Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 08.04.2010

VG Frankfurt: diskriminierung, probezeit, beendigung, anforderung, rechtfertigung, beurlaubung, stellenausschreibung, qualifikation, berufserfahrung, nichterfüllung

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Gericht:
VG Frankfurt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 L 3428/09.F
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 9 BeamtStG, § 3 Abs 4
GleichstG HE, § 10 Abs 3
GleichstG HE, § 10 Abs 1
GleichstG HE, § 7 Abs 1 AGG
Bewerbungsverfahrensanspruch; Beurlaubung
Frage der Berücksichtigung von beurlaubten Beamten im
Beförderungsverfahren
Leitsatz
Diskriminierung wegen des Geschlechts; Anforderungsprofil; diskriminierendes
Anforderungsmerkmal; Anforderungen als Rechtfertigung einer Diskriminierung;
Elternzeit
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstands wird auf 7.858,50 € festgesetzt.
Gründe
Das Begehren ist im Hinblick auf die ausdrückliche Einschränkung im Antrag auf
Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung des Anspruchs der
Antragstellerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihre Bewerbung auf
Stellen für eine qualifizierte Sachbearbeiterin mit herausgehobenen Kenntnissen
beim Polizeipräsidium Frankfurt am Main gemäß Nr. 3 der Stellenausschreibung
vom 2. September 2009 gerichtet. Der Antrag ist gemäß § 123 Abs. 1 VwGO
zulässig. In der Sache hat er jedoch keinen Erfolg, da die Antragstellerin einen
Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §
920 Abs. 2 ZPO). Der Antragsgegner hat die Antragstellerin bei seiner
Auswahlentscheidung nicht in ihrem von Art. 33 Abs. 2 GG, Art. 134 HV, § 9
BeamtStG, § 10 Abs. 1 S. 1 HGlG gewährleisteten Recht auf chancengleichen
Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Maßgabe von Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung verletzt.
Die Antragstellerin kann sich nicht auf einen Rechtsanspruch auf Beförderung oder
einen Anspruch auf Schaffung entsprechender Beförderungsplanstellen berufen.
Ihr steht lediglich das Recht zu, sich zu bewerben; in diesem Rahmen hat sie einen
Anspruch auf eine rechtsfehlerfreie Auswahlentscheidung unter Beachtung des
Grundsatzes der Bestenauslese (Art. 33 Abs. 2 GG). Der hieraus folgende
Bewerbungsverfahrensanspruch, dessen Sicherung allein Gegenstand dieses
Verfahrens sein kann, zielt auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung des
Dienstherrn unter Einhaltung des gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrens
einschließlich etwaiger Anhörungs- und Beteiligungsrechte. Der Dienstherr muss
bei seiner Auswahlentscheidung im Rahmen seiner Ermessensausübung all das
berücksichtigen, was für die Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher
Leistung der Bewerberinnen und Bewerber im Hinblick auf das Anforderungsprofil
der zu besetzenden Stelle von Bedeutung ist. Hierbei darf er jedoch im Rahmen
sachgerechter Beurteilung nach eigenem Ermessen darüber entscheiden, welchen
Gesichtspunkten er bei der Besetzung der Stelle Bedeutung beimisst und welche
Bewerberin, welchen Bewerber er auf der Grundlage des jeweiligen
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Bewerberin, welchen Bewerber er auf der Grundlage des jeweiligen
Anforderungsprofils als die oder den am Besten geeignete(n) erachtet, solange er
hierdurch das Prinzip der Bestenauslese nicht in Frage stellt. Nach diesen
Maßgaben besteht ein Anordnungsanspruch nur dann, wenn die übergangene
Bewerberin glaubhaft machen kann, dass das Auswahlverfahren oder die darauf
beruhende Auswahlentscheidung fehlerhaft ist und ihre Bewerbung bei
Durchführung eines ordnungsgemäßen Auswahlverfahrens möglicherweise
erfolgreich gewesen wäre. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Die Stellen, auf die sich die Bewerbung der Antragstellerin richtet, wurden
ordnungsgemäß entsprechend § 8 Abs. 1 HGlG unter gleichzeitiger Bekanntgabe
eines Anforderungsprofils ausgeschrieben. Sowohl die Frauenbeauftragte als auch
der zuständige Personalrat wurden zuvor – auch bei der Festlegung des
Anforderungsprofils – ordnungsgemäß beteiligt; Einwendungen haben sie nicht
erhoben. Weitere Anforderungen an die Beteiligung der Frauenbeauftragten hatte
der Antragsgegner entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht zu beachten.
Es genügte, dass der Antragsgegner die Frauenbeauftragte bei der Festlegung des
Anforderungsprofils beteiligte. Weder war die Frauenbeauftragte zur Abgabe einer
Stellungnahme verpflichtet noch musste der Antragsgegner eine entsprechende
Stellungnahme einholen. Die Beteiligung der Frauenbeauftragten durch die
Dienststellenleitung beschränkt sich insoweit nach § 16 Abs. 3 HGlG auf die
Unterrichtung über die beabsichtigte Maßnahme und die Einräumung der
Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Ebenso wenig war der Antragsgegner –
entgegen der Auffassung der Antragstellerin – gehalten, von sich aus zu einzelnen
Anforderungsmerkmalen – hier insbesondere zu dem hier im Vordergrund
stehenden Anforderungsmerkmal „mindestens zweieinhalbjährige
tätigkeitsbezogene Verwendungserfahrung nach Beendigung der
laufbahnrechtlichen Probezeit“ – noch substantiierte Angaben zu machen, etwa zu
den Motiven und Beweggründen für diese Merkmale. Erst recht musste der
Antragsgegner gegenüber der Frauenbeauftragten nicht ohne besonderen Anlass
darlegen, dass und ggf. wie viele sich in Elternzeit befindende Bewerberinnen und
Bewerber von diesem Anforderungsmerkmal nachteilig betroffen sein könnten. Es
wäre jedenfalls für die Beurteilung der hier erfolgten Ausschreibung Sache der
Frauenbeauftragten gewesen, hierüber nähere Informationen einzuholen, sofern
sie derartige Informationen für ihre Mitwirkung als sachgerecht oder erforderlich
erachtet hätte. Eine dahingehende Rechtspflicht des Antragsgegners bestand hier
jedoch nicht.
Auch die übrigen verfahrensrechtlichen Anforderungen hat der Antragsgegner
hinreichend beachtet, da die Frauenbeauftragte und der Personalrat der
Auswahlentscheidung zugestimmt haben und ein schriftlicher Auswahlvermerk
erstellt wurde. Auch hat der Antragsgegner die Antragstellerin nach Abschluss des
Verfahrens über seine Auswahlentscheidung unter Angabe der maßgebenden
Gründe in knapper, aber im Ergebnis noch ausreichender Weise informiert.
In der Sache ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner die
Antragstellerin nicht für eine Stellenbesetzung ausgewählt hat.
Aus dem Verwaltungsvorgang lässt sich insoweit entnehmen, dass der
Antragsgegner die Bewerbung der Antragstellerin vom 10. September 2009 sowie
eine am 15. September 2009 erstellte Eignungsprognose von K 13 im Hinblick auf
die ausgeschriebenen Stellen entgegengenommen hat. Er hat des Weiteren die
Bewerbungsunterlagen sowie die die Antragstellerin betreffende Personalakte
ausgewertet. Ausweislich einer Besprechungsnotiz vom 29. September 2009 (Bl.
137a des Verwaltungsvorgangs) hat der Antragsgegner jedoch intern entschieden,
die Antragstellerin im weiteren Verfahren nicht mehr zu berücksichtigen, da sie die
in der Stellenausschreibung genannte zwingende Voraussetzung einer mindestens
zweieinhalbjährigen tätigkeitsbezogenen Verwendungserfahrung nach Beendigung
der laufbahnrechtlichen Probezeit nicht erfülle.
Diese Einschätzung des Antragsgegners begegnet keinen Bedenken. Die
Antragstellerin beendete ihre laufbahnrechtliche Probezeit am 31. Januar 2007 und
wurde mit Wirkung vom 1. Februar 2007 zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt. Das
genannte Anforderungsmerkmal erfüllte sie jedoch zum Zeitpunkt der
Auswahlentscheidung nicht, da sie seit dem 1. Februar 2009 Elternzeit unter
vollständiger Freistellung vom Dienst in Anspruch nimmt, die derzeit auch noch
andauert. Die Dauer ihrer tätigkeitsbezogenen Verwendungserfahrung betrug
mithin zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nur zwei Jahre. Im Hinblick darauf
war der Antragsgegner nicht mehr verpflichtet, bezüglich der Antragstellerin noch
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war der Antragsgegner nicht mehr verpflichtet, bezüglich der Antragstellerin noch
in einen Vergleich ihrer Qualifikation mit der Qualifikation der übrigen Bewerber und
Bewerberinnen einzutreten. Er durfte vielmehr die Antragstellerin, die ein
zwingendes Merkmal des Anforderungsprofils der ausgeschriebenen Stellen nicht
erfüllt, aus dem weiteren Verlauf des Bewerbungsverfahrens ausschließen, da die
umfassende Erfüllung des Anforderungsprofils eine zwingende Voraussetzung für
den Erfolg einer Bewerbung ist und der Antragsgegner einer Person, die auch nur
ein obligatorisches Merkmal des Anforderungsprofils nicht erfüllt, die
Beförderungsstelle nicht übertragen darf.
Diese Entscheidung des Antragsgegners ist auch im Hinblick auf übergeordnete
rechtliche Gesichtspunkte nicht zu beanstanden. Insbesondere bewirkt sie keine
unzulässige Diskriminierung der Antragstellerin wegen des Geschlechts.
Allerdings erfüllt die Antragstellerin das genannte zwingende
Anforderungsmerkmal nur deshalb nicht, weil sie seit dem 1. Februar 2009
Elternzeit in Anspruch nimmt. Denn allein die Beurlaubung wegen der Geburt und
der nachgeburtlichen Betreuung eines Kindes hat hier dazu geführt, dass die
Antragstellerin nur eine Verwendungserfahrung von 2 Jahren vorweisen kann. Im
Hinblick auf den Umstand, dass erfahrungsgemäß überwiegend Frauen Elternzeit
in Anspruch nehmen, könnte sich die Festlegung dieses Anforderungsmerkmals
grundsätzlich als mittelbar diskriminierend im Hinblick auf die
Geschlechtszugehörigkeit und folglich im Hinblick auf § 7 Abs. 1 AGG i. V. m. § 24
Nr. 1, §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AGG, § 3 Abs. 4 S. 2
HGlG, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, Art. 1 HV als rechtlich unzulässig erweisen. Dieser
Prüfung steht nicht entgegen, dass Anforderungsprofile vom Dienstherrn
grundsätzlich nach seinem weiten Personal- und Organisationsermessen
aufgestellt werden und die gerichtliche Überprüfbarkeit daher stark eingeschränkt
ist. Die Antragstellerin kann im Hinblick auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 AGG sämtliche
Auswahlkriterien, d. h. auch die der Auswahl zugrunde liegenden Merkmale eines
Anforderungsprofils daraufhin überprüfen lassen, ob dadurch eine unzulässige
Diskriminierung wegen eines in § 1 AGG genannten Merkmals bewirkt wird.
Aus den nachfolgend dargelegten Gründen kann hier jedoch keine derartige
Diskriminierung festgestellt werden.
Unabhängig davon, dass das Anforderungsprofil nicht maßgebend an der
Inanspruchnahme von Elternzeit anknüpft, sondern lediglich einen
Mindestzeitraum tätigkeitsbezogener Verwendungserfahrung fordert und Personen
mit Beurlaubungszeiten insoweit schlechter stellt, ist zu berücksichtigen, dass der
Annahme einer Diskriminierung womöglich schon entgegensteht, dass sich die
Antragstellerin im Verhältnis zu den übrigen Bewerberinnen und Bewerbern nicht in
einer vergleichbaren Lage befindet, da diese – anders als die Antragstellerin – zum
Zeitpunkt des Auswahlverfahrens aktiv Dienst leisteten. Beurlaubte Personen und
Personen, die aktuell einer Beschäftigung nachgehen, befinden sich schon im
Hinblick darauf nicht in einer vergleichbaren Lage, sodass es schon an dieser
Grundvoraussetzung für die Annahme einer Diskriminierung fehlen würde, die sich
mittlerweile auch aus § 3 Abs. 1 AGG ausdrücklich ergibt (vgl. auch von Roetteken
§ 10 HGlG Rn. 110 m. w. N., insbesondere aus der Rechtsprechung des EuGH).
Der Antragsgegner hat durch die Aufnahme des Merkmals
Verwendungsmindesterfahrung in das Anforderungsprofil auch nicht gegen das
aus § 10 Abs. 3 S. 2 HGlG sich ergebende Gebot verstoßen, wonach
Beurlaubungen aufgrund der Betreuung von Kindern – wie hier durch die
Inanspruchnahme von Elternzeit gegeben – sich nicht nachteilig auf die dienstliche
Beurteilung auswirken und das berufliche Fortkommen nicht beeinträchtigen
dürfen. Die Antragstellerin wird sich im Hinblick auf diese Bestimmung nicht darauf
berufen können, schon während der Dauer der Elternzeit in gleicher Weise wie die
aktiv Beschäftigten an Maßnahmen des beruflichen Fortkommens in der
Dienststelle teilnehmen zu können. Die Vorschrift dürfte vielmehr nur einen
Anspruch auf einen entsprechenden Nachteilsausgleich nach Rückkehr aus der
Elternzeit in den aktiven Dienst begründen (von Roetteken, a.a.O., Rn. 110f.). Nur
dies fordert im Übrigen auch Art. 16 RL 2006/54/EG, als dessen Konkretisierung §
10 Abs. 3 HGlG auch anzusehen sein dürfte und auf den die Antragstellerin sich
ebenfalls berufen kann. Für den Fall der Nichtberücksichtigung einer beurlaubten
Person in einem zum Zeitpunkt der Beurlaubung durchgeführten
Auswahlverfahren dürfte hingegen § 10 Abs. 3 S. 2 HGlG keine besonderen
Anforderungen begründen.
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Das kann letztlich jedoch offen bleiben. Die Nichtberücksichtigung der
Antragstellerin wegen der Nichterfüllung des genannten Anforderungsmerkmals
erscheint nämlich selbst auf der Grundlage einer Überprüfung nach Maßgabe der
für die Rechtmäßigkeit einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung
bedeutsamen Kriterien als zulässig.
Zu dieser Prüfung gibt der Umstand Anlass, dass der Antragsgegner auf
ausdrückliche Nachfrage der Kammer bekundet hat, er hätte die Antragstellerin
ungeachtet der Inanspruchnahme der Elternzeit im weiteren Verlauf des
Auswahlverfahrens berücksichtigt, wenn sie die erforderliche
Verwendungsmindesterfahrung nach Beendigung der laufbahnrechtlichen
Probezeit hätte vorweisen können. Folglich beruht der Ausschluss der
Antragstellerin vom weiteren Verfahren ausschließlich und unmittelbar auf dem
Umstand, dass sie ihren Anspruch auf Elternzeit geltend gemacht hat. Insofern
führt das hier maßgebende Merkmal des Anforderungsprofils zu einer mittelbaren
Benachteiligung der Antragstellerin wegen ihres Geschlechts, weil Frauen Elternzeit
wesentlich häufiger als Männer in Anspruch nehmen (§ 3 Abs. 2 AGG, § 3 Abs. 4 S.
2 HGlG).
Die Voraussetzungen einer Rechtfertigung bestimmen sich bundesrechtlich nach §
3 Abs. 2 AGG, landesrechtlich nach § 3 Abs. 4 S. 2 HGlG i. V. m. § 2 Abs. 3 S. 1
AGG. Landesrechtlich setzt die Rechtfertigung einer mittelbaren Diskriminierung
voraus, dass die konkret zu beurteilende Maßnahme, das zu beurteilende
Kriterium oder Verfahren sich als zwingend notwendig erweist. Dieser schärfere
landesrechtliche Maßstab, der hier vorrangig zugrunde zu legen ist, entspricht
sachlich den Voraussetzungen für eine unmittelbare Diskriminierung wegen des
Geschlechts aufgrund beruflicher Anforderungen (§ 8 Abs. 1 AGG), wie sich aus
dem in § 5 Abs. 4 S. 2 HGlG enthaltenen vergleichbaren Rechtsprinzip ergibt. Der
durch § 10 Abs. 3 S. 2 HGlG begründete Gleichstellungsanspruch will
Benachteiligungen wegen des Geschlechts verhindern, kann aber deshalb nicht
weiter reichen, als das Verbot einer unmittelbaren Diskriminierung wegen des
Geschlechts selbst. Dieses Verbot wird nämlich seinerseits durch das Verbot der
mittelbaren Diskriminierung in § 3 Abs. 4 S. 2 HGlG deshalb konkretisiert, um die
Durchführung des Verbots jeglicher Diskriminierung wegen des Geschlechts zu
gewährleisten und Umgehungen zu verhindern.
Die Anforderung einer mindestens zweieinhalbjährigen tätigkeitsbezogenen
Verwendungserfahrung nach Beendigung der laufbahnrechtlichen Probezeit
erweist sich als eine wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit wesentliche und
entscheidende berufliche Anforderung einerseits, die andererseits einem
rechtmäßigen Zweck dient und auch angemessen ist (§ 8 Abs. 1 AGG). Die mit der
Verwendung dieses Merkmals einhergehende Benachteiligung der Antragstellerin
ist folglich nicht rechtswidrig.
Der Antragsgegner hat auf entsprechende Nachfrage der Kammer im Einzelnen
und substantiiert in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass das genannte
Anforderungsmerkmal aus seiner Sicht erforderlich ist, um im Rahmen der
Beförderungsauswahl sicherzustellen, dass Oberkommissarinnen und
Oberkommissare mit einem gewissen Mindestmaß konkreter Diensterfahrung
Verwendung finden und solche Personen derzeit auf den Dienststellen innerhalb
der Behörde des Antragsgegners dringend benötigt werden, um den großen Anteil
der jungen Beamtinnen und Beamten mit – noch – weniger Diensterfahrung im
täglichen Dienstgeschehen anzuleiten und zu begleiten. Dieser Gesichtspunkt war
bereits Gegenstand der Besprechung am 29. September 2009 (Bl. 137a d.
Verwaltungsvorgangs); er findet sich auch im Auswahlvermerk vom 6. Oktober
2009. Der Antragsgegner hat zudem in seinem Schriftsatz vom 17. März 2010
noch im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen diese Anforderung auch im
Hinblick auf die Bedingungen der beruflichen Tätigkeit, die auf den
ausgeschriebenen Dienstposten zu verrichten ist, gerechtfertigt ist und somit eine
wesentliche berufliche Anforderung im Sinne von § 8 Abs. 1 AGG darstellt. Die
Kammer hat keinen Anlass, diese Darlegungen in Frage zu stellen; die
Antragstellerin hat sich hierzu nicht geäußert. Der mit diesem
Anforderungsmerkmal verfolgte Zweck, nur in einem gewissen Mindestmaß
erfahrenen Sachbearbeitern und Sachbearbeiterinnen mit entsprechend
weitreichendem Kenntnisstand herausragende, qualifizierte Tätigkeitsbereiche zu
übertragen und ihnen damit auch die Aufgabe und Verantwortung anzuvertrauen,
zur beruflichen Begleitung und Weiterentwicklung der weniger erfahrenen
Beamtinnen und Beamte beizutragen, ist im Sinne einer hinreichenden und
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Beamtinnen und Beamte beizutragen, ist im Sinne einer hinreichenden und
effizienten Erfüllung der im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben des
Antragsgegners als rechtmäßiger Zweck i. S. v. § 8 Abs. 1 AGG und § 3 Abs. 4 S. 2
HGlG anzusehen.
Der Antragsgegner hat auch im Einzelnen und in nachvollziehbarer Weise die
Erforderlichkeit und Angemessenheit des Merkmals „mindestens
zweieinhalbjährige tätigkeitsbezogene Verwendungserfahrung nach Beendigung
der laufbahnrechtlichen Probezeit“ dargelegt. Die Verwendungserfahrung stellt
sicher, dass mit den herausgehobenen Tätigkeiten, die auf den ausgeschriebenen
Stellen wahrzunehmen sind, nur in einem gewissen Mindestumfang durch
berufspraktische Erfahrungen qualifizierte Beamtinnen und Beamte betraut
werden und für die zahlreichen dienstjüngeren Beschäftigten hinreichend
qualifizierte Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Der Antragsgegner hat das
zahlenmäßige Verhältnis von erfahrenen und weniger erfahrenen Beschäftigten in
seinem Behördenbereich durch statistische Übersichten dargelegt und damit
seine Behauptungen nachvollziehbar gemacht. Diese Darlegungen des
Antragsgegners sind zur Überzeugung der Kammer hinreichend geeignet, auch
die Angemessenheit dieses Anforderungsmerkmals zu belegen. Es ist
nachvollziehbar, dass die polizeiliche Ermittlungstätigkeit jedenfalls im hier
festgelegten Umfang auch auf praktischer Berufserfahrung beruht und ohne eine
derartige Berufserfahrung, d. h. in diesem Fall auch Qualifizierung, die Qualität der
polizeilichen Arbeit zum Nachteil der Bürger/innen leiden würde.
Der Ausschluss der Antragstellerin vom weiteren Auswahlverfahren im Hinblick auf
die Nichterfüllung des genannten Merkmals des Anforderungsprofils benachteiligt
mithin die Antragstellerin nicht in unzulässiger Weise wegen ihres Geschlechts und
verstößt deshalb auch nicht gegen § 10 Abs. 3 S. 2 HGlG.
Der Antragsgegner darf aus Rechtsgründen in seinen Qualifikationsvergleich nur
diejenigen Bewerberinnen und Bewerber aufnehmen, die uneingeschränkt die
zwingenden - nicht diskriminierenden - Merkmale des Anforderungsprofils erfüllen.
Als unterliegende Beteiligte hat die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens zu
tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).
Es entspricht nicht der Billigkeit, die Erstattungsfähigkeit etwaiger
außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen anzuordnen, da diese keine eigenen
Sachanträge gestellt und sich mithin nicht am Prozesskostenrisiko beteiligt haben
(§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 3, § 52 Abs. 5 GKG. Der
Hauptsachestreitwert (Endgrundgehalt Besoldungsgruppe A 10 BBO x 6,5) ist im
Hinblick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung im Eilverfahren auf 3/8 zu kürzen.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.