
durch finanzielle Zuwendungen des Landes zu gewährleisten sei. Es komme dabei
nicht darauf an, ob hierzu Mittel im Haushaltsplan eingestellt worden seien. Allein
aus der Berechtigung des Ratsuchenden im Sinne eines subjektiven Rechts auf
Teilhabe an dem Verbraucherinsolvenzverfahren, das die Existenz "geeigneter
Stellen" im Sinne von § 305 Abs. 1 InsO voraussetze, ergebe sich als Korrelat -
quasi Spiegelbildlich - die Verpflichtung des Landes "geeignete Stellen" als solche
vorzuhalten und gegebenenfalls zu schaffen. Diese Pflicht des Landes ergebe sich
aus der in Art. 30, 70 und 83 GG normierten Kompetenzverteilung, wonach die
Länder grundsätzlich auch zur Ausführung der Bundesgesetze als eigene
Angelegenheiten nicht nur berufen, sondern auch verpflichtet seien. Die Länder
hätten ihre Verwaltung nach Art, Umfang und Leistungsvermögen entsprechend
den Anforderungen sachgerechter Erledigung des sich aus der
Bundesgesetzgebung ergebenden Aufgabentatbestandes einzurichten. Mit Erlass
des Hessischen Ausführungsgesetzes habe das Land die Verantwortung dafür
übernommen sicherzustellen, dass die von ihm bestimmten Stellen auch geeignet
seien, die für das gerichtliche Verbraucherinsolvenzverfahren erforderlichen
Bescheinigungen auszustellen. Um auch dem mittellosen Schuldner die
Möglichkeit der Teilnahme am Verbraucherinsolvenzverfahren zu ermöglichen,
habe das Land eine originäre Verpflichtung zur Förderung von Beratungsstellen.
Sollten geeignete Stellen in nicht ausreichender Zahl vorhanden sein, so habe das
Land auch eine Vorhaltepflicht. Daraus ergebe sich, dass die Förderung keine
freiwillige Leistung sei. Dem Land stehe bei der Entscheidung über die Förderung
überhaupt kein Ermessen zu, sondern es sei seinem Sicherstellungsauftrag aus §
305 InsO verpflichtet. Der Anspruch des mittellosen Schuldners an der Teilnahme
an dem Verbraucherinsolvenzverfahren könne nicht mit dem Hinweis auf die
Möglichkeiten der Beratungen durch Rechtsanwälte, Notare oder Steuerberater
gesichert werden. Zum einen seien mittellose Schuldner nicht in der Lage, die
Gebühren der Rechtsanwälte zu zahlen, und zum anderen seien die genannten
Berufsgruppen aufgrund der schlechten Verdienstmöglichkeiten überhaupt nicht
bereit, die Schuldnerberatung zu übernehmen. Die Schuldner seien dann in der
Regel auf Beratungshilfe angewiesen. Die daraus resultierenden Verpflichtungen
es Landes überstiegen bei weitem die Landeszuwendungen, die der Antragsteller
bislang für seine kostenlose Schuldnerberatung erhalten habe. Der Antragsteller
habe auch einen mittelbaren, aus dem verfassungsrechtlich geschützten
Vertrauen in die weitere Förderung seiner Schuldnerberatung resultierenden
Anspruch auf weitere Förderung. Er sei seit 1999 als geeignete Stelle anerkannt
und leiste auch weiterhin Beratertätigkeit nach § 305 InsO. Zur Ausübung der
Tätigkeit und vertrauend auf die Fortführung der Förderung seien Räume
angemietet, Schuldnerberater eingestellt, Verpflichtungen über die Laufzeit von 5,
6 und 7 Jahren gegenüber Ratsuchenden, Gerichten und Gläubiger eingegangen
worden. Sie nehme bei außergerichtlichen Vergleichen und bei gerichtlichen
Schuldenbereinigungsplänen die pfändbaren Einkommensanteile der Schuldner
treuhänderisch über eine Laufzeit von 6 oder 7 Jahren in Verwahrung und kehre
diese Beträge nach der ermittelten Quote an die Gläubiger aus. Von diesen
treuhänderischen Verpflichtungen könne sie nicht zurücktreten. Durch die
gesetzliche Verpflichtung und die Förderung habe der Antragsgegner einen
Vertrauenstatbestand geschaffen, der die willkürliche Einstellung der Förderung
bereits aus Art. 3 Abs. 1 GG verbiete. Willkürhandlungen seien mit dem
Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 GG nicht vereinbar. Das Land Hessen sei auch der
richtige Antragsgegner, da nicht die Stadt Frankfurt am Main über die Zuwendung
von Landesmitteln entscheide, sondern die ihr vom Land Hessen nach dessen
alleiniger Ermessensentscheidung gewährten Landesmittel zum eigenständigen
Bestandteil ihrer Entscheidung gemacht habe. Wenn von keinem unmittelbaren
Zuwendungsverhältnis zwischen den Beteiligten ausgegangen werde, so sei eine
zwingende Beiladung der Stadt Frankfurt am Main geboten. Durch die vollständige
Streichung der Landesmittel habe der Antragsgegner der Beratungsstelle die
wirtschaftliche Grundlage entzogen. Er könne dann das bisherige
Beratungsangebot nicht aufrecht erhalten. Spätestens in der zweiten Jahreshälfte
2004 sei die Finanzierung der Beratungsstelle durch den Antragsteller nicht mehr
möglich, da ihm Eigenmittel nicht zu Verfügung stünden. Ein Anordnungsgrund sei
damit gegeben.
Der Antragsteller beantragt,
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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm für
das Haushaltsjahr 2004 eine finanzielle Förderung i.H.v. 66.468,00 Euro zu
gewähren,
hilfsweise,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den von
der Stadt Frankfurt am Main auf Antrag des Antragstellers für dessen
Insolvenzberatungsstelle gestellten Antrag auf Gewährung einer finanziellen
Förderung des Landes i.H.v. 66.468,00 Euro zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er ist der Ansicht, der Antragsteller habe unter keinem rechtlichen
Gesichtspunkten einen Anspruch auf Förderung seiner Schuldnerberatungsstelle.
Der Antrag sei schon deshalb unbegründet, da das Land Hessen nicht
passivlegitimiert sei. Der Antrag auf Zuwendung sei bei der Stadt Frankfurt am
Main zu stellen. Der Magistrat prüfe und entscheide im Rahmen seines
pflichtgemäßen Ermessens ob und in welcher Höhe eine Förderung gewährt werde.
Zwischen dem Land Hessen und dem Antragsteller habe zu keinem Zeitpunkt ein
unmittelbares Zuwendungsverhältnis bestanden. Es fehle zudem an einer
Anspruchsgrundlage. Aus § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO könne eine Pflicht des Landes,
Schuldnerberatungsstellen vorzuhalten, nicht gefolgert werden. Das Land Hessen
habe zwar von der Ermächtigung zur Bestimmung geeigneter Stellen i. S. v. § 305
InsO Gebrauch gemacht und im AGInsO das Anerkennungsverfahren für geeignete
Stellen festgelegt. Es habe damit aber keine Verpflichtung übernommen,
Schuldnerberatungsstellen auch finanziell zu fördern. Rechtsgrundlage für eine
Förderung in der Vergangenheit sei § 6 AGInsO (in der bis zum 31.12.2003 gültigen
Fassung) i. V. m. der vorläufigen Förderrichtlinie gewesen. Ein Rechtsanspruch auf
Förderung habe aber zu keinem Zeitpunkt bestanden, sie sei nur nach Maßgabe
des Haushaltes in Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens erfolgt. Der
Landesgesetzgeber habe mit dem Zukunftssicherungsgesetz die Rechtsgrundlage
für eine Förderung nach § 6 AGInsO aufgehoben. Auch verlange die
Rechtsschutzgarantie eine Förderung von geeigneten Stellen i.S.d. § 305 InsO
nicht. Der Zugang zum Verbraucherinsolvenzverfahren könne auch über
"geeignete Personen" wie Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater erreicht
werden. Deren Honoraranspruch werde über die Beratungshilfe gesichert. Eine
verfassungsrechtliche Verpflichtung zur begehrten Förderung bestehe ebenfalls
nicht, da die Einführung der Restschuldbefreiung selbst nicht verfassungsrechtlich
geboten sei. Es bestehe ein erheblicher Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers.
Auch aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes ergebe sich kein Anspruch
des Antragstellers auf weitere Förderung. Leistungen dieser Art stünden unter
dem ausdrücklichen oder zumindest konkludenten Vorbehalt gleichbleibender
politischer und wirtschaftlicher Verhältnisse. Etwas anderes wäre nur dann
geboten, wenn ein besonderer Vertrauenstatbestand, etwa durch ausdrückliche
Vereinbarungen oder Zusagen, entstanden sei. Solche besonderen Gründe seien
jedoch nicht gegeben. Vielmehr sei sehr frühzeitig auf den Wegfall der Förderung
ab 2004 hingewiesen worden. Der Antragsteller habe auch einen Anordnungsgrund
nicht glaubhaft machen können. Zudem begehre er die Vorwegnahme der
Hauptsache. Dem Beiladungsantrag sei zu widersprechen. Das rechtliche
Interesse der Stadt Frankfurt am Main werde durch die Entscheidung nicht berührt,
da sich weder ihre Rechtslage durch das Unterliegen eines Beteiligten
verschlechtere oder verbessere, noch eine faktische Beeinträchtigung ihrer
Rechtslage zu besorgen sei.
II. Der Antrag ist zulässig und als Regelungsanordnung im Sinne des § 123 Abs. 1
Satz 2 VwGO auch statthaft.
Der Antrag ist aber unbegründet, da es bereits an der erforderlichen
Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches Sinne des § 123 Abs. 3 VwGO
i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO fehlt.
Das Land Hessen ist in diesem Antragsverfahren auch passivlegitimiert, also
gegebenenfalls nach materiellem Recht auch zu der vom Antragsteller begehrten
Leistung verpflichtet oder aber zur Verweigerung berechtigt. Zwar bestand
aufgrund der näheren Ausgestaltung der früheren Anspruchsgrundlage des § 6
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aufgrund der näheren Ausgestaltung der früheren Anspruchsgrundlage des § 6
AGInsO, wonach das Land Hessen für die Personal- und Sachkosten die
erforderlichen Mittel als Zuwendung zur Verfügung zu stellen hatte, durch die
vorläufigen Richtlinien ein gestuftes Verfahren, wonach auf entsprechenden Antrag
des Antragstellers der Magistrat der Stadt Frankfurt am Main die Landesmittel
beim Land Hessen zu beantragen und nach erfolgter Bewilligung durch das Land
Hessen an die Zuwendungsempfänger auszuzahlen hatte. Mit dieser
ausschließlich verfahrensrechtlichen Lösung der eigentlichen
Zuwendungsverpflichtung durch das Land Hessen war ein eigenständiger
zuwendungsrechtlicher Übergang der Verpflichtung auf den Magistrat der Stadt
indes nicht verbunden. Auch der Antragsgegner ist in den vergangenen Jahren
selbstverständlich davon ausgegangen, dass die Verantwortlichkeit der
Entscheidung über die Höhe der gesamten Zuwendung an die Stadt Frankfurt am
Main stets bei ihm lag und nicht beim Magistrat der Stadt Frankfurt am Main.
Lediglich der vom Antragsgegner zur Verfügung gestellte Förderbetrag konnte
entsprechend der Regelung in Ziffer 2.2 der vorläufigen Richtlinie auf mehrere
Träger von Schuldnerberatungen verteilt werden. Nur insoweit stand dem
Magistrat der Stadt Frankfurt am Main eine eigene Ermessensentscheidung zu. Mit
dem ersatzlosen Wegfall der gesetzlichen Anspruchsgrundlage in § 6 AGInsO und
der Aufhebung der vorläufigen Richtlinien ist auch dieses gestufte
Antragsverfahren entfallen mit der Folge, dass der Antragsteller seinen
vermeintlichen Anspruch auf weitere Förderung für das Jahr 2004 nunmehr nur
noch unmittelbar gegenüber dem Land Hessen geltend machen kann. Daher war
dem Antrag auf Beiladung der Stadt Frankfurt am Main auch nicht zu entsprechen.
Da die mit dem Antrag angestrebte Regelungsanordnung die Hauptsache, nämlich
die Zahlung einer Zuwendung in Höhe von 66.468,00 EUR, vorwegnehmen würde,
wäre ein Anordnungsgrund nur dann glaubhaft gemacht, wenn vorliegend vom
grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache im Eilverfahren
abgewichen werden könnte. Grundsätzlich kann ein Gericht dem Wesen und Zweck
der einstweiligen Anordnung entsprechend nur vorläufige Regelungen treffen und
darf nicht bereits das gewähren, was ein Antragsteller nur in einem
Hauptsacheverfahren erreichen könnte. Abweichungen von diesem Grundsatz sind
nur möglich, wenn eine bestimmte Regelung zur Gewährung eines effektiven
Rechtsschutzes schlechterdings notwendig ist, d.h. wenn die sonst zu erwartenden
Nachteile für den Antragsteller schlechterdings unzumutbar wären und ein hoher
Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache spricht ( vgl.
Kopp/Schenke, VwGO, 11. Aufl., § 123 Rdnr.13 f ).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Zwar kann bei einer den
Grundsatz des effektiven Rechtsschutz gemäß Art 19 Abs. 4 GG
berücksichtigenden Betrachtungsweise davon ausgegangen werden, dass ein
Anordnungsgrund angesichts der finanziellen Situation des Antragstellers gegeben
ist. Denn bei Ablehnung einer Regelungsanordnung im gegenwärtigen Zeitpunkt
würden die dann zu erwartenden Nachteile den Antragsteller unzumutbar treffen.
Gleichwohl kann nicht davon ausgegangen werden, dass für den Antragsteller ein
hoher Grad an Wahrscheinlichkeit spricht, in einem noch anzustrebenden
Hauptsacheverfahren zu obsiegen. Denn er hat einen Anordnungsanspruch nicht
glaubhaft machen können.
Der Antragsteller hat nämlich keinen Rechtsanspruch auf die Zahlung einer
Zuwendung für das Jahr 2004. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, nach der
der Antragsteller die von ihm begehrten Fördermittel beanspruchen könnte, gibt
es erkennbar nicht mehr. Davon geht er auch selbst aus, denn die eigentliche
Rechtsgrundlage in § 6 AGInsO ist durch Art. 11 Zukunftssicherungsgesetz (ZSG)
vom 18.12.2003 ( GVBl. I 2003, 513 ff) ersatzlos aufgehoben worden.
Ein Anordnungsanspruch ergibt sich für den Antragsteller auch nicht unmittelbar
aus dem Haushalt selbst. Das Haushaltsgesetz bietet keine Grundlage für
unmittelbare Ansprüche auf Gewährung einer Subvention.
Eine solche Anspruchsgrundlage ergibt sich auch nicht aus der Insolvenzordnung i.
V. m. der grundgesetzlich normierten Kompetenzordnung, wonach den Ländern
die Verwaltungskompetenz bei der Ausführung der Bundesgesetze obliegt. Der
Antragsteller referiert zutreffend die gesetzgeberische Intention bei der Einführung
der sogenannten Verbraucherinsolvenz. Er geht jedoch fehl in der Annahme, dass
sich gleichsam als Korrelat aus einem möglicherweise vorhandenen subjektiv-
öffentlichen Anspruch eines Schuldners auf Teilhabe am sogenannten
außergerichtlichen Einigungs- oder Schuldenbereinigungsverfahren eine
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außergerichtlichen Einigungs- oder Schuldenbereinigungsverfahren eine
Verpflichtung des Landes ergebe, "geeignete Stellen" im Sinne des § 305 Abs. 1
Ziffer 1 InsO vorzuhalten oder gegebenenfalls zu schaffen und sie mit
ausreichenden Finanzmitteln auszustatten. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass die
Einführung der Verbraucherinsolvenz und mit ihr die Regelungen in § 305 Abs. 1
Ziffer 1 InsO eine Verpflichtung der Länder zur Gewährung von Zuwendungen für
solche "geeigneten Stellen" begründen sollten. Die vom Antragsteller zitierte
Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 25.01.2001 - 29
K 99.2118 erkennt auch lediglich gegenüber dem rechtssuchenden Schuldner
einen subjektiv-öffentlichen Anspruch auf die begehrte Beratertätigkeit an. Nur
dieser habe aufgrund der gebotenen Auslegung des § 305 Abs. 1 InsO einen
Anspruch auf Beratung zur Erlangung einer Restschuldbefreiung wie sie mit der
Einführung der Verbraucherinsolvenz intendiert gewesen sei. Die darüber
hinausgehende Einschätzung des Verwaltungsgerichts München, das Land habe
als Korrelat zu dieser Berechtigung des Schuldners eine Verpflichtung, geeignete
Stellen vorzuhalten, teilt das erkennende Gericht nicht. Eine dahingehende
Verpflichtung und entsprechende Berechtigung lässt sich auch nicht mit der
Tatsache der vom Antragsgegner in Anspruch genommenen Ermächtigung nach §
305 Abs. 1 Ziffer 1 letzter HS InsO und der im AGInsO erlassenen Regelungen
begründen. Eine vergleichbare "Garantenstellung" des Landes Hessen wie sie in
der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil v. 03.07.2003
- 3 C 26.02 - ) für die Ersetzung der Strafandrohung für die Abtreibung durch eine
Beratungslösung angenommen worden ist, existiert gerade nicht. Die in jenem
Verfahren angenommene Förderungspflicht zur Sicherstellung ausreichender
Beratungsmöglichkeiten resultiert aus der staatlichen Schutzpflicht für das
werdende Leben. Eine vergleichbare staatliche Schutzpflicht für den Zugang zum
Schuldbereinigungsverfahren nach § 304 ff InsO mit dem Inhalt, dass auch und
gerade vorhandene Beratungsstellen freier Träger weiterhin eine staatliche
Förderung erhalten müssen, ist zumindest solange nicht ersichtlich, als jedem
Schuldner die Gelegenheit offen steht, sich an geeignete Personen im Sinne von §
305 InsO zu wenden, um das vorgeschriebene Verfahren durchzuführen. Sie ergibt
sich auch nicht aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG. Denn sie gilt
nur bei der Verletzung in eigenen Rechten und setzt damit eine einem Einzelnen
gewährte Rechtsposition voraus. Wenn der Haushaltsgesetzgeber aufgrund der
Notwendigkeit zur Haushaltskonsolidierung sich im Rahmen des ihm zustehenden
Ermessens zu Kürzungen entschließt, so greift er nicht in einen rechtlich
geschützten Bereich des Antragstellers ein, sondern lediglich in dessen
wirtschaftliche Erwartungen. Würde man die Rechtsansicht des Antragstellers zu
Ende denken, bedeutete dies, dass das Land jede geeignete Person im Sinne von
§ 305 Abs. 1 Ziffer 1 InsO zu fördern hätte. Davon geht selbst der Antragsteller
nicht aus. Jedenfalls solange es ein ausreichendes Angebot an geeigneten
Personen und Stellen zur Schuldnerberatung gibt, ist nicht ersichtlich, dass der
Antragsgegner zur weiteren Förderung des Antragstellers verpflichtet ist. Dabei ist
mit dem Antragsgegner davon auszugehen, dass es sowohl geeignete Stellen in
Hessen gibt, die ohne weiteren Zuschuss ihrer Beratungstätigkeit nachkommen
können und dass es eine ausreichende Anzahl von geeigneten Personen wie
Rechtsanwälte, Notare und Steuerberater gibt, die den möglichen Wegfall
geeigneter Stellen wie der des Antragstellers kompensieren können. Dem vom
Antragsteller vorgetragenen Argument, es sei für das Land Hessen letztendlich
teurer, die Beratertätigkeit durch die genannten Personen durchführen zu lassen,
da es über die Beratungshilfe letztendlich einen weit größeren Betrag zu zahlen
habe als in Form der Projektförderung an den Antragsteller, kommt insoweit keine
entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Letztendlich ist es eine Entscheidung des
Gesetzgebers, wie er seine Steuermittel vergibt. Angesichts der im einstweiligen
Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Überprüfung der Sach- und
Rechtslage und bei der gebotenen Abwägung der privaten und öffentlichen
Belange der Beteiligten, ist die vorgenommene gesetzgeberische Wertung nach
Ansicht des Gerichts auch vom weit gefassten gesetzgeberischen Ermessen noch
hinreichend getragen. Insbesondere in Zeiten fehlender Haushaltsmittel aufgrund
dramatisch sinkender Steuereinnahmen ist der Gesetzgeber befugt und
verpflichtet, Einsparpotentiale zu realisieren.
Auch die Grundsätze des Vertrauensschutzes sind nicht geeignet, einen
Anordnungsanspruch zu begründen. Denn das Vertrauen des Antragstellers auf
die ständige Fortschreibung der bisherigen haushaltsgesetzlichen Regelungen war
nicht schutzwürdig. Entscheidend für deren Beurteilung ist die Frage, ob der
Antragsteller im Vertrauen auf den Bestand einer bestimmten gesetzlichen
Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise erwarten
durfte. Dabei ist zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens einerseits und
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durfte. Dabei ist zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens einerseits und
der Bedeutung des gesetzgeberischen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit
andererseits abzuwägen ( BVerfG, Beschl. v. 23.03.1971 - 2 BvL 17/69 -, BVerfGE
30, 392, 404). Der Antragsteller durfte den dauernden Fortbestand der ihm
gewährten Förderung billigerweise schon deshalb nicht erwarten, weil er wissen
musste, dass der Gesetzgeber für jedes Jahr neu über die Förderung zu
entscheiden hatte. Nach der bis zum Dezember 2003 gültigen Fassung des § 6
AGInsO war zudem geregelt, dass die Art und der Umfang der Förderung von
Beratungsstellen "nach Maßgabe des Haushaltsplanes" zu erfolgen habe. In den
vorläufigen Richtlinien für die Förderung von Schuldnerberatungsstellen ist zu dem
geregelt, dass auf eine Förderung kein Rechtsanspruch besteht und dass sie nach
Maßgabe des Haushalts und in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erfolgt. Auch
in den jeweiligen Zuwendungsbescheiden ist stets auf diesen Umstand
hingewiesen worden. Mit Schreiben vom 23.09.2003 hat der Antragsgegner den
Antragsteller nochmals darauf hingewiesen, dass aufgrund der Einnahmeausfälle
im Landeshaushalt Einsparungen zu erfolgen hätten, und das Projekt der
Schuldnerberatungsstellen im Jahr 2004 nicht mehr mit Landesmitteln gefördert
werden könne. Die daraus notwendig werdenden Konsequenzen hinsichtlich
langfristiger Verpflichtungen des Antragstellers sollten zeitnah berücksichtigt
werden. Demgegenüber stehen die Notwendigkeiten des Haushaltsgebers, die
Handlungsfähigkeit des Staates gegenüber dem unvermeidlichen oder politisch
gezielt gewollten Wandel der Lebensverhältnisse zu sichern. Die Möglichkeit, die
Rechtsordnung zu ändern, Konjunkturpolitik, Sozialpolitik oder Gesellschaftspolitik
zu betreiben, ist damit unabdingbar verbunden ( BVerfG, Beschluss v. 22.03.1983
- 2 BvR 475/78 -, BVerfGE 63, 343,357; HessVGH, Beschluss v. 27.05.2004 - 6 TG
709/04 - ). Der Antragsgegner durfte sich aufgrund des ihm zustehenden weiten
Ermessens auch dazu entschließen, die Förderung der streitgegenständlichen
Beratungsstellen zu beenden.
Hinsichtlich des Hilfsantrages wird sinngemäß auf die obigen Ausführungen Bezug
genommen.
Nach alledem war der Antrag insgesamt mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1
VwGO.
Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß § 72 GKG (i.d.F ab dem 01.07.2004) i. V.
m. §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 2 GKG (i.d.F. vom 15.12.1975, zuletzt geändert am
12.03.2004) und richtet sich nach der Höhe der geltend gemachten Geldleistung.
Da mit dem Antrag der gesamte Zuwendungsbetrag geltend gemacht wird und
damit die Hauptsache vorweggenommen würde, war eine Reduzierung des
Streitwertes nicht angezeigt.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.