Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 28.06.2001

VG Frankfurt: aufenthaltserlaubnis, arbeitserlaubnis, marokko, eugh, öffentliche ordnung, verfügung, lebensgemeinschaft, gesundheit, einreise, befristung

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Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 E 2443/99 (3)
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 12 Abs 2 AuslG 1990, Art 40
EWGKoopAbk MAR
(Marokko; Aufenthaltsrecht; Anwendung des EWGKoopAbk
MAR)
Leitsatz
Rechtsanspruch auf Aufenthaltserlaubnis aufgrund des Art. 40 des
Kooperationsabkommens EWG und Königreich Marokko.
Tenor
Der Bescheid des Beklagten vom 16.12.1998 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 05.07.1999 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten
vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er reiste im Juli 1995 in die
Bundesrepublik Deutschland ein. Zum Zeitpunkt der Einreise war der Kläger im
Besitz einer Aufenthaltsgenehmigung in Form eines Visums zum Zwecke der
Familienzusammenführung. Der Kläger nahm Wohnsitz in Hattersheim. Am
06.09.1995 stellte der Kläger Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung,
die ihm bis zum 05.12.1996 befristet erteilt wurde.
Auf seinen Antrag hin erhielt der Kläger am 05.10.1995 eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis des Arbeitsamtes Frankfurt.
Die Aufenthaltserlaubnis wurde auf Antrag des Klägers bis zum 05.12.1999
befristet verlängert.
Mit Schreiben vom 05.10.1998 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass
beabsichtigt sei, die erteilte Aufenthaltsgenehmigung nachträglich zu befristen
und den Kläger zur Ausreise aufzufordern, weil die eheliche Lebensgemeinschaft
zwischen ihm und seiner Ehefrau nicht mehr bestehe.
Bei seiner persönlichen Vorsprache am 09.10.1998 erklärte der Kläger, seines
Wissens nach, habe seine Ehefrau die Scheidung eingereicht. Wenn diese erfolgt
sei, wolle er seine deutsche Lebensgefährtin heiraten.
Mit Verfügung vom 16.12.1998 befristete die Beklagte die bis zum 05.12.1999
erteilte Aufenthaltserlaubnis nachträglich auf das Datum der Zustellung der
Verfügung und forderte den Kläger zur Ausreise binnen Monatsfrist nach
Zustellung der Verfügung auf. Für den Fall der Nichtausreise drohte sie die
Abschiebung nach Marokko an.
Zur Begründung führte die Beklagte aus, eine befristete Aufenthaltserlaubnis solle
nachträglich zeitlich beschränkt werden, wenn eine zwingende
Erteilungsvoraussetzung entfallen sei. Da der Aufenthaltszweck entfallen sei und
der Kläger noch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht erworben habe, könne
vorliegende Entscheidung getroffen werden.
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Der Kläger erhob Widerspruch mit der Begründung, die Ausreisefrist sei zu knapp
bemessen. Auch sei in die Ermessenserwägung nicht einbezogen worden, dass
der Kläger alsbald nach der Scheidung wieder eine deutsche Lebensgefährtin
heiraten wolle.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05. Juli 1999 wies das Regierungspräsidium
Darmstadt den Widerspruch des Klägers mit der Maßgabe zurück, dass dem
Kläger die Abschiebung nach Marokko angedroht werde für den Fall, dass er nach
Ablauf der ihm bis zum 05.12.1999 erteilten Aufenthaltsgenehmigung
ausreisepflichtig werde, spätestens jedoch für den Fall, dass er seine
Ausreisepflicht nicht innerhalb von einem Monat nach Bestandskraft der Verfügung
vom 16.12.1998 nachkomme.
Der Kläger hat am 11. August 1999 Klage erhoben.
Er ist der Auffassung, dass er aufgrund des Art. 40 des Kooperationsabkommens
zwischen der EWG und dem Königsreich Marokko einen Anspruch auf
Aufenthaltserlaubnis habe. Ihm sei am 05.10.1995 eine unbefristete
Arbeitserlaubnis erteilt worden und er sei auch in ungekündigter Stellung tätig.
Der Kläger beantragt,
die Verfügung vom 16.12.1998, in Gestalt des Widerspruchsbescheides des
Regierungspräsidiums Darmstadt vom 05.07.1999, zugegangen am 12.07.1999,
Aktenzeichen: III 23-23 d 02/01-E-3/99, aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Kläger aus dem Kooperationsabkommen zwischen
der EWG und Marokko keinen Anspruch auf Verlängerung bzw. Fortgeltung der
Aufenthaltserlaubnis herleiten könne. Der Aufenthalt könne beendet werden, wenn
dies im berechtigten Interesse der Bundesrepublik Deutschland liege. Einerseits
sei die Arbeitserlaubnis immer nur in Verbindung mit einer gültigen
Aufenthaltserlaubnis zu sehen. Darüberhinaus sei dem Kläger die
Aufenthaltserlaubnis nicht zur Arbeitsaufnahme sondern zu einem bestimmten
Aufenthaltszweck, nämlich der Führung einer Lebensgemeinschaft mit seiner
deutschen Ehefrau, erteilt worden. Hierüber sei er auch ausdrücklich belehrt
worden. Dieser Aufenthaltszweck sei nunmehr entfallen, da die eheliche
Lebensgemeinschaft aufgegeben werde. Da die Bundesrepublik Deutschland kein
Einwanderungsland sei, habe sie ein berechtigtes Interesse daran, dass sich nur
Ausländer im Bundesgebiet aufhalten, die die im Ausländergesetz und den hierzu
ergangenen Vorschriften vorgesehenen Voraussetzungen erfüllten. Diese seien
beim Kläger jedoch gerade entfallen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte (1 Band) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die als Anfechtungsklage gegen die Verfügung vom 16.12.1998 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 05. Juli 1999 statthafte Klage ist zulässig und
begründet.
Der Bescheid in der genannten Fassung, mit der die bis zum 05.12.1999 erteilte
Aufenthaltserlaubnis nachträglich befristet wurde und eine
Abschiebungsandrohung erlassen wurde, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in
seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
Voraussetzung für die nachträgliche Befristung einer Aufenthaltsgenehmigung
gem. § 12 Abs. 2 des AuslG ist, dass eine für die Erteilung, die Verlängerung oder
die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen ist.
Vorliegend hat die Beklagte die nachträgliche Befristung damit begründet, dass
aufgrund der Trennung zwischen dem Kläger und seiner Ehefrau keine eheliche
Lebensgemeinschaft mehr bestanden habe, die die Rechtsgrundlage für die
Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung gem. § 23 Abs. 1 Nr. 1 AuslG i.V.m. § 17
Abs. 1 AuslG für die Aufenthaltsgenehmigung gewesen sei. Die Tatsache der
Trennung ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
Einen Rechtsanspruch auf ein selbständiges Aufenthaltsrecht nach § 19 AuslG
habe der Kläger wegen der Kürze des zurückgelegten Aufenthalts nicht erhalten.
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Nach Auffassung des Gerichts hat der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des
angefochtenen Verwaltungsaktes, vorliegend der Widerspruchsbescheid vom 05.
Juli 1999, gleichwohl einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis
gehabt, so dass insoweit die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 AuslG nicht
gegeben sind.
Ein Rechtsanspruch auf Aufenthaltserlaubnis sieht das Gericht vorliegend durch
Art. 40 des Kooperationsabkommens zwischen der Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft und dem Königreich Marokko vom 27.04.1976 als
gegeben an.
Insoweit wendet das Gericht die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes
in seinem Urteil vom 02.03.1999 - RS.C - 416/96 (El-Yassine), InfAuslR 5/99 S. 218
an.
Danach kommt dem Art. 40 Abs. 1 des Abkommens EWG-Marokko eine
unmittelbare Wirkung zu. Dies bedeutet (a.a.O. Rdnr. 32), dass ein Rechtsbürger,
für den diese Bestimmung gilt, berechtigt ist, sich vor den nationalen Gerichten
auf sie berufen.
Damit kann der Kläger im vorliegenden Fall sich unmittelbar auf Art. 40 des
Kooperationsabkommens EWG-Marokko berufen.
Art. 40 des Kooperationsabkommens verbietet Diskriminierungen der im
Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates beschäftigten marokkanischen
Wanderarbeitnehmern hinsichtlich ihrer Arbeits- und Entlohnungsbedingungen.
Der Fall, den der EuGH zu entscheiden hatte, war der eines marokkanischen
Staatsangehörigen, der im Januar 1989 unter Auflage eines Beschäftigungsverbots
die Erlaubnis zur Einreise nach Großbritannien als Besucher erhielt. Im Oktober
1990 heiratete er eine britische Staatsangehörige. Aufgrund dieser Eheschließung
erhielt er im März 1991 eine auf zwölf Monate befristete Aufenthaltserlaubnis. Das
Beschäftigungsverbot wurde aufgehoben. Seit diesem Zeitpunkt war der Kläger als
Arbeitnehmer erwerbstätig. Nachdem sich das Ehepaar getrennt hatte,
beantragte der Kläger vergeblich die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Er
stützte sich auf Art. 40 Abs. 1 des Kooperationsabkommens mit Marokko. Der
EuGH kam aufgrund dreier Vorlagefragen des vorliegenden Gerichts zu dem
Ergebnis, dass Art. 40 des Kooperationsabkommens es dem Mitgliedsstaat
grundsätzlich nicht untersage, es abzulehnen, die Aufenthaltserlaubnis eines
marokkanischen Staatsangehörigen, dem er die Einreise und die Aufnahme einer
Beschäftigung erlaubt habe, für die gesamte Dauer dieser Beschäftigung zu
verlängern, wenn der ursprüngliche Grund für die Gewährung des
Aufenthaltsrechts bei Ablauf der ursprünglichen Aufenthaltserlaubnis nicht mehr
bestehe.
Anders sei es nur, wenn dem Betroffenen durch ein derartiges Vorgehen das Recht
auf tatsächliche Ausübung einer Beschäftigung, welches ihm durch eine von der
zuständigen nationalen Behörde ordnungsgemäß erteilte Arbeitserlaubnis erteilt
worden sei, die länger als die Aufenthaltserlaubnis war, entzogen würde, ohne das
Gründe des Schutzes eines berechtigten Interesses des Staates, nämlich Gründe
der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit dies rechtfertigten.
Diese Grundsätze hält das Gericht vorliegend vor einschlägig. Zwar ist es beim
gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts einem Mitgliedsstaat grundsätzlich
nicht untersagt, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis eines marokkanischen
Staatsangehörigen, dem er die Einreise und die Aufnahme einer Beschäftigung
erlaubt hat abzulehnen, wenn der ursprüngliche Grund für die Gewährung des
Aufenthaltsrechts nach Ablauf der Aufenthaltserlaubnis nicht mehr besteht.
Dem Kläger wurde vorliegend Aufenthaltserlaubnis im Hinblick auf die eheliche
Lebensgemeinschaft mit einer deutschen Staatsangehörigen erteilt, so dass auch
unter Anwendung der Rechtsprechung des EuGH es grundsätzlich möglich ist,
wenn dieser ursprüngliche Grund für die Gewährung des Aufenthaltsrechts entfällt,
die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung abzulehnen oder ggf. wie hier,
nachträglich zu befristen. Dem steht auch nicht entgegen, dass dann das
Arbeitsverhältnis des marokkanischen Staatsangehörigen im
Aufnahmemitgliedstaat vor dem mit dem Arbeitgeber vertraglich vereinbarten
Termin zu beenden wäre.
Dies gilt jedoch dann nicht, wenn das nationale Gericht feststellt, dass der
Aufnahmemitgliedstaat dem marokkanischen Wanderarbeitnehmer in Bezug auf
die Ausübung einer Beschäftigung weitergehende Rechte als in Bezug auf den
Aufenthalt verliehen hat. Dies ist dann der Fall, wenn die dem Betroffenen vom
Mitgliedsstaat gewährte Aufenthaltserlaubnis kürzer als die Arbeitserlaubnis ist
und der Mitgliedsstaat vor Ablauf der Arbeitserlaubnis eine Verlängerung der
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und der Mitgliedsstaat vor Ablauf der Arbeitserlaubnis eine Verlängerung der
Aufenthaltserlaubnis abgelehnt hat, ohne das dies aus Gründen des Schutzes
eines berechtigten Interesses des Staates, namentlich in Gründen der öffentlichen
Ordnung, Sicherheit und Gesundheit vorliegen (EuGH, a.a.O., Rdnr. 64). So ist es
hier.
Dem Kläger wurde im Hinblick auf seinen Antrag eine befristete
Aufenthaltserlaubnis erteilt, die nach Ablauf eines Jahres wiederum befristet
verlängert wurde. Gleichwohl hat die Arbeitsverwaltung in Frankfurt dem Kläger
eine unbefristete Arbeitserlaubnis erteilt. Damit liegt die vom EuGH entschiedene
Fallkonstellation vor. Das heißt, die gewährte Aufenthaltserlaubnis war kürzer als
die Arbeitserlaubnis, so dass in Bezug auf die Ausübung einer Beschäftigung dem
Kläger weitergehende Rechte als in Bezug auf den Aufenthalt verliehen worden
sind.
Soweit die Beklagte darauf hinweist, dass Arbeitserlaubnis und
Aufenthaltserlaubnis wechselseitig voneinander abhängen, vermag dieses
Argument das Gericht nicht zu überzeugen. Die Arbeitserlaubnis wird von der
Sozialverwaltung aufgrund des sozialen Gesetzbuches (SGB III, § 284 ff.) erteilt und
darf auch nur erteilt werden, wenn der Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung
nach § 5 des AuslG besitzt (§ 284 Abs. 5 SGB III). Eine Erlöschensautomatik
existiert gleichwohl nicht. Vorliegend ist der Kläger unverändert im Besitz der
unbefristeten Arbeitserlaubnis und in ungekündigter Stellung beschäftigt, obwohl
zwischen den Beteiligten über die Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf
Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung Streit besteht und insoweit eine
ablehnende Verfügung, die allerdings nicht bestandskräftig geworden ist, erlassen
wurde.
Das Gericht ist der Auffassung, die Rechtsprechung des EuGH dahingehend
verstehen zu können, dass es allein auf formale Rechtslage ankommt. Das Gericht
ist insoweit der Überzeugung, dass das formale Bestehen einer unbefristeten
Arbeitserlaubnis im Verhältnis zu einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung
ausreicht, um Art. 40 des Kooperationsabkommens EWG-Marokko Anwendung
finden lassen zu können. Aber auch aus der nationalen Rechtslage lassen sich
Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Arbeitserlaubnis den Zweck des
Aufenthaltes nicht als ausschließlichen Prüfungsgegenstand zu der Frage macht,
ob einem Ausländer die Arbeitserlaubnis erteilt werden kann. Zum einen sieht das
Gesetz gem. § 285 Abs. 5 SGB III grundsätzlich die Möglichkeit vor, auch die
Arbeitserlaubnis zu befristen, so dass die Aufenthaltsgenehmigung und die
Arbeitserlaubnis im Hinblick auf die Dauer stärker miteinander verknüpft werden
könnten als dies vorliegend geschehen ist.
Der Prüfungsgegenstand einer Arbeitserlaubnis ist allerdings auch ein gänzlich
anderer als der für die Aufenthaltsgenehmigung. So hat die Arbeitsverwaltung im
Auge zu behalten, ob sich nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt durch
die Beschäftigung von Ausländern entfalten oder dass Ausländer nicht zu
ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer
beschäftigt werden. Auch dies spricht für eine gewisse Unabhängigkeit zwischen
den verschiedenen Genehmigungsverfahren, so dass das Gericht auch aus diesen
Gründen die Rechtsprechung des EuGH für den vorliegenden Fall für anwendbar
erachtet.
Eine nachträgliche Befristung der Aufenthaltsgenehmigung wäre nur dann möglich,
wenn auch der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis Gründe der öffentlichen
Ordnung, Sicherheit und Gesundheit entgegen stehen würden. Diese
Formulierung, die der EuGH in dem zitierten Urteil verwendet, findet sich in Art. 48
Abs. 3 des EWG-Vertrages als Einschränkungsmöglichkeit der Freizügigkeit von
Arbeitnehmern. Durch die Anwendung dieser Formulierung stellt der EuGH nach
der Auffassung des erkennenden Gerichts klar, dass insoweit seine
Rechtsprechung zu Art. 48 Abs. 3 EWG-Vertrag auch auf Fälle des
Kooperationsabkommens EWG-Marokko Anwendung finden soll. Insoweit hat sich
durch die Rechtsprechung des EuGH herauskristallisiert, dass der Vorbehalt der
öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit als eine Ausnahmebestimmung
restriktiv auszulegen ist und beim Verstoß gegen die öffentliche Ordnung eine
tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegen muss, die ein
Grundinteresse der Gemeinschaft berührt (EuGH-BOUCHEREAU 30/77 - Slg. 1977,
S. 1995). Damit steht nach Auffassung des erkennenden Gerichts ebenfalls fest,
dass allein einwanderungspolitische Ziele des nationalen Ausländergesetzes nicht
unter dem Begriff öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit subsumiert
werden können und demzufolge der Berufung auf Art. 40 des
Kooperationsabkommens EWG-Marokko auch nicht entgegen gehalten werden
können.
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Da der Kläger, wie unstreitig ist, in der Bundesrepublik Deutschland keine
Gesetzesverstöße begangen hat, bleibt also festzuhalten, dass er aufgrund Art. 40
des Kooperationsabkommens EWG-Marokko im Hinblick auf die ihm unbefristet
erteilte Arbeitserlaubnis und in Verbindung mit der von ihm ausgeübten
Beschäftigung bis zum 05.12.1999 er einen Anspruch auf eine
Aufenthaltsgenehmigung gehabt hätte, obwohl der ursprüngliche Zweck seiner
Aufenthaltsgenehmigung (eheliche Lebensgemeinschaft mit seiner deutschen
Ehefrau) zu diesem Zeitpunkt weg gefallen war. Damit sind die Voraussetzungen
für die nachträgliche Befristung der Aufenthalterlaubnis der bis zum 05.12.1999
befristeten Aufenthaltsgenehmigung nicht weggefallen, denn aus einem anderen
Rechtsgrund stand ihm eine Aufenthaltsgenehmigung zu.
Der angefochtene Bescheid war also aufzuheben.
Da die Beklagte unterlegen ist, hat sie gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des
Verfahrens zu tragen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf 167 VwGO i.V.m.
§§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.