Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 24.01.2011

VG Frankfurt: rechtswidrigkeit, feststellungsklage, vertreter, beamter, verwaltungsakt, erlass, beschränkung, verfügung, vertretung, rechtsverletzung

1
2
3
4
Gericht:
VG Frankfurt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 K 2369/10.F
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 87a VwGO, § 101 Abs 2
VwGO
Beschränkung der Zuständigkeit eines stellvertretenden
Behördenleiters in Personalangelegenheiten
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht das beklagte
Bundeseisenbahnvermögen vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender
Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine Anordnung seines Behördenleiters zur
Beschränkung von Entscheidungsbefugnissen in Personalangelegenheiten
während einer krankheitsbedingten Abwesenheit des Behördenleiters.
Der Kläger ist als leitender Regierungsdirektor erster Vertreter des Leiters der
Dienststelle A des Beklagten und zugleich Sachgebietsleiter für das Sachgebiet 1
mit dem Geschäftskreis „Personalverwaltung, Personalwirtschaft,
Personalkostenabrechnung, Personalangelegenheiten der Beamten,
Beamtenversorgungsrecht, Bildungswesen, Zentrale Dienste“. Der Leiter dieser
Behörde hatte unter dem 16. Oktober 2010 ein an alle drei Sachgebietsleitungen
seiner Dienststelle gerichtetes Schreiben verfasst, in dem er für die Zeit seiner
Abwesenheit die Ausführung von Personaldispositionen für den Bereich 901
(Mitarbeiter/innen der Dienststelle A und seiner Außenstelle in S.) und für den
Verwaltungsbereich des DÜV (Beschäftigte im Bereich von
Dienstleistungsüberlassungsverträgen) ohne die schriftliche Mitwirkung des Leiters
der Dienststelle untersagte. Anschließend teilte der Leiter der Dienststelle A den
Adressaten, darunter dem Kläger mit, wo und wie er während der nächsten
Monate erreicht werden könne, indem verschiedene Kliniken und Telefonnummern
angegeben wurden.
Die krankheitsbedingte Abwesenheit des Leiters der Dienststelle A endete mit
Ablauf des 28. Februar 2010.
Der Kläger erhob durch seine Bevollmächtigten am 18. Januar 2010 Widerspruch
gegen die Anordnung seines Dienststellenleiters vom 16. Oktober 2009 und
machte geltend, während der Zeit der Dienstunfähigkeit sei der Dienststellenleiter
nicht Vorgesetzter i. S. d. § 3 Abs. 3 BBG, der innerdienstliche Anordnungen
erteilen oder vom Krankenbett aus an beamten- und laufbahnrechtlichen
Angelegenheiten mitwirken könne. Der ständige Vertreter, d. h. der Kläger, könne
während eines solchen Zeitraums allein entscheiden. Auch seien ihm die Aufgaben
eines ständigen Vertreters nicht entzogen worden. Die Verfügung sei daher
aufzuheben, und es sei klarzustellen, dass der Kläger als Sachbereichsleiter 1 im
Rahmen der ständigen Vertretung des Dienststellenleiters eigenständig und ohne
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
Rahmen der ständigen Vertretung des Dienststellenleiters eigenständig und ohne
schriftliche Mitwirkung des Dienststellenleiters über die Ausführung von
Personaldispositionen in den bereits genannten Bereichen entscheiden könne.
Die Hauptverwaltung der Beklagten teilte dem Kläger mit Schreiben vom 28. Mai
2010 mit, das Widerspruchsverfahren werde eingestellt, da sich die streitige
Verfügung vom 10. September 2009 durch den Dienstantritt des Leiters der
Dienststelle A am 1. März 2010 erledigt habe. Nachdem der Kläger daraufhin
einen Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der früheren Anordnung
durch Erlass eines Widerspruchsbescheides geltend gemacht hatte, wies die
Hauptverwaltung des Beklagten den Widerspruch des Klägers mit
Widerspruchsbescheid vom 9. August 2010 zurück, da der Widerspruch unzulässig
sei. Die Anordnung vom September 2009 habe sich erledigt. Ein schützwürdiges
Interesse an der begehrten Feststellung bestehe nicht.
Mit seiner am 9. September 2010 erhobenen Klage begehrt der Kläger die
Aufhebung des Bescheides vom 28. Mai 2010 und des Widerspruchsbescheides
vom 9. August 2010 sowie die Feststellung, dass die Anordnung vom 16.
September 2009 rechtswidrig sei. Er macht über den Vortrag im
Verwaltungsverfahren hinaus geltend, sie bewirke eine Diskriminierung. Zudem
habe die Anordnung nur mit Zustimmung der Hauptverwaltung erlassen werden
dürfen. Im Übrigen bestehe Wiederholungsgefahr. Es sei zu einer Aufhebung des
wesentlichen Aufgabenbereichs des Klägers gekommen,
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Hauptverwaltung des Beklagten vom 28. Mai 2010 in der
Fassung des Widerspruchsbescheides vom 9. August 2010 aufzuheben,
2. festzustellen, dass die Verfügung des Leiters der Dienststelle A des Beklagten
vom 16. Oktober 2009, mit welcher dem Kläger Personaldispositionen „für den
Bereich 901 sowie für den Verwaltungsbereich des DÜV“ ohne schriftliche
Mitwirkung des Leiters für die Zeit seiner (krankheitsbedingten) Abwesenheit
untersagt werden, rechtswidrig ist.
Das beklagte Bundeseisenbahnvermögen beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hält die Klage für unzulässig, weil hinsichtlich des Bescheides vom 28. Mai 2010
nur die Leistungsklage in Betracht komme. Die Anordnung vom 16. September
2009 stelle keinen Verwaltungsakt dar. Die Feststellungsklage sei schon deshalb
unzulässig, weil der Kläger keine Rechtsverletzung analog § 42 Abs. 2 VwGO
geltend machen könne. Die Anordnung des Leiters der Dienststelle A berühre den
Kläger nicht in seinen Rechten, da es sich um einer innerdienstliche Maßnahme
handele, die sich im gesetzlichen Rahmen des Weisungsrechts bewege. Für den
Feststellungsantrag fehle zudem das nötige Feststellungsinteresse. Insbesondere
fehle ein Rehabilitationsinteresse. Im Übrigen sei die Anordnung vom September
2009 rechtlich nicht zu beanstanden, weil sie innerhalb es Ermessensspielraums
des Dienststellenleiters ergangen sei.
Ein Heftstreifen Verwaltungsvorgänge und ein Band Personalakten des Beklagten,
betreffend den Kläger, haben vorgelegen. Auf ihren Inhalt und den der
Gerichtsakte wird zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Im Einverständnis mit den Beteiligten ergeht die Entscheidung allein durch den
Vorsitzenden (§ 87a Abs. 2 VwGO) und ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2
VwGO).
Die Klage ist unzulässig.
Die Einstellung eines Widerspruchsverfahrens ist kein eigenständiger
Verwaltungsakt, sondern eine reine Verfahrensmaßnahme, die nicht auf den Erlass
einer Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalls mit Außenwirkung abzielt. Ein
sachlicher Regelungsgehalt ist daher mit dem vorgeblichen Bescheid vom 28. Mai
2010 nicht verbunden. Die Einstellungsentscheidung machte lediglich den Weg für
den Kläger frei, nach der durch § 126 Abs. 2 BBG gebotenen
Widerspruchseinlegung entsprechend § 75 VwGO in zulässiger Weise Klage zu
erheben.
16
17
18
19
20
Hinsichtlich des Widerspruchsbescheides ist die Klage ebenfalls unzulässig, und
zwar schon deshalb, weil der Kläger ihn lediglich auf den vorgeblichen Bescheid
vom 28. Mai 2010 bezieht, nicht jedoch auf die eigentlich betroffene Anordnung
vom 16. September 2009. Würde man den Widerspruchsbescheid gleichwohl auch
oder gar allein auf diese Anordnung beziehen, hängt die Zulässigkeit des –
formellen – Aufhebungsverlangens davon ab, ob die nachfolgend erhobene
Feststellungsklage zulässig ist. Da dies nicht der Fall ist, wie noch darzulegen ist,
erweist sich das Begehren zur Aufhebung des Widerspruchsbescheides, der hier
nur den Charakter eines formellen Verwaltungsaktes hat, als unzulässig.
Die Feststellungsklage ist unzulässig, weil sie sich entgegen den Voraussetzungen
in § 43 Abs. 1, 1. Alt. VwGO nicht auf die Feststellung eines gegenwärtig streitigen
Rechtsverhältnisses zwischen dem Kläger und seinem Dienstherrn richtet. Ein
solches Rechtsverhältnis hatte der Kläger noch am Schluss seines
Widerspruchsschreibens zur Feststellung durch den Dienstherrn bringen wollen, ist
davon jedoch noch während des Vorverfahrens abgerückt und zu dem in der
Klageschrift formulierten Feststellungsantrag übergegangen. Danach soll die
Rechtswidrigkeit der Anordnung vom 16. September 2009 festgestellt werden. Eine
solche Feststellung würde jedoch kein Rechtsverhältnis feststellen, sondern soll nur
eine abstrakte Rechtsfrage klären. Feststellt werden sollen nicht konkrete Rechte
oder Pflichten des Klägers bzw. seines Dienstherrn im wechselseitigen Verhältnis,
sondern die schlichet Rechtswidrigkeit einer behördlichen Anordnung, die unter
anderem gegenüber dem Kläger als weisungsgebundenem Beamten getroffen
worden war, und die sich nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten
zwischenzeitlich, nämlich durch den Dienstantritt des Behördenleiters am 1. März
2010 erledigt hat.
Die schlichte Feststellung der Rechtswidrigkeit einer behördlichen Maßnahme
kommt im Bereich der VwGO nur in Betracht, wenn die Rechtswidrigkeit eines
Verwaltungsaktes festgestellt werden soll, wobei dahin stehen kann, ob § 113 Abs.
1 S. 4 VwGO einen Unterfall der allgemeinen Feststellungsklage oder nicht
vielmehr – wozu das Gericht neigt - einen Sonderfall der Anfechtungsklage regelt.
Jedenfalls ist die Anordnung zur Art der Amtsführung des Klägers, erlassen am 16.
September 2009, mangels Zielrichtung nach außen kein Verwaltungsakt i. S. d. §
35 VwGO bzw. der § 42 Abs. 2, § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO. Es handelt sich um eine
innerdienstliche Maßnahme schlicht hoheitlicher Art (vgl. BVerwG B. v. 30.11.1993
– 2 B 156.93 – ZBR 1994, 250 = NVwZ 1994, 785). Daher kommt hinsichtlich einer
solchen Maßnahme weder die Feststellung ihrer Rechtswidrigkeit noch die
Feststellung ihrer sonstigen Unwirksamkeit in Betracht. Die auf eine mangelnde
Zulässigkeit gestützte Zurückweisung des mit dem Widerspruch zuletzt geltend
gemachten Feststellungsbehrens im Widerspruchsbescheid erweist sich daher
jedenfalls im Ergebnis als richtig.
Im Übrigen erweist sich die streitige Anordnung vom 16. September 2009
jedenfalls insoweit als rechtmäßig, wie mit ihrem Erlass keine Rechtsverletzung des
Klägers einhergeht. Er kann sich als dienstlichen Weisungen unterworfener
Beamter allenfalls insoweit auf eigene Rechte berufen, wie sein Anspruch auf
amtsangemessene Beschäftigung oder das Recht zur Führung des übertragenen
Amtes verletzt worden wäre. Weitergehende Rechte kann der Kläger insoweit nicht
geltend machen, da die Organisation des Dienstbetriebs im weiten
Organisationsermessen des Beklagten liegt und entsprechende Maßnahmen
grundsätzlich nicht geeignet sind, die Rechte der davon betroffenen Beamten und
Beamtinnen zu berühren. Vielmehr sind die Adressaten solcher
Organisationsmaßnahmen grundsätzlich verpflichtet, entsprechenden
Anordnungen nachzukommen (§ 62 BBG).
Der Kläger kann aus dem ihm übertragenen Amt weder in statusrechtlicher noch
in konkret-funktioneller Hinsicht ein Recht darauf ableiten, eine Anordnung, wie sie
am 16. September 2009 ergangen ist, nicht befolgen zu müssen. Das Recht zur
Führung des Amtes eines leitenden Regierungsdirektors in seiner Konkretisierung
durch die Übertragung des Amtes eines ständigen Vertreters des Behördenleiters
beinhaltet nicht das – individuelle - Recht, ohne eine Mitwirkung Vorgesetzter oder
ohne die Beachtung von deren inhaltlichen Vorgaben allein entscheiden zu
können. Die Vertretung des Dienststellenleiters für die Dauer seiner
krankheitsbedingten Abwesenheit oblag dem Kläger ohne Einschränkung. Er war
lediglich in der inhaltlichen Gestaltung der Aufgabenerfüllung an die vorherige
schriftliche Mitwirkung seines Vorgesetzten gebunden, soweit es um die näher
bezeichneten Personalangelegenheiten ging.
21
22
23
24
25
26
27
Die krankheitsbedingte Verhinderung des Behördenleiters führte hier nicht zu einer
Situation, die es diesem gesetzlich verboten hätte, über die schriftliche Mitwirkung
an bestimmten Personaldispositionen einen Teil seiner Amtsgeschäfte
weiterzuführen. Eine Erkrankung begründet dienstrechtlich die Möglichkeit, dem
Dienst fern zu bleiben, d. h. die Führung der Amtsgeschäfte zu verweigern, ohne
seine Dienstpflichten zu verletzen (§ 96 Abs. 1 BBG). Daraus folgt jedoch im
Gegensatz zu einer Maßnahme nach § 66 BBG kein Dienstführungsverbot. Es kann
sich nur dann und insoweit ergeben, wie ein erkrankter Beamter, eine erkrankte
Beamtin im Hinblick auf die Art der Erkrankung nicht mehr gewährleisten kann, die
übertragenen Amtsgeschäfte auch hinsichtlich derjenigen Teile, die noch
wahrgenommen werden, ordnungsgemäß und insbesondere entsprechend den
Pflichten des § 61 Abs. 1, § 63 Abs. 1 BBG zu erfüllen. In solchen Fällen würde ein
Beamter, eine Beamtin pflichtwidrig handeln, würde er oder sie gleichwohl
Amtsgeschäfte wahrnehmen. Individuelle Rechte der davon betroffenen Beamten
oder Beamtinnen würden sich aber auch daraus nicht ergeben.
Eine nur teilweise fortbestehende Dienstfähigkeit ermöglicht deshalb die auf
entsprechende Teile beschränkte Fortführung der Dienstgeschäfte, wenn nicht der
Dienstherr seinerseits gegenteilige Maßnahmen ergreift. Dies war hier nicht der
Fall.
Zur amtsangemessenen Beschäftigung eines ständigen Vertreters eines
Behördenleiters gehört daher nicht, dass bei jedem Fall krankheitsbedingter
Dienstunfähigkeit die Amtsgeschäfte der vertretenen Person in einer Weise
wahrgenommen werden können, als wäre der Vertreter selbst Amtsinhaber.
Daher war die Anordnung vom 16. September 2009 rechtmäßig und kann schon
deshalb keine Diskriminierung des Klägers darstellen, was immer er mit diesem
Vorwurf sachlich geltend machen will. Eine Herabwürdigung des Klägers war damit
jedenfalls nicht verbunden. Das in der Anordnung zum Ausdruck gebrachte
Misstrauen gegenüber dem Kläger wie gegenüber den anderen Sachgebietsleitern
oder –leiterinnen stellt als solches keine Herabwürdigung dar, sondern muss im
Rahmen des dienstlichen Verkehrs akzeptiert werden, zumal sie nicht nur den
Kläger, sondern auch die beiden anderen Sachgebietsleitungen betraf. Die
Änderung entsprechender Maßnahmen kann nur über den Beschwerdeweg an die
höheren Vorgesetzten (§ 125 BBG) erreicht werden. Diesen Weg mag der Kläger
durch seinen Widerspruch beschritten haben, obwohl nicht ausdrücklich eine
Beschwerde – neben dem Widerspruch – erhoben wurde. Die Hauptverwaltung des
Beklagten hat jedoch in Kenntnis der Ausführungen im Widerspruch und nach
Anhörung des Behördenleiters keinen Anlass gesehen, die Anordnung vom 16.
September 2009 aufzuheben oder zu beschränken. Dies hat der Kläger mangels
weitergehender Rechte hinzunehmen.
Da der Kläger unterliegt, hat er gemäß § 154 Abs.1 VwGO die Verfahrenskosten zu
tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §
708 Nr. 11, § 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich (§ 124a Abs. 1 S. 1,
§ 124 Abs.2 Nr. 3, 4 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.