Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 26.01.2006

VG Frankfurt: rücknahme, fachhochschule, präsidium, anfechtung, willenserklärung, weiterbildung, beamtenverhältnis, leiter, beamter, vollstreckung

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Gericht:
VG Frankfurt 9.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 E 2233/04
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 85b BG HE
Wirkung eines einmal gestellten Antrags auf Bewilligung
von Altersteilzeit eines Beamten
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die ihm bewilligte Altersteilzeit. Der Kläger ist
Beamter und als Regierungsoberrat beim Beklagten als Leiter der Abteilung
Weiterbildung der Fachhochschule Frankfurt am Main beschäftigt. Er beantragte
mit Schreiben vom 31.03.2003 (Bl. 4 der Verwaltungsvorgänge, Band 2) beim
Beklagten, ihm ab dem 1.05.2003 bis zu seiner Versetzung in den Ruhestand am
30.04.2009 Teilzeitbeschäftigung nach § 85b HBG (Altersteilzeit im Blockmodell)
zu gewähren. Mit Schreiben vom 15.05.2003 bewilligte der Beklagte dem Kläger
antragsgemäß Alterzeit im Blockmodell, nachdem das Präsidium der
Fachhochschule dies am 14.04.2003 beschlossen hatte (Bl. 5 der
Verwaltungsvorgänge, Band 2). In dem genannten Schreiben legte der Beklagte
fest, dass die Arbeitsphase von 1.05.2003 bis zum 30.04.2006 dauere und er den
Kläger vom 1.05.2006 bis zum 30.04.2009 vom Dienst frei stelle (Bl. 6 der
Verwaltungsvorgänge, Band 2). Mit Schreiben vom 20.07.2003 (Bl. 9 der
Verwaltungsvorgänge, Band 2) teilte der Kläger dem Beklagten mit,
unvorhergesehene und von ihm nicht beeinflussbare Ereignisse hätten
Änderungen in seiner Lebensplanung bewirkt, so dass er nunmehr seinen Antrag
auf Bewilligung von Altersteilzeit zurücknehme und Wiedereinsetzung in das
reguläre ungekürzte Dienstverhältnis beantrage. Am 10.11.2003 beschloss das
Präsidium der Fachhochschule den Antrag des Klägers auf Rücknahme der
Bewilligung von Altersteilzeit abzulehnen (Bl. 12 der Verwaltungsvorgänge, Band
2), was der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 20.11.2003 mitteilte (Bl. 13
der Verwaltungsvorgänge, Band 2). Gegen den Beschluss legte der Kläger mit
Schreiben vom 27.11.2003 (Bl. 1 der Verwaltungsvorgänge, Band 1) Widerspruch
ein, den er im Wesentlichen wie folgt begründete (Bl. 3 ff. der
Verwaltungsvorgänge, Band 1): Er habe Altersteilzeit in Anspruch genommen, um
in der Türkei ehrenamtlich beim Aufbau einer türkisch-kurdischen Universität in
Adana mitzuwirken. Wegen einer Änderung der politischen Rahmenbedingungen
hätten sich diese Absichten zerschlagen. Der Bescheid zur Bewilligung von
Altersteilzeit sei zum Zeitpunkt des Schreibens des Klägers vom 20.07.2003, das
als Widerspruch zu werten sei, mangels Rechtsbehelfsbelehrung noch nicht
bestandskräftig gewesen. Mit dem Widerspruch sei eine Anfechtung der
Willenserklärung des Klägers einhergegangen, weshalb der Bewilligung der
Altersteilzeit die Grundlage entzogen sei. Am 19.04.2004 beschloss das Präsidium,
die Anträge bzw. Widersprüche des Klägers ablehnend zu bescheiden (Bl. 17 der
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die Anträge bzw. Widersprüche des Klägers ablehnend zu bescheiden (Bl. 17 der
Verwaltungsvorgänge, Band 1). Der Beklagte, vertreten durch den Präsidenten der
Fachhochschule, wies den Widerspruch des Klägers mit Bescheid vom 29.04.2004
(Bl. 59 ff. der Gerichtsakte), dem Kläger am 3.5.2004 zugestellt (Bl. 26R der
Verwaltungsvorgänge, Band 1), zurück. Die Rücknahme des Antrags auf
Bewilligung von Altersteilzeit sei zum Zeitpunkt der Erklärung durch den Kläger
nicht mehr möglich gewesen. Nach Abwägung aller Umstände, insbesondere unter
Berücksichtigung der Planung der Fachhochschule habe das Präsidium zudem
festgestellt, dass dienstliche Belange der Rücknahme der Bewilligung von
Altersteilzeit entgegenstünden. Ein Härtefall sei ebenso wenig ersichtlich. Der
Kläger hat am 15.4.2004 Klage erhoben. Er könne seinen Antrag ohne Angabe von
Gründen zurücknehmen, solange der Bewilligungsbescheid noch nicht
bestandskräftig geworden sei. Sollte eine Rücknahme nicht möglich sein, hätte es
dem Beklagten oblegen, den Kläger auf diese Gefahr aufmerksam zu machen.
Zudem sei über den Antrag auf Rücknahme der Bewilligung ermessensfehlerhaft
entschieden worden. Den Planungen des Beklagten könne die Weiterbeschäftigung
des Klägers nicht entgegenstehen, da ein personeller Ausbau des
Beschäftigungsbereichs des Klägers beabsichtigt sei, so dass auch in Zukunft eine
Dienstleistungszentrale für den Weiterbildungsbereich erforderlich sei. Dem Kläger
sei im Gespräch mit dem Präsidenten die Rücknahme für den Fall zugesagt
worden, dass er dem künftigen Leiter eines Weiterbildungszentrums genehm sei.
Der Kläger beantragt,
den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 15.5.2003 aufzuheben;
hilfsweise,
unter Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 20.11.2003 in der Fassung
des Widerspruchsbescheids vom 29.4.2004 den Beklagten zu verpflichten, den
Antrag des Klägers auf Rücknahme des Bewilligungsbescheides unter
Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Bewilligungsbescheid sei bestandskräftig geworden, denn dieser
Verwaltungsakt sei ausschließlich begünstigend. Der Kläger könne seine
Willenserklärung auch nicht anfechten, denn es liege allenfalls ein unbeachtlicher
Motivirrtum vor. Eine Rücknahme des Antrags sei nach der Bewilligung nicht mehr
möglich. Die Fachhochschule wolle künftig die bisher fast ausschließlich zentral
organisierten Weiterbildungsaktivitäten viel mehr als bisher in Eigenregie der
Fachbereiche konzipieren und durchführen. Hierfür sei die Einrichtung eines
"Wissenschaftlichen Zentrums für Weiterbildung" geplant, dessen Leitung ein
Hochschullehrer übernehmen solle. Die Fachhochschule sei darauf angewiesen,
frei werdende Stellen gegebenenfalls anders zu nutzen. Eine Zusage der
Rücknahme sei nicht erfolgt. Die das Verwaltungsverfahren betreffenden
Behördenvorgänge (2 Bände) sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf diese Unterlagen
und die Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Die angegriffene Bewilligung von Altersteilzeit ist nicht wegen Fehlens des
erforderlichen Antrags rechtswidrig, und der Kläger ist durch die seinem Antrag
entsprechende Bewilligung nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1
VwGO).Der Kläger hat den für die Bewilligung der Altersteilzeit nach § 85b Abs. 1
HBG erforderlichen Antrag rechtswirksam gestellt. Der Kläger konnte seinen
wirksam gestellten Antrag nach Ergehen des diesem Antrag entsprechenden
Bescheides, d.h. nach dessen Bekanntgabe an ihn, nicht mehr ohne Zustimmung
des Beklagten mit der Folge zurücknehmen, dass dadurch die antragsgemäße
Bewilligung nachträglich rechtswidrig wurde. Die Bewilligung von Altersteilzeit
verändert die sich gegenüberstehenden Rechte und Pflichten des Beamten und
des Dienstherrn aus dem Beamtenverhältnis. Auf Seiten des Beamten setzt die
Rechtsänderung dessen Zustimmung durch den vorgesehenen Antrag voraus. Hat
der Dienstherr antragsgemäß die Altersteilzeit bewilligt, so ist die Änderung der
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der Dienstherr antragsgemäß die Altersteilzeit bewilligt, so ist die Änderung der
beiderseitigen Rechte und Pflichten insoweit rechtmäßig angeordnet, insbesondere
der darin liegende Eingriff in die Rechtsstellung des Beamten auf der Grundlage
seiner Zustimmung erfolgt. Mehr verlangt das Gesetz nicht, insbesondere kein
weiteres Fortbestehen der Zustimmung. An die rechtmäßig ausgesprochene
Bewilligung ist der Dienstherr gebunden und muss, soweit erforderlich,
Vorkehrungen für personelle Folgemaßnahmen treffen. Der Gegenseitigkeit der
Rechte und Pflichten im Beamtenverhältnis widerspräche es, wenn gleichwohl der
Beamte noch nach der Bewilligung des Urlaubs die Möglichkeit hätte, sich einseitig
von seiner Zustimmung zu lösen und durch Rücknahme des Antrags der
rechtmäßig ausgesprochenen Rechtsänderung nachträglich die Grundlage zu
entziehen (so auch zur entsprechenden Vorschrift im bremischen
Landesbeamtenrecht: OVG Bremen, Beschluss vom 19.12.2003 - 2 A 362/03 -,
NordÖR 2004, 78; dieser Rechtsprechung folgend: von Roetteken, HBR IV, § 85b
HBG, Rn. 42 mwN; ebenso für die Rücknahme eines Antrags auf Urlaub ohne
Dienstbezüge: BVerwG, Urteil vom 15.05 1997, - 2 C 3.96 -, BVerwGE 104, 375, für
die Rücknahme eines Antrags auf Versetzung in den Ruhestand: BVerwG,
Beschluss vom 17.09.1996 - 2 B 98.96 -, ZBR 1997, 20 und für die Rücknahme
eines Antrags auf Teilzeitbeschäftigung: BVerwG, Urteil vom 6.07.1989 - 2 C 52.87
-, BVerwGE 82, 196; für die Rücknahme eines Entlassungsantrags vgl. § 41 Abs. 1
Satz 3 HBG). Das gilt umso mehr, als im Zeitpunkt der Rücknahmeerklärung des
Klägers die Bewilligung nicht nur bereits bekannt gegeben war, sondern die
Altersteilzeit bereits begonnen hatte.Der Kläger hat seinen Antrag auch nicht
wirksam angefochten. Einem rechtlich bedeutsamen Irrtum über den Inhalt seiner
Willenserklärung (§ 119 Abs. 1 BGB) unterlag der Kläger bei Stellung des Antrags
nicht. Sein Vortrag in der mündlichen Verhandlung, er habe über rechtliche
Auswirkungen seiner Erklärung, nämlich über deren Nichtrücknehmbarkeit geirrt,
ist zum einen unschlüssig, weil er selbst vorgetragen hat, sich über eine eventuelle
Rücknahme gar keine Gedanken gemacht zu haben, weshalb er über die
Möglichkeit hierzu auch nicht im Irrtum sein konnte. Zum anderen stellt ein Irrtum
über die rechtlichen Wirkungen einer Erklärung auch keinen Inhaltsirrtum i.S.v. §
119 Abs. 1 BGB dar. Zudem stand es dem Kläger frei, sich über die rechtlichen
Wirkungen seines Antrags zu informieren, was ihm zudem der Beklagte mit
Schreiben vom 10.01.2003 (Bl. 3 der Verwaltungsvorgänge, Band 2) ausdrücklich
angeboten hat. Da der Kläger in dem diesem Angebot folgenden Gespräch die
Möglichkeit einer Rücknahme nicht angesprochen hat und auch nicht angedeutet
hat, seine Pläne für die Passivphase der Altersteilzeit könnten unsicher sein,
bestand auch für den Beklagten keinen Anlass, von sich aus auf diese - im
Regelfall wohl eher fernliegende - Möglichkeit einzugehen. In dem Unterlassen
einer solchen Information ist deshalb auch kein Anfechtungsgrund zu sehen und
zwar unabhängig davon, ob es sich - was der Kläger nicht ausdrücklich erklärt hat -
um eine Anfechtung wegen Irrtums oder wegen arglistiger Täuschung (§ 123 Abs.
1 BGB) handeln sollte. Eigentlich handelt es sich bei der vom Kläger erklärten
Anfechtung um eine solche wegen eines - grundsätzlich unbeachtlichen -
Motivirrtums. Die vom Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung
angesprochene angeblich weggefallene Geschäftsgrundlage kann schon deshalb
nicht zur Rechtswidrigkeit der Bewilligung führen, weil der Kläger seine
Zukunftspläne und/oder deren mögliches Scheitern gerade nicht zum Gegenstand
seines Antrags und damit auch nicht zum Inhalt einer möglichen
Geschäftsgrundlage gemacht hat.
Der Kläger hat auch mit seinem Hilfsantrag keinen Erfolg. Der damit angegriffene
Bescheid, mit dem der Beklagte die Rücknahme der Bewilligung von Altersteilzeit
abgelehnt hat sowie der hierauf ergangene Widerspruchsbescheid sind rechtmäßig
und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO). Der Kläger
hat nämlich keinen Anspruch auf die beantragte Rücknahme. Zunächst hat der
Kläger keinen Anspruch aus einer ihm angeblich gegebenen Zusage des
Beklagten. Es kann dahin stehen, ob es sich bei der vom Kläger vorgetragenen
Aussage des Präsidenten der Fachhochschule um eine Zusicherung handelt, da
sie jedenfalls nicht in der gemäß § 38 Abs. 1 HVwVfG erforderlichen Schriftform
ergangen ist. Mangels einschlägiger gesetzlicher Regelungen hatte der Beklagte
deshalb über den Antrag des Klägers nach pflichtgemäßen Ermessen zu
entscheiden. Bei dieser Entscheidung durfte der Beklagte berücksichtigen, dass -
wie bereits ausgeführt - ein Beamter sich grundsätzlich nicht einseitig aus der
bereits bewilligten Altersteilzeit lösen kann (vgl. OVG Bremen, a.a.O.), weshalb es
angemessen erscheint, eine Rücknahme von dem Vorliegen besonderer
Umstände abhängig zu machen. Solche Umstände könnten vorliegen, wenn das
Festhalten an der bewilligten Altersteilzeit zu einer unzumutbaren Härte für den
Beamten führen würde (vgl. Art. 80d Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 BayBG). Für eine solche
Beamten führen würde (vgl. Art. 80d Abs. 2 Satz 3 Nr. 4 BayBG). Für eine solche
Härte hat der Beklagte im Falle des Klägers zurecht keinen Anhaltspunkt gesehen.
Der Kläger hat auch selbst nicht behauptet, dass das Festhalten an der
Altersteilzeit für ihn unzumutbar sei. Vielmehr hätte es sich bei dem - nunmehr
nicht mehr möglichen - Einsatz des Klägers während der Zeit seiner Freistellung
um eine grundsätzlich ehrenamtliche Tätigkeit gehandelt. Die vom Beklagten in
den angegriffenen Bescheiden genannten Gründe der Personalplanung, die einer
Weiterbeschäftigung des Klägers im vollem Umfang entgegenstehen, sind
offensichtlich nicht ermessensfehlerhaft. Vielmehr sind sie Ausdruck der dem
Beklagten zukommenden Planungshoheit, die inhaltlich vom erkennenden Gericht
nur eingeschränkt überprüft werden kann. Anhaltspunkte für ein willkürliches,
sachfremdes Vorgehen bei dieser Planung hat der Kläger nicht benannt und sie
sind auch nicht ersichtlich. Eine weitere Prüfung der Zweckmäßigkeit der vom
Beklagten geplanten Umstrukturierung des Beschäftigungsbereichs des Klägers ist
dem Gericht verwehrt. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist.Die
Anordnung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten
ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Gründe für eine
Zulassung der Berufung sind nicht ersichtlich (§ 124 Abs. 2 VwGO).
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.