Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 10.05.2006
VG Frankfurt: zugang, recht auf akteneinsicht, ablauf der frist, eugh, anwendbares recht, faires verfahren, schutzwürdiges interesse, begriff, behörde, kopie
Gericht:
VG Frankfurt 7.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 E 2109/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 2 UIG, § 1 Abs 3 IFG, §
9 Abs 4 IFG, Art 2 EGRL
4/2003, Art 4 EGRL 4/2003
( Zum Akteneinsichtsrecht in einen Erschließungsvertrag
und in die Unterlagen zum Aufstellungsverfahren eines
Bebauungsplans)
Leitsatz
1. Ein Rechtsanspruch auf Zugang zu Umweltinformationen ist mit der
Verpflichtungsklage geltend zu machen.
2. Die Voraussetzungen für die unmittelbare Anwendung der anspruchsverbürgenden
Normen der Richtlinie 2003/4/EG vom 28.1.2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu
Umweltinformationen sind gegenüber hessischen Behörden gegeben, da die Richtlinie
nicht fristgerecht bis zum 14.2.2005 durch Gesetz in hessisches Landesrecht
transformiert worden ist.
3. Die mit Erlass des Hessischen Ministeriums für Umwelt vom 17.2.2005 (StAnz., S.
1027) erfolgte Erklärung der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie 2003/4/EG
genügt nicht den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen an eine wirksame
Umsetzung einer Richtlinie.
4. Der der Richtlinie 2003/4/EG zu Grunde liegende Begriff der Umweltinformation ist
weit zu verstehen.
5. Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/4/EG räumt den Mitgliedstaaten allein eine
Option ein, im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie durch Bundes- oder Landesgesetz
entsprechende Ausnahmetatbestände zu schaffen.
6. Setzt ein nationaler Gesetzgeber die Richtlinie nicht um oder verzichtet er im
Rahmen der Umsetzung, von der ihm eingeräumten Möglichkeit,
Ausnahmetatbestände einzuführen, Gebrauch zu machen, bleibt es bei dem
unbedingten Informationsanspruch.
7. Die Ausnahmetatbestände des Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/4/EG sind eng
zu verstehen.
Tenor
Die Bescheide der Beklagten vom 10.5.2005 (Az.: 30-16-03052/05 und 30-16-
03053/05) und die Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 06.01.2006 in den
Widerspruchsverfahren W 6 - 23/05 und W - 6 - 1004/05 werden aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin binnen 1 Monats nach Rechtskraft
dieses Urteils Einsicht in die Verfahrensakten der Beklagten zu dem
Aufstellungsverfahren für den Bebauungsplan 717 betreffend Westhafengelände
mit der Bezeichnung „B-Plan 717, 2 a + 2 b, Vermerke-Protokolle“ zu gewähren,
soweit diese Umweltinformationen im Sinne des Art. 2 S. 1 Nr. 1 der Richtlinie
2003/4/EG vom 28.01.2003 enthalten.
Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin binnen 1 Monats nach Rechtskraft
dieses Urteils Einsicht in den Erschließungsvertrag zwischen der Beklagten und der
Beigeladenen vom 23./26.08.1999 durch Überlassung einer Kopie zu gewähren,
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Beigeladenen vom 23./26.08.1999 durch Überlassung einer Kopie zu gewähren,
soweit dieser Umweltinformationen im Sinne des Art. 2 S. 1 Nr. 1 der Richtlinie
2003/4/EG vom 28.01.2003 enthält.
Zur Sicherung des Informationsanspruchs der Klägerin sind die entsprechenden
Verfahrensakten zu paginieren und die Aktenbestandteile, die nach Ansicht der
Beklagten keine Umweltinformationen enthalten, durch Angabe der Seitenzahlen
und einer stichwortartigen Beschreibung des Inhalts im Einzelnen aufzulisten. Eine
Abschrift der Liste ist der Klägerin zu überlassen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Außergerichtliche
Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Kostenschuldner darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der
festgesetzten Kosten abwenden, wenn der jeweilige Kostengläubiger nicht zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin Einsicht in einen
Erschließungsvertrag und in die Unterlagen zum Aufstellungsverfahren eines
Bebauungsplans zu gewähren ist.
Die Klägerin ist ein Chemieunternehmen und besitzt eine Liegenschaft in
unmittelbarer Nachbarschaft zum Frankfurter Westhafen. Im Gebiet des
Frankfurter Westhafens wird zur Zeit von der beigeladenen
Grundstücksgesellschaft Westhafen GmbH eine Wohn- und Bürobebauung
realisiert. Die hierfür erforderlichen Grundstücke erwarb die Beigeladene im Jahr
1994 von der Beklagten. Die Beklagte stellte daraufhin im Jahr 1999 für den
Bereich einen Bebauungsplan, den B-Plan 717, auf. Im gleichen Jahr schloss sie
unter dem Datum des 23. bzw. 26. August mit der Beigeladenen einen
Erschließungsvertrag für das Baugebiet ab.
Zwischen der Beigeladenen und der Klägerin brach in der Folgezeit vor dem
Landgericht Frankfurt ein Zivilrechtsstreit über die Frage aus, ob die Klägerin
Verursacherin von Schadstoffbelastungen im Baugebiet ist und ob sie der
Beigeladenen deswegen gemäß § 22 WHG zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Die Klägerin verteidigt sich hiergegen u. a. mit dem Hinweis auf die Verjährung
etwaiger Schadensersatzansprüche.
Mit Schriftsätzen vom 08.03.2005 und 11.03.2005 wandte sich die Klägerin nun an
die Beklagte und beantragte Akteneinsicht in den Erschließungsvertrag sowie in
die Unterlagen zum Aufstellungsverfahren des B-Plans. Bei Letzteren handelt es
sich um etwa 20 Ordner mit Materialien - vor allem Protokollen von Besprechungen
der Beklagten mit Investorenvertretern -, die begleitend zur Realisierung des
Gesamtprojektes sowie des B-Planes 717 im Planungsamt der Beklagten
angefallen waren und als Unterlagen zum Aufstellungsverfahren abgelegt wurden.
Bezüglich dieser Unterlagen hob die Klägerin in ihrem Antrag hervor, dass sie
Einsicht insbesondere in die beiden Ordner mit dem Titel „B-Plan 717, 2a und 2b,
Vermerke-Protokolle“ verlange. Sie begründete ihr Begehren damit, dass der
Erschließungsvertrag bzw. die Unterlagen zum Aufstellungsverfahren
Umweltinformationen enthielten. Ein Anspruch auf Zugang zu diesen
Umweltinformationen ergebe sich aus dem Umweltinformationsgesetz (UIG) oder
zumindest aus der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des
Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu
Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates.
Mit Bescheid vom 10.05.2005, den Bevollmächtigten der Klägerin zugegangen am
13.05.2005, lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Einsicht in den
Erschließungsvertrag vollständig und den Antrag der Klägerin auf Einsicht in die
Unterlagen zum Aufstellungsverfahren des B-Plans jedenfalls insoweit ab, als er
die beiden Ordner „B-Plan 717, 2a und 2b, Vermerke-Protokolle“ betraf. Die
Ablehnung begründete sie in beiden Fällen mit dem Fehlen einer Rechtsgrundlage
für einen Informationsanspruch. „So sei zunächst der Anwendungsbereich des UIG
nicht eröffnet und die Richtlinie 2003/4/EG mangels landesgesetzlicher Umsetzung
nicht anwendbar; weiterhin normiere die Vorschrift des § 10 Abs. 2 Satz 2 BauGB
nur ein Akteneinsichtsrecht in Bebauungspläne und ihre Begründung, nicht aber in
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nur ein Akteneinsichtsrecht in Bebauungspläne und ihre Begründung, nicht aber in
die Unterlagen zum Aufstellungsverfahren, und schließlich sei im Hinblick auf den
Erschließungsvertrag auch § 29 HessVwVfG nicht einschlägig, da die Klägerin am
Abschluss des Vertrages nicht beteiligt gewesen sei. Die Klägerin legte gegen die
beiden Ablehnungsbescheide mit Fax vom 13.06.2005 Widerspruch ein. Gleichfalls
erhob sie Klage beim Verwaltungsgericht, die dort am 30.06.2005 einging. Sie
beantragte einerseits festzustellen, dass die Beklagte ihr die Einsichtnahme in den
Erschließungsvertrag und die Unterlagen zum Aufstellungsverfahren ermöglichen
müsse, und andererseits eine Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von
Einsicht in den Erschließungsvertrag sowie die beiden Ordner „B-Plan 717, 2a und
2b, Vermerke-Protokolle“ auszusprechen. Nachdem der Klägerin im weiteren
Verlauf des Geschehens seitens der Beklagten auch die Einsichtnahme in andere
als die beiden im ursprünglichen Antrag und im Ablehnungsbescheid ausdrücklich
bezeichneten Ordner zum Aufstellungsverfahren verweigert wurde, erweiterte sie
den Klageantrag mit Schriftsatz vom 13.07.2005. Nunmehr begehrte sie die
Verurteilung der Beklagten, ihr sämtliche Unterlagen zum Aufstellungsverfahren
zugänglich zu machen.
Am 06.01.2006 wies die Beklagte schließlich die Widersprüche der Klägerin zurück.
Zur Begründung führt sie in Ergänzung der Argumentation in den
Ausgangsbescheiden an, dass selbst bei Bestehen einer Rechtsgrundlage und
Vorliegen ihrer sonstigen Tatbestandsvoraussetzungen ein Anspruch der Klägerin
auf Akteneinsicht deswegen ausgeschlossen sei, weil die antragsgegenständlichen
Unterlagen - mit Ausnahme des B-Planes und seiner Begründung - gar keine
Umweltinformationen enthielten. Dies ginge aus den Protokollen des
Anhörungsausschusses hervor. Des weiteren sei zu berücksichtigen, dass eine
Akteneinsichtnahme seitens der Klägerin den Geheimnis- bzw. Datenschutz i.S.v. §
30 HVwVfG bzw. Art. 4 Abs. 2 Buchst. d) Richtlinie 2003/4/EG verletzen würde.
Schließlich sei das Begehren rechtsmissbräuchlich i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Buchst. b)
Richtlinie 2003/4/EG, weil die Klägerin den Umweltinformationsanspruch dazu
instrumentalisiere, sich im Wege des Verwaltungsprozesses in Besitz von
Informationen zu bringen, die sie im Wege des Zivilprozesses nicht erhalten könne.
Nach Erhalt der Widersprüche am 11.01.2006 durch Zustellung erweiterte die
Klägerin die bereits anhängige Klage mit Schriftsatz vom 20.01.2006 um die
Anträge, die beiden Ablehnungsbescheide in Gestalt der Widerspruchsbescheide
aufzuheben und die Beklagte zum Gewähren von Akteneinsicht in der in den
Anträgen vom 08. bzw. 11.03.2005 beantragten Form zu verpflichten.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor: Mangels fristgemäßer
Umsetzung der Richtlinie 2003/4/EG sei diese unmittelbar anwendbares Recht. Die
Voraussetzungen des in Art. 3 Richtlinie 2003/4/EG normierten Zugangsanspruchs
zu Umweltinformationen lägen vor. Zur Argumentation wird zunächst an den B-
Plan angeknüpft. Dieser sowie der zugehörige Landschaftsplan seien durchzogen
von textlichen Ausführungen und zeichnerischen Festsetzungen zu
Kontaminationen und Altlasten, Bodensanierungsbedarf und
Grundwasserverunreinigungen. Diese planerischen Darstellungen seien als
Umweltinformationen i.S.v. Art. 2 Nr. 1 Richtlinie 2003/4/EG einzuordnen. Gleiches
gelte für die zahlreichen Untersuchungen und Gutachten, auf die der B-Plan und
der Landschaftsplan Bezug nähmen. Vor dem Hintergrund, dass diese
Umweltinformationen bereits bei der Planaufstellung im Rahmen des
Abwägungsprozesses angefallen seien, würden folglich auch die
Aufstellungsunterlagen Umweltinformationen i.S.d. Richtlinie 2003/4/EG enthalten.
Dieser Umstand ließe sich auch anhand dreier Besprechungsprotokolle
nachweisen, die sich in den Ordnern mit Aufstellungsunterlagen befinden und der
Klägerin über das Regierungspräsidium Darmstadt zugänglich gemacht worden
seien. In Hinblick auf den Erschließungsvertrag wird argumentiert, dass die im B-
Plan und dem Landschaftsplan enthaltenen Umweltinformationen auch in den
zeitlich später abgeschlossenen Erschließungsvertrag eingeflossen und dort
ausgestaltet worden seien, weshalb folglich auch dieser Umweltinformationen
enthalte. Die Argumentation der Beklagten, in den streitgegenständlichen
Unterlagen befänden sich keine Umweltinformationen, sei daher unzutreffend. Im
Übrigen beinhalte das Recht auf Zugang zu Umweltinformationen auch die
Möglichkeit, selbst zu überprüfen, in welchem Umfang Umweltinformationen in
bestimmten Unterlagen enthalten sind. Der Ausschlussgrund des Art. 4 Abs. 2
Buchst. c) Richtlinie 2003/4/EG sei nicht einschlägig, da er restriktiv auszulegen sei
und negative Auswirkungen auf ein laufendes Gerichtsverfahren nicht gegeben
seien; vielmehr hätte das Gewähren von Akteneinsicht positive Auswirkungen auf
das zivilrechtliche Gerichtsverfahren, weil damit das kollusive Zurückhalten von
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das zivilrechtliche Gerichtsverfahren, weil damit das kollusive Zurückhalten von
Informationen durch die Beklagte und die Beigeladene beendet werden könnte.
Auch der Ausnahmetatbestand des Art. 4 Abs. 1 Buchst. e) Richtlinie 2003/4/EG,
demzufolge die Einsicht in verwaltungsinterne Mitteilungen abgelehnt werden
kann, sei nicht gegeben, da sowohl der Erschließungsvertrag als auch die
Besprechungsprotokolle zumindest immer auch die Beigeladene betroffen hätten
und daher über rein behördeninterne Vorgänge oder Aufzeichnung
hinausgegangen seien. Selbst wenn Ausnahmetatbestände einschlägig seien, so
könnten sie allenfalls Teile der etwa 20 Ordner und des Erschließungsvertrages
betreffen, nicht aber die Gesamtheit der Unterlagen. Die gewünschten Formen der
Akteneinsicht - im Falle des Erschließungsvertrages durch Übersendung einer
Kopie, im Falle der Aufstellungsunterlagen zum B-Plan durch Einsichtnahme im
Stadtplanungsamt - dürfe die Beklagte ohne Angabe entsprechender Gründe nicht
verweigern.
Die Klägerin hat zunächst beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Akteneinsicht in die
im Stadtplanungsamt der Beklagten vorhandenen Unterlagen zum
Aufstellungsverfahren des Bebauungsplans 717 für das Westhafengelände,
insbesondere in die Ordner mit der Bezeichnung „B-Plan 717, 2a + 2b, Vermerke-
Protokolle“ mit jour-fixe-Protokollen der Besprechungen zwischen Vertretern der
Stadt Frankfurt am Main und Vertretern der Grundstücksgesellschaft Westhafen
GmbH, zu gewähren;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Akteneinsicht in den
Erschließungsvertrag zwischen der Beklagten und der Grundstücksgesellschaft
Westhafen GmbH vom 23./26. August 1999 zu gewähren;
3. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Akteneinsicht in sämtliche im
Stadtplanungsamt der Beklagten vorhandenen Unterlagen zum
Aufstellungsverfahren des Bebauungsplans 717 für das Westhafengelände zu
gewähren, insbesondere auch in die Unterlagen mit der Akten-Bezeichnung „B-
Plan 717, 2a+2b, Vermerke-Protokolle“ mit jour-fixe-Protokollen der Besprechung
zwischen Vertretern der Stadt Frankfurt am Main und Vertretern der
Grundstücksgesellschaft Westhafen GmbH sowie die Unterlagen mit der Akten-
Bezeichnung „B-Plan 717, 1“ und „B-Plan 717, 3ff.“, wobei die Akteneinsicht durch
Einsicht in die Unterlagen im Stadtplanungsamt erfolgen soll;
4. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Akteneinsicht in den
Erschließungsvertrag zwischen der Beklagten und der Grundstücksgesellschaft
Westhafen GmbH vom 23./26. August 1999 zu gewähren, wobei die Akteneinsicht
durch Übersendung einer vollständigen Kopie des Vertrages zu Händen der
Klägerin erfolgen soll;
5. den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 10. Mai 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 6. Januar 2006 zu
Widerspruchsnummer W6-1004/05 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten,
der Klägerin Akteneinsicht in die im Stadtplanungsamt der Beklagten vorhandenen
Unterlagen zum Aufstellungsverfahren des Bebauungsplans 717 für das
Westhafengelände mit der Aktenbezeichnung „B-Plan 717, 2a + 2b, Vermerke-
Protokolle“ mit jour-fixe-Protokollen der Besprechungen zwischen Vertretern der
Stadt Frankfurt am Main und Vertretern der Grundstücksgesellschaft Westhafen
GmbH, zu gewähren, wobei die Akteneinsicht durch Einsicht in die Unterlagen im
Stadtplanungsamt erfolgen soll.
6. den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 10. Mai 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 6. Januar 2006 zum Aktenzeichen W6-
23/05 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin Akteneinsicht in
den Erschließungsvertrag zwischen der Beklagten und der Grundstücksgesellschaft
Westhafen GmbH vom 23./26. August 1999 zu gewähren, wobei die Akteneinsicht
durch Versendung einer vollständigen Kopie des Vertrages zu Händen der Klägerin
erfolgen soll.
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihre Klageanträge präzisiert. Sie
beantragt,
I. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 10.05.2006 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 06. Januar 2006 zu Widerspruchs-Nr. W
6-1004/05 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin
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6-1004/05 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin
Akteneinsicht in sämtliche im Stadtplanungsamt der Beklagten vorhandenen
Unterlagen zum Aufstellungsverfahren des Bebauungsplans Nr. 717 für das
Westhafengelände zu gewähren, insbesondere in die Unterlagen mit der
Aktenbezeichnung „B-Plan 717, 2a + 2b, Vermerke-Protokolle“ mit Jour-Fixe-
Protokollen der Besprechung zwischen Vertretern der Stadt Frankfurt am Main und
Vertretern der Grundstücksgesellschaft Westhafen GmbH. Die Akteneinsicht soll
durch Einsicht in die Unterlagen im Stadtplanungsamt der Beklagten erfolgen.
II. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 10. Mai 2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 06. Januar 2006 zum Aktenzeichen W
6-23/05 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Akteneinsicht
in den Erschließungsvertrag zwischen der Beklagten und der
Grundstücksgesellschaft Westhafen GmbH vom 23./26. August 1999 nebst dessen
Anlagen zu gewähren. Die Akteneinsicht soll durch Versendung einer vollständigen
Kopie des Vertrages nebst dessen Anlagen zu Händen der Klägerin erfolgen,
hilfsweise durch Einsicht in die Unterlagen bei der Beklagten.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die in ihren Ausgangs- und Widerspruchsbescheiden
enthaltene Begründung und führt ergänzend aus: Die Klage sei jedenfalls
bezüglich der Feststellungsanträge bereits unzulässig, weil statthafte Klageart die
Verpflichtungsklage sei, hinter die die Feststellungsklage als subsidiär zurücktreten
müsse. Inhaltlich fügt sie ihrer bisherigen Argumentation hinzu, die Klägerin wolle
sich unter Umgehung der Beweisregeln der ZPO missbräuchlich in den Besitz von
Informationen bringen, was gegen Art. 4 Abs. 2 Buchst. c) Richtlinie 2003/4/EG
verstoße. Weiterhin handele es sich bei den zur Einsicht begehrten Unterlagen um
rein interne Mitteilungen, in die es gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. e) Richtlinie
2003/4/EG kein Einsichtsrecht gebe; die Bezeichnung auf dem Aktendeckel „B-Plan
717“ kennzeichne bei den Ordern nur das betreffende Baugebiet, nicht aber, dass
es sich um Unterlagen zum B-Plan handele.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beauftrage der Beklagte erklärt, die
Beklagte sei bereit, der Klägerin in sämtliche Unterlagen für die Aufstellung des
Bebauungsplans Nr. 717 Einsicht zu gewähren, nicht aber in die Ordner 2a und 2b,
die diese nicht dazu gehören würden.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Sie meint, dass die streitgegenständlichen Unterlagen schon keine
Umweltinformationen enthielten. Sie begründet dies zum einen damit, dass die
Besprechungsprotokolle und der Erschließungsvertrag nur dem sekundären
Austausch von Informationen dienten, nicht aber Primärquelle von
Umweltinformationen seien. Zum anderen fielen unter den Begriff der
Umweltinformation i.S.d. Richtlinie 2003/4/EG nur solche, die sich auf den
gegenwärtigen oder zukünftigen Umweltzustand beziehen. Informationen, die
abgeschlossene Vorgänge der Vergangenheit beträfen und ohne Bezug zur
künftigen Umweltsituation seien - wie hier der Erlass des B-Planes 717 und die
Erschließung des Baugebietes auf der Grundlage des Erschließungsvertrages -,
seien vom Begriff der Umweltinformation nicht erfasst. Weiterhin tritt die
Beigeladene der Auffassung der Klägerin entgegen, dass der Anspruch auf
Umweltinformationen auch die Möglichkeit umfasse, selbst zu prüfen, ob
Umweltinformationen vorliegen, denn dies würde immer zu einer Vorwegnahme
der Hauptsacheentscheidung führen. Die Beigeladene ist weiterhin der Ansicht,
dass dem Einsichtsbegehren der Klägerin der Schutzzweck der Richtlinie
entgegenstehe. Die Klägerin verfolge mit ihrem Antrag kein
Umweltschutzinteresse, sondern ihre Interessen in Bezug auf den anhängigen
Zivilprozess. Im Ergebnis ginge es ihr sogar darum, sich der Einstandspflicht für
angerichtete Umweltschäden zu entziehen, was den Schutzzweck der Richtlinie
2003/4/EG gänzlich konterkariere und daher missbräuchlich i.S.v Art. 4 Abs. 1
Buchst. b) Richtlinie 2003/4/EG sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der
Sachakten der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nur teilweise zulässig und, soweit sie zulässig zum Teil begründet.
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Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage. Das Anspruchsbegehren ist auf
Akteneinsicht gerichtet. Zwar wird in derartigen Fällen teilweise angenommen, es
sei eine Leistungsklage zu wählen, da lediglich eine tatsächliche Handlung begehrt
würde; es wird aber auch die Verpflichtungsklage für statthaft gehalten (Turiaux,
UIG-Kommentar, 1995, § 5 Rn. 15 u. Rn. 26ff. m.w.N.). Das Gericht hält die
Verpflichtungsklage für die statthafte Klageart. Die Beklagte hat den Antrag der
Klägerin in der eindeutigen Form eines Verwaltungsakts abgelehnt. Weiterhin sieht
die Richtlinie 2003/4/EG, auf die die Klägerin ihr Begehren stützt, in Art. 6 Abs. 1
eine Überprüfung ablehnender Entscheidungen „auf dem Verwaltungsweg“ vor,
womit die Verfahrenssituation einer Verpflichtungsklage geschaffen wird.
Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der Beklagten unter bestimmten
Voraussetzungen gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2003/4/EG ein
eingeschränktes Ermessen über die Form Informationserteilung eingeräumt wird.
Die Betätigung dieses Auswahlermessens hat Regelungswirkung und qualifiziert
das von der Klägerin begehrte Verwaltungshandeln als Verwaltungsakt im Sinne
des § 35 Satz 1 HessVwVfG. Die Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 Fall 2 VwGO
sind daher gegeben (vgl. auch § 9 Abs. 4 Informationsfreiheitsgesetz; vgl. dazu
auch Berger/Rpoth/Scheel, IFG, 2006, § 9 Rd. 19). Die Klage war somit, da bereits
ablehnende Bescheide ergangen sind, als kombinierte Anfechtungs- und
Verpflichtungsklage zu erheben.
Die Klage ist jedoch insoweit unzulässig geworden, soweit der Beauftragte der
Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt hat, die Beklagte sei
bereit, der Klägerin in sämtliche Unterlagen für die Aufstellung des
Bebauungsplans Nr. 717 betreffend Westhafengelände mit Ausnahme der Ordner
2a und 2b Einsicht zu gewähren (Bl. 2 der Verhandlungsniederschrift). Insoweit
mangelt es der Klägerin nunmehr an dem erforderlichen Rechtsschutzinteresse.
Die Kammer wertet die Erklärung des Beauftragten der Beklagten als förmliche
Zusicherung i.S.d. § 38 Abs. 1 HessVwVfG. Durch die Protokollierung der Erklärung
ist die erforderliche Schriftform gewahrt. Die Kammer sieht keine Veranlassung, an
der Ernsthaftigkeit der Erklärung der Beklagten zu zweifeln. Sie weist jedoch für
den Fall, dass sich die Beklagte entgegen dieser Erklärung weigern sollte, der
Zusicherung nachzukommen, darauf hin, dass insoweit der Erlass einer zu
beantragenden einstweiligen Anordnung ernsthaft erwogen würde.
Die Klage ist begründet, soweit die Klägerin zum einen die Aufhebung der beiden
Ablehnungsbescheide der Beklagten vom 10.05.2005 sowie der
Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 06.01.2006 und zum anderen die
Verpflichtung der Beklagten begehrt, ihr Einsicht in die Akten mit der Bezeichnung
„B-Plan 717, 2a + 2b“ sowie ihr eine Kopie des Erschließungsvertrags zwischen der
Beklagten und der Beigeladenen vom 23./26.08.1999 zu überlassen, soweit diese
Unterlagen Umweltinformationen enthalten. Ein entsprechender
Umweltinformationsanspruch ergibt sich für die Klägerin allein aus Art. 3 Abs. 1
i.V.m. Art. 2 der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 28.01.2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und
zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (ABl. Nr. L 41 vom 14.02.2003,
S. 26ff.).
Anderweitige Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht. Ein
Informationsanspruch auf der Grundlage des am 14.2.2005 in Kraft getretenen
Umweltinformationsgesetzes des Bundes (UIG; BGBl. I 2004, S. 3704ff.) scheidet
aus, da das UIG gemäß § 1 Abs. 2 in seinem Anwendungsbereich auf
informationspflichtige Stellen des Bundes oder der bundesunmittelbaren
juristischen Personen des öffentlichen Rechts beschränkt ist und daher nicht auf
die Beklagte, die eine informationspflichtige Stelle eines Bundeslandes ist,
ausgedehnt werden kann. Aus dem gleichen Grund scheidet auch ein Rückgriff auf
das am 01.01.2006 in Kraft getretene und - gegenüber dem UIG gemäß § 1 Abs. 3
IFG ohnehin subsidiäre - Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des
Bundes (IFG; BGBl. I 2005, S. 2772ff.) aus. Es kann in Hessen auch nicht wie in
einigen anderen Bundesländern auf ein Informationsfreiheitsgesetz des Landes
zurückgegriffen werden, dessen richtlinienkonforme Auslegung den geltend
gemachten Umweltinformationsanspruch stützen könnte (vgl. Schrader, ZUR
2005, 568ff.).
Die Voraussetzungen für die unmittelbare Anwendung der anspruchsverbürgenden
Normen der Richtlinie 2003/4/EG sind gegeben, da sie nicht wie von Art. 10 Abs. 1
gefordert fristgerecht bis zum 14.02.2005 in hessisches Landesrecht transformiert
worden ist. Die unmittelbare Wirkung der Richtlinie folgt jedoch entgegen VGH
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worden ist. Die unmittelbare Wirkung der Richtlinie folgt jedoch entgegen VGH
Kassel (Beschluss vom 04.01.2006 - 12 Q 2828/05, S. 7) nicht aus dem Erlass des
Hessischen Ministeriums für Umwelt, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz
vom 17. Februar 2005 (Hessischer Staatsanzeiger Nr. 11 vom 14.03.2005, S.
1027f.), da eine Anwendbarkeitserklärung durch Erlass den Anforderungen an eine
richtlinienkonforme Umsetzung nicht genügt. Nach ständiger Rechtsprechung des
EuGH sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, einen eindeutigen gesetzlichen Rahmen
zur Umsetzung einer Richtlinie der EG zu schaffen, um deren volle Anwendung in
rechtlicher und nicht nur in tatsächlicher Hinsicht zu gewährleisten (vgl.z.B.
ausdrücklich EuGH, Slg. I - 1990, 878 [885, Tz. 25] - Kommission ./. Niederlande
betr. Vogelschutzrichtlinie vom 2.4.1979; EuGH, NVwZ 1991, 973 - Kommission ./.
Bundesrepublik Deutschland betr. Richtlinie zum Schutz des Grundwassers vom
17.12.1979; vgl. ferner EuGH, NVwZ 1991, 866 und 1991, 868, jeweils Kommission
./. Bundesrepublik Deutschland betr. TA Luft ).
Es liegen auch die von der Rechtsprechung für eine Direktwirkung entwickelten
Voraussetzungen vor. Diese sind neben dem Ablauf der Frist zur Umsetzung der
Richtlinie die inhaltliche Unbedingtheit und hinreichende Bestimmtheit des
normierten Rechts (vgl. nur BVerwG, NVwZ 1998, 616 [620] m.w.N.).
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2003/4/EG normiert ein voraussetzungsloses
Jedermannsrecht auf Zugang zu Umweltinformationen, die bei Behörden
vorhanden sind oder bereitgehalten werden. Art. 2 Richtlinie 2003/4/EG definiert
die zur Konkretisierung dieses Anspruchs relevanten Begriffe, insbesondere
„Umweltinformation“, „Behörde“ und „Antragsteller“. Schließlich enthält Art. 3
Abs. 2 bis Abs. 4 der Richtlinie 2003/4/EG eindeutige Regelungen zur zügigen
Bereitstellung der gewünschten Umweltinformationen, zum Umgang mit
unpräzisen Anträgen und zur Form der Auskunftserteilung. Dass vor dem
Hintergrund dieses Regelungsgrades der Richtlinie 2003/4/EG die Voraussetzungen
für ihre unmittelbare Anwendung gegeben sind, entspricht der einhelligen Meinung
in der Rechtsprechung (OVG Schleswig, ZUR 1997, 43 [45]; VG Stuttgart, ZUR
2006, 103 [104] = UPR 2006, 123 = NuR 2006, 194; VG Minden, Beschluss vom
25.05.2005 - Az. 11 K 32/05 - juris).
Weiterhin liegen auch die formalen Voraussetzungen des in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art.
2 der Richtlinie 2003/4/EG normierten Anspruchs vor. Die Klägerin hat den mit der
Klage erstrebten Zugang zu Umweltinformationen dort, wo die begehrten
Informationen i.S.v. Art. 2 Nr. 3 der Richtlinie 2003/4/EG vorhanden sind, nämlich
beim Stadtplanungsamt der Beklagten, beantragt. Der Antrag ist auch in der von
Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2003/4/EG verlangten Weise hinreichend bestimmt: Er
lässt erkennen, auf welche Unterlagen sich das Informationsbegehren bezieht, um
welche Umweltinformationen es der Klägerin geht und in welcher Form der Zugang
zu den Informationen erfolgen soll.
Bezüglich der begehrten Unterlagen und der Form des Zugangs ergibt sich dies
schon aus dem Wortlaut der Anträge selbst. Dort werden ausdrücklich der
zwischen der Beklagten und der Beigeladenen geschlossene Erschließungsvertrag
sowie die bei der Beklagten vorhandenen Ordner zum Aufstellungsverfahren des
B-Plans 717 genannt. Dass die Klägerin mit Ausnahme der Auflistung mehrerer
umweltrelevanter Gutachten, von deren Anfertigung sie Kenntnis hat (Bl. 12f. d.A.),
bezüglich der äußerst umfangreichen Akten zum Aufstellungsverfahren keine
weiteren Konkretisierungen auf bestimmte Unterlagen vorgenommen hat, kann
nicht zu ihren Lasten gehen. Welche Gutachten, Untersuchungen und
Gesprächsprotokolle nämlich genau in diesen Akten vorhanden sind, ist der
Klägerin nicht im Einzelnen bekannt und kann ihr auch nicht ohne weiteres bekannt
sein. Sie kann deshalb die weiteren Unterlagen nicht eingrenzen und muss dies
auch nicht tun (BVerwG, NVwZ 2006, 343). Der Bestimmtheit des Antrags steht
auch nicht entgegen, dass die Klägerin die Einsicht in sämtliche von der Behörde in
den Ordnern zum Aufstellungsverfahren des Bebauungsplans abgelegten
Umweltinformationen und damit die Erteilung einer Vielzahl von Informationen
beantragt hat. Die Richtlinie 2003/4/EG enthält nämlich keine Quantitätsschwelle
für Anträge auf Zugang zu Informationen (Schomerus in:
Schomerus/Schrader/Wegener, UIG-Kommentar, 2. Aufl., 2002, § 5 Rn. 16).
Auch wenn die Anträge allgemein auf Übersendung einer Kopie bzw. auf
Akteneinsicht und somit zunächst pauschal auf sämtliche in den Unterlagen
vorhandenen Umweltinformationen gerichtet sind, so lässt sich den
Antragsbegründungen doch entnehmen, zu welcher konkreten Art von
Umweltinformationen inhaltlich Zugang begehrt wird. Diese Feststellung ist vor
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Umweltinformationen inhaltlich Zugang begehrt wird. Diese Feststellung ist vor
dem Hintergrund wichtig, dass das Erfordernis einer spezifizierten Antragstellung
u. a. dazu dient, allgemeine Ausforschungsanträge bzw. „Rundumanträge“ zu
verhindern (Fluck/Winterle in: VerwArch 2003, 437 [445]). Die inhaltliche
Bestimmtheit eines Antrags setzt voraus, dass er erkennen lässt, auf welche
Informationen i.S.d. Art. 3 Nr. 1 der Richtlinie 2003/4/EG er gerichtet ist und dass
der betroffene Umweltbereich sowie der örtliche Bezug des Informationsbegehrens
erkennbar sind (Kramer, Kommentar zum Umweltinformationsgesetz, 1994, § 5
Abs. 1 Rn. 2). Die von der Klägerin im Verwaltungsverfahren gestellten Anträge
sind ebenso wie ihre Klage unter Zugrundelegung der Antragsbegründungen (Bl.
7ff., 20f., 24f. d.A.) dahin zu verstehen, dass sie Informationen über die
Belastungen von Boden und Grundwasser auf den Plangebietsgrundstücken des B-
Planes 717 und eventuelle Umweltbelastungen auf benachbarten Grundstücken
begehrt. Sie benennt damit zum einen den betroffenen Umweltbereich, über den
Auskunft begehrt wird, und stellt zum anderen den erforderlichen räumlichen
Bezug her. Über den Inhalt der begehrten Information bestehen daher keine
Zweifel.
Schließlich sind auch die materiellen Voraussetzungen des in Art. 3 Abs. 1 i.V.m.
Art. 2 der Richtlinie 2003/4/EG normierten Anspruchs gegeben. So ist die Klägerin
zunächst aktiv legitimiert, da sie zu dem in Art. 3 Nr. 5 der Richtlinie 2003/4/EG
genannten Kreis zulässiger Antragsteller gehört. Ein irgendwie geartetes
besonderes Informationsinteresse muss sie, wie Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie
2003/4/EG zeigt, nicht geltend machen. Weiterhin ist die Beklagte passiv
legitimiert. Sie ist die richtige Anspruchsgegnerin, wie sich aus dem
Zusammenspiel von Art. 2 Nr. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2003/4/EG und § 78 I Nr.
1 VwGO ergibt. Die Beklagte ist die Rechtsträgerin der Behörde, deren
Verwaltungshandeln die Klägerin mit ihrer Klage angreift will. Die Behörde ihrerseits
nimmt, wie es Art. 2 Nr. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2003/4/EG verlangt, aufgrund
innerstaatlichen Rechts Aufgaben der öffentlichen Verwaltung im Zusammenhang
mit der Umwelt wahr. Dem Magistrat der Beklagten und dort dem
Stadtplanungsamt obliegt gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a) der Hessischen
Bauordnung (HessBO) die Bauaufsicht und gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 10 Abs. 1
des Baugesetzbuches (BauGB) i.V.m. § 66 Abs. 1 Nr. 2 der Hessischen
Gemeindeordnung (HessGO) die Aufstellung von Bebauungsplänen. In diesen
Aufgabenbereichen hat der Magistrat der Beklagten gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 7, Abs.
7 i.V.m. § 1a und § 2 Abs. 4 BauGB die Belange des Umweltschutzes zu
berücksichtigen, was sich schließlich bis in den Bereich des Abschlusses von
Erschließungsverträgen fortsetzt (vgl. §§ 123 Abs. 1, 124 Abs. 1, 125 BauGB).
Folglich ist mit der Stadt Frankfurt am Main die richtige Klagegegnerin gewählt
worden.
Entgegen dem Vortrag der Beklagten enthalten die bei ihr vorhandenen
Unterlagen auch Umweltinformationen i.S.d. Richtlinie 2003/4/EG. Der Vortrag der
Beklagten beruht auf einem zu engen Verständnis des Begriffes der
Umweltinformation. Einer vollumfänglichen Einsichtnahme des Gerichts in die
streitgegenständlichen Unterlagen bedarf es für diese Feststellung nicht. Bereits
aus den von der Klägerin zu der Gerichtsakte gereichten Besprechungsprotokollen
(Bl. 75ff., 82ff. d.A.) sowie den Titeln der darin bzw. in der Begründung des B-
Planes 717 (Bl. 78 bzw. Bl. 12f. d.A.) angeführten umwelttechnischen Gutachten
aus der Zeit des Aufstellungsverfahrens lässt sich zweifelsfrei entnehmen, dass
die von der Beklagten zurückgehaltenen Unterlagen zum B-Plan Nr. 717 auch
Umweltinformationen i.S.d. Richtlinie 2003/4/EG enthalten. Von der Definition des
Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 2003/4/EG werden für den zur Entscheidung des
vorliegenden Falls maßgeblichen Kontext erfasst: Informationen
a) über den Zustand von Umweltbestandteilen wie Wasser und Boden,
b) über Faktoren wie das Freisetzen von Stoffen in die Umwelt mit Auswirkungen
oder wahrscheinlichen Auswirkungen auf Umweltbestandteile,
c) über Maßnahmen und Tätigkeiten, die sich auf Umweltbestandteile und -
faktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken oder zum Schutz von
Umweltbestandteilen ergriffen werden,
d) über Berichte über die Umsetzung des Umweltrechts,
e) über wirtschaftliche Analysen und Annahmen zu Maßnahmen und Tätigkeiten
i.S.d. Buchst. c) und
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f) Informationen über die Lebensbedingungen des Menschen sowie über Bauwerke,
soweit sie jeweils vom Zustand von Umweltbestandteilen oder -faktoren bzw.
Maßnahmen und Tätigkeiten i.S.d. Buchst. c) abhängen.
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinen Entscheidungen zu der im
Wesentlichen gleich strukturierten Vorgängerrichtlinie 90/313/EWG vom 7.6.1990
(ABl. Nr. L 158 vom 23.06.1990, S. 56ff.) betont, dass der Anwendungsbereich des
Begriffs „Umweltinformation“ und somit der gesamten Richtlinie weit zu
interpretieren ist. So hat er unter anderem hervorgehoben, dass von dem Begriff
sowohl Dokumente erfasst werden, die nicht mit der Erbringung einer öffentlichen
Dienstleistung zusammenhängen (EuGH, DVBl. 2003, 1078f.), als auch
Stellungnahmen einer Landschaftspflegebehörde im Rahmen ihrer Beteiligung an
einem Planfeststellungsverfahren, wenn diese Stellungnahmen geeignet sind, die
Entscheidung über die Planfeststellung hinsichtlich der Belange des
Umweltschutzes zu beeinflussen (EuGH, NVwZ 1998, 945f.). Umgekehrt hat der
EuGH aber auch eine äußere Grenze des Begriffes der Umweltinformation
formuliert, indem er festgestellt hat, dass aus dem Umweltinformationsanspruch
kein allgemeines und unbegrenztes Zugangsrecht zu allen bei Behörden
verfügbaren Informationen, die auch nur den geringsten Bezug zu einem in der
Richtlinie genannten Umweltgüter aufweisen, abgeleitet werden kann (EuGH, ZUR
2003, 363f.). Der vorliegende Fall ist innerhalb der Grenzen dieses
Begriffsverständnisses zu beurteilen.
Ausweislich der Begründung des B-Planes 717 (Bl. 12 d.A.) sind im Zuge der
Planaufstellung u.a. im Jahr 1993 eine „Orientierende umwelttechnische
Untersuchung Westhafen Frankfurt/Main“, im Jahr 1995 eine „Vertiefende
umwelttechnische Untersuchung Westhafen Frankfurt/Main“ und im Jahr 1996 eine
„Zweite Grundwasserbeprobung Westhafen Frankfurt/Main“ durchgeführt worden.
Schon vom bloßen Wortlaut der Gutachtentitel her, aber auch und gerade aus
dem Verständnis ihrer Zwecksetzung im Rahmen des bauleitplanerischen
Abwägungsprozesses ergibt sich, dass sie unter den Begriff der Umweltinformation
i.S.d. Richtlinie 2003/4/EG, und dort v.a. unter Art. 2 Nr. 1 Buchst. a), fallen. Da die
Gutachten zu den Unterlagen zum Aufstellungsverfahren gehören, enthalten die
dieses Verfahren betreffenden Ordner entgegen dem Beklagtenvorbringen
insoweit also auch Umweltinformationen.
Gleiches gilt auch für die in den Ordnern enthaltenen Besprechungsprotokolle
zwischen der Beklagten und Investorenvertretern. So trägt das
Besprechungsprotokoll vom 24.02.1995 (Bl. 75 d.A.) den Titel
„Westhafen/Frankfurt - Weitere Vorgehensweise hinsichtlich Kontaminationen von
Boden, Bodenluft und Grundwasser“. Der Text enthält dann dementsprechend
auch Umweltinformationen, u.a. z.B. auf Seite 6: „Darüber hinaus wird
behördlicherseits auch akuter Handlungsbedarf im Bereich der Gleisanlagen,
insbesondere dem Lokabstellplatz, gesehen. Die zum Teil recht hohen
Mineralölbelastungen sind aber auf den oberflächennahen Bereich beschränkt.“
(Bl. 80 d.A.)
Im Rahmen des Besprechungsprotokolls wird auf Seite 4 (Bl. 78 d.A.) auch auf eine
vom 13.02.1995 datierende „zusammenfassende Stellungnahme des
Umweltamtes“ zu den bereits vorliegenden umwelttechnischen Gutachten
verwiesen. Auch dieses bei den Unterlagen zum Aufstellungsverfahren befindliche
und der Klägerin bisher nicht zugänglich gemachte Dokument enthält
Umweltinformationen i.S.d. Richtlinie 2003/4/EG, v.a. Art. 2 Nr. 1 Buchst. a).
Weiterhin enthält das Protokoll auf den Seiten 4 und 5 (Bl. 78f. d.A.) folgende
Ausführungen, die Hinweise auf ein weiteres Besprechungsprotokoll mit
Umweltinformationen enthalten: „Im Rahmen dieser Besprechung wurde nicht
tiefer auf die Stellungnahme [des Umweltamtes] eingegangen. Dies soll
Gegenstand des Abstimmungsgesprächs am 01.03.1995 sein. [...] Für diese
Bewertung der Altlastensituation im Rahmen des B-Planverfahrens wurde zum
einen eine vertiefende Untersuchung der bereits festgestellten
Kontaminationspunkte mit möglicherweise akutem Sanierungsbedarf vereinbart.
[...] Im Einzelnen wird das Untersuchungsprogramm in einer weiteren Besprechung
am 01.03.1995 [...] festgelegt.“ Auch das Besprechungsprotokoll vom 01.03.1995
enthält folglich Umweltinformationen i.S.d. Richtlinie 2003/4/EG, v.a. Art. 2 Nr. 1
Buchst. c).Schließlich liefert das Besprechungsprotokoll auch Hinweise darauf,
dass die Dokumente, die noch nach Abschluss des Aufstellungsverfahrens in den
Ordnern abgelegt wurden, Umweltinformationen i.S.d. Richtlinie 2003/4/EG
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Ordnern abgelegt wurden, Umweltinformationen i.S.d. Richtlinie 2003/4/EG
enthalten. So heißt es auf Seite 5 des Protokolls (Bl. 79 d.A.): „Eine darüber
hinausgehende Untersuchung von Grundstücksflächen zur Entwicklung von
Entsorgungs- bzw. Sanierungskonzepten soll erst im Rahmen von konkreten
Baumaßnahmen durchgeführt werden. Als Baumaßnahmen wären in diesem Sinne
auch Altlastensanierungsmaßnahmen zur Baulandentwicklung und die Schaffung
von Grünflächen aufzufassen. Ferner gehört hierzu auch die Erfassung
schadstoffbelasteter Bausubstanz vor dem Gebäudeabbruch.“ Das
angesprochene Entsorgungs- und Sanierungskonzept stellt insbesondere in
Hinblick auf Art. 2 Nr. 1 Buchst. c) und f) eine Umweltinformationen i.S.d. Richtlinie
2003/4/EG dar.
Im Hinblick auf diesen Befund ist es nicht ausgeschlossen, dass auch die Ordner
2a und 2b mit der Bezeichnung „Vermerke-Protokolle“ Umweltinformationen i.S.d.
Richtlinie enthalten. Entsprechendes gilt für den Erschließungsvertrag, der gemäß
§ 124 BauGB zwischen der Beklagten und der Beigeladenen geschlossen wurde.
Dieser musste sich an den Festsetzungen des das Westhafengelände
betreffenden Bebauungsplans Nr. 717 orientieren, in dem gemäß § 1 Abs. 6 Nr. 7
BauGB im Einzelnen normiert ist, wie die Belange des Umweltschutzes zu
berücksichtigen sind.
Der Vortrag der Beigeladenen vermag an dem Ergebnis, dass die genannten
Ordner - und auch der Erschließungsvertrag - Umweltinformationen i.S.d. Richtlinie
2003/4/EG enthalten, nichts zu ändern. Dass sich die Umweltinformationen
teilweise auf Zustände der Vergangenheit beziehen, ändert nichts an ihrem
Charakter als Umweltinformation. Der Begriff „Zustand“ bezeichnet zwar wörtlich
genommen zunächst nur die gegenwärtige Beschaffenheit der aufgeführten
Umweltmedien. Umweltinformationen betreffen aber praktisch immer
Informationen über einen vergangenen oder künftigen Zustand der Umwelt, da
Informationen über die zur Zeit der Antragstellung gegenwärtige Umweltbelastung
in der Praxis selten zu erhalten sein werden (Schomerus, a.a.O., § 3, Rn. 102). Des
Weiteren ließe sich der nach dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/4/EG
bezweckte Umweltschutz kaum erreichen, wenn der Zugang lediglich auf
Informationen über den gegenwärtigen Zustand beschränkt würde (VG Hamburg,
Urteil vom 14.01.2004 - 7 VG 1422/2003 - juris). Dementsprechend verliert auch
eine umweltbezogene Ordnungsverfügung ihren Charakter als Umweltinformation
nicht dadurch, dass sie formal aufgehoben wird, weil sie weiterhin Auskunft darüber
gibt, welche Maßnahmen zum Schutz der Umwelt die Behörde in der
Vergangenheit einmal getroffen hat (VG Minden, Beschluss vom 25.05.2005 - Az.
11 K 32/05 - juris).
Auch der weitere Vortrag der Beigeladenen, es handele sich jedenfalls bei den
Stellungnahmen und Besprechungsprotokollen nicht um Umweltinformationen, da
sie nicht ihrer Erhebung, sondern nur ihrem Austausch dienten, ist unzutreffend.
Insbesondere mit der bereits oben genannten Entscheidung zu Stellungnahmen
im Planfeststellungsverfahren (EuGH, NVwZ 1998, 945f.) hat der EuGH deutlich
gemacht, dass Stellungnahmen von Behörden und andere Maßnahmen, die die
eigentlichen Verwaltungsentscheidungen nur vorbereiten, gleichfalls als
Umweltinformationen zu qualifizieren sind, wenn und soweit sie geeignet sind, die
Entscheidung hinsichtlich der Belange des Umweltschutzes zu beeinflussen. Dies
gilt insbesondere auch für Besprechungsprotokolle. Der Begriff der
Umweltinformationen i.S.d. Richtlinie ist dermaßen umfassend, dass er auch
interne Gesprächsvermerke und Protokolle umfasst.
Enthalten die streitgegenständlichen Unterlagen folglich Umweltinformationen, so
vermag sich die Beklagte ihrer aus der Richtlinie folgenden Pflicht, diese der
Klägerin zugänglich zu machen, auch nicht unter Berufung auf Art. 4 Abs. 1 und 2
der Richtlinie 2003/4/EG zu entziehen. Nach dieser Vorschrift können die
Mitgliedstaaten vorsehen, unter dort näher bestimmten Voraussetzungen den
Zugang zu Umweltinformationen abzulehnen. Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie
2003/4/EG räumt jedoch den Mitgliedstaaten allein eine Option ein, im Rahmen der
Umsetzung der Richtlinie durch Bundes- oder Landesgesetz entsprechende
Ausnahmetatbestände zu schaffen (ebenso VG Stuttgart, ZUR 2006, 103 [105] =
UPR 2006, 123 = NuR 2006, 194). Setzt ein Gesetzgeber eines Mitgliedstaats die
Richtlinie nicht um oder verzichtet er im Rahmen der Umsetzung, von der ihm
eingeräumten Möglichkeit, Ausnahmetatbestände einzuführen, Gebrauch zu
machen, bleibt es bei dem unbedingten Informationsanspruch (vgl. auch OVG
Schleswig, ZUR 1997, 43 [45]). Da der hessische Landesgesetzgeber bislang die
Richtlinie 2003/4/EG nicht durch förmliches Gesetz in Landesrecht transformiert
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Richtlinie 2003/4/EG nicht durch förmliches Gesetz in Landesrecht transformiert
hat, ist daher für die Beklagte eine Berufung auf Art. 4 Abs. 1 und 2 der Richtlinie
ausgeschlossen. Selbst wenn in Hessen aufgrund des ministeriellen Erlasses zur
Direktwirkung der Richtlinie 2003/4/EG (Hessischer Staatsanzeiger Nr. 11 vom
14.03.2005, S. 1027f.) auch die Ausnahmetatbestände unmittelbar anzuwenden
wären (so VGH Kassel, Beschluss vom 04.01.2006 - Az. 12 Q 2828/05 - und
Beschluss vom 16.3.2006 - 12 Q 590/06 - ), bestünde der Informationsanspruch
der Klägerin gleichwohl.
Entgegen dem Vorbringen der Beklagten liegt zunächst kein Fall der
offensichtlichen Missbräuchlichkeit des klägerischen Antrags i.S.v. Art. 4 Abs. 1
Buchst. b) der Richtlinie 2003/4/EG vor. Die Beigeladene hat hierzu vorgetragen,
dass es der Klägerin nicht um Umweltschutz gehe, sondern darum, sich der
Haftung für von ihr zu verantwortende Umweltschäden zu entziehen. Wird die
Missbräuchlichkeit teilweise restriktiv aufgefasst und hierunter nur die Konstellation
querulatorischer, gleichlautender oder zielloser Anfragen verstanden (OVG
Schleswig, ZUR 1997, 43 [44]), so kann man in einer weiter gefassten Auslegung
hierunter auch die Fälle verstehen, in denen mit dem Antrag erkennbar und
ausschließlich andere Zwecke als die Verbesserung des Umweltschutzes verfolgt
werden (VG Hamburg, Urteil vom 14.01.2004 - 7 VG 1422/2003 - juris). Selbst
wenn man aber diesem weiten Verständnis des Ausnahmetatbestandes folgt, ist
das Informationsbegehren der Klägerin nicht offensichtlich missbräuchlich. In dem
Zivilprozess, auf den die Beigeladene verweist, geht es nicht um die Frage, ob
entstandene Umweltschäden zu beseitigen sind oder nicht, sondern darum, wer
die aufgrund von Grundwasserverunreinigungen entstandenen Mehrkosten bei
Baumaßnahmen zu tragen hat. Kurz: Der Prozess dreht sich nicht um
Umweltschutzmaßnahmen, sondern um Kostenverteilungsfragen für bereits
getroffene Maßnahmen. Vom Ausgang des Zivilprozesses hängen also weder
vorteilhafte noch nachteilige Umweltfolgen im Westhafengebiet ab, sondern
lediglich positive oder negative Folgen für die finanzielle Situation der Klägerin bzw.
der Beigeladenen. Ein Fall des offensichtlichen Missbrauchs des
Umweltinformationsanspruches zu sachfremden, d.h. der Zielsetzung der
Richtlinie 2003/4/EG entgegenstehenden Zwecken liegt somit nicht vor. Einer
positiven Feststellung, dass die Klägerin die Umweltinformationen ausdrücklich und
ausschließlich zu Zwecken des Umweltschutzes verwenden will, bedarf es indes
nicht; ein solches Erfordernis würde der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 22003/4/EG
normierten Unabhängigkeit des Umweltinformationsanspruches von der
Geltendmachung eines Interesses zuwiderlaufen (BVerwG, NVwZ 2006, 343).
Es liegen auch keine ohne weiteres nachvollziehbaren und von der Beklagten
überzeugend und substantiiert dargelegten Anhaltspunkte dafür vor, dass es sich
bei den Umweltinformationen, um die es der Klägerin geht, lediglich um interne
Mitteilungen i.S.v. Art. 4 Abs. 1 Buchst. e) Richtlinie 2003/4/EG handeln könnte. Der
öffentliche Belang, dem diese - ohnehin, wie sich aus der Begründungserwägung
Nr. 16 ergibt, eng zu verstehende - Ausnahme dient, ist der Schutz der
Vertraulichkeit des innerbehördlichen Entscheidungsprozesses (Schrader, a.a.O., §
7 Rn. 29). Sobald Mitteilungen wie Stellungnahmen oder Gutachten an eine andere
Behörde gegangen sind oder ihrerseits von einer anderen Behörde oder Dritten
stammen, liegen keine verwaltungsinternen Informationen mehr vor (VGH Kassel,
Beschluss vom 04.01.2006 - 12 Q 2828/05, S. 9). Jedenfalls bei den oben
genannten Gutachten, Stellungnahmen sowie Besprechungsprotokollen handelt es
sich um Unterlagen, die den innerbehördlichen Bereich des Stadtplanungsamtes
durch die Zugänglichmachung für Dritte bereits verlassen haben (z.B. die
Besprechungsprotokolle) oder schon gar nicht aus dem innerbehördlichen Bereich
stammen (z.B. die umwelttechnischen Gutachten). Es ist daher keineswegs
ausgeschlossen, dass die in den Ordnern „B-Plan 717, 2a + 2b, Vermerke-
Protokolle“ enthaltenen Unterlagen wenigstens teilweise einer breiteren
Behördenöffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind. Nach derzeitigem Sach-
und Streitstand dürfte daher der Ausnahmetatbestand des Art. 4 Abs. 1 Buchst. e)
der Richtlinie 2003/4/EG nicht erfüllt sein.
Auch der in Art. 4 Abs. 2 Buchst. c) der Richtlinie 2003/4/EG enthaltene
Ausschlussgrund der negativen Auswirkungen auf ein laufendes Gerichtsverfahren
bzw. die Möglichkeit einer Person, ein faires Verfahren zu erhalten, ist nicht
gegeben. Die Beklagte trägt insofern vor, die Klägerin versuche sich über den
europarechtlichen Umweltinformationsanspruch in dem Besitz von Informationen
zu bringen, die ihr nach den zivilprozessualen Beweisregeln nicht zustünden. Der
Informationsausschluss während eines Gerichtsverfahrens dient dem Schutz der
Rechtspflege gegen Beeinträchtigungen durch das Bekanntwerden
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Rechtspflege gegen Beeinträchtigungen durch das Bekanntwerden
verfahrensrelevanter Informationen (Schrader, a.a.O., § 7 Rn. 13ff.). Der
Ausschlussgrund soll die Rechtspflege bzw. Beteiligte davor schützen, dass die
Öffentlichkeit oder am Verfahrensausgang interessierte Dritte Zugang zu
Informationen erhalten, mit Hilfe derer sie Druck auf die Entscheidungsträger
ausüben können (BVerwG, NVwZ 2000, 436 [438]). Eine derartige Konstellation ist
hier aber nicht gegeben. Die Klägerin ist selbst Beteiligte an dem Zivilrechtsstreit.
Umgekehrt ist die Beklagte gerade nicht an dem Zivilrechtsstreit beteiligt. Dass
Dritte oder die Öffentlichkeit mit Hilfe der Informationen Druck ausüben könnten,
ist somit nicht ersichtlich. Weiterhin steht der Annahme von negativen
Auswirkungen auf ein laufendes Gerichtsverfahren aber auch entgegen, dass die -
evtl. aufgrund zusätzlicher Informationen ermöglichte - Findung eines materiell
richtigen Zivilrechtsurteils keine negative Auswirkung i.S.d. Art. 4 Abs. 2 Buchst. c)
der Richtlinie 2003/4/EG darstellen kann. Außerdem würde, wenn man der
Argumentation der Beklagten folgt, der Verwaltung ermöglicht, sich unter Verweis
auf zivilprozessuale Beweisregelungen öffentlich-rechtlichen Bindungen - hier dem
europarechtlichen Umweltinformationsanspruch - zu entziehen; es fände quasi
eine „Flucht ins Zivilprozessrecht“ statt, die vom Schutzzweck des
Ausnahmetatbestandes nicht gedeckt ist. Infolgedessen scheidet auch dieser
Ausnahmetatbestand aus.
Schließlich stellt das Vorbringen der Beklagten, die Unterlagen enthielten
Geschäfts- bzw. Betriebsgeheimnisse, weshalb sie gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. d)
der Richtlinie 2003/4/EG nicht zugänglich gemacht werden könnten, eine bloße
Behauptung dar. Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind alle im
Zusammenhang mit einem Geschäftsbetrieb stehenden Tatsachen, die nur einem
begrenzten Personenkreis bekannt sind, nach dem Willen des Betriebsinhabers
geheim gehalten werden sollen und an deren Bewahrung der Geheimnisträger ein
schutzwürdiges Interesse hat (VG Hamburg, Urteil vom 14.01.2004 - 7 VG
1422/2003). Weder die Beklagte, die insoweit die Darlegungs- und Beweislast hat,
noch die Beigeladene haben jedoch ausreichend dargelegt, inwiefern sich in den
Ordnern „B-Plan 717, 2a + 2b“ Unterlagen über schützenswerte Betriebs- oder
Geschäftsgeheimnisse befinden könnten. Der Ausnahmetatbestand des Art. 4
Abs. 2 Buchst. d) der Richtlinie 2003/4/EG liegt somit ebenfalls nicht vor.
Nach alledem steht fest, dass das Informationsbegehren der Klägerin selbst bei
unmittelbarer Anwendung der Ausnahmetatbestände in Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2
der Richtlinie 2003/4/EG nicht ausgeschlossen wäre.
Die Klägerin hat daher einen Anspruch darauf, den Zugang zu den bei der
Beklagten vorhandenen und im Tenor näher bezeichneten Umweltinformationen
zu erhalten. Aus Art. 3 Abs. 4 S. 1 der Richtlinie 2003/04/EG ergibt sich, dass
grundsätzlich die begehrten Umweltinformationen in der von der Klägerin
begehrten Form zugänglich zu machen sind (vgl. auch VGH Kassel, Beschluss vom
5.1.2006 - 12 Q 2828/05 - und Beschluss vom 16.3.2006 - 12 Q 590/06).
Zur Sicherung des Informationsanspruches der Klägerin sind die entsprechenden
Verfahrensakten der Beklagten zu paginieren und die Aktenbestandteile, die nach
Ansicht der Beklagten keine Umweltinformationen enthalten, durch Angabe der
Seitenzahlen und einer stichwortartigen Beschreibung des Inhalts im Einzelnen
aufzulisten. Eine Abschrift der Liste ist der Klägerin zu überlassen.
Die Klage ist jedoch unbegründet, soweit die Klägerin mit ihrem Klageantrag zu I.
begehrt, die Beklagte zu verpflichten, ihr Akteneinsicht in die dort näher
bezeichneten Akten zu gewähren. Gemäß Art. 1 und Art. 2 S. 1 Buchst. 1 der
Richtlinie 2003/04/EG besteht ein Anspruch gegenüber der Beklagten, Zugang zu
Umweltinformationen zu erhalten. Demgegenüber ist es nicht Sinn und Zweck
dieser Richtlinie, ein allgemeines Recht auf Akteneinsicht für jedermann
einzuführen (vgl. demgegenüber zum Akteneinsichtsrecht nach § 1 Abs. 2 IFG
Berger/Roth/Scheel, Informationsfreiheitsgesetz, 2006, § 1 Rn. 95 ff.). Dies ergibt
sich auch aus der Begründungserwägung Nr. 24, wonach die Bestimmungen
dieser Richtlinie nicht das Recht der Mitgliedstaaten berühren, Vorschriften
beizubehalten oder einzuführen, die der Öffentlichkeit einen breiteren Zugang zu
Informationen gestatten als in dieser Richtlinie vorgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die der Beigeladenen entstandenen außergerichtlichen Kosten sind nicht zu
erstatten (§ 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1
VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung ist zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
124a Abs. 1 S. 1 VwGO).
Beschluss
Der Streitwert wird auf 10.000,-- € festgesetzt.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.