Urteil des VG Frankfurt (Main) vom 28.01.2003
VG Frankfurt: grundstück, stadt, ausschluss der haftung, grundwasser, altlasten, sanierungspflicht, verursacher, öffentlich, behörde, verunreinigung
1
2
3
4
Gericht:
VG Frankfurt 3.
Kammer
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 E 974/00
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 5 BBodSchG, § 4 Abs
3 BBodSchG, § 4 Abs 8
BBodSchG, § 4 Abs 10
BBodSchG, § 4 Abs 13
BBodSchG
Heranziehung des Grundstückseigentümers zur Altlasten-
Feststellung bei schädlichen Bodenveränderungen
Leitsatz
1. Einzelfall einer bodenschutzrechtlichen Anordnung zur Vorlage eines
Sanierungskonzepts
2. Zur bodenschutzrechtlichen Bewertung von Kontaminationen mit BTEX und
Mineralölkohlenwasserstoffen
3. Zur Bedeutung von privatrechtlichen Vereinbarungen und sonstigen zivilrechtlichen
Zusammenhängen zwischen zwei Sanierungspflichtigen für das Auswahlermessen bei
der bodenschutzrechtlichen Heranziehungsentscheidung
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der
festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die bodenschutzrechtliche Inanspruchnahme durch
den Beklagten zur Vorlage eines Sanierungskonzepts hinsichtlich der in F
gelegenen Liegenschaft, die sich im Bereich des F befindet.
Das Grundstück steht im Eigentum der Stadt F. Es war Teil eines
Betriebsgeländes, auf dem die Rechtsvorgängerin der Klägerin von 1957 bis 1984
ein Mineralöltanklager betrieb. Nach Beendigung des Lagerbetriebs wurden auf
dem Grundstück U wie auch auf dem westlich des Hafenbeckens auf der
Oberhafenhalbinsel gelegenen - den größeren Teil des Betriebsgeländes
ausmachenden - Grundstück D Sanierungsmaßnahmen im Blick insbesondere auf
die Kontamination mit versickertem Mineralöl von der Rechtsvorgängerin der
Klägerin in Form insbesondere von Erdaushub durchgeführt.
Nach 1989 wurde die in Frage stehende Fläche zum Zwecke des Umschlags und
der Lagerung von Kunststoffrohstoffen, Dünge- und Futtermitteln sowie sonstiger
umschlags- und speditionsbedingter Lagergeschäfte genutzt. Später erfolgte auf
einem Grundstücksteil auch die Lagerung von Bauschutt- und Aushubmaterial.
Im Zusammenhang mit Bauvorhaben auf dem streitbefangenen Grundstück
wurden später Untersuchungen zu Bodenverunreinigungen durchgeführt. Dabei
wurden insbesondere folgende Kontaminationen festgestellt (Gutachten der SGI
vom 02.05.1994):
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
Boden (Nähe Kaimauer) 1.500 mg/kg nach DEV H18 3.100 mg/kg nach DEV H18
Bodenluft: Kohlenwasserstoffe in Form von BTEX-Aromaten bis 106,6 mg/m³
(Hauptkontaminat: Toluol) Aliphatische Kohlenwasserstoffe 12 mg/m³
Grundwasser: BTEX 227 µ/l (Hauptkontaminat Benzol) 3.410 µ/l (Hauptkontaminat
Toluol)
Aliphatische Kohlenwasserstoffe 1.200 µ/l 26.000 µ/l
Kohlenwasserstoffe nach DEV H18 0,78 mg/l 7 mg/l
Mit Bescheid vom 27.09.1994 stellte der Beklagte das Grundstück als Altlast auf
der Grundlage des Hessischen Altlastengesetzes fest und zog die Klägerin als
Beteiligte zu diesem Feststellungsverfahren hinzu. Den von der Klägerin gegen
den Altlastenfeststellungsbescheid eingelegten Widerspruch wies der Beklagten
mit Widerspruchsbescheid vom 03.11.1994 zurück. Die Klägerin erhob sodann
Klage beim erkennenden Gericht (Az.: -). In diesem Verfahren erklärte die Klägerin
die Hauptsache für erledigt. Der Beklagte schloss sich dieser Erledigungserklärung
an, so dass das Verfahren mit einem Kostenbeschluss nach § 161 Abs. 2 VwGO
beendet wurde.
Aus Anlass der Anhörung im Blick auf den beabsichtigten Erlass einer
bodenschutzrechtlichen Anordnung zur Vorlage eines Sanierungskonzepts
hinsichtlich der Liegenschaft U gab die Klägerin zu verstehen, dass aus ihrer
Heranziehung eine Vereinbarung zwischen ihr und der Stadt F (Hafenbetriebe) als
Grundstückseigentümerin vom 23.01./26.02.1996 entgegenstehe. Dieser Vertrag,
der auch das Grundstück U erfasse, sehe vor, dass die Klägerin an die
Hafenbetriebe einen Pauschalbetrag von DM 895.000,-- entrichte und sie damit
von anderweitigen Ansprüchen auf Durchführung von Untersuchungs-, Sanierungs-
oder sonstigen Maßnahmen freigestellt werde. Die Stadt F (Hafenbetriebe)
äußerte sich demgegenüber dahingehend, dass der benannte Vertrag nur für das
Grundstück D, nicht aber für die U gelte. Dies lasse sich dem Vertragstext
unschwer entnehmen.
Mit Bescheid vom 19.08.1999 erließ der Beklagte gegenüber der Kläger eine
bodenschutzrechtliche Anordnung folgenden Inhalts:
Es ist bei einem qualifizierten Ing.-Büro ein Sanierungskonzept zur Sanierung des
Bodens, der Bodenluft und des Grundwassers in Auftrag zu geben. Als
Sanierungszielwerte für den Boden sind für Kohlenwasserstoffe im Eluat 200 µg/l
und für BTEX im Eluat 10 µ/l anzuhalten. Für das Grundwasser sind BTEX: 10 µ/l
und Kohlenwasserstoffe: 200 µ/l als Sanierungsziel zu erreichen. Die Bodenluft ist
bis zu einem Wert von 5 mg/m³ BTEX zu sanieren. Das Sanierungskonzept ist
gemäß der Bundesbodenschutzverordnung (BBodSchV), Anhang 3, 2.
Sanierungsplan, zu erstellen.
Das Konzept ist mir bis zum 1. Oktober 1999 vorzulegen.
Sollte mir bis zum 1. Oktober 1999 kein Sanierungskonzept zugegangen sein,
drohe ich Ihnen hiermit die Ersatzvornahme an. Ich veranschlage für die Erstellung
des Sanierungskonzeptes mit einer vorherigen Beprobung der Grundwasser- und
Bodenluftmessstellen 25.000,-- DM.
Die Kosten dieser Entscheidung trägt die E.
Die Kosten werden in einem gesonderten Bescheid festgesetzt.
Zur Begründung wird ausgeführt: die festgestellten Belastungen seien auf den
Betrieb des Tanklagers zurückzuführen. Auch nach Inkrafttreten des
Bundesbodenschutzgesetzes habe sich die Sanierungsbedürftigkeit des Bodens
und des Grundwassers nicht verändert.
Den Bescheid vom 19.08.1999 berichtigte der Beklagte unter dem 11.10.1999
dahingehend, dass unter Ziff. 1 der Sanierungszielwert für BTEX im Eluat 20 µg/l
statt 10 µ/l laute und im Grundwasser 30 µ BTEX erreicht würden.
Den am 13.09.1999 ohne Begründung eingelegten Widerspruch wies der Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 13.01.2000 zurück. Zur Begründung wird im
wesentlichen ergänzend ausgeführt: Soweit sich die Klägerin vor Erlass des
20
wesentlichen ergänzend ausgeführt: Soweit sich die Klägerin vor Erlass des
Bescheides darauf bezogen habe, dass eine Sanierungspflicht ihrerseits nicht
gegeben sei, weil ein privatrechtlicher Vertrag mit den Hafenbetrieben vorliege,
nach dem sie von der Verpflichtung zur Sanierung des Grundstückes U freigestellt
worden sei und infolge übereinstimmender Erledigungserklärungen vor dem
Verwaltungsgericht in dem Verfahren - über die Altlastenfeststellung keinerlei
Verpflichtung mehr bestehe, sei dies rechtlich nicht haltbar. Die privatrechtliche
Vereinbarung der Klägerin mit den Hafenbetrieben erfasse lediglich das
Grundstück D in F. Im übrigen habe eine privatrechtliche Vereinbarung zwischen
zwei Sanierungspflichtigen keine Auswirkungen auf die öffentlich-rechtliche
Sanierungspflicht und nur bedingt Auswirkungen auf die Auswahlentscheidung der
Behörde, welchen Sanierungspflichtigen sie zur Sanierung heranziehe. Auch durch
das abgeschlossene Verwaltungsstreitverfahren zur Altlastenfeststellung des
Grundstücks sei die Klägerin von der Sanierungspflicht nicht befreit worden. Dieses
Klageverfahren sei durch übereinstimmende Erledigungserklärung beendet
worden. Eine tatsächliche Erledigung des Altlastenfeststellungsbescheides sei
nicht eingetreten. Durch die Erledigungserklärung sei lediglich die Rechtshängigkeit
entfallen, der Altlastenfeststellungsbescheid damit bestandskräftig. Zweifel an der
Verursachung der Verunreinigungen durch die Klägerin bestünden nicht. Neben
der Klägerin als Handlungsstörerin sei auch die Stadt F als
Grundstückseigentümerin und damit als Zustandsstörerin sanierungspflichtig. Bei
der Störerauswahl sei nach dem Grundsatz der effektiven Gefahrenabwehr
vorzugehen. Insofern böten beide Sanierungspflichtigen gleiche Gewähr. Die
Auswahlentscheidung habe daher im weiteren nach der Sachnähe der in Frage
kommenden Sanierungspflichtigen zu erfolgen. Hierbei sei die Klägerin als
Nutznießerin der die Verunreinigungen verursachenden Nutzungen auf dem
Grundstück vorrangig in Anspruch zu nehmen. Eine privatrechtliche Vereinbarung
über die Kostentragung der Sanierung des hier betroffenen Grundstücks existiere -
wie dargestellt - nicht.
Die Klägerin hat am 18.02.2000 Klage erhoben, mit der sie ihr Anliegen
weiterverfolgt. Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus: Der Beklagte habe
bereits den Sachverhalt fehlerhaft ermittelt, indem er es rechtswidrig unterlassen
haben, die Verursachungsbeiträge der Vornutzer des Grundstücks U zu ermitteln.
Denn im Hafenbereich sei Ölumschlag mindestens seit den 30er Jahren - vor einer
Nutzung durch die Kläger - betrieben worden. Abgesehen davon sei in dem
Umstand, dass der Beklagte das Verwaltungsstreitverfahren hinsichtlich der
Anfechtung der Altlastenfeststellung für erledigt erklärt habe, ein wirksamer
Rechtsverzicht zu sehen mit der Folge, dass die streitgegenständliche Anordnung
rechtswidrig sei. Selbst wenn man die Wirksamkeit eines solchen Verzichts in Frage
stellen sollte, sei die gleichwohl erfolgte Inanspruchnahme der Klägerin jedenfalls
unter Verwirkungsgesichtspunkten rechtswidrig. Denn durch die
Erledigungserklärung des Beklagten sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen
worden. Ferner sei die Ermessensausübung hinsichtlich der Störerauswahl
fehlerhaft vorgenommen worden. Dies beruhe bereits auf der - dargestellten -
unvollständigen Störerermittlung. Der Beklagte habe im Rahmen seiner
Ermessenserwägung die gegebene zivilrechtliche Situation, die auch für die
Störerauswahl bedeutsam sei, völlig verkannt. Dies beruhe bereits darauf, dass die
zwischen Klägerin und der Stadt F geschlossene Vereinbarung hinsichtlich ihrer
Reichweite von dem Beklagten nicht zutreffend erfasst worden sei. Denn die dort
geregelte Haftungsfreistellung erfasse auch die Liegenschaft U. Selbst wenn man
dies anders sehe, komme man jedenfalls bei einer Bewertung der gesetzlichen
Beziehungen zwischen ehemaligem Mieter und Vermieter zu einem Ausschluss
der Haftung der Klägerin. Denn auch die Berücksichtigung der mietrechtlichen
Situation führe zu einer vollen Verantwortlichkeit der Vermieterin und
Grundstückseigentümerin (Stadt F). Das Grundstück sei im Jahre 1986 nach
erfolgter Sanierung durch die Klägerin an die Stadt F zurückgegeben worden. Die
Stadt F habe das Grundstück in vollem Bewusstsein noch verbleibender geringer
Restkontaminationen und der folgenden Verjährung zurückgenommen. Damit
seien sämtliche Ansprüche der Stadt F wegen Verschlechterung der Mietsache
längst verjährt. Dies betreffe auch Ausgleichsansprüche nach § 24 Abs. 2
BBodSchG. Weiterhin sei auch anerkannt, dass Restkontaminationen zu Lasten
des Vermieters im Grundstück verbleiben könnten, soweit diese durch
vertragsgemäßen Gebrauch verursacht worden seien. Das bedeute - da die
zivilrechtlichen Beziehungen mehrerer Sanierungsverantwortlicher untereinander
zulässige Ermessenskriterien seien - , dass der Gesichtspunkt der hier gegebenen
zivilrechtlichen Letztverantwortlichkeit der Stadt F nicht im Rahmen der
Ermessensentscheidung zutreffend berücksichtigt worden sei.
überdies führten hier auch Gesichtspunkte materieller Gerechtigkeit dazu, dass
21
22
23
24
25
überdies führten hier auch Gesichtspunkte materieller Gerechtigkeit dazu, dass
eine erhöhte Verantwortlichkeit des Grundstückseigentümers bestehe. Denn
soweit der Beklagte auf die "Sachnähe" der Klägerin im Blick darauf abstelle, dass
sie Nutznießerin der die Verunreinigungen verursachten Nutzungen gewesen sei,
verkenne er, dass auch die Stadt F als Vermieterin über Jahrzehnte durch die
Mietzahlungen der Klägerin an der gefahrgeneigten Nutzung des Grundstückes
profitiert habe. Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass bei Abschluss des
Mietvertrages im Jahr 1957 im Hinblick auf die mit Mineralölumschlag verbundenen
Risiken das Gefahrenpotenzial durch beide Vertragsparteien noch nicht
hinreichend erkannt gewesen sei, führe dies unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten
allenfalls dazu, eine Kostenteilung zwischen den Mietvertragsparteien
anzunehmen. Im Hinblick auf die von der Klägerin bereits im Jahre 1985/1986
durchgeführten Sanierungsmaßnahmen und die Zustimmung der Stadt F als
Vermieterin und Grundstückseigentümerin zur Rückgabe des Grundstückes in
Kenntnis der Restkontaminationen könne auch dieser Aspekt nur dazu führen, eine
neuerliche Inanspruchnahme der Kläger durch die zuständige Behörde als
rechtswidrig anzusehen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 19.08.1999 - berichtigt durch Bescheid vom
11.10.1999 - und den darauf bezüglichen Widerspruchsbescheid vom 13.01.2000
aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie im wesentlichen aus: Soweit die Verantwortung der
Klägerin für die Verunreinigungen in Frage gestellt werde, weil es ja (theoretisch)
auch Vorbelastungen und Kriegsschäden geben könne, bleibe darauf nur zu
antworten, dass jegliche Lebenserfahrung darauf hinweise, dass
Mineralölverunreinigungen aus einem Mineralöllager stammten und dass es
vorliegend keinerlei konkrete Hinweise auf sonstige Verursacher gebe. Soweit die
Klägerin aus dem abgeschlossenen Verwaltungsstreitverfahren über die
Altlastenfeststellung zu ihren Gunsten ableite, dass eine Sanierungspflicht nicht
mehr bestehe und der Beklagte sie nicht mehr heranziehen könne, lasse sich dem
nicht folgen. Die übereinstimmenden Erledigungserklärungen, die das gerichtliche
Verfahren wegen der Anfechtung der Altlastenfeststellung beendet hätten,
stünden - da keine endgültige Aussage über die Sanierungspflichtigkeit treffend -
der endgültigen Heranziehung eines Sanierungspflichtigen nicht entgegen. Daran
ändere auch nichts die Vereinbarung zwischen Klägerin und der Stadt F. Im
übrigen beziehe sich diese Vereinbarung nicht auf das Grundstück U. Unbesehen
dessen habe eine privat-rechtliche Vereinbarung zwischen zwei
Sanierungspflichtigen keine Auswirkungen auf die öffentlich-rechtliche
Sanierungspflicht und nur bedingt Auswirkungen auf die
Störerauswahlentscheidung. Selbst wenn man bei der Auslegung des Vertrages
die Interpretation, die die Klägerin ihm gebe, als möglich unterstelle, könne man
nur zu dem Ergebnis kommen, dass die vertragliche Regelung zumindest nicht
ganz eindeutig sei. Liege aber eine nicht zweifelsfreie zivilrechtliche Vereinbarung
vor, so müsse diese Vereinbarung unberücksichtigt bleiben und komme es alleine
auf die öffentlich-rechtliche Wertung nach der Effektivität der Gefahrenabwehr und
der Sachnähe des auszuwählenden Sanierungspflichtigen an. Neben der Klägerin
sei die Stadt F als Grundstückseigentümerin und damit als Zustandsstörerin
sanierungspflichtig. Dass die Stadt F daneben auch unter dem Aspekt einer
möglichen Mitverursachung durch die Verpachtung des Grundstücks
sanierungspflichtig sein könne, sei demgegenüber nicht ins Gewicht fallend, da die
Verunreinigung des Grundstücks durch den Pächter zumindest nicht Inhalt des
Pachtverhältnisses gewesen sei und keine Anhaltspunkte für ein Wissen und
Geschehenlassen durch die Stadt F bestünden, was einzig zu einer gewissen
Sachnähe der Stadt F zu dem eingetretenen Schaden begründen könnte.
Ermittlungsbedarf nach weiteren Verursachern bestehe aufgrund der Ursache der
Verunreinigung nicht. Beide Sanierungspflichtigen böten nach dem Grundsatz der
effektiven Gefahrenabwehr die gleiche Gewähr für die Beseitigung der
Verunreinigung. Die Auswahlentscheidung habe daher im weiteren nach der
Sachnähe der in Frage kommenden Sanierungspflichtigen zu erfolgen. Hierbei sei
die Klägerin als Nutznießerin der die Verunreinigungen verursachenden Nutzungen
auf dem Grundstück vorrangig in Anspruch zu nehmen.
26
27
28
29
30
31
32
33
34
Die Kammer hat mit Beschluss vom 21.12.2001 den Rechtsstreit auf den
Berichterstatter zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der beigezogenen Verfahrensakten - und - sowie der einschlägigen
Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes (1 Hefter sowie 1 Karton mit diversen
Unterlagen), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 19.08.1999
in der berichtigten Fassung vom 11.10.1999 sowie der darauf bezügliche
Widerspruchsbescheid vom 13.01.2000 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin
nicht in ihren Rechten.
Die Rechtmäßigkeit der bodenschutzrechtlichen Anordnung vom 19.08.1999
richtet sich nach dem Gesetz zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen
und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz - BBodSchG -) vom
17.03.1998 (BGBl I S. 502).
Die bodenschutzrechtliche Anordnung vom 19.08.1999 ist gestützt auf § 10 Abs. 1
Satz 1 BBodSchG und § 13 Abs. 1 Satz 1 BBodSchG. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1
BBodSchG kann die zuständige Behörde zur Erfüllung der sich aus §§ 4 und 7 und
den aufgrund von § 5 Satz 1, §§ 6 und 8 erlassenen Rechtsverordnungen
ergebenden Pflichten die notwendigen Maßnahmen treffen. Nach § 13 Abs. 1
BBodSchG können bei Altlasten, bei denen wegen der Verschiedenartigkeit der
nach § 4 erforderlichen Maßnahmen ein abgestimmtes Vorgehen notwendig ist
oder von denen aufgrund von Art, Ausbreitung oder Menge der Schadstoffe in
besonderem Maße schädliche Bodenveränderungen oder sonstige Gefahren für
den einzelnen oder die Allgemeinheit ausgehen, die zuständige Behörde von
einem nach §§ 4 Abs. 3, 5 oder 6 zur Sanierung Verpflichteten sowohl
Sanierungsuntersuchungen als auch die Vorlage eines Sanierungsplans verlangen.
Dass hier eine Altlast in diesem Sinne gegeben ist, die zu Maßnahmen der
genannten Art Anlass gibt, ist für das Gericht nicht zweifelhaft. Zunächst liegt hier
eine bestandskräftige Altlastenfeststellung hinsichtlich des Grundstücks U vor.
Diese Altlastenfeststellung ist allerdings noch vor Inkrafttreten des BBodSchG
ergangen und entnahm demgemäss in materiell-rechtlicher Hinsicht den
Bewertungsmaßstab dem Hessischen Altlastengesetz. Ist die
Grundstückssanierung allerdings noch nicht durchgeführt, versteht es sich von
selbst, dass die materiell- rechtlichen Anforderungen an Sanierungsmaßnahmen
am BBodSchG und dem unter- gesetzlichen Regelungswerk sich zu orientieren
haben. Denn infolge der Verdrängung landesrechtlicher Regelungen zum
materiellen Altlastenrecht durch das BBodSchG können nur noch
Sanierungsmaßnahmen in Betracht kommen, wenn diese materiell- rechtlich
durch das BBodSchG getragen werden.
Hier ist das streitbefangene Grundstück U auch nach den materiell- rechtlichen
Maßstäben des BBodSchG als sanierungsbedürftige Altlast zu qualifizieren, die
zudem Anlass gibt, die Sanierung durch ein Sanierungskonzept der geforderten
Art im Sinne des § 13 Abs. 1 BBodSchG vorzubereiten.
Die Voraussetzungen, unter denen der Beklagte das streitbefangene Grundstück
zur Altlast erklären konnte, liegen in materiell-rechtlicher Hinsicht auch nach den
Vorschriften des BBodSchG vor.
§ 2 Abs. 5 Ziff. 2 BBodSchG sind Altlasten Grundstücke stillgelegter Anlagen - zu
denen nach der hier heranzuziehenden Legaldefinition des § 3 Abs. 5 BlmSchG
(vgl. Sanden/Schoeneck, BBodSchG, § 2 Rdnr. 73 m. w. N.) auch Betriebsstätten
gehören -, auf denen mit umweltgefährdenden Stoffen - hier vornehmlich
aromatische Kohlenwasserstoffe in Form von BTEX und
Mineralölkohlenwasserstoffen - umgegangen wurde. Dadurch sind auch schädliche
Bodenveränderungen für die Allgemeinheit hervorgerufen worden. Solche sind
nach Maßgabe von § 2 Abs. 3 BBodSchG Beeinträchtigungen der
Bodenfunktionen, die geeignet sind, Gefahren für den einzelnen oder die
Allgemeinheit herbeizuführen. Zur Beurteilung von schädlichen
Bodenveränderungen, altlastenverdächtigen Flächen und Altlasten ist die gemäß §
8 BBodSchG erlassene Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung vom 12. Juli
35
36
37
8 BBodSchG erlassene Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung vom 12. Juli
1999 (BGBl. I S. 1554) - BBodSchV - heranzuziehen. Dabei geht § 8 Abs. 1 Satz 2
Nr. 2 BBodSchG davon aus, dass bei Überschreitung des entsprechenden
Maßnahmenwertes in der Regel von einer schädlichen Bodenveränderung - und
damit auch von einer Altlast - auszugehen ist. Soweit in der BBodSchV für einen
Schadstoff kein Prüfwert oder Maßnahmenwert enthalten ist, sind gemäß § 4 Abs.
5 BBodSchV für die Bewertung der festgestellten Werte die zur Ableitung der
entsprechenden Werte in Anhang 2 herangezogenen Methoden und Maßstäbe zu
beachten, wie sie in der Bekanntmachung vom 18. Juni 1999 (Bundesanzeiger Nr.
161 a vom 28. August 1999) veröffentlicht
Das Bundes-Bodenschutzgesetz und die dazu ergangenen untergesetzlichen
Vorschriften - Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung und
Bekanntmachung über die "Methoden und Maßnahmen für die Ableitung der Prüf-
und Maßnahmenwerte nach der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung
(BBodSchV) vom 18. Juni 1999" - enthalten für den hier alleine als relevant in Frage
kommenden Wirkungspfad Boden-Grundwasser für Mineralölkohlenwasserstoffe
und für leichtflüchtige aromatische Kohlenwasserstoffe - BTEX - lediglich Prüfwerte
für das Bodensickerwasser (200 µg/l bzw. 20 µ/l - Anhang 2 Ziff. 3.1 BBodSchV),
jedoch auch insoweit keinen Maßnahmenwert. Ferner enthalten das Bundes-
Bodenschutzgesetz und die dazu ergangenen untergesetzlichen Vorschriften
keine Parameter zur Beurteilung der auf dem streitbefangenen Grundstück
festgestellten Belastung der Bodenluft mit BTEX im Hinblick gerade auf den
Wirkungspfad Boden - Grundwasser. Bei diesen Gegebenheiten können nach
Auffassung des erkennenden Gerichts zur Beurteilung der Gefahr für das
Grundwasser bzw. einer schädlichen Bodenveränderung auf Länderebene
vorhandene Prüf- und Maßnahmenwerte angewandt werden, wenn diese den
sonstigen Anforderungen des Bundes-Bodenschutzgesetzes und der Bundes-
Bodenschutz- und Altlastenverordnung entsprechen (vgl. Hess. VGH, Beschluss
vom 13.07.2001 - 6 TG 1761/99; OVG Lüneburg, Beschluss vom 03.05.2000 - ZfW
2000, 247 (250); VGF/M. v. 11.09.2001 - 14 E 2224/99; Hipp/Recht/Turian, Bundes-
Bodenschutzgesetz, Rdnr. 341).
Dies findet eine sachliche Rechtfertigung darin, dass die bislang auf Landesebene
angewandten Prüf- und Maßnahmenwerte für Bodenluft- und
Bodenverunreinigungen nach Auffassung des Gerichts grundsätzlich geeignet
waren, eine tragfähige Grundlage - weil sachverständige Festlegung - für die
Annahme einer schädlichen Bodenveränderung durch die so festgestellte
Verunreinigung zu liefern. Maßnahmenwerte für Schadstoffgehalte der Bodenluft
enthält die Verwaltungsvorschrift zu § 77 des Hess. Wassergesetzes für die
Sanierung von Grundwasser- und Bodenverunreinigungen im Hinblick auf den
Gewässerschutz (Gw-VwV) vom 19. Mai1994 (Staatsanzeiger, 1994, S. 1590).
Nach dieser Grundwasserverwaltungsvorschrift (Anlage 1 Ziff. 5) liegt der
Maßnahmenwert für Verunreinigungen durch BTEX in der Bodenluft bei 25mg/m³,
der Prüfwert bei 5 mg/m³. Der Prüfwert für Grundwasserverunreinigungen mit BTEX
liegt danach bei 30 µg/l und damit sogar über dem in der BBodSchV (Anhang 2
Ziff. 3.1) enthaltenen Prüfwert zur Beurteilung des Wirkungspfads Boden-
Grundwasser nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBodSchG (20 µg/l). Der
Maßnahmenwert liegt bei 120 µg/l. Nach den Empfehlungen der LAWA -
Länderarbeitsgemeinschaft Wasser - für die Erkundung, Bewertung und
Behandlung von Grundwasserschäden liegt der Maßnahmenschwellenwert für BTEX
in der Bodenluft bei grundsätzlich 50 mg/m³, während der Prüfwert grundsätzlich
bei 5-10 mg/m³ liegt (siehe dort Fußnote 9 zur Tabelle 3). Für Kohlenwasserstoffe (
DEVH 18) beläuft sich der Prüfwert in den GwV auf 200µg/l, der Maßnahmenwert
auf 1000 µg/l. Nach Auffassung des Gerichts können für den Wirkungspfad Boden-
Grundwasser die Maßnahmenwerte der Gw-VwV und der LAWA jedenfalls zur
Beurteilung einer schädlichen Bodenverunreinigung und einer daraus
abzuleitenden Altlastenfeststellung zugrundegelegt werden. Die von der SIG
festgestellten Werte liegen im übrigen weitgehend so erheblich über den
einschlägigen Maßnahmenwerten, dass sie ohne weiteres die Feststellung einer
altlastenbegründenden Bodenschädigung tragen.
Gesichtspunkte, die im vorliegenden Fall ein Abgehen von der nach Maßgabe von §
8 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 2 BBodSchG regelmäßig anzunehmenden Altlast rechtfertigen
könnten, sind nicht ersichtlich. Deshalb ist auch unter Geltung des BBodSchG
materiellrechtlich die ursprüngliche Altlastenfeststellung weiterhin tragfähig und
rechtfertigt hier angesichts von Quantität und Qualität Maßnahmen nach §§ 10
Abs. 1, 13 Abs. 1 BBodSchG.
38
39
40
41
42
43
Die Klägerin ist auch Verpflichtete im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG.
Danach sind der Verursacher einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast
sowie dessen Gesamtrechtsnachfolger, der Grundstückseigentümer und der
Inhaber der tatsächlichen Gewalt über ein Grundstück verpflichtet, den Boden und
Altasten sowie durch schädliche Bodenveränderungen oder Altlasten verursachte
Verunreinigungen von Gewässern so zu sanieren, dass dauerhaft keine Gefahren,
erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für den einzelnen oder die
Allgemeinheit entstehen. Die Klägerin ist Gesamtrechtsnachfolgerin der E, die
durch Mineralöllagerung und - umschlag auf dem Grundstück U die dort
vorgefundenen Verunreinigungen verursacht hat. Einer weiteren Sachaufklärung
unter der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedurfte es nicht. Die
Rechtsvorgängerin der Klägerin hat das Grundstück als Teil eine weiterreichenden
Betriebsgeländes in der Zeit von 1957 bis 1984 zu Mineralöllagerung und -
umschlag genutzt. Die festgestellten erheblichen Verunreinigungen mit BTEX und
Kohlenwasserstoffen entsprechen dem üblichen Schadensbild, wie es sich
regelmäßig nach nicht ordnungsgemäßem Umgang mit Mineralöl auf früher zur
Lagerung und zum Umschlag genutzten Betriebsgrundstücken darstellt. Insoweit
ergeben sich im Schadensbild grundsätzlich keine Abweichungen zu den
Verunreinigungen, wie sie auf der Oberhafenhalbinsel vorgefunden wurden, die den
Hauptbereich der Tanklagerung erfasste und auf der sich auch der weitere Teil des
Betriebsgeländes der Rechtsvorgängerin der Klägerin - das Grundstück D - befand.
Ernsthafte Anhaltspunkte für (ausschließlich) anderweitige Schadensursachen
vermag das Gericht nicht zu erkennen. Dies gilt im Blick zunächst auf etwaige
seitwärtige Einträge. Soweit dafür grundsätzlich die großflächigen
Verunreinigungsherde auf der verschiedenen Mineralölfirmen als Betriebsgelände
dienenden Oberhafenhalbinsel in Betracht gezogen werden könnten, scheiden sie
hier schon deshalb aus, weil diese sogenannte Ölinsel durch tiefreichende
Spundwände gegen die Hafenbecken eingedichtet ist.
Auch für andere Verursachungsgründe oder Verursacher sind keine greifbaren
Anhaltspunkte erkennbar. Soweit die Klägerin - darin auch ein Ermittlungsdefizit
sehend - für die Zeit vor ihrer Nutzung des Geländes auf mögliche
Kriegsschadensursachen für die Verunreinigungen hinweist, gilt folgendes: Die
Klägerin hat dies so allein in den Raum gestellt, dazu aber selbst keine
Anknüpfungstatsachen benannt, die für das in Frage stehende Grundstück Anlass
zu dahingehenden weiteren Untersuchungen geben könnten. Im übrigen ist schon
im Gutachten vom 27.01.1986 ausdrücklich differenziert worden zwischen der
Verladestelle "Alter Teil" (Betriebsfläche D auf der Oberhafeninsel) und der
Verladestelle "Neuer Teil" (Betriebsfläche U Straße). Denn dort wird nur eine
Vornutzung für das Grundstück D im Blick auf Mineralöllagerungen und -schäden
bis in die Vorkriegszeit erörtert und festgestellt (dort S. 2/3), während dies für den
"Neuen Teil" Uhlfelder Straße nicht der Fall ist. Dort wird ferner ebenfalls schon für
die U Straße - im Unterschied zur D - hinsichtlich der seinerzeit festgestellten
Verunreinigungen darauf hingewiesen, dass es sich um jüngere Schäden bzw.
jüngere Versickerungen handelt (dort etwa S. 20/21). Diese Beurteilung wurde
auch getragen durch den Umstand, dass sich ein (noch) hoher Anteil an Benzol
bei den Aromaten feststellen ließ, da Benzol innerhalb der Aromatengruppe
bevorzugt abgebaut wird (S. 22). Auch das Gutachten der SGI vom 02.05.1994
führt hinsichtlich der Verursachung zu keiner neuen Erkenntnislage.
Zeitlich nach dem Ende der Nutzung durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin
sind keine Nutzungen bekannt, die zu Verunreinigungen der vorgefundenen Art
führen könnten.
All dies bedeutet aus Sicht des Gerichts zweierlei:
In jedem Fall ist davon auszugehen, dass während der Zeit der Nutzung des hier in
Frage stehenden Betriebsgeländes U durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin
diese Verunreinigungen herbeigeführt hat. Selbst wenn nicht mit völliger Sicherheit
ausgeschlossen werden könnte, dass ein Teilbeitrag einem weiteren Verursacher
zuzurechnen sein könnte, würde dies angesichts der hier vorgefundenen und
dargestellten Gegebenheiten nicht ein Ermittlungsdefizit begründen. So hat der
Hessische VGH in seiner Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass die meisten
Altlasten eine lang zurückliegende, oft verwickelte und nicht mehr aufklärbare
Entstehungsgeschichte haben. über die Ursachen und noch mehr über die
Verursacher der Kontamination oder auch über deren Ursachenbeitrag werde es
immer wieder Unklarheiten geben. Wolle man in diesen Fällen deren lückenlose
44
45
46
47
48
immer wieder Unklarheiten geben. Wolle man in diesen Fällen deren lückenlose
Aufklärung verlangen oder im Falle verbleibender Unsicherheiten den Nachteil der
Behörde mit der Folge aufbürden, dass bei einer Mehrheit von
Sanierungsverantwortlichen diese nur in Anspruch genommen werden könnten,
wenn sich nachweisen lasse, in welchem Umfang jeder die Verunreinigung
verursacht habe, so würde der Zweck einer möglichst umgehenden
Altlastensanierung durch schnelles und effektives Vorgehen bei der Auswahl der
Verantwortlichen mindestens erschwert oder im Ergebnis vereitelt (Hess. VGH,
Urteil vom 31.08.2000 - 6 UE 4184/96 - S. 10 des amtlichen Umdrucks; Hess.
VGH, Beschluss vom 03.03.1992 - 12 TH 1258/91 - ESVGH 42, 222 ff). Zu weiteren
Ermittlungen gleichsam "ins Blaue hinein" ist die Behörde nicht verpflichtet, wenn -
wie hier - keine ernsthaft verfolgbaren Anknüpfungstatsachen für eine anderweitig
zu findende Schadensverantwortlichkeit vorliegen.
Im übrigen ist das Bestreiten der Sanierungspflicht für das Grundstück U durch die
Klägerin nicht frei von einem Widerspruch zu der von ihr vertretenen Auffassung,
dieses Grundstück sei in den Vertrag vom 23.01.1996/26.02.1996 mit der Stadt F
einbezogen, eben jenem Vertrag, der die finanzielle Abgeltung der
Sanierungspflicht der Rechtsvorgängerin der Klägerin zum Gegenstand hat.
Soweit es die Inanspruchnahme der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der
Verursacherin und Handlungsstörerin betrifft, ist diese Entscheidung rechtlich nicht
zu beanstanden. Eine Entlassung der Klägerin aus der Sanierungspflicht infolge
eines Rechtsverzichts des Beklagten oder eingetretener Verwirkung liegt nicht vor.
Soweit die Klägerin einen Verzicht des Beklagten daraus ableitet, dass das
gerichtliche Verfahren hinsichtlich des Altlastenfeststellungsbescheids für das
Grundstück U durch beiderseitige Erledigungserklärung seinen Abschluss gefunden
habe, erweist sich diese Folgerung, die insbesondere an die Prozesserklärung des
Beklagten anknüpft, als rechtlich nicht haltbar. Die Beendigung des Verfahrens -
beruhte entscheidend auf der Disposition der Rechtsvorgängerin der Klägerin. Der
Beklagte hat sich allein der Erledigungserklärung der Klägerseite angeschlossen,
ohne irgendwelche Erklärungen zu einer späteren Inanspruchnahme der Klägerin
zum Zwecke der Sanierung des Grundstücks U abzugeben. Abgesehen davon hat
der Beklagte im Rahmen der Korrespondenz ausdrücklich deutlich gemacht, dass
der Vertrag der Rechtsvorgängerin der Klägerin mit der Stadt F für den
Rechtsstreit über die Altlastenfeststellung bedeutungslos sei (Schriftsatz vom
03.03.1997 im Parallelverfahren - betreffend das in jedem Fall von dem Vertrag
erfasste Betriebsgrundstück D). Da es auf eine tatsächliche Erledigung als
Voraussetzung für eine Erledigung im Sinne des § 161 Abs. 2 VwGO nicht
ankommt (vgl. Kopp-Schenke, VwGO, 13. Auflage 2003, § 161 Rdnr. 10), kann
daraus, dass sich der Beklagte der Erledigungserklärung angeschlossen hat, keine
weitergehende Konsequenz gar im Sinne eines Rechtsverzichts für die Frage einer
späteren Inanspruchnahme als Sanierungsverantwortliche gezogen werden.
Gleichermaßen hat der erklärungsneutral gehaltene Anschluss an die
Erledigungserklärung der Rechtsvorgängerin der Klägerin für diese keinen
Vertrauenstatbestand unter Verwirkungsgesichtspunkten schaffen können.
Deshalb kann hier auch dahingestellt bleiben, ob hoheitliche Befugnisse auf dem
Gebiet der Gefahrenabwehr überhaupt einer Verwirkung zugänglich sind.
Der Beklagte war auch unter dem Blickwinkel einer von der Klägerin erörterten
Selbstbindung sowie unter Rückwirkungsgesichtspunkten nicht dazu gehalten, von
einer Inanspruchnahme der Klägerin abzusehen. Der Umstand, dass bereits zu
einem früheren Zeitpunkt Sanierungsmaßnahmen durchgeführt wurden, die
glauben ließen, die Verunreinigungen seien sämtlich beseitigt, entlässt den
Verursacher nicht aus seiner Sanierungspflicht, wenn sich aufgrund neuer
Erkenntnisse feststellen lässt, dass die ursprünglichen Schadensfeststellungen
und damit die Gefahrenbeurteilung - hier zudem durch ein von der
Rechtsvorgängerin der Klägerin in Auftrag gegebenes Gutachten mitentscheidend
veranlasst - objektiv unzutreffend wahren. Ergibt sich aufgrund neuer Erkenntnisse,
dass die Gefahrenlage fortbesteht, korrespondiert damit auch das Fortbestehe der
Sanierungsverantwortlichkeit und die Möglichkeit der Inanspruchnahme.
Der Beklagte hat bei der Inanspruchnahme der Klägerin als Verursacherin und
damit Handlungsstörerin auch das ihm eingeräumte Ermessen entsprechend dem
Zweck der gesetzlichen Ermächtigung ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des
Ermessens eingehalten. Dies gilt unter Berücksichtigung der in gerichtlichen
Verfahren zulässig nachgeschobenen Erwägungen (§ 114 Satz 2 VwGO).
Soweit die Klägerin einen Ermessensnichtgebrauch daraus herleitet, dass der
48
49
50
51
Soweit die Klägerin einen Ermessensnichtgebrauch daraus herleitet, dass der
Beklagte weitere in Frage kommende Verhaltensstörer nicht ermittelt habe,
obwohl hierzu nach der Aktenlage Anlass bestanden habe, hat das Gericht bereits
im Zusammenhang mit den Feststellungen zur Verursachung der
Verunreinigungen durch die Rechtsvorgängerin der Klägerin ausgeführt, dass
angesichts des vorliegenden Erkenntnismaterials und -standes kein Anlass zu
weitergehenden Recherchen hinsichtlich anderer möglicher Verursacher
bestanden hat. Deshalb schlägt dies auf die Rechtmäßigkeit der
Ermessensbetätigung ebenfalls nicht durch. Die Auswahlentscheidung konnte sich
allein auf die Klägerin als Handlungsstörerin sowie die Stadt F als Zustandsstörerin
beschränken.
Dass der Beklagte dabei hinsichtlich der getroffenen bodenschutzrechtlichen
Anordnung - der Aufstellung eines Sanierungskonzepts als erster Stufe der
Schadensbeseitigung - die Klägerin in Anspruch genommen hat, ist rechtlich nicht
zu beanstanden.
Maßgebender Gesichtspunkt für die Störerauswahl hinsichtlich der Feststellung
und Sanierung von Altlasten ist der Gesichtspunkt schneller und effektiver
Gefahrenabwehr (Hess. VGH, Urteil vom 31.08.2000 - 6 UE 4184/96 - S. 11/12 des
amtlichen Umdrucks m. w. N.). Dieser Grundsatz kann dazu führen, dass die
vorrangige Heranziehung des Zustandsstörers vor allem dann in Betracht kommt,
wenn die Verursachung nicht eindeutig aufklärbar ist. Ist allerdings ein
Verhaltensverantwortlicher ermittelt, dem mit der gebotenen hinreichenden
Sicherheit die Schadensursache zuzurechnen ist, so kann - sofern dadurch nicht
aus einzelfallbezogenen Gründen dem genannten Bedürfnis an schneller und
effektiver Gefahrenabwehr zuwider gehandelt würde - tendenziell der ermittelte
Verhaltensverantwortliche vorrangig vor dem Zustandsverantwortlichen
herangezogen werden (Hess. VGH, Urteil vom 31.08.2000 - 6 UE 4184/96 - S. 12
des amtlichen Umdrucks m. w. N.).
Es liegen hier auch keine durchgreifenden einzelfallbezogenen Besonderheiten vor,
die aus Ermessensgesichtspunkten von einer Inanspruchnahme der Klägerin
absehen lassen mussten. Dies gilt insbesondere auch für das von der Klägerin
insoweit angesprochene zivilrechtliche Verhältnis mit der Stadt F als
Zustandsverantwortlicher. Zwar kann das zivilrechtliche Verhältnis zwischen
mehreren Sanierungsverantwortlichen bei der Ermessensauswahl Bedeutung
erlangen. Es gibt aber keinen allgemeinen Rechtssatz, nach dem bei der
Störerauswahl immer sicherzustellen ist, dass bei zwei gleichermaßen zur
Gefahrenabwehr geeigneten Störern der Eingriff in die Zivilrechtsordnung immer
so gering wie möglich zu halten ist (VGH Mannheim, Beschluss vom 29.04.2002 -
10 S 2376/01 - VBlBW 2002, 431 ff = UPR 2002, 398 f unter Hinweis auf BVerwG,
Beschluss vom 02.07.1998 - 7 B 72.98 - Juris-Rechtsprechung; siehe auch BVerwG,
Beschluss vom 24.08.1989, NVwZ 1990, 474). Deshalb sind schließlich die den
Einzelfall prägenden Besonderheiten maßgebend. Liegt etwa der Behörde bei der
Auswahl des von ihr in Anspruch genommenen Störers eine unstreitige
zivilrechtliche Vereinbarung im Innenverhältnis vor, so würde deren völlige
Nichtberücksichtigung eventuell zur Ermessensfehlerhaftigkeit führen können (in
diesem Sinne VGH Mannheim, Beschluss vom 29.04.2002, a. a. O.). So verhält es
sich hier allerdings nicht. Die von der Klägerin herangezogene Vereinbarung mit
der Stadt F vom 23.01.1996/26.02.1996 ist in Bezug auf die Einbeziehung des
Grundstücks U gerade nicht unstreitig. Die Stadt F hat sich in ihrer Stellungnahme
vor der getroffenen Auswahlentscheidung gegenüber dem Beklagten dahingehend
geäußert, dass sie der Vertragsauslegung der Klägerin nicht zustimme, aus ihrer
Sicht allein die auf der Oberhafenhalbinsel gelegenen Grundstücke - bezogen auf
die Klägerin also nur das Grundstück D - Regelungsgegenstand sein. Der Beklagte
hat jedenfalls im Widerspruchsbescheid vom 13.01.2000 auf die möglichen
bedingten Auswirkungen einer zivilrechtlichen Vereinbarung zwischen zwei
Sanierungspflichtigen auf die Auswahlentscheidung hingewiesen, wobei sich hier
seiner Begründung entnehmen lässt, dass er bei Bewertung der Vereinbarung die
Rechtsauffassung der Stadt F teilt. Im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens hat der Beklagte dies in Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der
Klägerin zulässigerweise dahingehend ergänzt § 114 Satz 2 VwGO, selbst für den
Fall, dass man bei Auslegung des Vertrages die Interpretation, die ihm die Klägerin
gebe, als möglich unterstelle, könne man nur zu dem Ergebnis kommen, dass die
vertragliche Regelung zumindest nicht ganz eindeutig sei, eine nicht zweifelsfreie
zivilrechtliche Vereinbarung aber unberücksichtigt bleiben müsse und es allein auf
die öffentlich-rechtliche Wertung nach der Effektivität der Gefahrenabwehr und der
Sachnähe des auszuwählenden Sanierungspflichtigen ankomme. Dagegen ist
52
53
54
55
56
57
58
Sachnähe des auszuwählenden Sanierungspflichtigen ankomme. Dagegen ist
unter Ermessensgesichtspunkten nichts zu erinnern. Daran wäre hier nur dann zu
denken gewesen, wenn der Beklagte einer rechtlich eindeutigen Vereinbarung eine
unvertretbare abweichende Auslegung hätte zukommen lassen. Dies ist hier
indessen nicht geschehen. Abgesehen davon, dass bereits eine zwischen den
beiden Sanierungsverantwortlichen hinsichtlich Umfang und Reichweite streitige
Vereinbarung bei der Auswahlentscheidung unberücksichtigt gelassen werden
dürfte, ist hier aus der Sicht des Gerichts die Auffassung des Beklagten gut
vertretbar, dass die Vereinbarung vom 23.01.1996/26.02.1996 nur die
Grundstücke auf der Oberhafeninsel - der sogenannten Ölinsel - erfasst und damit
nicht das Grundstück U. Diese Bewertung würde im übrigen auch eher im Einklang
stehen mit dem Umstand, dass als Kostenverteilerschlüssel für die Anteile der am
Sanierungsvertrag beteiligten Mineralölkonzerne hier die Größe der Mietflächen auf
der Halbinsel gewählt wurde (Schimpf u. a., Konzertierte mikrobielle in-situ-
Sanierung eines Mineralölhafens aufgrund öffentlich-rechtlicher
Sanierungsverträge HdA, 17. Erg-Lfg 2. Auflage, September 1999, S. 10), so dass
eine gewollte Freistellung des außerhalb der Ölinsel liegenden Grundstücks U auch
von daher schon rechtlich als eher zweifelhaft erscheint.
Soweit die Klägerin auf weitere Zusammenhänge mitrechtlicher Art hinweist, die
aus ihrer Sicht eine zivilrechtliche Letztverantwortlichkeit der Stadt F begründen
und - daraus abgeleitet - die Auswahlentscheidung beeinflussen sollen, teilt das
Gericht diese Auffassung nicht. Es handelt sich dabei - auch hinsichtlich der
rechtlichen Bewertung angesprochenen Aktenvermerke - um schwierig gelagerte
Fragen des Zivilrechts (wie sich auch den Ausführungen des Urteils des BGH vom
10.07.2002 - XII ZR 107/99 - NJW 2002, 3234 ff entnehmen lässt), die keinen
steuernden Einfluss auf die öffentlich-rechtliche Auswahlentscheidung haben
können. Ein solches zivilrechtliches Durchentscheiden in nicht einfach gelagerten
zivilrechtlichen Fragestellungen wird aber den Behörden im Rahmen der öffentlich-
rechtlichen Auswahlentscheidung bei bodenschutzrechtlichen Anordnungen auch
unter dem Gesichtspunkt der "Einheit der Rechtsordnung" nicht abverlangt (vgl.
dazu BVerwG, Beschluss vom 24.08.1999, a. a. O.).
Soweit der Beklagte sich schließlich bei der Störerauswahl auf der Primärebene
davon hat leiten lassen, dass nach der Sachnähe die Klägerin als Nutznießerin der
die Verunreinigungen verursachenden Nutzungen auf dem Grundstück vorrangig
in Anspruch zu nehmen sei, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Die
Überlegungen der Klägerin zu Gründen materieller Gerechtigkeit, die eine
abweichende Beurteilung nahe legen sollen, hält das Gericht nicht für
durchschlagend. Denn von besonderer Bedeutung ist auch hier, dass Verursacher
der Verunreinigungen die Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin war.
Hinsichtlich der Frage der finanziellen Leistungsfähigkeit unterliegt die
Auswahlentscheidung ebenfalls keinen Bedenken unter
Ermessensgesichtspunkten. Der vorläufig veranschlagte Betrag von ca. 25.000,--
DM (= 12.782,30 Euro) für dies die erste Stufe einer Sanierung betreffende
Sanierungskonzept sind von der Klägerin mit Sicherheit aufzubringen.
Die weiteren Maßgaben der Anordnung vom 19.08.1999 in der berichtigten
Fassung vom 11.10.1999 sind rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gilt auch für die
genannten Sanierungszielwerte. Dabei ist zu beachten, dass es sich um die erste
Sanierungsstufe handelt, was bedeutet, dass die Sanierungszielwerte späteren
Korrekturen zugänglich sind, sofern sich herausstellen sollte, dass etwa angesichts
der Standortbedingungen diese Sanierungsziele nur mit einem unverhältnismäßig
hohen Aufwand erreicht werden könnten.
Die Kosten des Verfahrens hat gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Klägerin zu tragen,
weil sie unterlegen ist.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V.
m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung...
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert.