Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 24.03.2010

VG Frankfurt: stadt, rechtliches gehör, leistungsfähigkeit, widerruf, genehmigung, vollstreckung, sparkasse, entziehung, anhörung, akteneinsicht

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Gericht:
VG Frankfurt 12.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 K 4195/09.F
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 13 PBefG, § 25 PBefG, § 2
PBZugV
Widerruf von Taxengenehmigungen wegen
Abgabenrückständen
Leitsatz
Bei einem Steuerrückstand von 15.000,-- Euro ist die finanzielle Leistungsfähigkeit
eines Taxenunternehmers nicht mehr gewährleistet und die Taxengenehmigung zu
widerrufen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Taxengenehmigungen.
Der Kläger betreibt in B-Stadt einen Taxibetrieb mit den Genehmigungsnummern
xxx und xxx, die bis zum 11.04.2014 befristet sind.
Nachdem die Beklagte am 15.04.2009 vom Finanzamt A-Stadt I die Mitteilung
bekommen hatte, dass der Kläger aufgrund nicht gezahlter Einkommenssteuern in
den Jahren 2004 bis 2008 Abgabenrückstände von insgesamt 59.169,78€ habe,
teilte die Beklagte dem Kläger gegenüber mit Schreiben vom 08.05.2009 mit, sie
beabsichtige die Konzessionen zu entziehen und gab ihm die Möglichkeit zur
Stellungnahme. In seiner Stellungnahme vom 12.06.2009 gab der Kläger an, dass
die vom Finanzamt geltend gemachten Steuerforderungen auf Schätzungen
beruhten, die willkürlich und damit rechtswidrig seien.
Mit Bescheid vom 24.06.2009, dem Kläger zugestellt am 29.06.2009, widerrief die
Beklagte die Genehmigungen Nr.xxx und xxx wegen fehlender persönlicher
Zuverlässigkeit des Klägers und drohte dem Kläger für den Fall, dass er die
Genehmigungsurkunden und die Auszüge aus den Genehmigungsurkunden nicht
binnen einer Woche nach Bestandskraft der Verfügung abgebe, ein Zwangsgeld in
Höhe von 250,-€ an. Im Übrigen erhob sie Kosten in Höhe von 187,57€.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 10.07.2009
Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 19.11.2009, dem Kläger zugestellt am
23.11.2009, gab die Beklagte dem Widerspruch insoweit statt, als dass die
Kostenforderung von 187,57€ auf 181,57€ vermindert wurde. Im Übrigen wies sie
den Widerspruch des Klägers ohne vorherige Anhörung zurück. Zur Begründung
des Widerspruchsbescheides führte die Beklagte unter anderem an, es bestünden
nach der Mitteilung des Finanzamtes A-Stadt I vom 16.11.2009 weiterhin
Abgabenrückstände in Höhe von 15.574,15€, die sowohl die fehlende Sicherheit
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Abgabenrückstände in Höhe von 15.574,15€, die sowohl die fehlende Sicherheit
und Leistungsfähigkeit des Betriebs als auch die persönliche Unzuverlässigkeit des
Klägers belegten.
Der Kläger hat am 20.12.2009 Klage erhoben.
Er trägt vor, dass die vollstreckbaren Steuerschulden für die Jahre 2004 bis 2006
auf Null gesunken seien, was sich auch aus der Mitteilung des Finanzamtes A-
Stadt vom 27.10.2009, die sich in der beigezogenen Widerspruchsakte befinde,
ergebe. Die Vollziehung der Feststellungsbescheide für 2004 bis 2006 sei mit
Bescheiden des Finanzamtes B-Stadt IV vom 19.08.2009 ausgesetzt worden, was
der Beklagten unter dem 01.09.2009 auch belegt worden sei. Auch im übrigen
bestünden keine nennenswerten Steuerschulden mehr Die rückständige
Einkommensteuer für das Jahr 2007 beruhe zwar auf einem bestandskräftigem
Bescheid, werde aber mit der für das Jahr 2008 zu erwartenden Rückzahlung
verrechnet. Er habe mit Hilfe seines Steuerberaters im März 2010 seine
Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 abgegeben. Nach dessen
Berechnung ergebe sich für das Jahr 2008 ein zu versteuerndes Einkommen in
Höhe von 18.286,--€ und eine festzusetzende Einkommensteuer von 2.388,--€.
Das Finanzamt A-Stadt habe mitgeteilt, erklärungsgemäß zu veranlagen. Da er für
das Jahr 2008 bereits Einkommensteuervorauszahlungen in Höhe von 8.772,--€
geleistet habe, stehe ihm ein Rückerstattungsanspruch in Höhe von 6.384,--€ zu.
Die bestandskräftig festgesetzte Einkommensteuervorauszahlung für das 4.
Quartal 2008 habe er deshalb nicht erbracht. Die festgesetzte Einkommensteuer
für das Jahr 2007 habe er in Höhe von 3282,--€ nicht geleistet, weil er ohnehin
schon zuviel an Einkommensteuer bezahlt habe.
Aus den angeblichen Steuerrückständen könne im Übrigen keine
Zukunftsprognose hergeleitet werden, da sie einen abgeschlossenen Sachverhalt
beträfen Gerade die unstreitige Reduzierung seiner Einkommenssteuerschulden
auf 15.574,15€ zum 16.11.2009 zeige, dass er leistungsfähig i.S.v. § 13 Nr.1 PBefG
und auch zuverlässig i.S.v. § 13 Nr. 2 PBefG sei. Zwar verfüge er derzeit über kein
eigenes Girokonto mehr, da dies durch die Sparkasse im März/April 2009 gesperrt
worden sei. Seinen Zahlungsverkehr könne er jedoch über das Konto seiner Ex-
Frau und durch die Bargeldeinnahmen im Taxibetrieb abwickeln. So habe er auch
eine drohende Insolvenz wegen nicht bezahlter Versicherungsbeträge abwenden
können. Weiter ist er der Auffassung, dass eine Verwarnung als milderes Mittel
ausreichend gewesen wäre, da er bislang in gewerberechtlicher Hinsicht nicht
auffällig geworden sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 24.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
19.11.2009 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist zur Begründung auf den ergangen Widerspruchsbescheid
und trägt ergänzend vor, dass eine Anhörung vor Erlass des
Widerspruchsbescheids nicht erforderlich gewesen sei, weil dem Kläger seine
Abgabenrückstände beim Finanzamt A-Stadt I ohnehin bekannt seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die
wechselseitigen Schriftsätze der Beteiligten, und auf die beigezogenen Akten der
Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 24.06.2009 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19.11.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
nicht in seinen Rechten (§ 113 I 1 VwGO).
Der Widerruf der Genehmigungen Nr. xxx und xxx zum Verkehr mit Taxen gemäß §
47 PBefG hat seine Rechtsgrundlage in § 25 I 1 PBefG.
Die unterbliebene Information des Klägers zu der im Widerspruchsbescheid
angeführten Mitteilung des Finanzamts A-Stadt I vom 16.11.2009 über weiterhin
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angeführten Mitteilung des Finanzamts A-Stadt I vom 16.11.2009 über weiterhin
bestehende Abgabenrückstände rechtfertigt die Aufhebung des Bescheids nicht.
Die in dem Schreiben des Finanzamtes A-Stadt I vom 27.10. 2009 mitgeteilten
Steuerschulden sind - mit Ausnahme der Einkommensteuer für das 2. und
3.Quartal 2009 nebst Solidaritätszuschlag und Säumniszuschlag und der Erhöhung
der Säumniszuschläge für 2007 und für das 2.Quartal 2009- in der dem Kläger mit
dem Anhörungsschreiben vom 08.05.2009 genannte Mitteilung des Finanzamtes
A-Stadt I vom 15.04.2009 enthalten. Es handelt sich deshalb nur hinsichtlich der
Einkommensteuer für das 2. und 3.Quartal 2009 nebst Solidaritätszuschlag und
Säumniszuschlag und der Erhöhung der Säumniszuschläge für 2007 und das
2.Quartal 2009 um neue Tatsachen, zu denen die Beklagte im
Widerspruchsverfahren rechtliches Gehör gewähren musste. Dieses rechtliche
Gehör hat der Kläger spätestens in der mündlichen Verhandlung erhalten. Bereits
durch seine Akteneinsicht erhielt der Kläger Kenntnis von der Aufstellung der
Steuerschulden des Finanzamtes A-Stadt vom 27.10.2009. Hinsichtlich der
Einkommensteuer für das 2. und 3.Quartal 2009 nebst Solidaritätszuschlag und
Säumniszuschlag und der Erhöhung der Säumniszuschläge für 2007 und das
2.Quartal 2009 hat er keine Einwendungen erhoben. Damit ist der Verfahrensfehler
der Beklagten geheilt worden.
Gemäß § 25 I 1 PBefG hat die Genehmigungsbehörde die personenbeförderungs-
rechtliche Genehmigung zu widerrufen, wenn nicht mehr alle Voraussetzungen des
§ 13 I Nr.1-3 PBefG vorliegen. Im vorliegenden Fall sind Tatsachen gegeben, die
sowohl die Annahme fehlender Sicherheit und Leistungsfähigkeit des klägerischen
Betriebs i.S.v. § 13 I Nr.1 PBefG als auch der fehlenden persönlichen
Zuverlässigkeit des Klägers i.S.v. § 13 I Nr.2 PBefG rechtfertigen.
Gemäß § 2 PBZugV ist die finanzielle Leistungsfähigkeit im Sinne des § 13 I Nr.1
PBefG als gewährleistet anzusehen, wenn die finanziellen Mittel verfügbar sind, die
zur Aufnahme und ordnungsgemäßen Führung des Betriebs erforderlich sind. Sie
ist gemäß Satz 2 Nr.1 der Vorschrift zu verneinen, wenn die Zahlungsfähigkeit
nicht gewährleistet ist oder erhebliche Rückstände an Steuern oder an Beiträgen
zur Sozialversicherung bestehen, die aus unternehmerischer Tätigkeit geschuldet
werden. In dem für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt der letzten
Behördenentscheidung ergibt sich die fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit des
Klägers aus einem erheblichen Steuerrückstand von 15.574,15€, der sich im
Wesentlichen aus der bestandskräftig festgesetzten Einkommensteuer für 2007
und Einkommensteuervorauszahlungen für das 4. Quartal 2008 und das 2. und 3.
Quartal 2009 zusammensetzt. Da der entscheidungserhebliche Zeitpunkt
derjenige der Bescheidung des Widerspruchs ist, ist es unerheblich, ob der Kläger
aufgrund seiner zwischenzeitlich erfolgten Steuererklärung für das Jahr 2008 einen
Rückzahlungsanspruch in Höhe von 6.384,--€ haben wird. Zum Zeitpunkt der
Widerspruchsentscheidung war dies noch nicht einmal absehbar, da er eine
entsprechende Einkommensteuererklärung, aus der sich ein solcher Anspruch
ergeben könnte, nicht abgegeben hatte. Daraus ergibt sich höchstens, dass der
Kläger in Zukunft Aussicht hat, wieder leistungsfähig zu werden und seine
Steuerschulden zu begleichen. Die fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit ergibt
sich zudem aus den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung, sein
Girokonto bei der Sparkasse sei im März/April 2009 wegen der Steuerrückstände
gesperrt worden und ihm habe ein Insolvenzverfahren wegen nicht beglichener
Versicherungsbeiträgen gedroht. Soweit der Kläger geltend macht, die
Einkommensteuernachzahlungen für die Jahre 2004 bis 2006 seien ausgesetzt
worden, hat dies in der Mitteilung des Finanzamtes A-Stadt vom 27.10.2010
bereits Berücksichtigung gefunden.
Die Steuerschulden des Klägers belegen zudem seine Unzuverlässigkeit i.S.v. § 13
I 1 Nr.2 PBefG. Ein Unternehmer gilt nach § 1 I PBZugV als zuverlässig im Sinne
des § 13 I 1 Nr.2 PBefG, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen,
dass bei der Führung des Unternehmens die für den Straßenpersonenverkehr
geltenden Vorschriften missachtet oder die Allgemeinheit bei dem Betrieb des
Unternehmens geschädigt oder gefährdet werden. Nach § 1 II Nr.2 lit.d PBZugV
bieten schwere Verstöße gegen die abgabenrechtlichen Pflichten, die sich aus
unternehmerischer Tätigkeit ergeben, Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des
Unternehmers.
Der Kläger hat festgesetzte Steuern spätestens seit 2008 nicht bzw. nicht
pünktlich gezahlt und somit diese abgabenrechtliche Pflicht in erheblichem Maße
verletzt. Staat und Gemeinden sind auf den pünktlichen Eingang der von ihnen
erhobenen Steuern und Abgaben angewiesen, um ihren Verpflichtungen
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erhobenen Steuern und Abgaben angewiesen, um ihren Verpflichtungen
gegenüber der Allgemeinheit genügen zu können. Indem der Kläger seinen
finanziellen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, hat er das Wohl der
Allgemeinheit geschädigt. Eine ungünstige Zukunftsprognose ergibt sich
vorliegend bereits aus dem gezeigten Verhalten des Klägers (vgl. Bay.VGH
München 11.Senat, Entscheidung vom 08.10.2009, Az.11 CS 09.680). Soweit der
Kläger geltend macht, aus abgeschlossenen Sachverhalten könne keine
Zukunftsprognose erstellt werden, geht der Einwand schon deshalb ins Leere, weil
der Kläger nach wie vor seine abgabenrechtlichen Zahlungspflichten nicht erfüllt.
So ergibt sich aus der Aufstellung des Finanzamtes A-Stadt I vom 27.10.2009,
dass er auch seine Einkommensteuervorauszahlungen für das 2. und 3. Quartal
2009 nicht beglichen hat.
Die Entziehung der erteilten Taxengenehmigungen wegen Unzuverlässigkeit und
fehlender Leistungsfähigkeit steht gemäß § 25 I PBefG nicht im Ermessen der
Behörde. Der Widerruf der Genehmigung dient dem Schutz der Allgemeinheit und
der Fahrgäste und steht daher im Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip.
Allenfalls in extremen Ausnahmefällen kann die Entziehung der Genehmigung
gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen (vgl. BVerwG 11.Senat,
Entscheidung vom 25.10.1996, Az.11 B 53/96). Ein solcher Fall ist weder dargelegt
noch ersichtlich.
Im Übrigen bestehen sowohl gegen die geforderte Einziehung der Genehmigungs-
urkunden gemäß § 17 V PBefG als auch gegen die Androhung eines Zwangsgeldes
in Höhe von 250,-€ gemäß §§ 69,76 VwVG und die Kostenforderung in Höhe von
181,57€ gemäß § 56 PBefG i.V.m. §1 PBefGKostV, §§ 10 I, 15 II VwKostG keine
rechtlichen Bedenken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 I VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 167
I, II VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.