Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 04.03.2004
VG Frankfurt: ausweisung, geldstrafe, vollstreckung der strafe, ausnahmefall, nummer, unmenschliche behandlung, emrk, fahren, verfügung, aufenthaltserlaubnis
1
2
3
Gericht:
VG Frankfurt 1.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 E 311/03
Dokumenttyp:
Gerichtsbescheid
Quelle:
Norm:
§ 47 Abs 2 AuslG
Ausweisung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der 1961 geborene Kläger ist Staatsangehöriger Bosnien- Herzegowinas. Er reiste
am 01.07.1973 im Rahmen des Familiennachzuges in die Bundesrepublik
Deutschland ein. Am 25.01.1978 beantragte er erstmals die Erteilung einer
Aufenthaltserlaubnis, welche ihm am 28.03.1978 erstmals erteilt wurde. In der
Folgezeit kam es immer wieder zur befristeten Verlängerung, letztmals am
06.02.2002 bis zum 05.03.2003.
In der Zeit vom April 1981 bis Juli 1982 leistete er Wehrdienst im damaligen
Jugoslawien.
Erstmals trat der Kläger 1984 strafrechtlich in Erscheinung. In der Folgezeit kam es
zu folgenden strafrechtlichen Verurteilungen: 1. Amtsgericht Hanau, Urteil vom
27.06.1984, rechtskräftig seit 05.07.1984 AZ: (M1502) - 4 JS 3294/84 DS wegen
Hehlerei in zwei Fällen zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50,00 DM 2.
Amtsgericht Hanau, Urteil vom 24.04.1985, rechtskräftig seit 03.05.1985 AZ:
(M1502) - 4 JS 2912/85 wegen Hehlerei zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu
je 50,00 DM Geldstrafe, hierbei einbezogen wurde die Verurteilung vom
27.06.1984 3. Amtsgericht Hanau, Urteil vom 20.08.1986, rechtskräftig seit
28.08.1986 AZ: (M1502) - 4 JS 716/86 LS wegen gemeinschaftlichem, versuchtem
schweren Diebstahl, Verurteilung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je
40,00 DM 4. Amtsgericht Hanau, Urteil vom 30.09.1986, rechtskräftig seit
08.10.1986 AZ: (M1502) - 2 JS 13733/85 LS - wegen Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamten in Tateinheit mit Körperverletzung, Verurteilung zu einer
Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 50,00 DM 5. Amtsgericht Hanau, Urteil vom
18.05.1987 rechtskräftig seit 26.05.1987 AZ: (1502) - 4 JS 16371/86 52 LS - wegen
gemeinschaftlichem Diebstahl in einem besonders schweren fall und
gemeinschaftlicher versuchter Diebstahl in 2 besonders schweren Fällen,
Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, drei Jahre Bewährung 6.
Amtsgericht Hanau, Urteil vom 24.06.1987, rechtskräftig seit 23.07.1988 AZ:
(M1502) - 4 JS 716/86 - LS, hierbei wurde nachträglich durch Beschluss eine
Gesamtstrafe aus den Verurteilungen zu Nummer 3. und 4. Gebildet, Verurteilung
zu 100 Tagessätzen zu je 45,00 DM Geldstrafe 7. Amtsgericht Alzenau, Urteil vom
19.12.1988, rechtskräftig seit 28.12.1988 AZ: (D4101) - DS 135 JS 11815/88
wegen fahrlässige Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren
ohne Fahrerlaubnis, Verurteilung zu einer Geldstrafe von 65 Tagessätzen zu je
4
5
6
7
8
ohne Fahrerlaubnis, Verurteilung zu einer Geldstrafe von 65 Tagessätzen zu je
45,00 DM 8. Amtsgericht Hanau, Urteil vom 20.10.1993, rechtskräftig seit
23.11.1993 AZ: (M1502) - 13 JS 13113/93 51 CS wegen Fahren ohne
Fahrerlaubnis, Verurteilung zu einer Geldstrafe vom 30 Tagessätzen zu je 30,00
DM 9. Amtsgericht Hanau, Urteil vom 19.09.1995, rechtskräftig seit 12.10.1995
AZ: (M1502) - 13 JS 10795.9/95 51 CS - wegen Diebstahl geringwertiger Sachen
Verurteilung zu einer Geldstrafe von 8 Tagessätzen zu je 30,-- DM 10. Amtsgericht
Hanau, Urteil vom 11.06.1996, rechtskräftig seit 11.07.1996 AZ: (M1502) - 4 JS
11734.7/93 52 LS - wegen Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlichem Eingriff
in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Freiheitsberaubung, Verurteilung zu einer
Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30,00 DM 11. Amtsgericht Bruchsal, Urteil
vom 17.03.1998, rechtskräftig seit 07.04.1998 AZ: (M1502) - 12 JS 5208.0/98 -
wegen vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, Verurteilung zu einer Geldstrafe
von 50 Tagessätzen zu je 30,00 DM Geldstrafe 12. Amtsgericht Hanau, Urteil vom
02.05.1998, rechtskräftig seit 02.07.1998 AZ: (M1502) - 12 JS 5208.0/98 51 CS -
wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Trunkenheit im Verkehr,
Verurteilung zu 100 Tagessätzen zu je 50,00 DM Geldstrafe 13. Amtsgericht
Hanau, Urteil vom 23.10.1998, rechtskräftig seit 16.11.1998 AZ: (M1502) - 12 JS
5208.0/98 51 CS, hierbei wurden nachträglich durch Beschluss eine Gesamtstrafe
aus den Verurteilungen zu Nummer 11 und 12. Gebildet, Verurteilung zu einer
Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu je 40,00 DM Geldstrafe 14. Amtsgericht
Hanau, Urteil vom 16.04.1999, rechtskräftig seit 24.04.1999 AZ: (M1502) - 12 JS
8634.0/98 51 DS - wegen vorsätzlichen Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit
mit fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung infolge Trunkenheit, Verurteilung zu 6
Monaten Freiheitsstrafe, 3 Jahre auf Bewährung, Sperre für die Fahrerlaubnis bis
23.04.2001 15. Amtsgericht Hanau, Urteil vom 26.03.2002, rechtskräftig seit dem
19.06.2002, AZ: 2940 JS 549/02 50 DS wegen vorsätzlichen Fahren ohne
Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Gefährdung des Straßenverkehrs und fahrlässiger
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten
Nach erfolgter Anhörung wies der Oberbürgermeister der Stadt Hanau den Kläger
mit Verfügung für unbefristete Dauer aus dem Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland aus, drohte die sofortige Vollziehbarkeit der unter Ziffer 1 genannten
Maßnahme an und kündigte die Abschiebung des Klägers unmittelbar nach seiner
Haftentlassung an. Für den Fall der vorzeitigen Haftentlassung drohte der
Oberbürgermeister der Stadt Hanau dem Kläger ferner die Abschiebung nach
Bosnien- Herzegowina für den Fall an, dass dieser nicht spätestens ein Monat nach
seiner Haftentlassung die Bundesrepublik Deutschland verlassen habe. Auf die
Begründung dieser Verfügung wird Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 24.09.2002 legte der Kläger Widerspruch gegen die Verfügung
vom 13.09.2002 ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.12.2002 wies das Regierungspräsidium
Darmstadt den Widerspruch zurück. Auf die Begründung des
Widerspruchsbescheides wird Bezug genommen. Die Zustellung des
Widerspruchsbescheides erfolgte am 23.12.2002.
Mit Schriftsatz vom 23.01.2003, dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
zugegangen an diesem Tag, erhob der Kläger Klage. Die wiederholte Straffälligkeit
des Klägers reiche nicht aus, die Ausweisung zu rechtfertigen. Es handele sich in
der Regel um Verkehrsstraftaten, die darauf zurückzuführen seien, dass der Kläger
über einen langen Zeitraum alkoholabhängig gewesen sei. Bereits vor dem Antritt
der derzeitigen Freiheitsstrafe habe sich der Kläger bezüglich seiner
Alkoholabhängigkeit in ärztlicher Behandlung befunden, die er nunmehr während
der Strafvollstreckung in der JVA in Frankfurt fortsetze. Es sei deshalb damit zu
rechnen, dass der Kläger zukünftig nicht mehr straffällig werde. Zu berücksichtigen
sei ferner der lange Aufenthalt des Klägers in der Bundesrepublik Deutschland.
Ferner habe der Kläger eine einundsechzigjährige Mutter, die beinleidend sei und
insofern der Pflege bedürfe. Die Mutter könne lediglich die Hilfe des Antragstellers
in Anspruch nehmen.
Mit Schriftsatz vom 29.04.2003 hat der Kläger um einstweiligen Rechtsschutz
nachgesucht. Zutreffend sei, dass der Kläger über keinen besonderen
Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 AuslG verfüge und es sich vorliegend um eine
Regelausweisung handele. Am 05.02.2003 habe der Kläger bei der Beklagten
vorgesprochen und habe mündlich die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis
begehrt. Die Ausweisung sei rechtswidrig, da die Beklagte zu unrecht von einem
Regelfall und nicht von einem Ausnahmefall im Sinne des § 47 Abs. 2 Nummer 1
9
10
11
12
13
14
15
Regelfall und nicht von einem Ausnahmefall im Sinne des § 47 Abs. 2 Nummer 1
AuslG ausgehe und die dem Kläger aus Artikel 8 EMRK zustehenden Rechte keine
ausreichende Berücksichtigung gefunden hätten. Für die Annahme des Vorliegens
eines Ausnahmefalles spreche, dass der Kläger die letzten dreißig Jahre seines
Lebens im Bundesgebiet verbracht habe. Ferner verstoße die Ausweisung gegen
Artikel 8 EMRK. Insoweit komme eine Verletzung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Betracht, da der Kläger aufgrund seiner
gesamten Entwicklung faktisch zu einem Inländer geworden sei. Ihm sei ein Leben
im Staat seiner Staatsangehörigkeit nicht zuzumuten. Der Kläger habe sich
letztmals im Jahre 1986 in seinem Heimatland aufgehalten. Er verfüge dort über
keinerlei Bindungen und stehe im Falle seiner Abschiebung vor dem Nichts. Auch
habe der Kläger während seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet
überwiegend in festen Arbeitsverhältnissen gestanden. Dies belege der
Rentenversicherungsverlauf. Dieser sozialen Integration im Bundesgebiet sei
hinreichend Rechnung zu tragen. Die Ausweisung und Ablehnung einer
Aufenthaltserlaubnis bei Ausländern der zweiten Generation stelle ferner eine
unmenschliche Behandlung im Sinne des Artikel 3 EMRK bzw. eine unzulässige
Diskriminierung im Sinne des Artikel 14 EMRK dar. Der einstweilige
Rechtsschutzantrag sei im übrigen auch insoweit begründet, als er sich auf die
Versagung der vom Kläger begehrten Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis
beziehe.
Mit Beschluss vom 04.07.2003 lehnte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
diesen Antrag ab (1 G 2011/03). Ein Beschwerdeverfahren vor dem VGH Kassel
blieb ohne Erfolg.
Der Kläger beantragt,
die Verfügung der Beklagten vom 13.09.2002 in Form des
Widerspruchsbescheides vom 19.12.2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen des Sachverhalts im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den
Inhalt der vorgelegten Behördenakten (3 Bände) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die als Anfechtungsklage zulässige Klage ist unbegründet. Die in der Verfügung
vom 13.09.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides enthaltene
Ausweisung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Ermächtigungsgrundlage für die Ausweisung ist § 47 Abs. 2 Nummer 1 AuslG.
Danach wird ein Ausländer in der Regel ausgewiesen, wenn er wegen einer oder
mehrerer Straftaten zu einer Jugendstrafe von mindestens zwei Jahren oder zu
einer Freiheitsstrafe verurteilt und die Vollstreckung der Strafe nicht zur
Bewährung ausgesetzt worden ist. Der Antragsteller wurde durch Urteil des
Amtsgerichts Hanau vom 26.03.2002 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von
neun Monaten verurteilt. Der Antragsteller erfüllt somit den
Regelausweisungstatbestand des § 47 Abs. 2 Nummer 1 AuslG. Von dieser Regel
kann nur dann abgewichen werden, wenn ein Ausnahmefall vorliegt. Ein solcher
Ausnahmefall ist nur dann anzunehmen, wenn trotz des Vorliegens der
tatbestandlichen Voraussetzungen des § 47 Abs. 2 AuslG der zugrundeliegende
Sachverhalt von der vom Gesetzgeber vorausgesetzten Normalsituation so
erheblich abweicht, dass eine Ausweisung bei einem solchen atypischen
Sachverhalt nur unter Abwägung aller Gesichtspunkte im Rahmen einer
Ermessensausübung durch die Ausländerbehörde erfolgen sollte (Kanein/ Renner,
Ausländerrecht, 7.Auflage, § 47 Randnummer 13). Die Ausländerbehörde soll von
einer Ausweisung nur absehen können, wenn im Einzelfall besondere Umstände
gegeben sind, die den Ausländer entlasten oder aufgrund derer die Ausweisung
unverhältnismäßig und als unangemessene Härte erscheint. Bei der Feststellung,
ob ein Ausnahmefall vorliegt, sind alle Umstände - neben den general- und
spezialpräventiven Aspekten - insbesondere auch die in § 45 Abs. 2 AuslG
angeführten Gesichtspunkte einzubeziehen sind (Hessischer VGH, Urteil vom
10.08.1992, 12 UE 2254/89, EZAR 032 Nummer 6). Eine Ausnahme kann aber
nicht allein wegen des langen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland
angenommen werden da ansonsten die speziellen Schutzbestimmungen für die in
der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsenen Ausländer (§ 47 Abs. 3, § 48
Abs. 1 Satz 1 Nummer 1-4, Abs. 2 AuslG) gegen den Willen des Gesetzgebers
16
17
18
Abs. 1 Satz 1 Nummer 1-4, Abs. 2 AuslG) gegen den Willen des Gesetzgebers
erweitert würden (Renner Ausländergesetz, 7. Auflage, § 47, Randnummer 16
m.w.N. zur Rechtssprechung). Schließlich ist bei der Frage, ob ein Ausnahmefall im
oben genannten Sinne vorliegt, auch eine Prognose darüber erforderlich, ob in
Zukunft neue Verfehlungen seitens des Ausländers ernsthaft drohen. Im Hinblick
darauf, dass bei der Prüfung, ob die konkreten Verhältnisse des Einzelfalles die
Annahme eines Ausnahmefalles rechtfertigen, auch die familiäre Situation in den
Blick zu nehmen ist, kann eine Ausnahme von der gesetzlichen Regel auch dann
anzunehmen sein, wenn die Ausweisung mit Blick auf die familiären
Gegebenheiten mit der grundgesetzlichen Wertentscheidung des Artikel 6 Abs. 1
GG unvereinbar wäre. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die
Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden. In der angegriffenen Verfügung
in der Gestalt des Widerspruchsbescheides hat sich die Beklagten bzw. das
Regierungspräsidium Darmstadt sowohl mit den Umständen der strafgerichtlichen
Verurteilungen als auch mit den individuellen Interessen des Klägers
auseinandergesetzt und ist zurecht zu dem Ergebnis gekommen, dass ein
atypischer Sachverhalt nicht vorliegt.
Ein Ausnahmefall begründet sich insbesondere nicht etwa aufgrund der Dauer des
rechtmäßigen Aufenthalts und der schutzwürdigen persönlichen, wirtschaftlichen
und sonstigen Bindungen des Klägers. Ein Ausnahmefall kann jedenfalls nicht allein
wegen eines langen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland
angenommen werden, da ansonsten die speziellen Schutzbestimmungen für die in
der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsenen Ausländer (§ 47 Abs. 3, § 48
Abs. 1 Satz 1 Nummer 1-4, Absatz 2 AuslG) gegen den Willen des Gesetzgebers
erweitert würden (vgl. Renner § 47 AuslG, 7. Auflage, Randnummer 16 m.w.H. auf
die Rechtssprechung). Der im Bundesgebiet aufgewachsene Klägers ist, wie es
diese Normen voraussetzen, während der gesamten Dauer seines Aufenthaltes
gerade nicht in den Besitz einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis oder einer
Aufenthaltsberechtigung gelangt. Vor diesem Hintergrund kann es nun aber für die
Annahme eines Ausnahmefalles nicht ausreichen, auf den langjährigen Aufenthalt
des Klägers in Verbindung mit seinen Zeiten der Erwerbstätigkeit zu verweisen.
Dies umso mehr, als der Klägers seit 1984 durchgehend strafrechtlich in
Erscheinung getreten ist, wobei diese Straftaten nicht bloß im Bereich der unteren
Kriminalität anzusiedeln sind und auch nicht als bloße Verkehrsstraftaten
verharmlost werden können. Ferner ist der Integration des Klägers in der
Bundesrepublik Deutschland der Umstand gegenüberzustellen, dass dieser die
ersten elf Lebensjahre im damaligen Jugoslawien verbracht hat und dort auch
seinen Wehrdienst abgeleistet hat. Vor diesem Hintergrund ist zunächst einmal
davon auszugehen, was auch vom Kläger nicht in Abrede gebracht wird, dass er
seiner Muttersprache mächtig ist und ihm die Verhältnisse in seinem Heimatland
vertraut sind. Vor dem Hintergrund dessen kann auch dem Vortrag des Klägers
nicht gefolgt werden, wonach es sich bei ihm faktisch um einen Inländer handele
und es unverhältnismäßig sei, ihn in einen Staat zurückzuschicken, zu dem er
keinen Bezug habe. Auch vor dem Hintergrund der Artikel 8 bzw. 3 bzw. 14 EMRK
kann deshalb ein Ausnahmefall nicht angenommen werden. Die vom Kläger
zahlreich angeführten Urteile sind vom Sachverhalt her mit dem hier vorliegend zu
beurteilenden nicht vergleichbar. So führt der Kläger selbst aus, dass in der
Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Artikel 8
EMRK vor allem das Fehlen jeglicher Bindungen zum Herkunftsstaat und das
Bemühen des Betroffenen um Entlassung aus der Staatsangehörigkeit des
Herkunftsstaats als gewichtige Gründe für die Unverhältnismäßigkeit einer
aufenthaltsbeendenden Maßnahme angesehen worden seien. Keiner dieser beiden
Gesichtspunkte ist vorliegend gegeben.
Auch unter generalpräventiven Aspekten ist das Vorliegen eines Ausnahmefalles
nicht zu bejahen. Denn auch bei Straftaten im Bereich der mittleren Kriminalität
besteht ein dringendes Bedürfnis dafür, über die strafrechtliche Sanktion hinaus
durch die Ausweisung andere Ausländer von Straftaten ähnlicher Art und Schwere
abzuhalten (Gemeinschaftskommentar, Ausländerrecht, § 45, Randnummer 463).
Auch im Hinblick auf spezialpräventiven Gesichtspunkte ist nicht erkennbar, dass
ein Ausnahmefall vorliegt. Die durchgehende Begehung von Straftaten seit 1984
weist vielmehr darauf hin, dass sich dies fortsetzen wird. Für die Annahme eines
Ausnahmefalles reicht es jedenfalls nicht aus, dass der Antragsteller während
seiner derzeitigen Inhaftierung an einer Alkoholtherapie teilgenommen hat, die
ambulant fortgeführt werden soll. Der Kläger hat weder vorgetragen noch
glaubhaft gemacht, dass er mittlerweile Alkoholabstinent ist.
19
20
21
22
Besondere schutzwürdige Belange im Sinne von Artikel 6 Abs. 1 GG oder Artikel 8
EMRK im Hinblick auf das Zusammenleben mit seiner Mutter und ein hieraus
resultierender Ausnahmefall hat der Kläger im Rahmen des Eilverfahrens nicht
dargetan. Zwar wird eine Pflegeleistung des Klägers gegenüber seiner Mutter im
Rahmen der Klageschrift erwähnt, doch ist dieser Umstand im Rahmen des
Antrages auf einstweiligen Rechtsschutz weder vorgetragen noch glaubhaft
gemacht.
Gegen die Annahme einer unverhältnismäßigen Ausweisung im vorliegenden Falle
spricht im übrigen auch § 8 Abs. 2 Satz 3 AuslG, wonach die Wirkung der
Ausweisung auf Antrag in der Regel befristet wird. Der Gesetzgeber hat mit dieser
Bestimmung ein geeignetes rechtsstaatliches Mittel geschaffen, die
einschneidenden Folgen einer Ausweisung für die persönliche Lebensführung des
Ausländers einzuschränken und bei generalpräventiven Überlegungen zu
verhindern, dass sich die ausländerrechtliche Maßnahme der Ausweisung im
Verhältnis zu der beabsichtigten Abschreckung anderer Ausländer als nicht
adäquater Eingriff erweist. Die mit einem nur zeitweiligen Verlassen der
Bundesrepublik verbundenen sozialen und wirtschaftlichen Nachteile können noch
beträchtlich sein, sind aber im Blick auf das Gebot der Verhältnismäßigkeit des
Mittels eher erträglich und zumutbar als die Folgen einer unbefristeten
Ausweisung. Die Ausländerbehörde kann danach dem öffentlichen Interesse an
der Ausweisung eines straffällig gewordenen und verurteilten Ausländers mit einer
zeitlich abgestuften Reaktion gerecht werden, die gleichzeitig seinen privaten
Belangen hinreichend Rechnung trägt (vgl. BVerG, Beschluss vom 18.07.1979,1
BvR 650/77; VGH Bad-Wü, Beschluss vom 25.09.2002, 11 S 862/02, AuAs 2003, S.
75). Dies wird umso mehr zu gelten haben, wenn sich der Vortrag des
Antragstellers als zutreffend erweist, dass er unter die Bestimmung des § 26
AuslG fällt.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da er unterlegen ist, § 154
Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nummer 11, 711 ZPO.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.